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leistungsschutz reality distortion field

felix schwenzel

  spie­gel.de: Lau­er kri­ti­siert Ver­lags­ko­ope­ra­ti­on mit Goog­le   #

chris­to­pher lau­er:

Wenn [Goog­le] den Ver­la­gen hel­fen wol­le, dann „könn­te Goog­le doch ein­fach das Leis­tungs­schutz­recht ak­zep­tie­ren.

Mit dem Geld könn­ten die Ver­la­ge dann auch in di­gi­ta­le In­no­va­tio­nen in­ves­tie­ren“. Goog­le hat­te ver­gan­ge­ne Wo­che an­ge­kün­digt, mit ei­ner 150 Mil­lio­nen Euro schwe­ren „Di­gi­tal News In­itia­ti­ve“ In­no­va­tio­nen im di­gi­ta­len Jour­na­lis­mus för­dern zu wol­len. An der Ko­ope­ra­ti­on, die mit acht Grün­dungs­ver­la­gen ge­star­tet ist, sind in­zwi­schen di­ver­se Me­di­en­häu­ser in Eu­ro­pa be­tei­ligt, un­ter an­de­rem DER SPIE­GEL.

als die ver­la­ge in geld schwam­men, weil sie dienst­leis­tun­gen und wer­be­flä­chen na­he­zu kon­kur­renz­los an­bie­ten konn­ten, hat­ten ver­la­ge kaum in­ter­es­se an in­no­va­ti­on oder ver­än­de­rung des an­zei­gen­mark­tes. dass axel sprin­ger sei­nen kon­zern jetzt an­ge­sichts der kri­se und ab­seh­bar ein­bre­chen­der auf­la­gen und er­lö­se im klas­si­schen ge­schäft auf di­gi­tal und in­no­va­tiv trimmt, hat also we­ni­ger mit geld zu tun, als mit kon­ku­renz. mein ein­druck ist ja, dass man mit dem leis­tungs­schutz­recht die hoff­nung ver­knüpft, die­se kon­ku­renz wie­der aus­zu­schal­ten um end­lich mit die­sem an­stren­gen­den wan­del schluss zu ma­chen. aus­ser na­tür­lich, man de­fi­niert bei sprin­ger in­no­va­ti­on als die schaf­fung von rechts­un­si­cher­heit, bü­ro­kra­tie, zwangs­ab­ga­ben und ver­wer­tungs­ge­sell­schaf­ten.

im­mer­hin ist chris­to­pher lau­er of­fen­bar das geld wert, dass man ihm bei axel sprin­ger zahlt; die rea­li­täts­ver­zer­rung fürs leis­tungs­schutz­recht be­kommt er schon ganz gut hin, auch wenn sich das bis jetzt noch ein biss­chen pa­pa­gei­en­haft an­hört.

(björn czies­lik hat die gan­zen spie­gel-mel­dung ge­le­sen)


[nach­trag]

mar­kus be­cke­dahl er­in­nert an das jahr 2012:


linken und einbetten

felix schwenzel

nau­til.us: The Man Who Beat HIV at Its Own Game for 30 Ye­ars

lan­ger, nicht ganz un­kom­pli­zier­ter text über das evo­lu­tio­nä­re wett­rüs­ten zwi­schen krank­heits­er­re­gern und dem imun­sys­tem und die hoff­nun­gem, rück­schlä­ge und di­lem­ma­ta, die durch be­hand­lung und for­schung die­ser er­re­ger (hier das HIV-vi­rus) ent­ste­hen.

über 15tau­send zei­chen, aber ich fand den text von da­ni­el a. gross (@re­ad­wri­te­radio) le­sens­wert, weil er nicht nur den stand der for­schung gut wie­der­gibt, son­dern auch die ge­schich­ten und die men­schen hin­ter der for­schung sicht­bar macht. ohne pa­thos und ohne über­flüs­si­ge schick­sals­sos­se.


den link oben habe ich, wie im­mer, ganz re­gu­lär als link ge­setzt:

hin­ter dem link steckt ein kur­zer ja­va­script-be­fehl, der ja­va­script­code von emb­edly.com nach­lädt. emb­edly macht dann aus dem ein­fa­chen link eine il­lus­trier­te, bun­te ein­bet­tung. das sieht man al­ler­dings nur bei ak­ti­vier­tem ja­va­script (also zum bei­spiel nicht in RSS-rea­dern) und das sähe dann so aus:

wun­der­bar, bis auf die tat­sa­che, dass die­ses em­bed, wie üb­ri­gens fast alle ein­bet­tungs­me­cha­nis­men, ton­nen­wei­se (ja­va­script) code von drit­ten la­den. da­mit wer­den dann bil­der, wei­te­re scrip­te, tra­cker, zähl­codes, coo­kies nach­ge­la­den, also all das, was auf­rech­ten da­ten­schüt­zer schlaf­lo­se näch­te be­rei­tet (so sähe es üb­ri­gens ohne ja­va­script aus). das ist bei em­beds von you­tube- oder vi­meo-vi­de­os so, bei ein­ge­bet­te­ten tweets, face­book like- oder share-but­tons und so wei­ter und so fort.

ich ver­su­che hier ei­gent­lich sol­che tra­cker zu ver­mei­den und sol­che da­ten­nach­la­der hin­ter ei­nem klick zu ver­ber­gen. you­tube-vi­de­os bet­te ich so ein (bei­spiel), mei­ne flattr, share-, like- oder tweet-but­tons sind alle un­ter slidern ver­steckt und la­den ih­ren schadcode erst nach auf­for­de­rung durch ei­nen klick. bei tweets bin ich eher in­kon­se­quent, de­nen hän­ge ich auch den twit­ter-ja­va­script-schnip­sel an. blo­cken kann man das na­tür­lich al­les brow­ser­seits, zum bei­spiel mit ghos­tery (de­tails und hin­ter­grün­de dazu habe ich mal vor ei­nem jahr auf­ge­schrie­ben und be­spro­chen).

was ich ei­gent­lich sa­gen woll­te: hübsch die­ses emb­edly, da­mit kann man sehr an­spre­chend be­lie­bi­ge links auf­hüb­schen, aber ein­bet­ten nervt auch ein biss­chen. ich ver­su­che mir des­halb mei­ne ein­bet­tungs­codes so­weit mög­lich selbst zu bau­en. mein selbst zu­sam­men­ge­den­gel­ter code für twit­ter sieht üb­ri­gens ohne ja­va­script nach­la­dung von twit­ter.com so aus (und so mit):

Moin!

taz (@taz­ge­zwit­scher01.05.2015 8:22

funk­tio­niert auch ohne nach­träg­li­che ja­va­script-auf­hüb­schung. nennt man das dann als html-ken­ner graceful de­g­re­da­ti­on oder pro­gres­si­ve enhance­ment of graceful stuff?

theo­re­tisch kann ich mir so­gar vor­stel­len für mei­ne ar­ti­kel hier ein­bett­code an­zu­bie­ten. das könn­te dann so aus­se­hen. ich weiss zwar nicht war­um je­mand ei­nen gan­zen ar­ti­kel von mir ein­bet­ten woll­te, aber es be­ru­higt mich zu wis­sen, dass es geht.


  va­ni­ty­fair.com: Oli­ver Sacks, Be­fo­re the Neu­ro­lo­gist’s Can­cer and New York Times Op-Ed   #

law­rence we­sch­ler über oli­ver sacks. an­läss­lich der in kür­ze ver­öf­fent­lich­ten au­to­bio­gra­fie von oli­ver sacks, ver­öf­fent­licht law­rence we­sch­ler auch ein paar no­ti­zen sei­ner frü­hen ge­sprä­che mit ihm:

He re­spects facts, he tells me, and he has a sci­en­tist’s pas­si­on for pre­cis­i­on. But facts, he in­sists, must be em­bedded in sto­ries. Sto­ries—peo­p­le’s sto­ries—are what re­al­ly have him hoo­ked.

Sacks has no ro­man­tic love of the ir­ra­tio­nal, nor does he wor­ship the ra­tio­nal. He speaks of their in­ter-pe­ne­tra­ti­on, as of a gar­den—de­li­ri­um, boun­ded and ta­med back just en­ough to al­low for hu­ma­ne li­ving. The ir­ra­tio­nal needs to be mas­te­red into per­so­na­li­ty. But at the same time, tho­se who have been vi­si­ted by the­se ir­ra­tio­nal fires­torms, and sur­moun­ted them, are so­mehow deeper hu­man beings, more pro­found per­sons, for the ex­pe­ri­ence.

“Part of this time I spent in Ca­li­for­nia, do­ing my re­si­den­cy at U.C.L.A. I li­ved on Ve­nice Beach, dis­gu­i­sed to mys­elf as a mus­cle buil­der at the open-air jungle gym. I was quite sui­ci­dal: I took every drug, my only prin­ci­ple be­ing 'E­very dose an over­do­se.’ I used to race mo­tor­cy­cles in the San­ta Mo­ni­ca Moun­ta­ins. Ap­par­ent­ly I crea­ted so­me­thing of a ruckus at the U.C.L.A. hos­pi­tal: I would take some of the pa­ti­ents, the M.S. vic­tims and the pa­ra­ple­gics who hadn’t mo­ved in ye­ars—they’d ask me and I’d take them out, strap­ped to my back, mo­tor­cy­cling in the moun­ta­ins.

