
bagger (3/3) #aufdemwegzurarbeit
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die erste folge chef’s table hab ich glaube ich vor nem jahr auf netflix gesehen. sie handelte von massimo bottura, einem italienischen koch und seinem restaurant osteria francescana. aber eigentlich handelte sie von etwas ganz anderem, von massimo bottura leben und seiner einstellung zum leben, seinen krisen und seinen erfolgen — aber eben auch über das was er kocht. ich fand diese erste folge sehr beeindruckend und auch ein bisschen bewegend, weil dieses portrait beinahe intim und schön differenziert war. ich erfuhr etwas über den koch selbst, über das was ihn antreibt, und beinahe nebenbei, was er so kocht.
nachdem ich nun die fünf anderen folgen der ersten staffel von chef’s table gesehe habe, wurde klar, dass das die idee hinter der serie ist. es geht nicht um den tisch, sondern den oder die, die den tisch deckt. dass dabei inszenatorische mittel zum einsatz kommen, bei denenn ich bei fiktionalen formaten schreiend weglaufe, also übermässiger einsatz von zeitlupen, emotionsmanipulierende musik, ausufernde landschaftsaufnahmen, störte mich in diesem format fast gar nicht.
tatsächlich kommt diese dokumentationsreihe inhaltlich gut gemachten fiktionalen formaten recht nahe. fast jede ausgabe handelt von einem menschen, der oder die sich auf den weg macht ihren traum zu erfüllen und dabei auf widerstände oder widersacher trifft und sich am ende dann doch durchsetzt. jede folge hat ein happy beginning (ein gut gehendes spitzenrestaurant) und happy end: ein spitzenkoch, von dessen leben man ein bisschen erfahren hat, mit einem, oder mehreren, gut gehenden spitzenrestaurants. aber auf dem weg dahin, erfahrt man, was es bedeutet dort zu landen, welche arbeit und mühe dahinter steckt, welche krisen und welche hindernisse aus dem weg geräumt werden müssen.
die botschaft beinahe jeder einzelen folge lautet: finde zu dir selbst und tue das, was du am besten kannst, auf deine weise und so gut du kannst. also — theoretisch — wie bei jedem actionfilm.
ein paar der köche fand ich wahnsinnig sympatisch, andere unerträglich unsympathisch, einige der köche wirken unglaublich prätentiös, andere geerdet und rustikal. was die serie aber jedes mal mit erstaunlicher leichtigkeit schafft, ist die motive der köche nachvollziehbar zu machen, zu verstehen, warum das, was die köche tun, jeweils folgerichtig ist.
besonders gut hat das bei francis mallmann und magnus nilsson funktioniert. der eine wuchs am südlichen arsch der welt in patagonien auf, der andere am nördliche arsch der welt in schweden. beiden gemein ist die scheinbar widersprüchliche, gleichzeitige misachtung von konventionen und grosser wertschätzung von traditionen. beide haben einen grossen freiheitsdrang und den unbedingten willen, ihren eigenen weg zu gehen. während nilssons detailversessenheit und perfektionsdrang sehr ausgeprägt und augenscheinlich ist, hat mallmann seinen drang zur perfektion (scheinbar) überwunden und kocht eher lakonisch und urig.
wenn köche über ihre philosophie haltung zum kochen, essen oder nahrungsmittel reden, kann das gehörig in die hose gehen. witzigerweise ging das aber bei keinem der portraitierten köche in die hose, im gegenteil. ich fand das nachvollziehbar bis überaschend interessant und klug. was ich faszinierend finde — aber überhaupt nicht nachvollziehbar — ist die detailversessenheit und der perfektionsdrang der portraitierten. ich bin da eher rustikal und dränge aus prinzip nicht nach perfektion. etwas gut bis sehr gut zu machen ist schon anstrengend genug — das dann perfekt zu machen, erfordert dann mindestens nochmal genausoviel bis doppelt so viel aufwand. ich weiss, dass ich es mit dieser haltung nie in die spitze von irgendwas schaffen werde — aber um so faszinierender finde ich es, andere dabei zu beobachten.
chef’s table läuft auf netflix, mittlerweile gibt’s auch schon ne zweite staffel, von der ich erst eine folge gesehen habe, die das niveau der ersten staffel auch nochmal übertrifft.
