»The idea that something might work fine the way it is has no place in tech culture.«
— maciej cegłowski
idlewords.com/talks/web_design_first_100_years.htm

das ist die verschriftliche version eines vortrags von maciej cegłowski über die grenzen des wachstums (meine worte). wahrscheinlich das beste und lohnenswerteste lesestück dass man diese woche finden kann. es geht darum, wieso flugzeuge sich in den letzten 60 jahren kaum verändert haben, warum wir in der zivilen luftfahrt nicht mit überschall fliegen und wie die zukunft des webs aussehen könnte und sollte. und wenn ich jetzt den schlusssatz zitiere, könnte man sich fragen: was zum teufel hat das mit luftfahrt zu tun? das findet man dann erst nach dem klick raus.

The web we have right now is beautiful. It shatters the tyranny of distance. It opens the libraries of the world to you. It gives you a way to bear witness to people half a world away, in your own words. It is full of cats. We built it by accident, yet already we're taking it for granted. We should fight to keep it!

super, nur andertalb wochen nachdem der „chief security officer“ von facebook erklärt hat, dass er flash scheisse findet, funktionieren facebook-videos auch in browsern die flash deinstalliert haben. (bisher hat mein flashloses safari auf os x immer eine flash-fehlt-fehlermeldung von facebook bekommen.)

damit ist die situation bei facebook jetzt ähnlich wie bei spiegel-online-videos: yep, funktioniert — aber man sieht trotzdem nur mist.

theverge.com/2015/7/13/8948459/adobe-flash-insecure-says-facebook-cso

kleinschreibung FAQ

felix schwenzel, , in über wirres    

ma lik:

Du, Felix, wieso schreibst Du alles klein und so komma-arm? Macht mir das rezipieren schwer.

ix:

oh, sorry. hätte ich gewusst dass du kommst und das liest, hätte ich natürlich grösser und mit mehr kommata geschrieben.

ma lik:

Die Frage war ernst gemeint :)

ix:

auch wenn die frage ernst gemeint ist, kann ich sie nicht beantworten. ausser mit: ich finde nicht dass konsequente kleinschreibung die rezeption erschwert und dass ich ausreichend viele kommata setze.

ma lik:

Als Kommunikationsdesigner könnte ich auf ergonomische Untersuchungen hinweisen, aber darum geht es mir gar nicht. Ich finde es schwieriger und dabei interessiert mich doch, was du zu sagen hast. Aus irgend einem Grund suchst du dir das aber aus, und der hätte mich interessiert.

ix:

ich habe die frage unzählige male beantwortet. auf gewisse weise ist das auch anstrengend. ich such dir nachher mal ein paar antworten raus. bis dahin eine vorab: seit ich otl aicher gelesen habe, finde ich kleinschreibung nicht nur schön, sondern auch angenehmer zu lesen. das was die grimms über kleinschreibung gesagt haben kennst du sicher auch?

* * *

hier jetzt also mal eine zusammenfassung der diksussionen der letzten jahre zu diesem thema, bzw. was ich so darüber denke oder die antworten auf das warum.

praktische gründe

in meinem (ziemlich alt gewordenen) FAQ habe ich auf die frage warum ich alles kleinschreibe geantwortet: „weil es einfach ist und ich es schon immer gemacht habe.“

tatsächlich erleichtert es meinen schreibfluss alles klein zu schreiben. ich kann so schneller und rotziger schreiben. mein hinrotzen von texten gefällt nicht jedem, aber manche sehen gerade das als meine stärke. wenn man mir geld gibt für meine schreiberei, schreibe ich auch gerne gross, wenn das gewünscht ist.

grimm und aicher

an anderen stellen habe ich als erklärung für meine konsequente (oder „penetrante“) kleinschreibung auf meine ersten begegnungen mit otl-aicher-büchern hingewiesen. hier oder bei fuenfbuecher.de:

abgesehen davon hat mich aichers kleinschreibung angesteckt. es gibt einige gründe, warum ich (relativ) konsequent kleinschreibe, der wichtigste war, dass ich otl aichers konsequent kleingeschriebenes, in rotis gesetztes buch, wunder, wunderschön fand.

mathias wellner über otl aichers position zur konsequenten kleinschreibung:

eine radi­kale posi­tion besetzt otl aicher, der sich gegen groß­buch­sta­ben gene­rell wehrt. seine begrün­dung ist, dass diese rein reprä­sen­ta­ti­ven cha­rak­ter haben, wäh­rend sich die klein­schrift als gebrauchs­schrift ent­wi­ckelt hatte, deren zweck die mit­tei­lung selbst war und nicht die form. außer­dem kri­ti­siert er das mit der groß­schrei­bung ein­her­ge­hende welt­bild, wel­ches für ihn cha­rak­te­ri­siert wird durch den sieg des adels über die städte.