Olga, who has Par­kin­son’s, gets whee­led in. Oli­ver asks her to stand up, and she has a ter­ri­ble time, strugg­ling to rise up from her wheel­chair—but then Oli­ver has her sit down, and he holds out two hands, a sin­gle ex­ten­ded fin­ger pro­tru­ding from each, and she clut­ches the fin­gers and gets up ef­fort­less­ly. “See: you share your ac­tion with them,” he comm­ents to me.

als ich sacks bü­cher zum ers­ten mal las, wa­ren sie eine of­fen­ba­rung. eine of­fen­ba­rung wie man men­schen be­trach­ten und ver­ste­hen kann und was man al­les über men­schen ver­ste­hen kann, wenn man em­pa­thie, ver­ständ­nis und zu­nei­gung zu ih­nen hat.

die­ser ar­ti­kel von law­rence we­sch­ler ist wie al­les von und über oli­ver sacks sehr le­sens­wert.


  faz.net: BND-Af­fä­re: Spio­na­ge un­ter Freun­den, kein Grund zur Auf­re­gung   #

ich tei­le die ein­schät­zun­gen die san­dro gay­cken in die­sem ar­ti­kel for­mu­liert nicht, fin­de es aber un­end­lich wich­tig, ge­nau sol­che mei­nungs­bei­trä­ge zu le­sen und zu er­ken­nen, dass es eben auch an­de­re mehr oder we­ni­ger sinn­voll be­grün­de­te sicht­wei­sen zur spio­na­ge gibt. und na­tür­lich soll man sol­che bei­trä­ge nicht nur le­sen und zur kennt­nis neh­men, son­dern sich ernst­haft und un­po­le­misch mit ih­nen aus­ein­an­der­set­zen.

was ich wirk­lich sehr in deutsch­land ver­mis­se ist die ame­ri­ka­ni­sche denk­sport­art der for­ma­len de­bat­te. in sol­chen de­bat­ten ar­gu­men­tie­ren die teil­neh­mer nicht un­be­dingt für ihre über­zeu­gun­gen, son­dern für eine po­si­ti­on, die eben nicht ih­ren über­zeu­gun­gen ent­spre­chen muss. in­so­fern ist san­dro gay­ckens bei­trag bei der faz sehr wich­tig, bzw. min­des­tens an­re­gend. und so soll­te man auch drauf re­agie­ren, nicht em­pört son­dern an­ge­regt da­ge­gen (oder da­für) ar­gu­men­tie­rend (was ich mir heu­te je­doch er­spa­re).

san­dro gay­cken hat üb­ri­gens 2011 eine stun­de auf der re­pu­bli­ca ge­spro­chen.


blogsterben

felix schwenzel

  doo­ce.com: Loo­king up­ward and ahead   #

hea­ther „doo­ce“ arm­strong hört auf pro­fes­sio­nell zu blog­gen. kott­ke schreibt sie wol­le nur noch „zum spass“ schrei­ben, sie selbst drückt das ne spur dif­fe­ren­zier­ter aus:

I'd like to get back to the re­ason I star­ted “li­ving on­line” in the first place: wri­ting for the love of it, wri­ting when the sto­ry in­si­de is be­gging to be told.

be­un­ru­hi­gen­der­wei­se deu­tet auch kott­ke selbst eine ge­wis­se blog-mü­dig­keit an:

I thought I would do my site pro­fes­sio­nal­ly for the rest of my life, or at least a good long while. The way things are go­ing, in an­o­ther year or two, I'm not sure tha­t's even go­ing to be an op­ti­on.

ich bin mir re­la­tiv si­cher, dass ich bis zu mei­nem le­bens­en­de hier ins in­ter­net schrei­ben wer­de. das ins in­ter­net-schrei­ben war und ist nach wie vor ein teil mei­ner ver­dau­ung — und war­um soll­te ich auf­hö­ren mei­ne ver­dau­ung ein­zu­stel­len? et­was ape­tit­li­cher aus­ge­drückt, wäre blog­gen ins-in­ter­net-schrei­ben wie ko­chen, wür­de ich als pro­fi-koch wahr­schein­lich auch nach ein paar jah­ren an­sät­ze von mü­dig­keit spü­ren. da ich aber vor al­lem für mich (und mei­ne fa­mi­lie) ko­che, gehe ich da­von aus, das bis an mein le­bens­en­de zu tun. von ge­le­gent­li­chen re­stau­rant­be­su­chen oder es­sen­sein­la­dun­gen na­tür­lich ab­ge­se­hen.


  zeit­ma­ga­zin.de: Haus­schlach­tung: Wir schlach­ten ein Schwein   #

schon der zwei­te schlacht­link in­ner­halb ei­ner wo­che. die­se home-slaugh­ter-sto­ry von man­fred klimek und ja­ni­ne sten­gel ist ohne pa­thos aber sehr plas­tisch ge­schrie­ben. gut zu le­sen, auch wenn es vor al­lem ums tö­ten und fres­sen geht.

Auf dem Bau­ern­hof ist es nur in Kin­der­bü­chern schön. Auf dem Bau­ern­hof trei­ben es Hüh­ner und En­ten zwi­schen Trak­to­ren und ge­sta­pel­ten Rei­fen, auf dem Bau­ern­hof schlingt die Kat­ze eine Maus hin­un­ter und starrt da­bei un­ver­wandt in dein Ge­sicht, auf dem Bau­ern­hof frisst die Schwei­ne­mut­ter ei­nes ih­rer Fer­kel auf, das sie irr­tüm­lich er­drück­te. [...] Auf dem Bau­ern­hof ist nichts lus­tig; Bau­ern­hof und Bau­er sind mit un­se­rer von sicht­ba­rem Leid und Tod weit­ge­hend be­frei­ten Welt in­kom­pa­ti­bel. Auf dem Bau­ern­hof wird öf­fent­lich ge­stor­ben. Und es riecht streng.

/via


I am di­s­ap­poin­ted that this very ta­len­ted and ra­ther fun dog has been ban­ned from the park pic.twit­ter.com/L4Ez­kNVy­Jn

Eliza­beth Tan (@Eliza­bethTan8) 20.04.2015 18:28


über­le­ge ob ich mein logo an­pas­sen soll. aber wo be­komm ich das long­board her?


neun gründe warum wir listen mögen (mit bonusgrund)

felix schwenzel

  bbc.com: Nine psy­cho­lo­gi­cal re­asons why we love lists   #

wun­der­bar iro­nisch, eine lis­te der BBC war­um wir lis­ten gut fin­den. ich habe das mal zu­sam­men­ge­fasst und ein­ge­deutscht, lohnt sich trotz­dem das ori­gi­nal zu le­sen.

  1. vor­her­seh­bar­keit: wir wis­sen was uns er­war­tet
  2. un­wi­der­steh­lich­keit: wenn es schon die­se lis­te gibt, dann will ich die auch nicht ver­pas­sen
  3. ver­dau­lich­keit: das le­sen von lis­ten strengt nicht be­son­ders an
  4. ef­fi­zi­enz: wir er­war­ten und wis­sen, dass lis­ten schnell zu kon­su­mie­ren sind und kön­nen meist di­rekt nut­zen dar­aus zie­hen
  5. er­fass­bar­keit: lis­ten las­sen sich mit we­ni­gen bli­cken er­fas­sen
  6. ori­en­tie­rung: wir wis­sen wo wir ste­hen (wenn wir lis­ten le­sen)
  7. spiel­trieb: lis­ten ma­chen (manch­mal) lust zum mit­den­ken: was könn­te der nächs­te punkt der lis­te sein?
  8. se­lek­ti­ve wahr­neh­mung: wir mö­gen es recht zu ha­ben und lis­ten er­leich­tern uns das über­le­sen von din­gen die uns nicht in­ter­es­sie­ren
  9. end­gül­tig­keit: lis­ten wir­ken de­fi­ni­tiv
  10. schreib­freund­lich­keit: jour­na­lis­ten lie­ben es lis­ten zu schrei­ben: statt ei­nen ar­ti­kel sorg­fäl­tig zu struk­tu­rie­ren, die ab­sät­ze auf­ein­an­der zu be­zie­hen und an über­gän­gen zu fei­len, ge­ben lis­ten be­reits die grund­struk­tur vor. und über den schluss­satz muss man auch nicht nach­den­ken, lis­ten hö­ren ir­gend­wann ein­fach auf.

  neil-gai­man.tumb­lr.com: »Dear Neil, I am a hor­ri­ble per­son. How to be kin­der, plea­se?«   #

neil gai­man be­ant­wor­tet die fra­ge, wie man als „furcht­ba­re“ per­son lie­bens­wür­di­ger wer­den kann:

So how to be kin­der if it doesn’t come na­tu­ral­ly?

Fake it.

Fake it a litt­le bit at a time. [...]

