kategorie: artikel ×

wir las­sen uns ger­ne ver­ar­schen

felix schwenzel

  netz­frau­en.org : Tricks der Su­per­märk­te - „Gut Pon­holz“, „Müh­len­hof“ oder „Gut Drei Ei­chen“ gibt es gar nicht   #

aldi, net­to, lidl, ten­gel­mann be­nut­zen un­ter an­de­rem auf ih­ren wurst­wa­ren be­zeich­nun­gen wie „gut pon­holz“, „müh­len­hof“ oder „gut drei ei­chen“. die höfe oder gü­ter gib­t's na­tür­lich nicht, die na­men sind er­fun­den und sol­len ein gu­tes ge­fühl beim kon­su­men­ten her­vor­ru­fen, wie aldi-nord dem ARD-ma­ga­zin plus­mi­nus (link zum you­tube-mit­schnitt der sen­dung) auf an­fra­ge ant­wor­te­te:

Dar­über hin­aus wol­len Ver­brau­cher auch emo­tio­nal an­ge­spro­chen wer­den. Dies wird durch Mar­ken­na­men und/oder Wort-Bild-Mar­ken, die ei­nen emo­tio­na­len Be­zugs­rah­men bil­den, ge­währ­leis­tet.
— Aldi Nord

ganz ab­ge­se­hen da­von, dass man sich als kon­su­ment von sol­chen aus­sa­gen und sol­chen mar­ke­ting­mass­nah­men (na­tür­lich) ver­schau­kelt vor­kommt, ist es viel­leicht an der zeit zu­zu­ge­ben, dass wer­bung ein­fach funk­tio­niert. nicht jede wer­bung bei je­dem, aber bei je­dem ir­gend­ei­ne wer­bung.

ich wür­de bei aldi auch sa­chen kau­fen die doof aus­se­hen oder mich emo­tio­nal nicht an­spre­chen, vor al­lem weil ich aldi bei der qu­al­tät ver­traue. so­weit ich weiss hat aldi ein sehr aus­ge­feil­tes qua­li­täts­kon­troll­sys­tem. des­halb wür­de ich na­tür­lich auch sa­la­mi bei aldi kau­fen, auf der le­dig­lich das wort sa­la­mi ste­hen wür­de, ganz ohne land­le­ben oder wohl­fühl­il­lus­tra­tio­nen. ich muss aber zu­ge­ben, dass ich na­tür­lich eher ge­neigt bin neue pro­duk­te aus­zu­pro­bie­ren, wenn sie mir ge­fal­len, also ei­nen „emo­tio­na­len Be­zugs­rah­men“ vor­ge­ben.

und wo die al­di­spre­che­rin auch recht hat: wir wol­len auf un­se­rer wurst kei­ne hin­wei­se auf mas­sen­tier­hal­tung oder in­dus­tri­el­le pro­duk­ti­on ha­ben. wir wol­len un­se­re pro­duk­te frisch, in bes­ter qua­li­tät und mög­lichst bil­lig ha­ben. wir alle wis­sen (oder soll­ten wis­sen), dass das ohne eine ef­fek­ti­ve semi-in­dus­tri­el­le her­stel­lungs­wei­se nicht zu ma­chen ist. des­halb freu­en wir uns, wenn uns das mar­ke­ting da­von ab­hält zu sehr über die her­kunft der wa­ren nach­zu­den­ken , die wir na­tür­lich in ers­ter li­nie sehr güns­tig kau­fen wol­len. und wenn uns je­mand drauf hin­weist, dass wir hier ver­schau­kelt wer­den, kön­nen wir uns herr­lich über an­de­re als uns selbst auf­re­gen, ob­wohl wir das spiel seit jah­ren oder jahr­zehn­ten mit­spie­len.