#spiegelei zum frühstück (mit süsskartoffeln und schwarzwälder schinken)
schon nach der ersten folge war ich ein bisschen genervt und gelangweilt von der aktuellen staffel mr. robot. jetzt ist die aktuelle staffel fünf folgen alt und zum ersten mal nach viereinhalb stunden laufzeit kam ein bisschen spannung auf.
die selbstverliebtheit der serie, die mir gleich in der ersten folge negativ aufstiess, vertieft sich von folge zu folge. all das, was sich in der ersten staffel en passant zeigte, um eine stringente, gute erzählung zu unterstützen, schiebt sich jetzt selbstzweckartig in den vordergrund.
unterstützten die teils wunderbaren kameraeinstellungen in der ersten staffel die geschichte mit passenden bildern, habe ich jetzt das gefühl, dass die bilder für sich stehen sollen: schaut her, was für schöne bilder wir im fernsehen zeigen können!
waren die bilder von elliots computerbildschirmen in der ersten staffel erfreulich akkurat, aber nie das zentrum der aufmerksamkeit, zeigte die kamera in der fünften folge elliots bildschirm teilweise minutenlang, in grossaufnahme und im splitscreen. ja es ist toll, dass sich eine fernsehserie um akkuratesse bei der darstellung von computersystemen und hacks bemüht, aber genau das stolz in den vordergrund zu stellen nervt.
die erzählung in der ersten staffel war über weite strecken bruchstückhaft und füllte die leerstellen erst zum ende hin — aber sie war stringent und in sich geschlossen. in der zweiten staffel habe ich das gefühl, dass die autoren möglicherweise eine runde geschichte getöpfert haben, diese aber aus dramaturgischen gründen, nach dem brennen, zerdepperten und den zuschauern jetzt die bruchstücke ausufernd präsentieren. kann man so machen, ist dann aber eben scheisse — erst recht wenn man die bruchstellen deutlich sieht.
die handlung kam mit der vierten und fünften folge langsam in gang, aber der motor stottert noch immer. das timing der schnitte zwischen den etwas zu zahlreichen erzählsträngen ist schrecklich, das cliffhanging am ende der folgen billig. alles was die erste staffel mr. robot an euphorie in mir wecken konnte, pflügt diese zweite staffel jetzt unter. das grossartige, lakonische spiel von rami malek wirkt jetzt wie ein liegengebliebener käfer auf der autobahn, der auf den ADAC wartet. die wut und radikalität die christian slater seiner rolle in der ersten staffel verlieh, wirkt jetzt ähnlich hysterisch und nervig wie winona ryders joyce byers in stranger things.
ich schaue mir mr. robot, keine frage, auf jeden fall zuende an — und seit folge fünf besteht auch hoffnung dass der zug langsam fahrt aufnimmt. aber es wundert mich nicht, dass die quoten der serie im keller sind.
wow. elisabeth raether bürstet das establishment (uns) sehr unangenehm gegen den strich und heraus fallen gute fragen (blendlelink, €):
blendle.com/i/die-zeit/was-macht-die-autoritaren-so-stark…
ich interessiere mich nur so mittelmässig für die olypischen spiele in rio de janeiro, habe mich aber von jens weinreich (sehr leicht) überzeugen lassen, einen rio-pass für 30 euro für seine berichterstattung von dort zu kaufen. den hab ich jetzt, kann aber keine kostenpflichtigen beiträge finden. wobei es darum natürlich gar nicht geht, sondern eben darum, jens weinreich bei seiner beeindruckenden arbeit zu unterstützen. deshalb kann ich das nur empfehlen, ihn zu lesen und zu unterstützen.
Instagram just added Snapchat as a feature http://blog.instagram.com/post/148348940287/160802-stories #indieweb
die analysen von @SPIEGELONLINE liegen oft völlig daneben, weshalb man sie stets mit vorbehalt betrachten sollte.
ich bin ja mitglied bei blogfoster, einem portal, das gesponserte artikel an blogs vermittelt. alle paar wochen schaue ich mir dort angebote an und manchmal gibt es themen oder angebote für gesponserte artikel, von denen ich glaube dass sie passen würden. kürzlich gab es das angebot über eine kreditkarte (santander 1plus card, kein affiliate-link) zu schreiben, die für die wir uns ohnehin interessiert haben, weil sie bei auslandszahlungen keine auslandsgebühren aufschlägt. ich dachte mir, wenn wir uns die ohnehin holen wollen, warum nicht nur drüber schreiben, sondern auch gleich dafür bezahlen lassen, dass ich drüber schreibe?
mein pitch war aber wohl nicht aufregend genug und ich wurde von der bank abgelehnt.