Think “What would an ac­tual­ly kind per­son do now?” - and do that. Don’t beat yours­elf up when you fail. Just be as kind to yours­elf as you will be to others - even if you have to fake that.

auf den ers­ten blick ist das die idee der ziem­lich weit­ver­brei­te­ten und bei USA-be­su­chen für deut­sche ziem­lich ir­ri­tie­ren­den ame­ri­ka­ni­schen über­schwäng­li­chen, freund­li­chen höf­lich­keit. al­les nice and won­derful. auf den zwei­ten blick ist das aber ziem­lich gut ge­dacht. denn die­ser tipp ist ein prak­ti­ka­bler wahr­neh­mungs­fil­ter und er­kennt­nis­fär­ber.

wir fin­den näm­lich (er­kennt­nis­theo­re­tisch) meis­ten das wo­nach wir su­chen. wenn ich da­von aus­ge­he, dass men­schen ge­mein (zu mir) sind, kann ich da­für täg­lich hun­der­te von hin­wei­sen fin­den, die mei­ne er­war­tung be­stä­ti­gen. ma­che ich mir je­doch klar, dass die von mir wahr­ge­nom­me­nen ge­mein­hei­ten meist ein er­geb­nis von irr­tü­mern, kurz­sich­tig­keit, nach­läs­sig­keit oder dumm­heit sind — und nicht von bos­heit — sieht die welt schon ganz an­ders aus und ich fin­de plötz­lich hin­wei­se dar­auf, dass men­schen ei­gent­lich ganz OK sind.

ge­gen mis­an­thro­pie kann man sich ent­schei­den; und hand­le und sehe ich nicht mehr mis­an­thro­pisch, füh­le ich mich (mög­li­cher­wei­se) nicht mehr mis­an­throp und wer­de auch nicht mehr als mis­an­throp wahr­ge­nom­men.

sie­he auch „han­lon’s ra­zor“:

Gehe nie­mals von Bös­wil­lig­keit aus, wenn Dumm­heit aus­rei­chend ist.


  zdf.de: NEO MA­GA­ZIN ROYA­LE vom 16.4.2015   #

nach län­ge­rer zeit mal wie­der eine aus­ga­be des neo ma­ga­zin roya­le an­ge­guckt. da war jetzt nicht jede se­kun­de der sen­dung prall un­ter­halt­sam und nicht je­der witz be­son­ders wit­zig, aber die sen­dung hat­te ei­nen gu­ten fluss und kei­ne län­gen. im ge­gen­teil, sie war so prall ge­füllt, dass man das ge­fühl hat­te, dass es böh­mer­mann stän­dig vor­wärts dräng­te. das in­ter­view mit he­le­ne he­ge­mann, das kurz nach der kur­zen stan­dup-rou­ti­ne und dem do-it-yours­elf ne­kro­log von böh­mer­mann kam, floss nach ein paar sät­zen und ei­nem kur­zen, ab­ge­bro­che­nen spiel in den auf­tritt von chil­ly gon­za­les über und dann zum sen­dungs­en­de.

er­staun­lich auch, dass das he­ge­mann-in­ter­view re­la­tiv frei von ge­mein­hei­ten und pein­lich­kei­ten blieb — ei­gent­lich war die ein­la­dung he­ge­manns wohl eh nur ein vor­wand mal ein kurz-por­trait von ihr für den schirm zu­sam­men­zu­schnei­den und ihr kin­der­bil­der ab­zu­luch­sen.

böh­mer­mann hat es sich wirk­lich gut ein­ge­rich­tet in sei­ner me­ta­ebe­ne sen­dung.


  gut­jahr.biz: Me­di­en­wan­del: Ster­ben um zu le­ben?   #

ge­fällt mir, die de­pri­mier­te rede von von ri­chard gut­jahr auf den jour­na­lis­mus­ta­gen in wien. ich fra­ge mich aber, war­um er sich nicht als ro­bert smith ver­klei­det hat.

Ma­chen wir uns nichts vor. All­zu gut ist es um den Jour­na­lis­mus nicht be­stellt. Und wir ha­ben selbst dazu bei­getra­gen. Wir ha­ben uns nicht im glei­chen Maße wei­ter­ent­wi­ckelt, wie un­ser Pu­bli­kum das ge­tan hat. Wir goo­geln und nen­nen das Re­cher­che. Die har­te Wahr­heit: Goog­len kön­nen un­se­re Le­ser auch! Ich gehe so­gar so­weit zu be­haup­ten: Vie­le un­se­rer Le­ser, Hö­rer und Zu­schau­er goog­len so­gar bes­ser als wir das oft tun - sto­ßen im Netz auf Quel­len und Ori­gi­nal­do­ku­men­te, die uns in der Eile ent­gan­gen wa­ren, hal­ten uns un­se­re ei­ge­ne Un­zu­läng­lich­keit vor Au­gen.

(auch auf twit­ter)


TTIP

felix schwenzel

  spie­gel.de: Frei­han­dels­ab­kom­men TTIP: BDI räumt fal­sche An­ga­ben ein   #

die wirt­schaft­ver­bän­de und die re­gie­rung lob­by­ie­ren ge­ra­de mas­siv für TTIP. das ge­plan­te han­dels­ab­kom­men ist stark um­strit­ten und auf bei­den sei­ten, den be­für­wor­tern und den geg­nern, wird aus mei­ner sicht nicht im­mer be­son­ders sau­ber ar­gu­men­tiert. bei­de sei­ten ver­su­chen ängs­te zu er­zeu­gen, die ei­nen vor dem nie­der­gang der eu­ro­päi­schen wirt­schaft falls das ab­kom­men nicht kommt, die an­de­ren vor der de­mo­kra­tie­apo­ka­lyp­se falls es kom­men soll­te.

was mir bis­her bei all der be­richt­erstat­tung über TTIP nicht ge­lin­gen will, ist mir eine ei­ni­ger­mas­sen aus­ge­wo­ge­ne mei­nung zu bil­den. eine art fak­ten­check, eine ge­gen­über­stel­lung der po­si­tio­nen der be­für­wor­ter und der geg­ner und ih­rer ar­gu­men­te. die be­richt­erstat­tung in den me­di­en die mir bis­her zu ge­sicht ge­kom­men ist, be­schränkt sich meis­tens dar­auf zu wie­der­ho­len was die­se oder jene par­tei über TTIP ge­sagt hat oder meint. es man­gelt auch nicht an ver­fah­rens­kri­tik: die ver­hand­lun­gen fin­den hin­ter ge­schlos­se­nen tü­ren statt und of­fen­bar ha­ben in­dus­trie­ver­tre­ter bes­se­ren zu­gang zu den un­ter­händ­lern und in­hal­ten als par­la­men­ta­ri­er, NGOs oder TTIP-geg­ner.

was fehlt ist eine be­wer­tung der kon­kre­ten vor­ha­ben, der stu­di­en dazu und die ein­schät­zung von neu­tra­len ex­per­ten. in dem oben ver­link­ten text geht es ja dar­um, dass der BDI falsch aus ei­ner stu­die zi­tiert hat. wor­um es nicht geht: wie ver­läss­lich sind die zah­len in der stu­die ei­gent­lich? wer hat die stu­die er­stellt? auf ba­sis wel­cher da­ten?

bei der süd­eut­schen zei­tung be­schäf­tig­te sich die re­dak­ti­on mo­na­te­lang mit ge­le­ak­ten steu­er­un­ter­la­gen um am ende her­aus­zu­fin­den, was oh­ne­hin schon je­der weiss: vie­le un­ter­neh­men spa­ren steu­ern in­dem sie ela­bo­rier­te steu­er­spar­mo­del­le am ran­de der le­ga­li­tät er­rich­ten. aber wel­che re­dak­ti­on hat sich bis­her in die­ser aus­führ­lich­keit mit den TTIP vor­ha­ben und un­ter­la­gen (die be­kannt sind) aus­ein­an­der­ge­setzt? habe ich da was ver­passt?

oder noch­mal an­ders­rum ge­fragt: wenn die ge­setz­ge­ber in eu­ro­pa es nicht schaf­fen steu­er­ge­set­ze so zu ge­stal­ten und zu for­mu­lie­ren, dass un­ter­neh­men nicht mehr ohne wei­te­res der be­steue­rung ih­rer pro­fi­te aus dem weg ge­hen kön­nen, wel­che lü­cken, schlupf­lö­cher wer­den sie in TTIP ein­bau­en? ob die­se lü­cken nun ab­sichts­voll ein­ge­baut wer­den oder weil un­se­re ver­tre­ter von in­tel­li­gen­te­ren ver­hand­lungs­part­nern oder lob­by­is­ten über den tisch ge­zo­gen wer­den ist eher se­kun­där. die fra­ge wäre doch eher: kann über­haupt je­mand die fol­gen von TTIP und den dort ver­ein­bar­ten re­geln ein­schät­zen?

