Meine demokratisch gewählte Regierung hat keine Rechte, sich mit meinen Lebensdaten zu bevorraten. Sie hat keinerlei Recht, sich in meinen Garten zu legen und vier Wochen lang Bilder davon zu knipsen, was in meinem Wohnzimmer vor sich geht, auch dann nicht, wenn sie das erste Bild am 28. Tag wieder löscht und schwört, keine Bilder von meinem Hund zu machen, weil Hunde nicht relevant sind.
Sie darf nicht an meiner Haustür stehen und die Gäste überprüfen. Sie darf nicht vor meiner Garage stehen und Nummernschilder notieren. Sie darf nicht neben meinem Telefon stehen und die gewählten Nummern mitschreiben. Sie darf nicht in meine Küchenschränke schauen und nachsehen, ob ich genügend Kartoffelpüree da habe. Sie darf nicht in mein Bücherregal schauen um nachzusehen, welche Bücher da stehen. Sie darf in der Buchhandlung nicht neben der Kasse stehen und zusehen, was ich kaufe. Sie darf auch nicht vor dem Ärztehaus stehen und nachsehen, aus welcher Praxis ich gerade herauskomme. Oder in welche ich hineingehe. Sie darf sich nicht merken, wie oft ich zum Therapeuten gehe. Sie darf meinen Kindern nicht in die Schule folgen um zu beobachten, was die da so machen, sie darf nicht einmal die Lehrer*innen dort und die Einhaltung des Lehrplans überwachen. Sie darf nicht hinter meinem Auto herfahren um zu sehen, wo ich hingehe. Sie darf sich nicht merken, wie oft ich meine Oma im Krankenhaus besuche. Oder ob ich da nur hinfahre, weil ich scharf auf die Oberärztin bin.
Sie darf all diese Dinge aber nach dem Willen der SPD tun: im Internet.
schöne übersetzung der vorratsdatenspeicherung in oma- nachvollziehbare sprache. wobei pia ziefle’s demokratisch gewählte regierung auch noch aus zwei anderen parteien besteht, die all das von ihr beschriebene auch tun wollen. trotzdem ist die dresche die die SPD für ihr durchwinkendes CDU-blockparteienverhalten hier demonsriert natürlich berechtigt — zumindest gemessen an den ansprüchen, die die SPD früher mal an sich selbst hatte.
Ich werde meine Krautreporter-Abonnement verlängern.
Nicht, weil ich alles super fand,was die Krautreporter in den letzten 8 Monaten gemacht haben oder gar weil ich der Meinung wäre, dass das Projekt seine wahnwitzig hohen, anmassenden Ansprüche eingelöst hätte.
Sondern weil ich in der Rückschau festgestellt habe, wieviele der Krautreporter-Texte ich gerne gelesen habe. Weil ich Journalismus ohne Anlass, Dreh und Verfallsdatum mag. Und Texte, die auch ein halbes Jahr später noch nicht alt wirken. Davon will ich mehr.
Hier meine Top 5 der Krautreporter-Texte aus dem letzten Jahr:
Wenn eine Regierungspartei beschließt, alle BundesbürgerInnen unter Generalverdacht zu stellen, wird es höchste Zeit für zivilen Ungehorsam, nicht nur den digitalen. Es wird Zeit, den Rasen zu betreten.
Seit Beginn der TV-Ausstrahlung spielt [die Schauspielerin Lena Headey, 41] die Rolle der Cersei Lannister. Für die Nacktszene wurde jedoch ein Double engagiert, und nun ist auch bekannt, wer den Part bekam: Schauspielerin und Model Rebecca Van Cleave. Mit „Entertainment Weekly“ sprach die 27-Jährige nun zum ersten Mal über die Dreharbeiten.
schon klar, nach all den vergewaltigungen, verbrennungen, verstümmelungen und emaskulationen in den letzten paar staffeln von games of thrones, kann man den zuschauern nicht den nackten körper einer 41-jährigen frau zumuten und zeigt ersatzweise lieber den einer 27jährigen.