ein anderer sponsored post, auf den ich mich bewarb, war von der berliner morgenpost, die die app ihres „berliner newsportals“ live.morgenpost.de bewerben wollte. im briefing verbat man sich von seiten der morgenpost einen vergleich mit dem tagesspiegel checkpoint:
Sollte ein Vergleich zw. Tagesspiegel-Checkpoint und berlinlive.de gezogen werden, hinkt dieser. Der Tagesspiegel checkpoint liefert einen täglichen Newsletter, berlinlive.de bietet Nachrichten im Echtzeit und zeigt das aktuelle Geschehen in Berlin.
nachdem ich ausgewählt wurde über die app zu schreiben, stellte ich diese bedingung:
den hinkenden vergleich zum tagesspiegel checkpoint ziehe ich so oder so (siehe pitch). sollte das nicht möglich sein, oder der kunde das nicht will, müsst ihr mich von der teilnehmerliste streichen.
ich wollte meine leser auch nicht fragen, »welches Hashtag sie auf der Seite als ihr persönliches „Tranding“ Tag sehen«, weil ich solche fragen als völlig sinnlos ansehe (der „tranding“-rechtschreibfehler ist ausnahmsweise nicht von mir).
leider wollte sich der kunde auf meine bedingungen nicht einlassen. ich finde das bedauerlich, auch wenn es natürlich das gute recht der morgenpost ist, sich in bezahlten texten nicht mit der gut gemachten konkurenz vergleichen zu lassen. aber ich finde es auch bemerkenswert, weil das auf mich etwas unsouverän wirkt.
die morgenpost ist ja journalistisch eher dem boulevard zuzuordnen, aber soweit ich weiss, relativ moderat. trotz boulevard, fand ich die idee nicht schlecht, eine art (hyper) lokale informationsquelle auf meinem handy zu haben, mit der ich mich mal eben kurz über die lage in meiner stadt informieren könnte. leider war das „mal eben“ schon das erste problem. die app fühlt sich an wie eine (sehr langsame) webseite — und ist wohl auch eine webseite, die in einen app-rahmen gepresst wurde. jedes seitenladen wird von einem animierten „bitte warten“ symbol eingeleitet und manche der hashtags führten mich (hier am 10. juli) auf tomcat-fehlerseiten.
die langsamen ladezeiten und der langsame seitenaufbau sind vor allem deshalb unverständlich, wenn man sieht, was man ganz ohne app-zauberei, mit preloading und google-AMP machen kann: auf mobilen geräten funktioniert diese ausgabe der washinton post gefühlt 20 mal schneller als die morgenpost „berlinlive.de“: washingtonpost.com/pwa/
was mich an der morgenpost-live-app auch störte: gesten für das zurückblättern oder neu laden funktionieren nicht wie gewohnt. das zurückwischen funktioniert zwar ähnlich wie in anderen apps, aber nur widerwillig und nach mehreren versuchen. als ich das gerade eben reproduzieren und bestätigen wollte, führte das anklicken einer geschichte („#CityWest bekommt neus Großkino mit sieben Sälen“) mich aus der app zu safari. zurück in der app, wurde mir ein artikel („Im Westen Berlins“) angezeigt, aus dem ich nicht mehr herausnavigieren konnte, weder mit gesten, noch mit (nicht vorhandenen) navigationselementen. insgesamt fühlt sich die app überhaupt nicht nach app an, sondern wie eine eingeklemmte website im app-mantel.
hätte mich die morgenpost für den artikel bezahlt, hätte ich mir mühe gegeben auch postive aspekte der app zu finden, die es ohne frage gibt. ohne den honorar-anreiz fällt mir das differenzierte nachdenken und beschäftigen mit diesem halbherzigen produkt wirklich schwer. mit honorar hätte ich mir gedanken darüber gemacht, was die morgenpost-live im vergleich zum tagesspiegel checkpoint für vorteile hätte, trotz all ihrer technische unzulänglichkeiten. und ich hätte mich wahrscheinlich zurückhaltender gewundert, über diese bildstrecke zu einem sack reis einer wanderstrecke in china.
eigentlich, wenn ich so überlege, ist es vielleicht einfach am besten, wenn sponsoren mich und meine bedingungen ablehnen.
