Wenn die Beifahrerin ungeduldig wird oder gar wütend, sage ich immer scherzhaft: „Wir müssen mal wieder Geduld üben.“ Ich selbst halte mich eigentlich gar nicht für einen besonders geduldigen Menschen. Geduldsspiele treiben mich in den Wahnsinn, ich kann allerdings bei Dingen die mit meiner Arbeit zu tun haben oder mit den Elektronik-Basteleien, die ich zur Heimoptimierung mache und die ständig an meinen Kompetenzgrenzen kratzen, sehr, sehr beharrlich sein.
Die Beifahrerin ist übrigens auch bei allem was ihre Arbeit betrifft, wochenlanges Malen an einem einzigen Bild, Fotos so lange bearbeiten bis wirklich alle Farben stimmen, unermüdlich und langatmig. Bei allem anderen, was ihr im Leben begegnet, hat sie die Geduld einer zwei Millimeter langen Zündschnur.
Bei all meinen Geduldsdefiziten habe ich allerdings bemerkt, dass Geduld, bewusst ausgeübt, enorm beruhigend und befriedigend wirkt. Wichtiger noch: Dinge die man geduldig ausübt sind am Ende oft effizienter als die eilige Variante. Und damit meine ich nicht nur die aufgeregten Überholer, denen man fünf Ampeln später meist wieder begegnet.
Ich habe mich jedenfalls sehr gefreut, als ich meinen Scherz („Wir müssen mal Geduld üben!“) kürzlich im Internet in ernstgemeinter Form gefunden habe.
Jason Fried schreibt, dass er sich im neuen Jahr vorgenommen habeGeduld zu üben. Beim Einkauf stellt er sich an die längste Schlange, statt Prime nutzt er die langsamste Versandart. Wann immer sich die Gelegenheit ergibt, entscheidet er sich eher fürs Warten, als für die flotte Alternative — und statt beim Warten an seinem Handy rum zu daddeln, geniesst er das Nichtstun:
In a world where everyone seems to be super busy all the time, bumping into more moments with nothing to do seems like a real discovery.
(Viel mehr steht im Artikel übrigens nicht, aber allein wegen des Seinfeld-Zitats in den Kommentaren lohnt sich der Klick. Und um ein bisschen Geduld zu üben, liesse sich der Artikel auch vortrefflich mit der Hand abschreiben.)
Emotionen beschwingen das Netz – oder wie Peter Kruse das mal legendär in der Enquete-Kommission erklärt hat, hohe Vernetzungsdichte, hohe Spontanaktivität und „kreisende Erregungen im Netzwerk“ führen zu nahezu unkontrollierbaren „Selbstaufschaukelungen“. Das haben die Werbefuzzis mittlerweile auch entdeckt und spielen mit diesen Effekten, jetzt auch mit Zuarbeit der Rechten:
Seit einiger Zeit haben Werber eine Methode gefunden, bei der sie die leichte Erregbarkeit von Rechten und Rechtsradikalen in sozialen Netzwerken ausnutzen. Sie triggern diese Zielgruppe mit menschenfreundlichen Inhalten, Diversität der Protagonisten oder Slogans, die die Ewiggestrigen garantiert in den falschen Hals bekommen. Am Ende schwappt die Empörung aus der rechten Blase und die Werbung wird breit diskutiert. Die empörten Rechten, die aus allen Kanonen feuern, werden so zu nützlichen Idioten, die eine Werbekampagne völlig kostenlos in Gang bringen.
Markus Reuter erklärt das Prinzip und holt ein paar der jüngeren Beispiele zurück in die Erinnerung. Ich bin bei diesen Werbeformen hin und her gerissen. Einerseits sind diese Kampagnen weiterhin profane Werbung, meistens zur Verkaufsförderung von Plastikmüll, andererseits erfüllen diese Kampagnen tatsächlich mindestens zwei sinnvolle Zwecke:
Viele Unternehmen positionieren sich damit deutlicher gegen rechts als der Innenminister.
Diese Art Werbung zeigt, dass die Rechten demoskopisch vernachlässigbar sind, bzw. mindestens aus Sicht der Hersteller in der Minderheit sind – auch wenn sie mitunter am lautesten und vernehmbarsten schreien.
Diese Art der Werbung wendet sich an die anständigen, liberal und humanistisch eingestellten Menschen – und die Marktforschung der Werbetreibenden scheint zu zeigen, dass die nach wie vor in der Mehrheit sind.
Aber, auch wenn die Botschaft nobel und anständig ist, wir sollten nicht vergessen, dass wir aus Sicht der Werbetreibenden alle nützliche Idioten sind, deren vorrangige Aufgabe es ist, zu konsumieren.
In den USA empfehlen Dermatologen eine Null-Toleranz-Strategie gegenüber der Sonne: Wer rausgeht, solle sich konsequent gegen ultraviolettes Licht schützen und Sonnencreme mit einem Schutzfaktor von mindestens 30 benutzen. Den aus der Sonnen-Enthaltsamkeit resultierenden Vitamin-D-Mangel solle man künstlich, durch Vitaminpräparate ausgleichen.
Das Problem mit Vitamin-D-Präparaten scheint das gleiche wie mit anderen Vitaminpräparaten, Fischölen, Beta-Karotin-Pillen oder Schlangenöl zu sein, nämlich dass sich ihre Wirksamkeit bisher nicht nachweisen ließ. Im Gegenteil, ein paar Forscher glauben, dass der Zusammenhang zwischen schlechten Vitamin-D Werten und allen möglichen Krankheiten eine klassische Scheinkausalität ist.
Menschen mit hohen Vitamin-D-Werten sind nicht wegen des Vitamins sehr viel gesünder als Menschen mit Vitamin-D-Mangel, sondern vor allem auch, weil sie sich der Sonne aussetzten. Vitamin D sei ein Indikator, nicht die Ursache für Gesundheit. Hundertprozentiger Sonnenschutz, konsequentes Meiden der Sonne, scheint insgesamt mehr zu schaden als zu nützen.