[nachtrag]
mir ist klar, dass lena headey sich entschieden hat, die nacktszene nicht selbst zu spielen. so steht es im oben verlinkten entertainment-weekly-artikel. darum geht es in diesem artikel aber auch nicht, sondern allein um die casting-entscheidung eine 27 jährige, eine nackte 41 jährige darstellen zu lassen. mit dem casting wollte lena headey übrigens auch nichts zu tun haben (steht auch im oben genannten entertainment-weekly-artikel).
bei game of thrones herrscht die gleiche bekloppte logik wie im restlichen hollywood: frauen über 30 gelten offensichtlich in der filmlogik als unfickbar. als potenzielle partner für fifty-somethings kommen frauen über 30 in hollywood-produktionen offenbar nicht in frage. so wurde das jedenfalls kürzlich der 37 jährigen schauspielerin maggie gyllenhaal von einem produzenten erklärt:
I’m 37 and I was told recently I was too old to play the lover of a man who was 55. It was astonishing to me. It made me feel bad, and then it made feel angry, and then it made me laugh.
für ältere herren kommt auf der leinwand, nach der gängigen hollywood-logik, nur ganz frisches weibliches fleisch in betracht.
woran kann das liegen, wenn jetzt die produzenten von games of thrones eine rolle, die angezogen von einer 41 jährigen frau gespielt wird, nackt von einer 27 jährigen spielen lassen? liess sich keine über-vierzig-jährige finden, die als nacktdouble auftreten wollte? oder wollte man den zuschauern den anblick von gealterter haut ersparen? in einer serie, die sich nicht scheut wirklich alles zu zeigen (kopulation, vergewaltigung, erstechen und erschlagen von schwangeren, häutungen und verbrennungen von unschuldigen, und so weiter und so fort) scheut man sich bei tageslicht eine nackte frau über 40 zu zeigen?
die produzenten, die den schönheits- und jugendwahn unserer zeit in eine mittelalterliche phatasiewelt reinprojiezieren, entlarven sich damit auch als produzenten „melodramatischer pornografie“, wie aaron bady das kürzlich nannte. oder wie ich das ausdrücken würde, als produzenten von abgedroschenem und glattpüriertem glamourscheiss. game of thrones wird von zwei über vierzigjährigen männern produziert, die radikal und authentisch tun, sich aber unübersehbar nicht mal zwei zentimeter vom kleingeistigen glamourzeitgeist lösen können oder wollen, der ältere frauen verachtet und jugendliche frauen vergöttert und verglittert.
eigentümlicherweise legen die produzenten und der autor george r. r. martin ansonsten grossen wert darauf, die „historische wahrheit und menschliche natur“ authentisch und schonungslos zu zeigen. dazu sagt martin laut der new york times:
George R. R. Martin wrote that as an artist, he had an obligation to tell the truth about history and about human nature.
[…]
As for the books, readers say that Mr. Martin’s presentation of rape underscores the harshness of his world, but some question what they say is his overreliance on it and an often lurid tone when writing about sexual matters.
[…]
Mr. Martin said that his philosophy as a writer is to show and not tell, and doing so requires “vivid sensory detail.”
allerdings ging es im nytimes-artikel und den äusserungen von george r. r. martin und seinen lesern um die darstellung von sexueller gewalt. die solle unbedingt authetisch, „unangenehm“, hart, direkt und unverblümt dargestellt werden. wenn es um die darstellung von nackten frauen geht, scheint man von diesen grundsätzen in der produktion von game of thrones auch mal abweichen zu können, um die „wahrheit“, die menschliche natur und die „harshness of his world“ ein bisschen frischer, knackiger und jugendlicher darstellen zu können, als das wohl mit dem körper einer über 40 jährigen möglich ist. was für eine abgefuckte bigotterie.
Am Samstag, den 20. Juni 2015 allerdings hat der SPD-Innenminister von Baden-Württemberg, Reinhold Gall, im Kontext des Konvents auf Twitter (und Facebook) erklärt, auf welche Weise er für die Vorratsdatenspeicherung ist:
Größere Teile der Netzöffentlichkeit reagierten empört. Das geschieht zwar einigermaßen oft und manchmal besinnungslos - in diesem Fall aber liegt die Sache anders. Das mit Abstand Beste an diesem Tweet ist nämlich der Kommafehler. Alles drum herum ist schlimm.