es gibt aber noch ein pro­blem: . das kann man sehr schön an der ber­li­ner bier­mar­ke „bier“ se­hen. die ver­kauft bier mit ei­nem eti­kett auf dem das wort „bier“ und die füll­men­ge ste­hen. die mar­ke tut so als kom­me sie ohne wer­bung aus und schreibt zum bei­spiel auf („bier“-) wer­be­pla­ka­te warn­hin­wei­se, dass wer­bung täu­schen und ver­füh­ren kön­ne, man sol­le sich doch mal sei­ne ei­ge­ne mei­nung bil­den (aus dem ge­däch­nis zi­tiert. an dem wer­be-pla­kat bin ich heu­te zu acht­los vor­bei­ge­gan­gen, um es zu fo­to­gra­fie­ren):

Wer­bung be­ein­flusst Dein Ko­sum­ver­hal­ten. Triff Dei­ne Kauf­ent­schei­dung be­wusst!

das glei­che gilt für die rewe-mar­ke ja!. die in­sze­niert sich selbst als eine mar­ke die so preis­güns­tig und spar­sam ist, dass sie auf wer­bung ver­zich­ten kann. trotz­dem ist sie mit ei­ni­gem an auf­wand so wie­der­erkenn­bar und strin­gent ge­stal­tet, dass sie so­gar so­et­was wie ei­nen kult­sta­tus er­reicht hat. real,- ver­sucht ähn­li­ches mit sei­ner neu­en mar­ke­ting­mar­ke „ohne teu­er“ (sie­he auch peer scha­ders ar­ti­kel über die neue real-mar­ke):

Um Ih­nen aus­ge­wähl­te Pro­duk­te zu ei­ner Top-Preis­leis­tung an­bie­ten zu kön­nen, ha­ben wir bei un­se­rer Mar­ke auf je­den Schnick­schnack ver­zich­tet. So­gar auf den Na­men.

auf dem wo­chen­markt oder bei uns um die ecke beim bau­ern-di­rekt­ver­kauf ist das üb­ri­gens auch nicht an­ders. nur wird dort wie­der an­ders ge­wor­ben.


lie­be­vol­ler be­lei­di­gen

felix schwenzel

  jawl.net: Re­al­ness, Au­then­ti­zi­tät, Ruhm und Dings   #

jan böh­mer­mann (der alte you­tuber) hat mal wie­der ir­gend­was über you­tuber und de­ren ver­mark­ter oder die ver­mark­tungs­netz­wer­ke oder au­then­ti­zi­tät ge­sagt (vi­deo da­von). ich fand das eher so mäh, weil ich das ge­fühl hat­te, dass die trit­te et­was zu wahl­los in alle rich­tun­gen gin­gen, auch in rich­tung nach un­ten.

chris­ti­an fi­scher fand das stück wohl auch et­was mäh und hat dar­über was ge­schrie­ben, was sich ein biss­chen so an­hört wie: och das war doch schon im­mer so:

Ei­gent­lich wie­der­ho­len sich die Din­ge nur.

dem kann ich na­tür­lich nicht wi­der­spre­chen. wo­bei ich nicht ge­nau ver­ste­he ob das be­deu­ten soll, kri­tik an din­gen die es schon im­mer gab sei or­dent­li­cher zu dif­fe­ren­zie­ren oder gleich ganz zu las­sen. dem text kann ich das nicht ent­neh­men. eben­so we­nig kann ich die­sem satz eine be­deu­tung ent­neh­men:

Im Be­reich der so­ge­nann­ten „al­ten Me­di­en" hat Jan Böh­mer­mann, der ja jetzt im ZDF und da­mit im Es­tab­lish­ment an­ge­kom­men ist, die Rol­le des Auf­klä­rers über­nom­men.