Natürlich ist das alles furchtbar kompliziert und komplex, aber eins wird nach dem Lesen dieses (längeren) Artikels klar: den Heilsversprechen der Lebensmittel-, Kosmetik- oder Chemieindustrie – und erst recht Gesundheitsratgebern – sollte man mit einer gehörigen Portion Skepsis begegnen. Die wenigen Empfehlungen, die sich in den letzten paar hundert Jahren bewährt haben und nicht revidiert werden mussten, scheinen weiterhin: Maß halten, viel Bewegung und regelmäßig raus, an die frische Luft und Sonne zu gehen.
der umgang mit daten, egal ob sie einem von anderen anvertraut wurden oder ob es die eignen daten sind, sollte stets dem prinzip folgen das schlimmste anzunehmen. das ist meine verbilligte interpretation von brian krebs lesenswerten blogpost (via schneier.com). den ganzen text zu lesen lohnt sich (natürlich) noch zwei, drei ticken mehr, als meinen kommentar dazu zu lesen.
ich schreibe meine emails übrigens wie blogposts: ich gehe davon aus, dass email nicht sicher ist und schreibe deshalb in emails nur sachen, die zur not auch öffentlich werden können. bei ende zu ende verschlüsselter kommunikation bin ich etwas nachlässiger.
ansonsten verhält es sich mit der IT-sicherheitstechnik ganz ähnlich wie mit der gesundheit. gesunde ernährung, bewegung (security patches) allein reichen nicht. solange man nicht regelmässig zu vorsorge-untersuchungen geht (intrusion detection, monitoring) und eine gute gesundheitsversicherung für den fall einer krankheit (security-breach) hat, bringt auch der gesündeste lebensstil nichts:
failing to respond quickly when an adversary gains an initial foothold is like allowing a tiny cancer cell to metastasize into a much bigger illness that — left undetected for days, months or years — can cost the entire organism dearly.
für sich selbst sollte man immer vom schlimmsten ausgehen. wenn ich weiss, dass ein teil meiner passworte so oder so in die hände von dieben gelangt, ist es logisch für jeden login ein eigenes passwort zu nutzen, 2-faktor-authentiffizierung zu nutzen und besonders wichtige zugänge ganz besonders sorgfältig zu verrammeln.
wenn ich davon ausgehe, dass eine geöffnete flasche irgendwann zwangsläufig umfällt, stelle ich sie halt immer geschlossen hin oder gehe doppelt sicher, dass sie nicht umfällt.
ansonsten lautet das zauberwort natürlich immer auch: datensparsamkeit.
ammon bundy? nie gehört den namen. andererseits, von der „standoff“ bewegung in nevada und oregon hatte ich dann schon mal gehört. bundys familie, erzkonservative waffennarren, milizionäre, obama- und regierungsverächter, sind in den letzten jahren dadurch bekannt geworden, dass sie sich mit waffengewalt gegen behördenanweisungen wehrten. sie haben einen bunten gemischt-braunen haufen anhänger um sich gescharrt, der bundy jetzt aber offenbar einen ticken zu braun und hasserfüllt wurde, so dass er sich genötigt fühlte sich zu distanzieren.
man sieht hier jedenfalls ganz gut, wo die linien im rechten spektrum verlaufen: die bereitschaft zur waffengewalt muss nicht zwangsläufig bedeuten, fremde oder einwanderer abzulehnen oder sie pauschal aus dem land raushalten und rauswerfen zu wollen. oder anders gesagt: bundy ist schon extrem durchgeknallt konservativ, aber bundys kombination aus extremen wertekonservatismus und mormonischem glauben zeigt, dass menschlichkeit, mitgefühl mit leidenden, verfolgten oder geflüchteten durchaus vereinbar sind mit rückwärtsgewandtheit. bei deutschen konservativen scheint diese erkenntnis noch nicht angekommen zu sein. hier scheint zum konservieren, zum „christlich, sozialen“ automatisch auch das aufwiegeln gegen unterpriviligierte, arme, benachteiligte und fremde zu gehören.
andererseits können wir wahrscheinlich auch froh sein, dass der radikale konservatismus und militantismus der standoffs sich hier noch nicht allzu sehr in die gehirne der europäischen konservativen gefressen hat.
Ich [möchte] Euch den Text von Robert Habeck dringend empfehlen. Er macht sich – wie selten ein Grünen-Politiker zuvor – ausgiebig und hartnäckig Gedanken über die künftige Arbeitswelt in diesem Land und auf der Welt. Was eines der vorrangigen Themen neben dem Klimaschutz nun eimal ist. Um so erschreckend, dass hierzu von den Regierungsparteien so schrecklich wenig kommt. „Die Stunde des mutigen Karnickels. (Wie wir die digitale Arbeitswelt gestalten können.)” Sehr lesenswert!
aber nicht ohne noch mindestens einen absatz zu zitieren:
Wie weitreichend die Schritte sind, sollte durch die Analyse der Wirklichkeit gesteuert werden. Die Zeit, von alles bestimmenden Masterplänen, ist jedenfalls vorbei. Politik muss schneller und experimentierfreudiger werden, will sie mit einer schneller werdenden und experimentierfreudigen Wirklichkeit Schritt halten. Wir brauchen dafür Module des Wandels, die wir jeweils benutzen oder nicht benutzen können.
noch ein text von creezy empfohlen, über die leicht verfahrene situation von behindertenwerkstätten. deren finanzierung und förderung begünstigt eine eigendynamik die, ich sag mal so, nicht für alle beteiligten optimal ist. das alles wird, wie immer in der brandeins, wunderbar differenziert, aber nicht trocken aufgeschlüsselt und lässt einen dann doch leicht irritiert und frustriert zurück. eins bleibt, wie nach dem lesen des texts von robert habeck jedoch auf der zunge liegen: die arbeitsmarktpolitik muss dringend dynamischer werden.