Großer Erfolg für die SPD: Seit sich die Sozialdemokraten für die umstrittene Vorratsdatenspeicherung entschieden haben, ist es in Deutschland zu keinen Terroranschlägen mehr gekommen. „Unsere erste Bilanz fällt positiv aus. Dank der SPD ist dieses Land eindeutig sicherer geworden“, sagte Parteichef Sigmar Gabriel. Kritik an der Entscheidung der Sozialdemokraten kommt dagegen von Terroristen. „Wir sind entsetzt und verzweifelt“, teilte ein Terroristenvertreter mit.
heute gibt’s meine links auch beim bildblog. das hier ist nur die frühveröffentlichte kopie.
«Man muss auch mal Quatsch machen» (sonntagszeitung.ch, Barnaby Skinner)
Sascha Lobo sieht den professionellen Journalismus vor großen Herausforderungen „verstört“ und „interessenverseucht“ und fordert, dass Journalisten „heute auf neue Weise mit neuen Instrumenten arbeiten und für ein neues Publikum auf neue Ziele hinarbeiten“ müssten.
„Wikipedia ist eine sexistische Männerwelt“ (welt.de, Hannes Stein)
Hannes Stein beobachtet, dass man in der Wikipedia viel über Pornodarstellerinnen erfährt, aber wenig über Dichterinnen. Einen Grund dafür, dass wir „mehr über Pornoaktricen als über die große Dichterin Helga M. Novak“ erfahren sieht Hannes Stein darin, dass die Wikipedia eine „Männerdomaine“ sei. Bettina Hammer widerspricht auf Telepolis und wirft Hannes Stein „Clickbait“, wenig überzeugende Argumente und Sexismus vor.
„… sonst bring ich dich um!“ (bzw-weiterdenken.de, Brigitte Leyh)
Brigitte Leyh weist auf eine Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hin, laut der „Gewalt und Gewaltdrohung im Kontext etwa jeder zehnten Trennung und Scheidung“ auftritt. Von den 313 Frauen, die in 2011 einem Mord oder Totschlag zum Opfer gefallen seien, sei bei fast jeder zweiten, nämlich 154, der mutmaßliche Täter ihr Ehemann bzw. Freund oder Lebenspartner. Das alles fände weitgehend ohne ein öffentliches Problembewusstsein statt. Laut der Studie des Familienministeriums sei Gewalt gegen Frauen auch kein Unterschichtenphänomen, häusliche Gewalt „findet tatsächlich – weitgehend unbemerkt – in der Mitte der Gesellschaft statt.“
„Silicon Valley versucht Journalismus“ (zeit.de, Patrick Beuth und Johannes Wendt)
Patrick Beuth und Johannes Wendt über den Versuch von Apple, Facebook, Twitter und Google Nachrichtenangebote zu entwickeln und mit etablierte Medien zu kooperienen:
Die Technikunternehmen versuchen […] Nutzer innerhalb ihrer jeweiligen Ökosysteme zu halten. Sie wollen die Verweildauer und Aktivität innerhalb ihrer Angebote erhöhen, und damit auch die Markenverbundenheit und Werbeeinnahmen. Das alles geschieht zu einer Zeit, in der es mehr Konkurrenz, mehr Nischenangebote und damit gewissermaßen mehr Fliehkräfte gibt als je zuvor.
„Hört erst mal auf zu koksen!“ (tagesspiegel.de, Fabian Federl)
Fabian Federl weist darauf hin, dass es weder Fair-Trade-Koks, noch pazifistisches Koks gebe:
Drogen zu kritisieren, wird in Berlin gern als spießig oder lustfeindlich wahrgenommen. Deshalb noch mal deutlich: Mir ist es egal, wer was wann nimmt. Ich halte es nur für unerträglich verlogen, wenn mir jemand moralisch überlegen daherkommt, während in seinen Schleimhäuten Blut von ermordeten Mexikanern klebt.
ich bin mit meiner meinung mittendrin. ich finde es grundsätzlich gut, wie das zentrum für politische schönheit versucht ein stachel im gewissen der anderen zu sein und seine zeigefinger benutzt um auf die da oben zu zeigen (ups, da ist ausversehen kritik in das lob geflossen). was mich aber doch sehr nervt, ist die eitelkeit, oder wie hannah beitzer das nennt, „selbstverliebtheit“ der aktivisten. anmut ohne demut ist nur halb so schön.