(sor­ry für den pos­til­lon-link oben)

  car­ta.info: TTIP: „Kon­zer­ne ge­win­nen an Macht“   #

ei­nen an­satz für ei­ni­ger­mas­sen aus­ge­wo­ge­ne TTIP-be­richt­erstat­tung ver­folgt of­fen­bar car­ta. die­ses kur­ze in­ter­view mit dem ka­na­di­sche ju­ra­pro­fes­sor gus van har­ten ist zwar nicht aus­ge­wo­gen, son­dern, wie alle ein­zel-in­ter­views zu ei­nem the­ma, eher mei­nungs­las­tig, aber car­ta hat of­fen­bar vor mit mit­teln der ru­dolf aug­stein stif­tung aus die­sem the­ma eine län­ge­re rei­he zu ma­chen. bis­her ist ne­ben dem in­ter­view mit van har­ten noch ein wei­te­rer (link­rei­cher) ar­ti­kel von eric bon­se er­schie­nen, der die grund­kon­stel­la­ti­on zu TTIP ganz gut er­klärt: „TTIP: Frei­han­del oder De­mo­kra­tie

als kraut­re­por­ter-mit­glied, bzw. un­ter­stüt­zer fra­ge ich mich na­tür­lich: und die kraut­re­por­ter? ma­chen die auch was zu TTIP? bis­her konn­te ich dazu auf kraut­re­por­ter.de noch nichts fin­den (was aber auch an der web­site-tech­nik lie­gen kann) und alex­an­der von streit hat mei­ne fra­ge da­nach noch nicht be­ant­wor­tet.

  you­tube.com: Last Week To­night with John Oli­ver: To­b­ac­co (HBO)   #

john oli­ver hat sich in die­ser sen­dung mit den prak­ti­ken von ta­bak-kon­zer­nen be­schäf­tigt. auch wenn mir john oli­vers prä­sen­ta­ti­on mitt­ler­wei­le et­was zu be­müht vor­kommt, ist das was er hier zeigt (mal wie­der) ziem­lich gut re­cher­chiert. denn er zeigt wel­che me­tho­den mil­li­ar­den­schwe­re, in­ter­na­tio­na­le kon­zer­ne be­reits jetzt an­wen­den, um ih­ren in­ves­ti­ti­ons­schutz und ihre mar­ken­rech­te durch­zu­set­zen: sie bie­gen sich die wahr­heit zu­recht und dro­hen rück­sichts­los klei­nen und gros­sen staa­ten, trick­sen am ran­de des an­stands — und das mit al­len mit­teln die ih­nen zur ver­fü­gung ste­hen. in die­sem licht er­scheint der durch TTIP an­ge­streb­te „in­ves­ti­ti­ons­schutz durch schieds­ge­rich­te“ (ISDS) umso ab­sur­der. wenn kon­zer­ne staa­ten vor in­trans­pa­ren­ten, ge­schlos­se­nen schieds­ge­rich­ten ver­kla­gen kön­nen, ist zu be­fürch­ten, dass das ähn­lich ab­sur­de fol­gen ha­ben wird, wie das was john oli­ver zeigt.

oder wie gus van har­ten mahnt:

Es fin­det ein Trans­fer von Sou­ve­rä­ni­tät statt – zu Las­ten der Staa­ten, zu­guns­ten der Kon­zer­ne.


blinde flecken bei der journalismusrettung

felix schwenzel

  kraut­re­por­ter.de: Der blin­de Fleck   #

se­bas­ti­an es­ser:

Der bri­ti­sche Au­tor Jon Ron­son hat ge­ra­de ein Buch mit dem Ti­tel „So You'­ve Been Pu­blicly Sha­med“ ver­öf­fent­licht. Er schreibt dar­in über Men­schen, die ei­nen Feh­ler ma­chen und an­schlie­ßend von ei­nem Tor­na­do aus öf­fent­li­cher Kri­tik mit­ge­ris­sen wer­den. Eine Wel­le von Schan­de über­schüt­tet sie. In man­chen Fäl­len spült sie ihr An­se­hen, ih­ren Job, ihr Le­ben weg. [...]

Es wäre eine ein­fa­che Lö­sung, wenn Kraut­re­por­ter sich von Tilo Jung tren­nen wür­de. Aber es wäre nicht die rich­ti­ge. Je­der hat das Recht auf ei­nen be­scheu­er­ten Post - zu­min­dest, wenn er ver­steht, was er falsch ge­macht hat.

auf mei­ne fra­ge:

ver­ste­he ix das rich­tig, dass @Ti­lo­Jung an­se­hen, job und le­ben ver­lie­ren wür­de, wenn er nicht mehr bei @kraut­re­por­ter wäre?

ant­wor­te­te se­bas­ti­an es­ser:

Nein, das ver­stehst Du falsch. Mein Punkt: Kon­se­quen­zen soll­ten an­ge­mes­sen sein und auch et­was be­wir­ken.

weil tilo jung sich nicht mehr er­in­nern kann, was an sei­nem witz lus­tig war, ha­ben die kraut­re­por­ter ihm jetzt zeit ge­ge­ben ei­nen „blin­den fleck“ in sei­nem kopf zu er­leuch­ten:

Wir ha­ben be­schlos­sen, Tilo Zeit zu ge­ben, die­sen „blin­den Fleck“ aus­zu­leuch­ten. Es ist sei­ne Ent­schei­dung, ob und wie er auf die­se Fra­gen ant­wor­ten will. Wir wer­den vor­über­ge­hend kei­ne neu­en Bei­trä­ge von Tilo Jung ver­öf­fent­li­chen, aber er bleibt ein Teil von Kraut­re­por­ter.

ich glau­be al­ler­dings, dass gar nicht der blin­de fleck bei tilo jung ein pro­blem ist, son­dern vie­le blin­de fle­cken bei den kraut­re­por­tern — und ei­ner da­von heisst tilo jung. wenn sich die kraut­re­por­ter nicht ent­schei­den, wie sie zu tilo jung und sei­nem kru­den hu­mor- und qua­li­täts­ver­ständ­nis ste­hen, könn­ten sie ein pro­blem bei der nächs­ten fi­nan­zie­rungs­run­de be­kom­men — oder auch nicht. denn tilo jung hat vie­le fans, wie man un­ter sei­ner ent­schul­di­gung und recht­fer­ti­gung auf face­book se­hen kann. wie bei die­ter boh­len, der auch vie­le fans hat und den vie­le lus­tig und iro­nisch fin­den, kann ich gut da­mit le­ben, dass die welt nicht al­lein nach mei­ner fa­çon ge­formt ist. al­ler­dings kau­fe und kon­su­mie­re ich nichts von die­ter boh­len und ge­nau­so we­nig möch­te ich an der fi­nan­zie­rung von tilo jungs (oder die­ter boh­lens) le­bens­stil, hu­mor­ver­ständ­nis oder auf­trit­ten be­tei­ligt sein.

ich fin­de es gut, nicht im­mer gleich aku­ten druck oder hoch­ge­schau­kel­ten em­pö­rungs­wel­len nach­zu­ge­ben, egal wo­her der druck oder die wel­len kom­men. aber ich wür­de mir wün­schen, dass kraut­re­por­ter-mit­glie­der sich nicht nur in den kom­men­ta­ren, in ih­ren ei­ge­nen blogs, auf di­ver­sen mai­ling­lis­ten oder hin­ter den ku­lis­sen äus­sern und die aus­rich­tung der kraut­re­por­ter mit­steu­ern könn­ten, son­dern dass die kraut­re­por­ter ih­ren mit­glie­dern und le­sern die mög­lich­keit bie­ten, bei­trä­ge auch di­rekt zu be­wer­ten. die­se wer­tun­gen müs­sen nicht öf­fent­lich sein und soll­ten auch kei­ne di­rek­ten in­halts- oder per­so­nal­ent­schei­dun­gen zur fol­ge ha­ben, aber ich wür­de mir als kraut­re­por­termit­glied sehr wün­schen mei­ne kri­tik oder lob de­di­ziert und kon­kret hin­ter­las­sen zu kön­nen. statt­des­sen wer­den, so­weit ich das ver­ste­he, le­dig­lich un­schar­fe si­gna­le ge­mes­sen (wie le­ser­zah­len, klick­pfa­de und ver­wei­se aus den wei­ten des net­zes).

ich möch­te nicht nur ein­mal pro jahr pau­schal an der urne mit der kre­dit­kar­te ab­stim­men dür­fen, ich wür­de mir wün­schen, dass ich und an­de­re mit­glie­der mess­bar und ein­deu­tig quan­ti­fi­zier­bar an je­dem ar­ti­kel ihre stim­me hin­ter­las­sen könn­ten. was die re­dak­ti­on dann dar­aus macht sei dann der re­dak­ti­on über­las­sen, aber im­mer­hin hät­te sie so eine ba­sis für ihre ent­schei­dun­gen und das stim­mungs­bild un­ter ih­ren mit­glie­dern. und ei­gent­lich sieht sich die re­dak­ti­on ja durch­aus ver­pflich­tet, im sin­ne der mit­glie­der mit dem ihr an­ver­trau­ten ver­trau­ens- und geld­vor­schuss um­zu­ge­hen. das schrieb se­bas­ti­an es­ser alex­an­der von streit nach dem raus­wurf von jens schrö­ders da­ten­sport-for­mat:

Wir ha­ben eine gro­ße Ver­ant­wor­tung über­nom­men und müs­sen das uns an­ver­trau­te Geld rich­tig ein­set­zen. In die­sem Fall ist der Ein­satz zu hoch für das, was das Pro­jekt in der Ge­samt­schau auf un­ser Pro­gramm leis­tet.

ab­leh­nung oder des­in­ter­es­se an in­hal­ten, kön­nen bei den kraut­re­por­tern also durch­aus zu per­so­nel­len kon­se­quen­zen füh­ren.

  jour­nel­le.de: Kraut, Schuld und Süh­ne   #

jour­nel­le sieht den um­gang mit, oder ge­nau­er den nicht-raus­wurf von tilo jung bei den kraut­re­por­ter als rich­tig an:

Aus Sicht ei­nes Ar­beit­neh­mers fin­de ich die Re­ak­ti­on der Kraut­re­por­ter fair und rich­tig. Ich wün­sche mir auch, dass mein Ar­beit­ge­ber mich nicht nach ei­nem Feh­ler feu­ert.

trotz­dem sieht sie bei der aus­rich­tung der kraut­re­por­ter das eine oder an­de­re struk­tu­rel­le pro­blem:

Für mich sind die Kraut­re­por­ter eine Grup­pe selbst­ge­fäl­li­ger Jour­na­lis­ten, die glaub­ten, Kraft ih­res emp­fun­de­nen Ge­nies den di­gi­ta­len Jour­na­lis­mus neu zu er­fin­den. Im­mer­hin konn­ten sie ge­nü­gend Geld für ihr Pro­jekt zu­sam­men­tra­gen, aber das Re­sul­tat ist in 95% der Ar­ti­kel der glei­che lang­wei­li­ge Jour­na­lis­mus, den sie ja ur­sprüng­lich re­vo­lu­tio­nie­ren woll­ten. Zu al­lem Übel ha­ben sie nicht nur die Lan­ge­wei­le, son­dern auch den ge­sell­schaft­lich to­le­rie­ren Se­xis­mus der eta­blier­ten Me­di­en über­nom­men.