Endlich schließen sich mal die Reihen der demokratischen Parteien. Sie wehren sich gegen die Rechtspopulisten, über alle Parteidifferenzen hinweg: Die AfD provoziert, die FDP verteidigt die SPD, eine Grüne schmeißt einen Störenfried aus dem Saal und die CDU applaudiert.
in der letzten woche waren in meinem feedreader so viele gute artikel, dass ich die am liebsten alle teilen wollte. tatsächlich tue ich das bereits (schon immer): alles was mir gefällt, was ich später lesen möchte, was ich später verlinken möchte oder was ich glaube später in einem artikel oder vortrag benutzen zu können versehe ich in meinem feedreader mit einem stern. und dann landet es hier: pinboard.in/u:diplix
um mal ein paar links loszuwerden, hier mal wieder eine auswahl aus den letzten tagen.
das ist glaube ich das beste, was ich bisher über die gelbwestenbewegung gelesen habe. was sascha lobo wirklich meisterhaft beherrscht ist mustererkennung. ich frage mich wieso die fähigkeit bei so vielen journalisten unterentwickelt ist.
wer in den letzten 10 oder 15 jahren im internet unterwegs war, erkennt die muster die menschen im netz bewegen, aber sascha lobo ist einer der wenigen die diese muster immer wieder auf aktuelle phänomene projiziert und sie damit einleuchtender, diffferenzierter und nachviollziehbarer erklärt.
oder anders gesagt: auch wer sich nicht für das gelbwesten-phänomen interessiert, sollte diesen text unbedingt lesen.
ich mag die springer-presse nicht und jedesmal wenn ich irgendwas in der „welt“ lese, rollen sich mir die fussnägel hoch. ich kann mit dem zeug nichts anfangen, obwohl ich immer wieder versucht habe dem (halb) seriösen aushängeschild des springer-verlags eine chance zu geben.
was ich hingegen gerne lese sind die texte des ex-herausgebers der welt thomas schmidt. meisten sind die nicht besonders kurz, sie wirken sehr klug und sind es wahrscheinlich auch, aber wichtiger: schmidt hat nicht nur starke meinungen, sondern auch starke argumente und schafft es immer wieder nicht nur zusammenhänge herzustellen, sondern auch nachvollziehbar zu machen.
das unbehagen, dass ich schon immer gegenüber all zu direkter demokratie und allzu schwacher gewaltenteilung habe, fasst er in diesem text nochmal gut zusammen.
Seit fast sieben Jahrzehnten sind die meisten Staaten Europas zumindest leidlich gut funktionierende liberale Demokratien. „Das“ Volk hatte eine Stimme, aber nicht das Sagen. Hie und da gab es Revolten, die jedoch nie eine systemgefährdende oder gar systemsprengende Kraft entwickeln konnten. Die Befriedungs- und Inklusionskraft der Institutionen war stärker. Jahresring um Jahresring konnte so die Überzeugung wachsen, dass im Wechselspiel zwischen Bürgern, Politik und Institutionen ein stabiles politisches System entstanden sei, das in sich ruht und nicht mehr zu erschüttern oder aus der Fassung zu bringen ist. Dass diese Einschätzung zu optimistisch war, dafür gibt es seit einiger Zeit Anzeichen.
ich habe viele probleme mit religiosität und erst recht mit theologischen texten. diesen text über den schwarzen (befreiungs) theologen james h. cone (vom weissen religionswissenschaftler chris hedges geschrieben) hat mich aber gefesselt. ich glaube [sic!] dass religion nichts für mich ist und unendliches leid über die welt gebracht hat, aber ich glaube auch, dass religion menschen helfen kann zu sich selbst zu finden, sie zu stärken und in bestimmten (ausübungs) formen auch humanität und gerechtigkeit fördert (und in anderen das gegenteil).
“Christianity is essentially a religion of liberation,” Cone writes. “The function of theology is that of analyzing the meaning of that liberation for the oppressed community so they can know that their struggle for political, social, and economic justice is consistent with the gospel of Jesus Christ. Any message that is not related to the liberation of the poor is not Christ’s message. Any theology that is indifferent to the theme of liberation is not Christian theology. In a society where [people] are oppressed because they are black, Christian theology must become Black Theology, a theology that is unreservedly identified with the goals of the oppressed community and seeking to interpret the divine character of their struggle for liberation.”
das ist ein ungewöhnlicher text für techcrunch, in dem ein esoterischer tweet-sturm des twitter-chefs jack dorsey zu recht, sehr unfair, aber sehr prägnant und erschütternd, dem leid der minderheit der rohingya gegenübergestellt wird.
I'll make this easy for you: Do not touch anything Facebook does. They are rotten to the core.
ich nutze facebook nur noch mit widerwillen und extrem selten, so gut wie gar nicht mehr. die praktiken der firma die in den letzten wochen öffentlich wurden sind einerseits nicht überraschend, in ihrer konsequenten hinterfotzigkeit dann aber doch wieder irritierend. in der regel halte ich es mit der regel, alles was nach verschwörung und bösartigkeit aussieht mit inkompetenz oder scheitern an komplexität zu erklären. bei facebook wird es aber immer deutlicher, dass es in der spitze von facebook mehrheitlich leute gibt, denen das wohl der firma über alles geht und die verantwortung für alles was facebook anrichtet nicht nur ablehnen, sondern sich dieser verantwortung auch aktiv entziehen und daraus resultierendes leid in kauf nehmen. facebook und ich werden in diesem leben wohl keine freunde mehr.