allgemein kann man ja sagen, enthalten madeleines in etwas zu gleichen anteilen zucker, mehl und butter. dazu ein bisschen backpulver, ne prise salz und drei bis vier eier und dazu etwas aromatisierendes wie geriebene mandeln oder abgeriebene zitronenschale. und irgendwann hab ich dann auch das korrekte fetten der madeleines-form und die richtige einfüllmenge teig im griff.
die relevanz des themas wird mit 20 worten unter dem video an den haaren herbeigezogen:
Zwei Piloten haben in Nordwales einen Weltrekord aufgestellt. Nebeneinander sind sie durch einen Flugzeughangar geflogen. Einen Meter über dem Boden.
auch wenn die behauptung eines weltrekords etwas ist, was sich spiegel-online offenbar ausgedacht hat (siehe unten), reicht es der redaktion anscheinend, wenn irgendwer irgendwas spektakuläres waghalsiges veranstaltet und das gut dokumentiert, um dem dann tagelang platz auf der startseite einzuräumen.
eigentlich wollte ich mich nur ein bisschen darüber aufregen, dass zwei durchgeknallten angebern, die sich und der welt ihre coolness beweisen wollen, überhaupt platz auf spiegel-online eingeräumt wird.
dann wollte ich mich über mich selbst aufregen, dass ich mir so einen aufwändig produzierten müll überhaupt ansehe.
aber dann war ich fasziniert von der professionalität von red bull, die wirklich hart daran arbeiten, ihre extrem anspruchsvoll produzierten werbematerialien in redaktionelle, vermeintlich seriöse medien zu bringen. dafür gibt es neben eigenen redaktionell bearbeiteten berichten, einen sogenannten „red bull content pool“ aus dem sich journalisten interessantes rausangeln können. so gibt es für das bescheuerte flugmänover eine eigene seite auf der man 3 verschiedene videos, 18 bilder und einen vorgefertigten text runterladen kann. die videos liegen in jeweils 4 verschiedenen formaten vor, die bilder („editorial use only“) in 2 auflösungen.
dass spiegel-online geschenkten gäulern offenbar nicht ins maul schaut und profilierungs- und werbeunterlagen für zwei alternde männer und eine eklig riechende brause auf seiner startseite platz einräumt, wundert mich nicht wirklich, aber dass das so distanzlos gemacht wird, ohne weitere „informationen“ oder mindestens einen link für leute die sich für lebensmüde profilneurotiker interessieren, macht mich sehr traurig. ich hatte mir bisher eingebildet, dass bei spiegel-online journalisten arbeiten, die das mit dem journalismus ernst meinen.
oben hatte ich die red-bull-eigene „berichterstattung“ schon verlinkt, aber weil sich hinter dem link tatsächlich ganz interessante (technische) details verbergen und man gut nachvollziehen kann, mit welchem (technischen und logistischen) aufwand red bull den quatsch dokumentiert hat, weise ich hiermit nochmal gesondert darauf hin: „Watch: Red Bull Barnstorming“
apropos weltrekord von dem spiegel-online hier spricht. auf sämtlichen red-bull-eigenen seiten ist nichts von einem „rekord“ oder gar „weltrekord“ zu lesen, bis auf diese überschrift:
British pilots record world first as they fly in formation through building
mein sprachgefühl deutet darauf hin, dass hier keinesfalls von einem rekord die rede ist, sondern von einem anspruch oder einem vermelden. eine kurze nachfrage auf twitter scheint das zu bestätigen:
@diplix „Britische Piloten schaffen als erste weltweit Formationsflug durch Gebäude“ (Wörtliche Übersetzungen sind stilistisch unschön.)
sven christian von spiegel online hat sich in den kommentaren unten gemeldet und sich für den hinweis auf den „übersetzungsfehler“ bedankt. die aktion ist jetzt auf spiegel.de kein „weltrekord“ mehr, sondern „eine mutige aktion“. ausserdem:
Die Verwendung von Bildmaterial von Red Bull Media wird bei uns in der Redaktion auch rege und kontrovers diskutiert. Wir entscheiden es immer Fall zu Fall.
auf der spiegel-online-startseite muss man jetzt neuerdings auch ein bisschen blättern, um das red-bull-werbevideo zu sehen.
dramatisches licht an der müllerstrasse. #hma#licht
dramatisches licht an der müllerstrasse. #licht