üb­ri­gens woll­ten die kraut­re­por­ter ja nicht nur den jour­na­lis­mus neu er­fin­den, son­dern auch das da­zu­ge­hö­ri­ge con­tent ma­nage­ment sys­tem. al­les nach dem mot­to: wir ma­chen das selbst und wir ma­chen es bes­ser. lei­der ist das er­geb­nis er­nüch­ternd; ein­zel­ne ar­ti­kel kann ich tat­säch­lich auf kraut­re­por­ter.de ganz gut (sprich ohne tech­ni­sche pro­ble­me oder ir­ri­ta­tio­nen) le­sen. so­bald ich aber ei­nen be­stimm­ten ar­ti­kel oder au­toren su­che, ver­zweif­le ich. die web­site treibt mich beim stö­bern in den wahn­sinn. ich glau­be das ist sym­pto­ma­tisch und ein zei­chen da­für, dass beim kraut­re­por­ter-kon­zept tilo jung nicht der ein­zi­ge blin­de fleck ist.


[an­mer­kung]
am ab­satz über die ab­set­zung von jens schrö­ders da­ten­sport-for­mat habe ich nach­träg­lich et­was rum­e­di­tiert: ei­ner­seits hat­te ich alex­an­der von streit mit se­bas­ti­an es­ser ver­wech­selt, jens schrö­der wur­de nicht raus­ge­schmis­sen, son­dern nur sein da­ten­sport-for­mat wur­de ein­ge­stellt und den satz nach dem zi­tat habe ich hin­zu­ge­fügt.


aus müll trash machen

felix schwenzel

  se­ri­en­jun­kies.de: Stu­die: Brau­chen wir noch Syn­chro­ni­sa­ti­on?   #

ni­co­le sälz­le ist in ih­rer mas­ter­ar­beit der fra­ge nach­ge­gan­gen, ob se­ri­en oder fil­me ein­gent­lich noch deut­sche syn­chro­ni­sa­ti­on brau­chen: kla­res jein:

Letzt­lich be­wies die Um­fra­ge aber zwei Din­ge, die wi­der­sprüch­li­cher nicht sein könn­ten: Zum ei­nen das gro­ße In­ter­es­se an eng­lisch­spra­chi­gen Ori­gi­nal­ver­sio­nen in Deutsch­land, zum an­de­ren aber auch, dass For­schun­gen im Be­reich der Sprach­kennt­nis­se un­ter­schied­li­cher Län­der al­les an­de­re als falsch lie­gen - die Eng­lisch­kennt­nis­se in Deutsch­land sind weit we­ni­ger aus­ge­prägt als dies in an­de­ren Län­dern der Fall ist.

ich wie­der­ho­le mich na­tür­lich, wenn ich hier wie­der mei­ne ab­nei­gung ge­gen deut­sche syn­chron­fas­sun­gen auf­schrei­be. aber weil ich mich ger­ne wie­der­ho­le: ich hal­te das für eine un­sit­te. nicht nur weil es uns alle da­von ab­hält uns an den klang von frem­den spra­chen zu ge­wöh­nen, son­dern auch, weil ich es teil­wei­se für ei­nen un­er­hör­ten ein­griff in die künst­le­ri­sche frei­heit der se­ri­en- oder fil­me­ma­che­rin­nen an­se­he. ein pa­ra­de­bei­spiel für in­va­si­ve syn­chro­ni­sa­ti­on ist rai­ner brandt, der die sieb­zi­ger-jah­re se­rie the per­sua­ders mit tony cur­tis (und ro­ger moo­re) syn­chro­ni­sier­te und sich da­bei sehr viel ei­ge­ne künst­le­ri­sche frei­heit nahm. in ei­nem in­ter­view sag­te brandt ein­mal: die vor­la­gen (wahr­schein­lich mein­te er die deut­schen dia­lo­ge) sei­en tot­lang­wei­lig ge­we­sen und er habe sich ge­dacht, das müs­se man um­dre­hen, „da müs­se man neue ge­schich­ten draus ma­chen“. in deutsch­land wur­den die­se „neu­en ge­schich­ten“ ein sen­sa­tio­nel­ler er­folg.

al­ler­dings er­schafft man mit die­sem vor­ge­hen eben et­was neu­es. heut­zu­ta­ge nennt man so­et­was ei­nen mas­hup . kann man so ma­chen und in ein­zel­fäl­len kan­n's für sich ge­nom­men auch gut oder bes­ser als das ori­gi­nal wer­den. es kann aber eben auch aus „tot­lang­wei­li­gen“ vor­la­gen oder müll ein­fach nur trash ma­chen. so kann das dann am ende aus­se­hen:

zur ak­tu­el­len si­tua­ti­on sagt rai­ner brandt :

Brandt wun­dert das nicht: „Heu­te fehlt die Muße und das Geld, denn die Qua­li­tät ist den Auf­trag­ge­bern egal“, sagt der 76-Jäh­ri­ge. „Dar­um sind die Leu­te heu­te auch mehr dar­an in­ter­es­siert, das Ori­gi­nal zu hö­ren als die schlech­te Syn­chro­ni­sa­ti­on.“

ei­gent­lich ist es ja um­ge­kehrt: wer se­ri­en syn­chro­ni­sie­ren möch­te, dem ist die qua­li­tät des ori­gi­nals von vor­ne­her­rein egal. wir kön­nen uns ei­gent­lich glück­lich schät­zen, dass mu­se­en in deutsch­land bil­der nicht auch über­ma­len oder mit er­klä­run­gen oder deut­schen mo­ti­ven ver­se­hen, dass bor­deaux-wei­ne nicht mit mo­sel­wei­nen ver­panscht wer­den, um deut­sche zun­gen nicht zu ir­ri­tie­ren oder dass piz­za in deutsch­land nicht aus kar­tof­feln ge­macht wird.


senf gefährdet würstchen

felix schwenzel

  me­di­um.com: Trans­la­ted: THE WORLD GO­VERN­MENT How Si­li­con Val­ley con­trols our fu­ture   #

jeff jar­vis nennt das neue spie­gel-co­ver, bzw. die ti­tel­ge­schich­te sei eine scheis­se­bom­be und pre­war pro­pa­gan­da:

Then co­mes this Schei­ße­bom­be from Der Spie­gel. It goes far bey­ond the pu­blishers’ game. It is not­hing less than pre­war pro­pa­gan­da, try­ing to stir up a po­pu­lace against a boo­gey­man en­e­my in ho­pes of goa­ding po­li­ti­ci­ans to ac­tion to stop the­se peo­p­le. If an­yo­ne would know bet­ter, you'd think they would. Scha­de.

jar­vis lässt ein biss­chen in sei­ner ar­gu­men­ta­ti­ven klar­heit nach, wenn er sich auf­regt. in die­sem ar­ti­kel merkt man, dass er stark emo­tio­na­li­siert ist. ohne auf­re­gung ar­gu­men­tiert er bes­ser, zum bei­spiel hier in die­sem stück ...

  me­di­um.com: Is ever­y­thing in Ger­ma­ny Goo­g­le's fault?   #

hier ar­gu­men­tiert jeff jar­vis ge­gen das ar­gu­ment vom faz-ge­schäfts­füh­rer tho­mas lind­ner, dass goog­le ein senf­händ­ler sei, der dar­an schuld sei, dass die würst­chen­her­stel­ler ihre fleisch­ab­fäl­le kos­ten­los ab­ge­ben. ho­ri­zont.de:

Dann räumt er mit der The­se vie­ler In­ter­net­gu­rus auf, dass das Di­gi­tal­zeit­al­ter In­for­ma­tio­nen im Über­fluss be­sche­re - und Auf­merk­sam­keit das knap­pe Gut sei. Nun, dies sei die Ar­gu­men­ta­ti­on der Goog­le-Lob­by­is­ten, um im­mer mehr freie In­hal­te an­de­rer ver­wer­ten zu kön­nen: „Goog­le ver­hält sich hier wie ein Senf­händ­ler, der das Ver­tei­len von Gra­tis­würs­ten pro­pa­giert.“