Nach dem Start von Apple Pay in Deutschland begründeten Bankenvertreter das Fehlen der Girocard-Unterstützung damit, die Karte sei nicht auf einen internationalen Einsatz ausgelegt.
das versteh ich nicht ganz: der stolz der deutschen banken, die EC-karte, spielt, wie wir alle, immer wieder, leidvoll im ausland erfahren, international keine rolle, funktioniert also, wenn überhaupt, nur im europäischen ausland. und dass apple (oder google) diese einschränkung nicht auch für ihre zahlungssysteme übernehmen wollen, machten die deutschen banken apple jetzt zum vorwurf?
ich weiss, es ist bestimmt alles kompliziert, aber warum haben die deutschen banken in den letzten 20 jahren nicht (auch) ein bisschen darauf hingearbeitet, EC-karten auf den internationalen einsatz auszulegen? so wie jede verkackte kreditkarte auch?
das ist grösstenteils toyota-PR vom toyota-motorentwickler gerald killmann, aber nichtsdestotrotz das klügste (und kürzeste) was ich seit langem über die zukunft des autos gelesen habe. allerdings kommt’s meisten dann doch ganz anders als man, oder sehr kluge menschen, denken.
die texte von frank lachmann sind nie besonders einfach zu lesen, der hier ist nur mittelhart. und ich kann einige, wenn nicht sogar die meisten beobachtungen über new york bestätigen. zum beispiel:
([…] in nyc wird auch öfter gehupt, und „deutlicher“ als in asien, weniger aggressiv andererseits als in münchen)
dieses interview mit dem stadtplaner alain bertaud ist augenöffnend, weil es zeigt, dass wir in bereichen die wir regulieren oder steuern wollen, oft einfach die falschen werkzeuge ansetzen — und die falschen metriken.
Cities are labor markets. People go to cities to find a good job. Firms move to cities, which are expensive, because they are more likely to find the staff and specialists that they need. If a city’s attractive, that’s a bonus. But basically, they come to get a job.
[…]
In a way, the dream of every urban planner or architect is to not be constrained by the market. You believe, as an architect or as a planner, that you alone could efficiently allocate land uses and densities, just like designing a house.
I quickly realized that if you do not have prices to guide you, you end up relying on arbitrary norms.
boris palmer „forrest trump“ zu nennen finde ich nach dem lesen dieses artikels irgendwie sehr passend. den artikel kann man derzeit nur mit einem übermedien-abo lesen, aber das lohnt sich allein schon wegen der kolumnen von samira el ouassil.
schadenfreude ist macht im fall von till schweiger wirklich spass, nicht aus der reinen freude an der schadenfreude, sondern weil till schweiger wirklich, wirklich nie den fehler bei sich selbst sieht.
sehr toller text, der sich ein bisschen monothematisch gibt, aber einen bunten strauss an klugen und wichtigen erkenntnissen vermittelt — vor allem: es würde helfen, nicht davon auszugehen, dass irgendwas auf der hand liegt. merkur-zeitschrift.de/2018/11/26/the-trouble-with-talking/
“No, not all Trump supporters are racist. But virtually all racists, it seems, are Trump supporters. And all Trump supporters implicitly condone his blatant prejudice. At the very least they don’t consider racism to be a reason to turn against the president. For a disturbingly large number of Trump voters, it is the primary reason to support him.”
manchmal macht es klick, wenn ich texte lese. dann kommen sachen die mir im kopf schwirren plötzlich zusammen, weil irgendwer es geschafft hat die schwirrenden dinge zu verbunden und per logik das schwirren zumindest für eine weile zu unterbinden. zuletzt ist das vor ein paar tagen robert reich gelungen, dessen leider etwas bescheuert übertitelter text „Amazon Is Everything That's Wrong With America“ viel weniger polemisch ist, als die überschrift vermuten lässt.
in aller kürze sagt reich im text, dass amazon ein symptom der derzeitigen krise in amerika ist, bzw. dass amazons jüngste entscheidung für zwei neue hauptquartiere das problem deutlich macht, an dem amerika leidet — aber auch andere westliche länder:
das problem ist eine wachsende ungleichheit von orten („widening inequalities of place“). amazon habe sich entschieden seine zwei neuen hauptquartiere nicht in einer ländlicheren, konservativen gegend anzusiedeln, sondern im liberalen new york und der metropolengegend washingtons.
aus amazons perspektive ist das folgerichtig, weil amazon gebildete, talentierte menschen benötigt um sein geschäft zu betreiben und weiterzuentwickeln. amazon verkauft eben nicht nur sachen im internet, sondern erfindet sich ständig neu, und verbessert seine methoden kontinuierlich, um konsumenten besser und schneller zu bedienen. amazon ist auf technologie angewiesen und technologie, technologieentwicklung ist eben kein ding an sich, sondern ein prozess, ein hin und her, dialoge zwischen menschen, die voneiander lernen, sich inspirieren und sich gegenseit (intellektuell) auf die schultern steigen. und genau das, schreibt reich, passiere eben in hauptsächlich in wenigen geographischen clustern, in den USA vor allem an den küsten. an der westküste, in den bundesstaaten washinton und kalifornien oder an der ostküste um washington DC, boston und new york herum. in europa ist das nicht anders, auch hier findet technologische innovation eher in urbanen gegenden statt, weniger im ländlichen raum.
die talentierten menschen, die technologie vorantreiben, die in technologie-firmen arbeiten, studieren in städten und ziehen die grossräume von städten auch zum späteren leben und arbeiten vor.
und genau das ist das problem: der ländliche raum bleibt vom derzeitigen fortschrittstreiber ausgeschlossen. der ländliche raum ist nahezu ausgeschlossen von jobwachstum, den geld- und steuerströmen, die sich fast ausschliesslich in die städtischen räume ergiessen.
Between 2010 and 2017, according to Brookings, nearly half of the America’s employment growth centered in just 20 large metro areas, now home to about a third of the U.S. population.
Relative to these booming hubs, America’s heartland is becoming older, less well-educated, and poorer.
The so-called “tribal” divide in American politics, which Trump has exploited, is better understood in these economic and cultural terms: On one side, mega-urban clusters centered on technologies of the future. On the other, great expanses of space inhabited by people left behind.