[nachtrag 04.08.2016]
ich habe mal ein paar der bezahlten, sponsored posts gesucht und gesammelt (da ist auch ein offensichtlich unbezahlter artikel dabei).
vorher und nachher, salzgurken, grob nach diesem rezept.
die gurken schmecken ziemlich gut, so lecker wie in russland und polen, wo wir sie quasi kürzlich entdeckt haben.
zeit.de: Brandschutz: Die Diktatur der Feuermelder
dirk asendorpf über unser überbordendes sicherheitsbedürfnis und die folgen davon — am beispiel des brandschutzes. hört sich trocken an, bietet aber wirklich eine frische, interessante perspektive, unter anderem auf das hauptstadtflughafen-desaster.
spiegel.de: Laurie Penny über Donald Trump, Milo Yiannopoulos und die US-Republikaner
toller text der feministin laurie penny, die den parteitag der republikaner besucht hat. der text ist sehr anständig von eva thöne übersetzt worden, das englische original liegt auf medium.com.
weil sich unter diesem artikel auf facebook eine rege diskussion um die angemessenheit des wortes „verachtung“ und meine widersprüchliche haltung gegenüber werbung entwickelt hat, fiel mir noch diese geschichte ein, die ich bisher nicht aufgeschrieben habe.
vor etwa einem jahr habe ich mich bei blogfoster angemeldet, einem dienst, der bezahlte werbeartikel in blogs vermittelt. ursprünglich wollte ich dort rumrecherchieren, welche blogger an bezahlten kampagnen teilnehmen und die werbung dann nicht ordentlich kennzeichnen. meine verachtung für ungekennzeichnete (schleich-) werbung ist nämlich noch grösser, als die für werbung an sich. statt zu recherchieren blieb ich dann an einem angebot hängen: werbung für glenfidich, einen whisky den ich gerne mochte und dessen destillerie in schottland ich gerade besucht hatte.
statt über schlecht oder gar nicht gekennzeichnete werbung zu schreiben, schrieb ich nun einen artikel über einen drogenhersteller, gegen ein honorar. die einschätzung, ob meine haltung, dass das in ordnung sei, weil ich ja schreiben konnte was ich wollte und dass ich den artikel deutlich als bezahlt kennzeichnete, eine rationalisierung oder bigott ist, überlasse ich gerne anderen. wichtiger war mir, dass ich diese werbung mit meinem gewissen und meinen grundsätzen vereinbaren konnte.
zwei monate später schrieb ich einen weiteren bezahlten artikel und auch den fand ich vereinbar, weil ich ihn auch ohne honorar geschrieben hätte, hätte mich jemand auf die idee gebracht mal dasdong xian center zu besuchen.
was ich sagen will ist mir selbst nicht ganz klar, es geht wohl in die richtung, dass ich glaube verachtung („starke geringschätzung“) von werbung und das schalten und profitieren von werbung lassen sich durchaus vereinen. es mag genauso widersprüchlich erscheinen wie die verachtung von menschen die sich über das image oder die PS-zahl ihres autos zu definieren scheinen und ab und zu selbst ein schickes auto zu mieten. so widersprüchlich wie die verachtung für die steuersparmodelle grosser, multinationaler konzerne und dem bedürfnis, bei der steuererklärung selbst möglichst viel geld zurückzubekommen. so widersprüchlich wie die verachtung schwachbrüstiger, umknickender, prinzipienlos wirkender politiker und meine tiefe dankbarkeit gegenüber der deutschen politik und repräsentativen demokratie als ganzes.
es gibt kein ganz richtig oder ganz falsch, kein schwarz/weiss. alles in unserer zivilisation ist grau und von widersprüchen durchzogen. um in dieser situation ein bisschen halt zu finden und die widersprüche auszuhalten, erscheinen mir grundhaltungen, egal wie widersprüchlich, relativ wichtig — auch wenn sie einer genauen betrachtung nicht immer standhalten. aber auch das ist wichtig, dass haltungen, die der realität oder neuen erfahrungen nicht ausreichend standhalten, anpassbare arbeitshypothesen bleiben. und als arbeitshypothese finde ich das OK, eine branche, die den menschen systematisch falsche versprechungen und hoffnungen macht, die manipuliert und manisch undifferenziert ist, zu verachten oder mindestens stark geringzuschätzen.
Ich kann Werbung nicht leiden, obwohl ich für diese Kolumne (zum überwiegenden Teil) mit Werbegeld bezahlt werde. Ich verabscheue Werbung nicht nur, weil sie sich rüpelhaft verhält und ständig meinen Gedanken- und Lesefluss im Netz und der Welt stört, ich verachte Werbung vor allem deshalb, weil sie sich rücksichtslos in jeden Lebensbereich schiebt.