Das Ge­gen­teil sei wahr: Wirk­lich ver­läss­li­che In­for­ma­tio­nen sei­en in der „Ge­rüch­te- und Ver­schwö­rungs­theo­rie­schleu­der In­ter­net“ knapp. Und in ei­ner mo­der­nen So­zi­al­staats- und Frei­zeit­ge­sell­schaft habe das Gros der Be­völ­ke­rung au­ßer­dem im­mer mehr Zeit und su­che nach Zer­streu­ung, sie­he die pro­spe­rie­ren­de Un­ter­hal­tungs­in­dus­trie. Nicht Auf­merk­sam­keit sei also das knap­pe Gut, son­dern ver­läss­li­che In­for­ma­ti­on ver­trau­ens­wür­di­ger Ab­sen­der.

das pro­blem der ver­le­ger ist in die­ser ana­lo­gie na­tür­lich, dass in ei­ner zeit in der je­der weiss wie wurst her­ge­stellt wird — und die­ser pro­zess im­mer trans­pa­ren­ter wird — nie­mand mehr an die hei­len­de wir­kung von würst­chen glaubt. wäh­rend die ver­le­ger die kon­su­men­ten glau­ben las­sen möch­ten, dass ihre jahr­gangs-würst­chen aus rei­nem fi­let und aus gol­de­nen käl­bern her­ge­stellt sind, wei­sen tau­sen­de von be­ob­ach­tern täg­lich de­tail­iert dar­auf hin, dass auch (und ge­ra­de) die gros­sen, eta­blier­ten wurst­her­stel­ler nur mit was­ser ko­chen und die glei­chen zu­ta­ten wie alle an­de­ren be­nut­zen.

um in der ana­lo­gie zu blei­ben: die wurst­her­stel­ler glau­ben ihre würst­chen sei­en de­li­ka­tes­sen wie ka­vi­ar, sin­gle malt whis­keys oder cham­pa­gner. aus­ser ih­nen, glaubt das aber mitt­ler­wei­le kaum je­mand, zu­mal sich die meis­ten leu­te der­zeit auch mehr für bun­tes su­shi, raf­fi­nier­te ra­men-sup­pen oder kom­ple­xe cur­rys in­ter­es­sie­ren. die­sen et­was an­ders her­ge­stell­ten spe­zia­li­tä­ten wei­sen vie­le leu­te die ei­gen­schaf­ten zu, die wurst­her­stel­ler ger­ne ih­ren pro­duk­ten at­tes­tier­ten: gut be­kömm­lich, ge­sund­heits­för­dernd, auf­re­gend, be­frie­di­gend. für su­shi oder eine auf­wän­di­ge ra­men sup­pe las­sen die leu­te auch (noch) ger­ne was sprin­gen.

oder um das mal ohne me­ta­pher aus­zu­drü­cken: wenn et­was nicht ver­kauft wer­den kann, ist das oft ein zei­chen da­für, dass sich nie­mand für das pro­dukt aus­rei­chend in­ter­es­siert.

mein lieb­lings-senf­witz han­delt üb­ri­gens von ei­nem ver­le­ger am im­biss:
— „zwei knack­würst­chen bit­te.“
— „fünf­acht­zig.“
— „dan­ke. was kost der senf?“
— „nichts.“
— „dann hätt ich gern nen ei­mer.“


[nach­trag]

Lus­tig. Der #Spie­gel und sein Vor­bild. #Nerd­na­zis Via @jeff­jar­vis
me­di­um.com/ch­an­ge-ob­jects… pic.twit­ter.com/N6R6uBXiY8

— Rü­di­ger Fries (@r_fries) 01.03.2015 8:58


wohlfühlen im mittelmass

felix schwenzel

  gut­jahr.biz: „Mit­tel­maß ist der klei­ne Bru­der von nett“ - Aus der Mit­te ent­springt nur Frust   #

ri­chard gut­jahr:

Sei der Ers­te oder sei der Bes­te. Wenn du we­der das Eine, noch das An­de­re zu bie­ten hast, hast du ein Pro­blem. Kein Mensch war­tet auf Mit­tel­maß!

Oder wann habt Ihr in der Kaf­fee­kü­che das letz­te Mal den Satz ge­hört: „Du, ges­tern habe ich eine Se­rie ge­se­hen, die war echt un­glaub­lich mit­tel­mä­ßig!“. Im Netz fin­det „geht so“ nicht statt. Mit­tel­maß wird durch Such­fil­ter und das Feh­len von Li­kes von vor­ne her­ein aus­ge­blen­det. An­ders aus­ge­drückt: Mit­tel­maß ist der klei­ne Bru­der von nett.

ich möch­te ger­ne auf die mir ei­ge­ne mit­tel­mäs­si­ge art ant­wor­ten. ich bin ein gros­ser fan von mit­tel­gu­ten fern­seh­se­ri­en. es gibt näm­lich sehr gute mit­tel­mäs­si­ge fern­seh­se­ri­en. das ist auch re­la­tiv lo­gisch, weil es na­tür­lich nicht nur spit­zen qua­li­täts­fern­seh­se­ri­en ge­ben kann. da­von gibt es zwar ei­ni­ges, ich freue mich zum bei­spiel sehr auf die neue staf­fel house of cards auf net­flix und sehe mir eben­dort auch sehr ger­ne bet­ter call saul an. aber eben nicht nur.

eine mei­ner der­zei­ti­gen lieb­lings mit­tel­gu­ten se­ri­en, per­son of in­te­rest, wird in der ak­tu­el­len 4 staf­fel 22 fol­gen ha­ben, vor­he­ri­ge staf­feln hat­ten je 23 fol­gen pro sai­son. das ist eine men­ge, zum bei­spiel im ver­gleich mit bet­ter call saul, das in der ers­ten staf­fel nur 10 fol­gen ha­ben wird. eine an­de­re mit­tel­gu­te fern­seh­se­rie, die ich sehr ger­ne sehe, heisst Agents of S.H.I.E.L.D.. auch sie hat 22 fol­gen pro staf­fel.

mit­tel­gu­te fern­seh­se­ri­en ha­ben nicht im­mer die fi­nes­se, die fi­nan­zi­el­len mit­tel und die pro­duk­ti­ons­zeit von spit­zense­ri­en und müs­sen bei der pro­duk­ti­on jede men­ge kom­pro­mis­se ein­ge­hen. da muss sich das roo­se­velt is­land in new york schon mal als ber­lin ver­klei­den. oder man teilt sich dreh­or­te in und um los an­ge­les die güns­tig zu mie­ten sind mit an­de­ren se­ri­en. aber um auf ri­chard gut­jahrs fra­ge zu­rück­zu­kom­men: ja, mit­tel­mass, gut ge­mach­te mit­tel­mäs­si­ge fern­seh­se­ri­en, sind ge­ra­de der heis­se scheiss. ich er­zäh­le in un­se­rer kaf­fee­kü­che stän­dig von mit­tel­gu­ten fern­seh­se­ri­en.

es gibt na­tür­lich ein paar aus­reis­ser nach oben, wie brea­king bad, vor vie­len jah­ren the wire oder the west wing oder ak­tu­ell die gran­dio­sen se­ri­en broad church, home­land, far­go und the good wife. game of thro­nes mag 18 mil­lio­nen zu­schau­er pro fol­ge ha­ben, aber per­son of in­te­rest hat eben­falls um die 10 mil­lio­nen zu­schau­er pro fol­ge (das sehr mit­tel­mäs­si­ge NCIS und sei­ne ab­le­ger kom­men auf 16 bis 17 mil­lio­nen).

mit­tel­mass fin­det im fern­se­hen (und im netz) auf sehr brei­ter ba­sis statt. al­lein, dass es die­se web­sei­te seit fast 12 jah­ren gibt ist be­weis ge­nug, dass mit­tel­mass ganz gut funk­tio­niert — aber vor al­lem auf­merk­sam­keit ge­ne­rie­ren kann.

wenn ich „bei Work­shops oder Vor­trä­gen [...] von Stu­den­ten“ ge­fragt wür­de, lau­te­te mein tipp statt

Sei der Ers­te oder sei der Bes­te.

wie folgt:

Fut­ter gibt es nicht nur ganz vor­ne. Tu das was du kannst und magst, ver­su­che Lei­den­schaft für das was du tust zu ent­wi­ckeln, aber lass dich nicht vom Ehr­geiz zer­fres­sen. In der Ruhe liegt mehr Kraft als du denkst, bleib in Be­we­gung, aber wer­de nicht hek­tisch. Gehe nicht jog­gen oder sprin­ten, son­dern auf aus­gie­bi­ge Spa­zier­gän­ge. Ler­ne von den Ers­ten und Bes­ten, aber äffe sie nicht nach.


website gastronomie

felix schwenzel

  wired.de: John­ny Haeus­ler rät Ver­la­gen, ihre Web­sites zu schlie­ßen — rel­oa­ded   #

john­ny haeus­ler hat auf wired.de noch­mal sei­ne emp­feh­lung an ver­la­ge ihre web­sites zu schlies­sen nach­dif­fen­ziert. un­ter an­de­rem schrob er:

Fe­lix Schwen­zel schreibt in sei­ner Re­plik auf mei­nen Text: „Ich hal­te die Idee, dass News-Out­lets auf ei­ge­ne Web­sei­ten ver­zich­ten soll­ten, weil sie dort­hin ge­hen soll­ten, wo die Leu­te sind, für Quatsch. Das ist ein biss­chen so wie zu sa­gen: Wer abends aus­geht um zu trin­ken, Leu­te ken­nen­zu­ler­nen oder ab­zu­schlep­pen, soll­te vor­her sei­ne Woh­nung kün­di­gen."