überspitzt formuliert: der ländliche raum verarmt, verblödet, überaltert. populisten wie trump wissen das mit ihren lügen, hohlen versprechen und vermeintlichem mitgefühl für die unterpriviligierten auszunutzen. die gutbezahlten jobs entstehen in den metropolen, aber auch hier entstehen durch einkommensungleichheit immer mehr prekäre einkommenssituationen.
auch in deutschland scheinen sich diese probleme zuzuspitzen. die unterschiede zwischen arm und reich steigen, die mittelschicht verschwindet und die gutbezahlten jobs entstehen in den städten. amazon hat sein hauptquartier in münchen schwabing, „am Berliner Standort entwickelt Amazon“, laut selbstbeschreibung, „seit 2013 zukunftsweisende Technologien“, „In Dresden ist das Amazon Office ein Kompetenzzentrum für Linux Kern- und Hypervisor-Entwicklung“, die eher schlechtbezahlten jobs in logistikzentren siedelt amazon dann auch im ländlichen raum an (graben, bad hersfeld, rheinberg, werne, pforzheim, koblenz, brieselang oder winsen).
in deutschland wie in amerika tendieren die metropolen politisch nach links. seattle, kalifornien, new york, washington DC, alle nennt robert reich „true blue“, also demokratisch dominiert. die republikaner sind dafür in den ländlichen gegenden stärker. in deutschland sind die metropolen zwar nicht blau, aber dafür stark von rot und grüntönen dominiert. in den USA verzerrt sich durch die konzentration der progressiven wähler in den metropolen auch das politische klima:
Another consequence is a more distorted democracy. California (now inhabited by 39.54 million) and New York (19.85 million) each get two senators, as do Wyoming (573,000) and North Dakota (672,591).
Even though Democratic Senate candidates in the midterm elections received 12 million more votes than Republican Senate candidates, Republicans still gained at least one more Senate seat.
ich vermute, dass das sich das in deutschland tendenziell ähnlich verhält, auch wenn die gleichheit der wahl in deutschland offenbar ein höheres gewicht hat, als in den USA.
das problem des „tribal divide“ dürfte sich aber in den kommenden jahren genauso verstärken, wie sich die trends der wachsenden einkommenungleichheit und der sich ausdünnenden mittelschicht auch langsam aber sicher bei uns breit machen.
In seinem Werk Supercapitalism stellte Reich fest, im vorherrschenden Wirtschaftssystem würden Personen als Verbraucher und Anleger zunehmend mehr Macht erhalten, als Arbeitnehmer und Bürger jedoch immer weniger. Ein Primat der Ökonomie über die Politik untergrabe die Demokratie. Reich stellte dem eine Forderung nach dem Primat der Politik entgegen.
Reich begründet seine Auffassung mit dem Paradox des Superkapitalismus. Dieses besagt: Die Bürger in den Industrieländern und immer mehr Menschen in Schwellenländern profitieren als Verbraucher und Anleger von der Globalisierung und Liberalisierung der Märkte, als Bürger ihrer Staaten lehnen sie jedoch deren negative Folgen weitgehend ab. Als Konsumenten suchen sie nach den besten Preisen, als Bürger beklagen sie jedoch das Aussterben der kleinen Quartierläden und die schlechten Arbeitsbedingungen in den Supermärkten. Als Anleger erwarten sie hohe Renditen, als Bürger verurteilen sie jedoch die Manager, die aus Renditegründen Arbeitsstellen kürzen. Für Reich ist die Bilanz dieser Ambivalenz eindeutig: Die Anleger und Konsumenten sind die Gewinner der Globalisierung. Ihre Auswahlmöglichkeiten nehmen laufend zu. Die Bürger hingegen sind immer öfter die Verlierer: Die Löhne nehmen ab, die Arbeitsunsicherheit nimmt zu und ebenso die gesellschaftliche Ungleichheit.
Der Vorzug von Robert Reichs Superkapitalismus-Konzept liegt darin, dass es nicht zu unsachlicher System- oder Kapitalismuskritik verleitet, denn neoliberal sind in dieser Betrachtungsweise nicht Systeme, sondern Personen, die als Investoren und Konsumenten handeln.
das ist eigentlich ein schöner schlusssatz, auch wenn vieles von dem was reich sagt nachdenkenswert und diskussionswürdig ist: neoliberal sind nicht „die da oben“, sondern wir konsumenten.
ich hatte immer den eindruck, dass englisch als vorherschende sprache in der populärmusik vor allem einen zweck hat: die peinlichkeit der texte zu kaschieren. spätestens wenn man liedtexte auf deutsch übersetzt, fällt einem ihre schwachsinnigkeit auf. über den umweg der fremdsprache lässt sich auch auf den grössten quatsch souveränität projezieren. über den umweg des denglischen, können wir sachen sagen, die uns in der muttersprache peinlich wären.
andererseits ist das auch unsinn: mit einer gewissen haltung oder souveränität, lässt sich grosser quatsch auch muttersprachlich ausdrücken — ohne allzu peinlich zu wirken. udo lindenberg zeigt das bereits seit gefühlt zweihundert jahren.
aber trotzdem flüchten wir, egal ob gesungen, geschrieben oder gesprochen, immer gerne ins denglische um profanes, langweiliges aufzupeppen: wir machen aus dem betrachten von leinwänden oder grossbildschirmen ereignisse, indem wir von public viewing sprechen. statt jemanden zu schmähen, dissen wir, abstimmen hört sich als voten viel digitaler und moderner an.
und wenn wir männer dafür loben wollen, dass sie ihren beruf ganz gut ausüben, sagen wir balls of steel, weil sich verhärtungen im geschlechtsbereich einfach nicht so beeindruckend anhört.
weil ich aber auch ein grosser freund der akkuratesse bin, habe ich überlegt, wie man balls of steel übersetzen könnte. eier aus stahl liegt nahe, zeigt aber gleich warum das ausser jan böhmermann niemand sagt: ohne ironischen bruch spülen die eier aus stahl viel zu viel pathos nach oben. und pathos bei der beschäftigung mit männlichen geschlechtorganen möchten die meisten männer nach kräften vermeiden, weshalb die ausflucht ins englische logisch erscheint.