wikipedia über jocob grimms position zur grossschreibung:

Jacob Grimm äußerte sich bereits 1854 als Gegner der Großschreibung: „den gleichverwerflichen misbrauch groszer buchstaben für das substantivum, der unserer pedantischen unart gipfel heiszen kann, habe ich [...] abgeschüttelt.”

lesefluss

oft habe ich behauptet (hier zum beispiel oder hier), dass ich nicht glaube, dass konsequente kleinschreibung die rezeption erschwert. wenn man der wikipedia glauben möchte, lässt sich dass leider schwer halten:

Im Versuch wurden den Testpersonen Texte in ihrer Muttersprache sowohl in der üblichen Kleinschreibung als auch mit Großschreibung nach deutschem Muster vorgesetzt.

„Die Untersuchungen brachten überraschende Ergebnisse: Auch für die niederländischen Versuchspersonen stellten die Regeln der deutschen Großschreibung eine Hilfestellung dar, die den Leseprozess beschleunigten. Sie konnten Texte in ihrer eigenen Muttersprache mit den fremden satzinternen Großbuchstaben ohne Verständnisprobleme schneller lesen als solche mit der ihnen vertrauten gemäßigten Kleinschreibung. Detailanalysen der Augenbewegungsmuster ließen den Schluss zu, dass in der Tat der Orientierungscharakter der Großbuchstaben dafür verantwortlich war.“

– Köbes: Kölner Beiträge zur Sprachdidaktik (1/2005).

welche behauptung sich allerdings halten lässt: ich persönlich lese sehr gerne in kleinschreibung und finde das weglassen von grossbuchstaben nicht hinderlich beim lesefluss. was mich beim lesen stört sind holprige formulierungen, prahlerische wortwahl, pluralis majestatis, zu lange absätze und zu geringer zeilenabstand. franz josef wagner finde ich zum beispiel unlesbar, obwohl er auch grossbuchstaben verwendet.

kadekmedien hat das hier über die optimale lesbarkeit von text aufgeschrieben:

Um die optimale Lesbarkeit eines Textes zu gewährleisten, beachtet der Layouter vor allem folgende fünf Kriterien: Schriftgrad, Laufweite, Zeilenabstand, Zeilenlänge und Kontrast.

ich finde bei diesen 5 kriterien gebe ich mir grosse mühe.

stil, markenzeichen

als ich vor vier jahren mal testweise auf gross und kleinschreibung umgestellt habe, gab es in den kommentaren mehrheitlich wortmedungen die zur rückkehr zur gewohnten kleinschreibung aufriefen. kurz danach schrieb ich wieder alles klein.

tatsächlich erwarten viele leser hier die kleinschreibung, oder genauer: viele finden dass es sich nicht richtig anfühlt wenn ich „normal“ schreibe. das kann man als aufgesetzt und arrogant enmpfinden, aber ich finde es passt zu meinem schreibstil. ich finde form und inhalt passen so gut zusammen.

vorschriften, regeln

die taz schrieb anlässlich der rechtschreibreform vor ein paar jahren eine ganze ausgabe in (gemässigter) kleinschreibung. dieser satz gefiel mir damals sehr:

Die kleinschreibung in der heutigen ausgabe ist selbstverständlich nicht kategorisch vorgeschrieben, der anspruch jedes menschen auf seine eigene rechtschreibung bleibt unangetastet.

der anspruch jedes menschen auf seine eigene rechtschreibung. sehr gut. nehme ich hiermit in anspruch.

ich reisse mich nicht um leser, die auf ordentlicher ortographie bestehen. solche leute neigen oft zu wut und aggression oder unangehmer pedanterie. ich bin in der komfortablen lage nicht auf ein grosses publikum angewiesen zu sein, um mein tun hier zu finanzieren. was ich hier schreibe und tue muss nicht jedem gefallen. mit meinem stil und meinenr schreibweise kann ich (auch) leser gezielt filtern.

nicht für alle

auch wenn ich nicht für jeden schreibe, so freue ich mich doch über jeden leser der sich die mühe macht meine seite oder meine feeds (ausströmungen) aufzufinden und sich mit meinen texten oder witzchen auseinanderzusetzen.

das hier schrieb ich vor 10 jahren:

deshalb möchte ich mich heute bei allen bedanken, die sich trotz meiner rechtschreibschwäche, meiner konsequenten kleinschreibung, der völlig unleserlichen schrift, meinem hang zum brutalen, fäkalen und schlechten witz, meiner ignoranz, meiner dilletierenden inkompetenz, meiner arroganz und überheblichkeit zahlreich und regelmässig hier blicken lassen. durch die vielzahl von lesern und guten seelen die auf mich linken oder mich in ihrer blogroll aufbewahren, habe ich ein wahrnehmungsniveau erreicht das mich stolz erröten lässt. tausend leser pro tag und kein bisschen rechtschreibung

arschlochfilter

das hier schrieb ich vor 4 jahren:

Dann wiederum, habe ich nie das Bedürfnis verspürt, das zu machen was andere von mir erwarten, im Gegenteil, ich schreibe hier genau das was mich interessiert — was ja auch der Reiz an diesem Blogdings ist. Etwas zu polemisch vielleicht, habe ich die Kleinschreibung auch hin und wieder als hocheffektiven „Arschlochfilter“ wahrgenommen. Mit anderen Worten, hier lesen (vermutlich) vor allem Leute mit, die das was ich schreibe interessiert und nicht wie gross oder klein ich es schreibe.

witz

einen witz zur grossschreibung hab ich vor 10 jahren auch mal gemacht:

„ICH KANN DAS ALLES NICHT LESEN.“ — „WIESO? IST DOCH ALLES GROSS GESCHRIEBEN …“

Miro Goeppel:

Wie kann der Herr Nuhr bloß so ich-bezogen sein, dass er in den Androhungen der Körperverletzung nicht die Ironie und in den ganzen Beleidigungen als "Arschloch" und "Nazi" nicht den damit intendierten, feinziselierten Humor entdeckt?

dieter nuhr ist nicht der einzige komiker der bedroht, beschimpft oder von vielen gehasst wird. wenn humor nur in einer harmonischen wohlfühl-umgebung möglich wäre, gäbe es keine komiker, keine satiriker, sondern nur nuhrs.

nur ein kitzkleines beispiel: der titanic werden seit jahrzehnten (schon lange vor dem internet) immer wieder mal aufgebrachte hassmeuten von der bild-zeitung an den hals gehetzt. da fliegen dann auch mitunter todesdrohungen aufs titanic tonband. kein einziges mal habe ich danach so ein selbstmitleidiges, absurdes rührstück von einem titanic-chefredakteur in einer zeitung gelesen.

wie dieter nuhr mit kritik, angriffen und bedrohungen umgeht ist ihm selbst überlassen. in interviews brüstet er sich mitunter damit, dass es ihm spass mache abmahnungen zu verschicken an leute, die ihn beleidigen und nicht sich entschuldigen wollen. er hat ganz offensichtlich die mittel und die lust sich gegen vollidioten zu wehren und artikel in der FAZ zu platzieren. aber ich möchte es mir auch selbst überlassen, wie ich ihn wahrnmehme: als witzig oder humorlos, als souverän oder wehleidig, als pointiert oder stumpf.

* wolfgangmichal.de Wie Europa wirklich entsteht

wer meint es sei bereits alles gesagt zu griechenland und europa, dem empfehle ich noch diesen text von wolfgang michal zu lesen:

Die Inneneinrichtung Europas wird nicht mehr allein den Eliten überlassen. Im griechischen Referendum konnten wir einen ersten zaghaften Ansatz zur Formulierung einer Alternative erkennen. Und durch das Referendum erlebten wir erstmals eine Solidarisierung (und Polarisierung) der Menschen quer zu den europäischen Nationalstaaten: Auf den Straßen von Irland bis Italien feierten die Verteidiger der griechischen „Nein“-Politik ihre Helden; an den Stammtischen von München bis Riga regierten die Anhänger der harten Linie gegen die „Verschwender“ des Südens.

ich finde die populistische (und bequeme) vereinfachung der griechenland-krise auf die fragen nach „unseren“ wohlstand (also steuergeldern) oder „deren“ [faulheit|korruption|verschwendung|über ihre kosten leben] übersieht immer wieder eine der entscheidenden fragen: unser wohlstand, unsere politische zukunft hängt entscheidend vom jahrhundertprojekt der europäischen einigung ab. es ist eben gerade im deutschen interesse europa zu einem funktionierenden model zu machen. die zukunft deutschlands liegt nicht in einem gesunden, reichen und kraftstrotzdenen nationalstaat — sondern in der politischen europäischen union.

Es ist ein Trugschluss zu glauben, die Griechen hätten sich mit der Einigung von Sonntag wieder nur Zeit gekauft, nein, es ist die Troika, es sind die durch die Troika vertretenen Sonder-Interessen, die sich immer weitere Zeit kaufen. Der Konflikt selbst bleibt ungelöst.

Der nächste Aufstand wird deshalb dramatischer ausfallen als der jetzige, der übernächste könnte in einen Bürgerkrieg münden. Wer die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika studiert, wird sehen, dass auch dieses Projekt nicht von heute auf morgen auf dem Papier entstanden ist, sondern nach harten Auseinandersetzungen im Rahmen eines ökonomisch-politischen Nord-Süd-Konflikts.

(bei wolf witte gefunden)

in diesem zusammenhang ist eigentlich auch die rede von george soros in berlin von 2010 ganz lesenswert.