Ich wür­de den Ver­gleich an­ders for­mu­lie­ren: Wer abends ein Bier trin­ken ge­hen will, geht nicht in die Braue­rei, son­dern in ein Lo­kal sei­ner Wahl. Dort gibt es Bie­re ver­schie­de­ner Mar­ken, von de­nen kei­ne auf die Idee kom­men wür­de, eine ei­ge­ne Knei­pe zu er­öff­nen.

da man auf wired.de nicht kom­men­tie­ren kann, hat john­ny haeus­ler dazu ein­ge­la­den bei ihm im blog zu dis­ku­tie­ren. das habe ich dort hin ge­schrie­ben:

mir ist auch noch ein bei­spiel ein­ge­fal­len: ap­ple hat vor 10 jah­ren auch je­der be­ra­ter da­von ab­ge­ra­ten ei­ge­ne stores zu be­trei­ben. das sei wahn­sinn und zum schei­tern ver­ur­teilt: „lass die ver­tei­lung mal von den ver­tei­lungs­pro­fis ma­chen, nur die sind da wo die men­schen sind und nur so lässt sich ho­hes ver­triebs­vo­lu­men er­zeu­gen.“

in der rea­li­tät hat sich aber ge­zeigt, dass ap­ple bei­des hin­be­kom­men hat, die leu­te zu sich zu ho­len und da­hin zu ge­hen wo sie sind. neu­er­dings sind die be­ra­ter auf dem stand­punkt, dass jede mar­ke die was von sich hält, auch ei­ge­ne stores ha­ben soll­te. bei mi­cro­soft in ber­lin so­gar mit an­ge­schlos­se­ner gas­tro­no­mie.

jetzt kann man na­tür­lich sa­gen: ja-haaa, das was ap­ple sich leis­ten kann, kann sich sonst kaum ei­ner leis­ten und aus­ser­dem hat ap­ple pro­duk­te, die je­der ha­ben will. was dann wie­der die fra­ge auf­wirft: viel­leicht stimmt mit den pro­duk­ten der ver­la­ge was nicht, dass die de­nen nie­mand aus der hand reisst? viel­leicht soll­te man eher an der ziel­grup­pen-ak­zep­tanz und -kom­pa­ti­bi­li­tät als den ver­triebs­ka­nä­len dre­hen? und: geht da über­haupt noch je­mand von den jun­gen leu­ten hin, in knei­pen?

und in der gas­tro­no­mie fin­det man so vie­le ver­triebs- und ge­schäft­mo­del­le, dass man wahr­schein­lich für jede the­se der welt ein bei­spiel fin­den kann: braue­rei­en als ver­la­ge, knei­pen als buch­händ­ler und ama­zon als al­les­fres­sen­der knei­pen und braue­reif­res­ser. oder die gros­sen platt­for­men als sys­tem­gas­tro­no­mie, le­bens­mit­tel­er­zeu­ger als con­ten­ter­zeu­ger, knei­pen oder mi­cro­braue­rei­en als blogs, kan­ti­nen und men­sen als spam­mer, hip­pe clubs mit stren­gen zu­gangs­kon­trol­len und ver­hal­tens­re­geln als snap­chat, na­tri­um­glut­amat als now­this­news.

un­term strich glau­be ich aber, dass wir des­halb so we­ni­ge gu­ten ant­wor­ten auf die ver­lags­kri­se ha­ben, weil wir noch nicht die rich­ti­gen fra­gen stel­len und zu we­nig dif­fe­ren­zie­ren. und wohl auch, weil wir zu sehr mit hin­ken­den bei­spie­len aus der ma­te­ri­el­len welt ar­gu­men­tie­ren, die in welt der im­ma­te­ri­al­gü­ter nicht nur hin­ken, son­dern stol­pern.


wir lassen uns gerne verarschen

felix schwenzel

  netz­frau­en.org : Tricks der Su­per­märk­te - „Gut Pon­holz“, „Müh­len­hof“ oder „Gut Drei Ei­chen“ gibt es gar nicht   #

aldi, net­to, lidl, ten­gel­mann be­nut­zen un­ter an­de­rem auf ih­ren wurst­wa­ren be­zeich­nun­gen wie „gut pon­holz“, „müh­len­hof“ oder „gut drei ei­chen“. die höfe oder gü­ter gib­t's na­tür­lich nicht, die na­men sind er­fun­den und sol­len ein gu­tes ge­fühl beim kon­su­men­ten her­vor­ru­fen, wie aldi-nord dem ARD-ma­ga­zin plus­mi­nus (link zum you­tube-mit­schnitt der sen­dung) auf an­fra­ge ant­wor­te­te:

Dar­über hin­aus wol­len Ver­brau­cher auch emo­tio­nal an­ge­spro­chen wer­den. Dies wird durch Mar­ken­na­men und/oder Wort-Bild-Mar­ken, die ei­nen emo­tio­na­len Be­zugs­rah­men bil­den, ge­währ­leis­tet.
— Aldi Nord

ganz ab­ge­se­hen da­von, dass man sich als kon­su­ment von sol­chen aus­sa­gen und sol­chen mar­ke­ting­mass­nah­men (na­tür­lich) ver­schau­kelt vor­kommt, ist es viel­leicht an der zeit zu­zu­ge­ben, dass wer­bung ein­fach funk­tio­niert. nicht jede wer­bung bei je­dem, aber bei je­dem ir­gend­ei­ne wer­bung.

ich wür­de bei aldi auch sa­chen kau­fen die doof aus­se­hen oder mich emo­tio­nal nicht an­spre­chen, vor al­lem weil ich aldi bei der qu­al­tät ver­traue. so­weit ich weiss hat aldi ein sehr aus­ge­feil­tes qua­li­täts­kon­troll­sys­tem. des­halb wür­de ich na­tür­lich auch sa­la­mi bei aldi kau­fen, auf der le­dig­lich das wort sa­la­mi ste­hen wür­de, ganz ohne land­le­ben oder wohl­fühl­il­lus­tra­tio­nen. ich muss aber zu­ge­ben, dass ich na­tür­lich eher ge­neigt bin neue pro­duk­te aus­zu­pro­bie­ren, wenn sie mir ge­fal­len, also ei­nen „emo­tio­na­len Be­zugs­rah­men“ vor­ge­ben.

und wo die al­di­spre­che­rin auch recht hat: wir wol­len auf un­se­rer wurst kei­ne hin­wei­se auf mas­sen­tier­hal­tung oder in­dus­tri­el­le pro­duk­ti­on ha­ben. wir wol­len un­se­re pro­duk­te frisch, in bes­ter qua­li­tät und mög­lichst bil­lig ha­ben. wir alle wis­sen (oder soll­ten wis­sen), dass das ohne eine ef­fek­ti­ve semi-in­dus­tri­el­le her­stel­lungs­wei­se nicht zu ma­chen ist. des­halb freu­en wir uns, wenn uns das mar­ke­ting da­von ab­hält zu sehr über die her­kunft der wa­ren nach­zu­den­ken , die wir na­tür­lich in ers­ter li­nie sehr güns­tig kau­fen wol­len. und wenn uns je­mand drauf hin­weist, dass wir hier ver­schau­kelt wer­den, kön­nen wir uns herr­lich über an­de­re als uns selbst auf­re­gen, ob­wohl wir das spiel seit jah­ren oder jahr­zehn­ten mit­spie­len.

es gibt aber noch ein pro­blem: . das kann man sehr schön an der ber­li­ner bier­mar­ke „bier“ se­hen. die ver­kauft bier mit ei­nem eti­kett auf dem das wort „bier“ und die füll­men­ge ste­hen. die mar­ke tut so als kom­me sie ohne wer­bung aus und schreibt zum bei­spiel auf („bier“-) wer­be­pla­ka­te warn­hin­wei­se, dass wer­bung täu­schen und ver­füh­ren kön­ne, man sol­le sich doch mal sei­ne ei­ge­ne mei­nung bil­den (aus dem ge­däch­nis zi­tiert. an dem wer­be-pla­kat bin ich heu­te zu acht­los vor­bei­ge­gan­gen, um es zu fo­to­gra­fie­ren):

Wer­bung be­ein­flusst Dein Ko­sum­ver­hal­ten. Triff Dei­ne Kauf­ent­schei­dung be­wusst!

das glei­che gilt für die rewe-mar­ke ja!. die in­sze­niert sich selbst als eine mar­ke die so preis­güns­tig und spar­sam ist, dass sie auf wer­bung ver­zich­ten kann. trotz­dem ist sie mit ei­ni­gem an auf­wand so wie­der­erkenn­bar und strin­gent ge­stal­tet, dass sie so­gar so­et­was wie ei­nen kult­sta­tus er­reicht hat. real,- ver­sucht ähn­li­ches mit sei­ner neu­en mar­ke­ting­mar­ke „ohne teu­er“ (sie­he auch peer scha­ders ar­ti­kel über die neue real-mar­ke):