stahlnüsse fände ich ganz niedlich, aber gegenüber bällen sind nüsse natürlich auch eine herabsetzung, aber gerade das macht dieses lob sympatisch.
enthielten der hodensack tatsächlich testikel aus gehärtetem eisen, wäre das fraglos sehr unpraktisch, aber so richtig fällt einem dieser umstand erst auf, wenn man die situation im schritt mit eisensack beschriebe.
ganz abgesehen davon habe ich mich beim schreiben gerade gefragt, ob man auch aus der metalisierung anderer männlicher körperteile vermeintliche komplimente konstruieren könnte. schon die ersten versuche zeigen — eher nicht:
anus aus stahl, eisenfinger, metallkopf, silberohr, blechzunge, kupferschwanz.
achso, ich bin abgeschwiffen. eigentlich wollte ich nur dieses video verlinken:
@diplix @Augstein Was ist nun mit den Ähnlichkeiten des Beitrags von Seemann vom 26.10.2016? Die sind noch frappierender. Oder zitiert Seemann da nur über lange Strecken?
ix sehe es ähnlich wie @mspro: er hat das „feindbild der afd rekonstruiert“ und analysiert und damit das faschistoide gedankenbild der afd passgenau paraphrasiert. diese paraphrasierung zeigt jetzt eben auch, dass diese „klugen“ gedanken schon 1933 populär waren und aufs die populistische strategie der afd beschreiben, so dass gauland oder seine ghostwriter sich offenbar der einfachheit halber gleich bei michael seemann bedient haben.
oha. es sieht so aus als hätte alexander gauland fast wörtlich bei mir abgeschrieben.allerdings habe ich mit der „globalen klasse“ ja auch explizit das feindbild der afd rekonstruiert.twitter.com/PhilipPlickert…
ich finde übrigens auch, dass michael seemann sich, anders als augstein, sehr viel differenzierter von diesem gedankenbild distanziert. das liebäugeln von augstein mit dem populismus (der für ihn gerne von links kommen kann) sehe ich eher kritisch.
Der Film würde Zweitklässler unterfordern, so kunstlos ausformuliert und offensichtlich wird der Bildungsroman wegerzählt. Entweder sind Grundschuldkinder seine angepeilte Zielgruppe oder aber, Florian Maria Georg Christian Graf Henckel von Donnersmarck hält sein Publikum für mächtig schwer von Begriff. In dem Film wird kaum etwas nicht unmissverständlich proklamiert. Da sagt Paula Beer, nachdem ihr Nazivater sie unfruchtbar gemacht hat: „Ich kann keine Kinder kriegen.“ Dreißig Minuten später sagt sie: „Ich kann doch Kinder kriegen.“ In diesem Stil geht das die ganze Zeit. Es ist zum Heulen. Alles begleitet von Max Richters Musik, die einem immer, aber auch wirklich immer, ganz haarklein vorschreiben will, was man zu fühlen hat. Ein Film mit Stützrädern unten dran, formal hüftsteif und die ganze Laufzeit über ausgeleuchtet wie eine Zahnarztpraxis, merkwürdigerweise auch in den Szenen, die im Dunkeln spielen – keine Ahnung, wie die das hinbekommen haben. Nicht eine Sekunde lang sieht Werk ohne Autor nicht wie ein abfotografiertes Filmset aus, sind die Protagonisten mehr als eindimensionale Abziehbilder. Nichts atmet hier. Ein überkontrollierter Riesenaufwand, alles für die Katz. Und all das nur, um die übliche Mär zu erzählen von den traumatisierten männlichen Identitäten, die sich mit Frauenleichen reparieren müssen.
vor einer weile erwähnte ein kollege, dass aale, also alle aale, auch der europäische aal, auch aale in europäischen binnengewässern, imigranten aus der sargassosee in der nähe der bahamas sind. aale werden ausschliesslich in der sargassosee geboren. ich wollte das nicht glauben (weil ich noch nie davon gehört hatte) und schlug es nach:
Aale schlüpfen im Atlantik, in der Sargassosee (in der Nähe der Bahamas). Wegen ihrer Form heißen die Aallarven Weidenblattlarven (Leptocephalus-Larve). Etwa drei Jahre brauchen diese Larven, um von der Sargassosee an die europäischen Küsten zu gelangen. […]
Wenn die Weidenblattlarven in den europäischen Küstengewässern ankommen, wandeln sie sich zu den ca. 7 cm langen Glasaalen. Im Frühjahr schwimmen sie in zum Teil großen Schwärmen von den europäischen Küsten flussaufwärts in die Binnengewässer des Landesinneren.
(wikipedia)
wenn die glasaale im november in den europäischen küstengewässern auftauchen, fischen spanische fischer sie ab und verkaufen sie für um die 1000 euro pro kilo (den ersten fang auch für bis zu 5000 euro). allerdings schmecken sie nicht besonders gut, haben keine besonders angenehme konsistenz. aber offenbar gibt es genügend menschen, die sich ab und an etwas exklusivität leisten möchten, und die dinger für ein paar hundert euro pro portion in restaurants bestellen.
auch witzig, seit 1991 gibt’s babyaal-imitat aus surimi-masse, statt angulas heissen die gulas. die verkaufen sich so gut, dass es sie in spanien angeblich jeden lebensmittelladen gibt.
Der AfD selbst kann gegen die Watchblogs nicht viel ausrichten. „Solange diese keine Unwahrheiten über uns verbreiten, müssen wir sie als kritische Begleiter akzeptieren“, sagt AfD-Sprecher Christian Lüth auf Anfrage der taz. Sobald jedoch der faire demokratische Umgang nicht mehr eingehalten werden würde, behalte man sich vor, dagegen vorzugehen.
anfang april entscheid man sich bei der afd offenbar um und schickte einem der watchblogs, wir-sind-afd.de, eine abmahnung — wegen verletzung der namensrechte. unwahrheiten verbreitet wir-sind-afd.de offenbar nicht, aber als kritischen begleiter akzeptieren will die afd die seite anscheinend trotzdem nicht mehr.