Werbung dringt in jede Ritze, jede Pore unseres Lebens. Sie überzieht alles mit einem fiesen, grellen Schleim aus Halbwahrheiten, Stereotypen und Habsucht. Werbung ist Spam, der sich hübsch gemacht hat. Spam, der von tausenden, teils brillanten, Köpfen kreativ hübsch und auf Freundlichkeit getrimmt wird und manchmal sogar unterhaltsam, ironisch oder distanziert daherkommt. Aber im Kern unterscheiden sich Spam und Werbung nicht, beide schiessen aus vollen Rohren auf alles was sich bewegt, in der Hoffnung, dass alle paar tausend Schuss ein Treffer gelingt.
Die Bewohner des Internets haben von diesem Dauerfeuer mittlerweile genug und wehren sich mit Werbeblockern, ebenso die Bewohner von São Paulo und Grenoble. In beiden Städten wurde Strassenwerbung einfach komplett verboten.
Es wundert mich allerdings, dass Journalisten und andere Publizierende, sich teils vehement für Werbung einsetzen und sie verteidigen. So veranstaltet stern.de zur Zeit eine Kampagne, in der Stern-Autoren und der Chefredakteur von stern.de dafür plädieren Werbeblocker abzuschalten. Vor ein paar Jahren verharmloste der damalige spiegel.de-Autor Frank Patalog Onlinewerbung als „ein wenig Bling-Bling“, das Leser zu ertragen hätten, wenn sie in den Genuss von „kostenlosen Inhalten“ kommen wollten. Im Kern mag das sogar stimmen, aber warum müssen ausgerechnet Journalisten, die sich in ihrem Selbstverständnis der Wahrhaftigkeit, der differenzierten, fairen und aufklärenden Berichterstattung verpflichtet fühlen, sich für etwas stark machen, dass darauf ausgelegt ist, zu manipulieren und zu täuschen? Sollte Journalisten etwas, das von ihren Texten ablenkt, das die Leser beim Lesen stört und manipuliert, nicht viel eher grundsätzlich ablehnen?
Nähmen Journalisten den Pressekodex und das Gebot zur Trennung von Redaktion und Werbung ernst, bliebe ihnen, gar keine andere Wahl, als Werbung zu verachten oder mindestens zu versuchen, maximale Distanz zu wahren.
Fehlende Distanz zu Werbung untergräbt Vertrauen und Authentizität. Jeder Bereich in dem sich Werbung übermässig stark ausbreitet, kämpft mit diesem Phänomen. Mache Blogs sind dank eines Übermasses teils ungekennzeichneter Werbung, jeder Menge Gewinnspielen oder gesponserten Artikeln, kaum noch von den Werbeheftchen zu unterscheiden, die uns die Post in die Briefkästen stopft. Manche Youtuber sind dank Product-Placement und Werbeverträgen mittlerweile so authentisch wie der Bausparfuchs von Schwäbisch Hall. Auf Instagram sind sich sogenannte Influencer nicht zu schade, ihre individuelle Ästhetik und Bildsprache für ein paar Euro der ausgelutschten shiny-happy-people-Werbeästhetik anzupassen. Auf Instagram überspringe ich ständig Bilder die so glatt und überstylt sind, dass sie eigentlich nur (versteckte) Werbung sein können — und meisten auch sind.
Der Youtuber Fynn Kliemann, der sich weigert seinen Youtube-Kanal zu monetarisieren, Product Placement zu betreiben oder Werbedeals abzuschliessen, erklärte seine Abneigung Werbung zu machen wie folgt: „Ich bin jetzt überhaupt nicht grundsätzlich gegen alles oder gegen das System. […] Ich habe einfach nur kein Bock auf Sachen, die von mir verlangt werden und ich stehe nicht dahinter. Und das ist der Inbegriff von Werbung.“
Werbung mag kreativ sein, sie kann sogar witzig und ironisch sein — aber sie ist niemals authentisch. Deshalb muss man sie nicht zwangsläufig ablehnen, aber ich finde, dass wir, Publizierende und Konsumenten, Werbung unbedingt als das sehen und behandeln sollten, was sie ist: manipulativ, parasitär und in der Regel unerwünscht. Werbung zu verachten ist der erste Schritt zur Parität. Sie verachtet uns schliesslich auch.
ich habe noch einen nachtrag zur frage der angemessenheit des wortes „verachtung“ und meiner widersprüchlichen haltung zu werbung geschrieben.
sehr schön, auch zum thema, konstantin weiss vor 6 jahren: „das märchenland der objekte“