Um Ih­nen aus­ge­wähl­te Pro­duk­te zu ei­ner Top-Preis­leis­tung an­bie­ten zu kön­nen, ha­ben wir bei un­se­rer Mar­ke auf je­den Schnick­schnack ver­zich­tet. So­gar auf den Na­men.

auf dem wo­chen­markt oder bei uns um die ecke beim bau­ern-di­rekt­ver­kauf ist das üb­ri­gens auch nicht an­ders. nur wird dort wie­der an­ders ge­wor­ben.


liebevoller beleidigen

felix schwenzel

  jawl.net: Re­al­ness, Au­then­ti­zi­tät, Ruhm und Dings   #

jan böh­mer­mann (der alte you­tuber) hat mal wie­der ir­gend­was über you­tuber und de­ren ver­mark­ter oder die ver­mark­tungs­netz­wer­ke oder au­then­ti­zi­tät ge­sagt (vi­deo da­von). ich fand das eher so mäh, weil ich das ge­fühl hat­te, dass die trit­te et­was zu wahl­los in alle rich­tun­gen gin­gen, auch in rich­tung nach un­ten.

chris­ti­an fi­scher fand das stück wohl auch et­was mäh und hat dar­über was ge­schrie­ben, was sich ein biss­chen so an­hört wie: och das war doch schon im­mer so:

Ei­gent­lich wie­der­ho­len sich die Din­ge nur.

dem kann ich na­tür­lich nicht wi­der­spre­chen. wo­bei ich nicht ge­nau ver­ste­he ob das be­deu­ten soll, kri­tik an din­gen die es schon im­mer gab sei or­dent­li­cher zu dif­fe­ren­zie­ren oder gleich ganz zu las­sen. dem text kann ich das nicht ent­neh­men. eben­so we­nig kann ich die­sem satz eine be­deu­tung ent­neh­men:

Im Be­reich der so­ge­nann­ten „al­ten Me­di­en" hat Jan Böh­mer­mann, der ja jetzt im ZDF und da­mit im Es­tab­lish­ment an­ge­kom­men ist, die Rol­le des Auf­klä­rers über­nom­men.

wenn man im ZDF eine sen­dung hat, ge­hört man zum es­tab­lish­ment? oder um­ge­kehrt, wenn man zum es­tab­lish­ment ge­hört, kommt man ins ZDF? über­haupt, was ist das über­haupt, die­ses es­tab­lish­ment? mal nach­schla­gen:

der du­den meint der be­griff wür­de ab­wer­tend ge­nutzt um eine „eta­blier­te bür­ger­li­che Ge­sell­schaft, die auf Er­hal­tung des Sta­tus quo be­dacht“ sei zu be­zeich­nen. der be­griff wür­de aus­ser­dem eine „Ober­schicht“ aus „po­li­tisch, wirt­schaft­lich oder ge­sell­schaft­lich ein­fluss­rei­chen Per­so­nen“ be­zeich­nen.

ich möch­te ja sehr be­zwei­feln, dass sich aus ei­ner sen­dung im ZDF zwangs­läu­fig po­li­ti­scher, wirt­schaft­li­cher oder ge­sell­schaft­li­cher ein­fluss er­ge­ben. theo­re­tisch müss­te dann auch sa­scha hehn auf ir­gend­et­was ein­fluss ha­ben (eine vor­stel­lung die mich ir­ri­tiert). ge­nau­ge­nom­men müss­te dann so­gar der pumuckl (auch wenn der in der ARD auf­trat) zum es­tab­lish­ment ge­hö­ren.

aber wahr­schein­lich hat chris­ti­an fi­scher die es­tab­lish­men­ti­sie­rung von böh­mer­mann in sei­nem „Fach­ma­ga­zin für dif­fe­ren­zier­te Be­trach­tungs­wei­sen“ gar nicht dif­fe­ren­zie­rend ge­meint, son­dern ein­fach nur ab­wer­tend. wo­bei ich ja hef­tig da­für plä­die­re dif­fe­ren­zie­rung nicht nur beim auf­klä­ren, prä­zi­sie­ren oder re­la­ti­vie­ren an­zu­wen­den, son­dern erst recht beim ab­wer­ten oder be­lei­di­gen von leu­ten.

also, bit­te: mehr lie­be und mühe in be­lei­di­gun­gen ste­cken.


wir werden alle sterben — und das web erst recht

felix schwenzel

  wired.de: John­ny Haeus­ler rät Ver­la­gen, ihre Web­sites zu schlie­ßen   #

konn­te die­sen text von john­ny haeus­ler nicht zu­en­de le­sen, weil wired.de just in dem mo­ment die web­site schloss. hab ihn dann auf snap­chat zu­en­de ge­le­sen.


aber mal im ernst und mit ver­laub: ich hal­te die idee, dass news-out­lets auf ei­ge­ne web­sei­ten ver­zich­ten soll­ten, weil sie dort­hin ge­hen soll­ten, wo die leu­te sind, für quatsch. das ist ein biss­chen so wie zu sa­gen: wer abends aus­geht um zu trin­ken, leu­te ken­nen­zu­ler­nen oder ab­zu­schlep­pen soll­te vor­her sei­ne woh­nung kün­di­gen. auch die christ­li­chen, eu­ro­päi­schen mis­sio­na­re und kreuz­rit­ter ha­ben nicht ihre klös­ter und bur­gen dem erd­bo­den gleich­ge­macht, be­vor sie da­hin ge­gan­gen sind, „wo die Men­schen sind“.

na­tür­lich soll­te je­der, der et­was von men­schen will, dort­hin ge­hen, wo die men­schen sind. na­tür­lich soll­te man dar­über nach­den­ken, ob man stän­dig ver­su­chen soll­te, die men­schen von dort wo sie sind zu sich nach­hau­se zu lo­cken. na­tür­lich soll­te man auch ra­di­ka­le ideen aus­pro­bie­ren, so wie now­this­news.com das macht — oder ver­su­chen aus sol­chen ex­pe­rie­men­ten zu ler­nen.

mich er­in­nert das auch ein biss­chen an die gute alte push vs. pull de­bat­te zur jahr­tau­send­wen­de (1997). da wur­de von der (ame­ri­ka­ni­schen) wired das web, bzw. der brow­ser, erst­mals für tot er­klärt und die be­läs­ti­gung (push) mit „nach­rich­ten“ schön­ge­re­det. 2010 dann der er­neu­te ver­such der (ame­ri­ka­ni­schen) wired das web tot­zu­re­den: „The Web Is Dead. Long Live the In­ter­net“.

klar sol­len leu­te die et­was zu sa­gen ha­ben (nach­rich­ten-or­ga­ni­sa­tio­nen, wer­ber, PRler, mis­sio­na­re) da­hin ge­hen wo die men­schen sind. aber sie soll­ten auch wis­sen, dass es nicht je­der mag wenn man stän­dig vor de­ren ge­sichts­feld tanzt, springt und auf­merk­sam­keit zu er­hei­schen ver­sucht. kom­mu­ni­ka­ti­on ist viel­schich­tig und kom­pli­ziert. man braucht fein­glied­ri­ge und sen­si­ble werk­zeu­ge da­für. aber nach­rich­ten-out­lets zu emp­feh­len mit dem bull­do­zer zu ar­bei­ten und al­les alte ab­zu­reis­sen, hal­te ich für ei­nen feh­ler — oder zu­min­dest für über­trie­ben.

was man auch be­den­ken soll­te: ver­la­ge und news-out­lets sind wie sport­ler: sehr ver­schie­den, sehr un­ter­schied­lich spe­zia­li­siert. der trai­nings­plan für ei­nen 100 me­ter sprin­ter muss nicht un­be­dingt op­ti­mal für den ge­wicht­he­ber oder lang­stre­cken­schwim­mer sein.


das internet als wille und vorstellung

felix schwenzel

  deutsch­land­funk.de: Das Di­gi­ta­le um­ar­men - Das In­ter­net als Wil­le und Vor­stel­lung   #

heu­te wur­de im deutsch­land­ra­dio, im rah­men der rei­he „Es­say und Dis­kurs“, mein es­say über das in­ter­net ge­sen­det. den text habe ich mit­te de­zem­ber ge­schrie­ben und im ja­nu­ar noch­mal ein biss­chen ge­kürzt. um den text vor­les­bar zu ma­chen (mp3-link), wur­de er von der re­dak­ti­on ein biss­chen re­di­giert und ge­kürzt, was ihm kei­nes­falls ge­scha­det hat, aus­ser das die links weg­ge­fal­len sind. (in der re­dak­tio­nell be­ar­bei­te­ten und vor­ge­le­se­nen ver­si­on hat sich ein kit­ze­klei­ner feh­ler ein­ge­schli­chen: an ei­ner stel­le heisst es „… hat uns nicht ge­stei­ger­ten Kom­fort und Ge­schwin­dig­keit [ge­bracht].“ wo es na­tür­lich „… hat uns nicht nur ge­stei­ger­ten Kom­fort …“ heis­sen müss­te.)

für mein ar­chiv ver­öf­fent­li­che ich den un­re­di­gier­ten text, so wie ich ihn ab­ge­ge­ben habe, hier noch­mal. hier kann, falls be­darf be­steht, na­tür­lich auch kom­men­tiert wer­den.

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