Weil die Frage, wie man mich unterstützen kann, schon mehrfach kam — auch dafür: Danke. — möchte ich darauf noch kurz eingehen: Im Moment habe ich alles, was ich brauche. Im worst case, sprich: Wenn die Gegenseite den Prozess gewinnt, wäre ich zum einen die Domain los, zum anderen kämen für die erste Instanz knapp 6.000€ Prozesskosten auf mich zu. Falls das passiert, müsste ich euch doch um die eine oder andere Mark bitten.
What we know as Aldi in the US is actually Aldi Süd.
Aldi Nord operates in the US, too, as Trader Joe’s. This is the one country, aside from Germany, where the two companies coexist, possibly because Trader Joe’s looks so starkly different from Aldi that it effectively erases the fear of direct sibling competition.
nochmal theawl.com, nochmal eine geschichte aus deutschland die eigentlich jeder kennt, obwohl ich das nicht wusste:
After Kujau’s death, however, [prices of his replicas of the Old Masters] spiked—and this is where it gets legitimately weird, folding in on itself into so many orders of fakery that I can no longer keep track. According to this 2010 article in Der Spiegel, Kujau’s great-niece Petra was arrested in 2010, for carrying on the family trade in the best possible way—that is, selling fakes of “genuine” Kujau fakes of real old paintings, for as much as EUR 300,000. This is truly the kind of thing you can’t make up.
auch eine guter erinnerung: die nazis und nazi-sympathisanten waren nie ganz weg. wir sehen die dank social media nur (wieder) deutlicher.
michael wolff über seine zeit als eingebetteter reporter in trumps weissen haus.
I'd like to just watch and write a book. "A book?" he responded, losing interest. "I hear a lot of people want to write books," he added, clearly not understanding why anybody would. "Do you know Ed Klein?"— author of several virulently anti-Hillary books. "Great guy. I think he should write a book about me." But sure, Trump seemed to say, knock yourself out.
ich hab die schreinerei eigentlich mal gelernt, aber einige der tricks (und werkzeuge) die frank klausz hier beim schwalbenschwanzen zeigt, kannte ich noch nicht. ich habe mir das sehr fasziniert angesehen und mir ist wieder klar geworden, was für ein toller werkstoff holz ist. allein die geräusche die ein eingespanntes brett beim (sauber) schnitzen mit einem stecheisen macht.
ich mag die unaufgeregte kolumne von @ChrisStoecker auf #spon sehr und diese besonders: „Die Deutschen investieren […] fünfmal so viel Geld in Christbäume wie in Kracher und Raketen.“
ben thomson nimmt den weinstein-missbrauchs-skandal zum anlass über gatekeeper nachzudenken und zeigt auf, was das radikale verschwinden der gatekeeper gutes und weniger gutes mit sich bringt.
[T]he end of gatekeepers is inevitable: the Internet provides abundance, not scarcity, and power flows from discovery, not distribution. We can regret the change or relish it, but we cannot halt it: best to get on with making it work for far more people than gatekeepers ever helped — or harassed.
ich fand den text sehr lesenswert und hatte beim lesen mehrere aha-erlebnisse.
lesenswerter text über den blinden fleck von zukunftsprognosen: unser verhalten und kulturelle normen. kieran healy erklärt warum das so ist:
Until recently, culture explained why things stayed the same, not why they changed. Understood as a monolithic block of passively internalized norms transmitted by socialization and canonized by tradition, culture was normally seen as inhibiting individuals.
der glaube, dass kultur eine konstante sei, dass es kulturelle traditionen gäbe, die identität stiften oder in sich stabil, gegeben oder natürlich seien, wird ja auch in der politik immer wieder als argument genutzt. aber jede tradition war irgendwann auch mal neu und progressiv — und meistens vor gar nicht so langer zeit. wir tendieren dazu nicht nur zu vergessen dass sich unser kultureller rahmen ständig verändert, sondern auch wie schnell das passiert. der text nennt ein schönes beispiel: das spucken. in der öffentlichkeit zu spucken war noch vor kurzen so normal, dass es teilweise heftig reguliert war, wo man spucken dürfte und wo nicht. konservative verweisen gerne auf alle möglichen traditionen, deren verschwinden angeblich unsere identitäten oder unsere kultur verwaschen oder gefährden würden, aber die wenigsten wünschen sich spucknäpfe, kautabak, pferdekutschen oder die medizinischen standards von vor 80 jahren zurück.
unsere unfähigkeit zu erkennen wie wechselvoll kultur und traditionen sind, erschwert nicht nur den blick in die zukunft, sondern auch vernünftige politische debatten.
ein weiterer einleuchtender medientheoretischer text, hier von sascha lobo. der text benötigt keine ergänzungen, aber ich will es doch versuchen: das verschwinden der gatekeeper-funktion der medien war bereits am anfang der digitalisierung gut zu antizipieren und vorauszusehen. die wahren folgen, wie zum beispiel das phänomen das sascha lobo hier als „Epoche des Mediennihilismus“ umschreibt, hingegen nicht. im gegenteil, das verschwinden der gatekeeper wurde (auch von mir) eher naiv oder eindimensional als befreiung und bereicherung erhofft.
der technologische wandel ist (oft) schon schwer genug vorauszusehen, aber die direkten und indirekten kulturellen folgen noch um ein vielfaches schwerer. und wenn sie da sind, sind sie unfassbar schwer zu begreifen, selbst wenn sascha lobo beim verstehen hilft.
dieser text ist noch ernüchternder als der praktische technische stand von usb-c, den besitzer von usb-c anschlüssen derzeit im alltag erleben dürfen. usb-c ist fast noch schlimmer als das SCSI-vodoo, das ich in sachen peripheriegeräte vor 20 jahren erleben durfte. manchmal geht’s, manchmal nicht und oft passieren unerklärliche dinge.
im büro habe ich mir einen usb-c adapter für schlappe 80 euro kaufen lassen, der mir strom, ethernet, ein paar klassiche usb-anschlüsse und einen monitoranschlüss (per hdmi) auf einen usb-c-anschluss leitet. stöpsle ich das hdmi-kabel aus, hört der computer auf zu laden, auch wenn ich es wieder einstecke. schliesse ich ein hdmi-zu-mini-displayport-kabel an den adapter an, verweigert der ganze adapter seinen dienst.
wahrscheinlich müssen wir noch 2-3 jahre warten, bis das usb-c-gedöns einigermassen zuverlässig funktioniert und bezahlbar wird, aber dann gibt’s sicher schon den nächsten standard, der uns mit seinen kinderkrankheiten und mondpreisen nervt.
stefan niggemeier regt sich (zu recht) über den spiegel auf, der damit wirbt, keine angst vor der wahrheit zu haben, diese in eigener sache aber offensichtlich durchaus hat.
[…] Die Formulierung [ist] grob irreführend. Es gibt seit ein paar Tagen massive Kritik am „Spiegel“. Diese Kritik ist der Grund dafür, warum der „Spiegel“ sich jetzt (endlich) „in eigener Sache“ äußert.
Der „Spiegel“ verlinkt diese Kritik nicht, er nennt die Kritiker nicht, er erwähnt nicht einmal, dass es diese Kritik gibt. — Behauptet aber, keine Angst vor der Wahrheit zu haben.
(text ist nur für übermedien-abonnenten lesbar.)
einige in meinem und kittykomas umfeld haben sich mit einem text beschäftigt, der in der zeit erschien (journelle, die kaltmamsell und das nuf). hab ich alles gerne gelesen. aber am allerliebsten den text dazu von kittykoma.
ich freue mich, dass es harald schmidt gut geht. aber witzig finde ich seine publikumsbeschimpfung-geringschätzung nicht. ach was sage ich: seine geringschätzung von allem, was nicht harald schmidt ist, finde ich wenig unterhaltsam.
mit hausautomatisierung gibt es viele probleme. einerseits sind preise noch immer irre hoch, die bedienbarkeit, die usability miserabel und intransparent und viele sicherheitsfragen ungeklärt oder schlampig konzipiert.
ich finde es grundsätzlich unangenehm daten aus meiner, unserer wohnung in cloud-dienste von herstellern zu übertragen. ich weiss, welche schlussfolgerungen man durch genaue auswertung oder korrelation selbst aus harmlosesten daten ziehen kann und versuche deshalb den abfluss der daten aus der wohnung so gering wie möglich zu halten.
bisher lautet das beliebteste argument der herstellern für cloud-basierte lösungen: mit der cloud sind unsere geräte leichter einzurichten und zu bedienen, einfach zu aktualisieren und zu kontrollieren.
es gibt nur wenige hersteller, denen ich vertraue meine (unsere) daten in der cloud aufzubewahren — und das meist nach einem langen abwägungsprozess. in diesem prozess spielt vertrauen eine zentrale rolle.
wenn dann aber der chef einer firma laut über künftige einnahmequellen seiner firma nachdenkt, offensichtlich um seinen derzeitigen und künftigen investoren ein plaisir zu bereiten, kann dieses vertrauen schnell auf null sinken. als wäre es nicht schon schwer genug zu ertragen dass die daten aus der eigenen wohnung irgendwo unter fremder kontrolle gespeichert werden, spekuliert der mann darüber, dass man irgendwan mal diese daten verkaufen könnte.
es bleibt zu hoffen dass künftig immer mehr firmen in diese lücke springen und geräte und dienstleistungen anbieten, die autark in den eigenen vier wänden funktionieren, ohne (zwangs-) cloudanbindung. das ist dann möglicherweise teurer, aber nicht zwangsläufig. ikea zeigt, dass es sowohl günstig, als auch autark geht. die vernetzten tradfri-lampen von ikea und der von ikea angebotete tradfri-hub sprechen lediglich für (firmware) updates mit der cloud.
einerseits kann ich verstehen was christopher nolan hier sagt, andererseits interessiert mich bombast-kino, dass nur in imax-büchsen richtig funktioniert, immer weniger. das ist ein bisschen wie ein romanautor, der glaubt seine romane würden nur funktionieren, wenn sie mit grossformatigen, gedruckten hochglanzbildern illustriert sind.
ein guter roman sollte mich auch ohne illustrationen umhauen. ein guter roman sollte als taschenbuch genauso gut funktionieren, wie gebunden oder als ebuch. eine gute geschichte sollte auch auf einem kleinen bildschirm überzeugen. wenn sie mit zunehmender bildschirmgösse besser wird, ok, aber wenn der grosse bildschirm zur grundvoraussetzung wird um emotionen zu wecken, dann langweile ich mich mit hoher wahrscheinlichkeit.
sehr beeindruckender auftritt. überhaupt ist das, was man in dieser sendung zu sehen bekommt fast immer beeindruckend. eine wirklich tolle sendung mit enorm hochklassigen auftritten, könnt ich mir jeden abend angucken.
das ist das klügste (und kompakteste) was ich bisher über die medienkrise gelesen habe. das beste: es enthält keine handlungsanweisung, sondern eine aufforderung eine entsdcheidung zu treffen.
ein bisschen flach und konturlos, wie alles was veit medick schreibt, aber trotzdem gerne und zustimmend gelesen. die erfahrung, dass anderswo leben, dass das zusammenleben mit fremden, andersdenkenden, andersartigen menschen einem hilft über sich selbst zu lernen, diese erfahrung habe ich auch (immer wieder) gemacht.
dieses interview mit Pierre Christin, einem der erfinder der valerian-comics, habe ich der ziemlich euphorischen valerian-kritik auf heise.de gefunden. ich fands lesenswert und finde auch, dass george lucas mal danke hätte sagen können. vor allem aber: wir stehen alle auf den schultern von giganten.