wenn man im ZDF eine sen­dung hat, ge­hört man zum es­tab­lish­ment? oder um­ge­kehrt, wenn man zum es­tab­lish­ment ge­hört, kommt man ins ZDF? über­haupt, was ist das über­haupt, die­ses es­tab­lish­ment? mal nach­schla­gen:

der du­den meint der be­griff wür­de ab­wer­tend ge­nutzt um eine „eta­blier­te bür­ger­li­che Ge­sell­schaft, die auf Er­hal­tung des Sta­tus quo be­dacht“ sei zu be­zeich­nen. der be­griff wür­de aus­ser­dem eine „Ober­schicht“ aus „po­li­tisch, wirt­schaft­lich oder ge­sell­schaft­lich ein­fluss­rei­chen Per­so­nen“ be­zeich­nen.

ich möch­te ja sehr be­zwei­feln, dass sich aus ei­ner sen­dung im ZDF zwangs­läu­fig po­li­ti­scher, wirt­schaft­li­cher oder ge­sell­schaft­li­cher ein­fluss er­ge­ben. theo­re­tisch müss­te dann auch sa­scha hehn auf ir­gend­et­was ein­fluss ha­ben (eine vor­stel­lung die mich ir­ri­tiert). ge­nau­ge­nom­men müss­te dann so­gar der pumuckl (auch wenn der in der ARD auf­trat) zum es­tab­lish­ment ge­hö­ren.

aber wahr­schein­lich hat chris­ti­an fi­scher die es­tab­lish­men­ti­sie­rung von böh­mer­mann in sei­nem „Fach­ma­ga­zin für dif­fe­ren­zier­te Be­trach­tungs­wei­sen“ gar nicht dif­fe­ren­zie­rend ge­meint, son­dern ein­fach nur ab­wer­tend. wo­bei ich ja hef­tig da­für plä­die­re dif­fe­ren­zie­rung nicht nur beim auf­klä­ren, prä­zi­sie­ren oder re­la­ti­vie­ren an­zu­wen­den, son­dern erst recht beim ab­wer­ten oder be­lei­di­gen von leu­ten.

also, bit­te: mehr lie­be und mühe in be­lei­di­gun­gen ste­cken.


ein jahr aero­press

felix schwenzel

vor un­ge­fähr ei­nem jahr habe ich mir ei­nen [-wer­be­link] aero­press kaf­fee­be­rei­ter ge­kauft. da­mals schrieb ich — et­was wei­ter aus­ho­lend — un­ter an­de­rem:

vor ein paar wo­chen las ich mal wie­der über die aero­press-kaf­fee­ma­schi­ne und ent­schied mich, das ding mal aus­zu­pro­bie­ren. für knapp 25 euro kann man da ja nicht viel falsch ma­chen, dach­te ich. zu­hau­se hat­ten wir noch ein pa­ket dall­mayr pro­do­mo mit ei­ner ge­schenk­schlei­fe im schrank ste­hen. muss ir­gend­wann mal je­mand mit­ge­bracht ha­ben. der ers­te kaf­fee den ich mit der aero­press aus dem dall­mayr pro­do­mo press­te, knall­te wie ein abend­li­cher re­stau­rant-es­pres­so. der ge­schmack war stark, ohne ech­ten es­pres­so-ge­schmack, aber auch völ­lig ohne bit­ter­stof­fe — al­ler­dings auch ohne cre­ma. zu mei­nem ge­burts­tag be­kam ich von der bei­fah­re­rin und dem kind eine elek­tri­sche kaf­fee­müh­le und ein kilo fai­re bio-kaf­fee­boh­nen aus gua­te­ma­la ge­schenkt. wenn ich die­se boh­nen ganz fein mah­le, bil­de ich mir ein, dass der kaf­fee aus der aero­press eine leich­te ka­kao-note be­kommt. er ist wei­ter­hin stark und nicht bit­ter und ohne das ty­pi­sche es­pres­so-röst­aro­ma. aber köst­lich. die zu­be­rei­tung ist et­was kom­ple­xer als mit der nes­pres­so-ma­schi­ne, aber ich trin­ke ihn ähn­lich: eine tas­se, die mit ⅔ milch ge­füllt ist, er­wär­me ich 30 se­kun­den in der mi­kro­wel­le und kip­pe dann die hälf­te des kaf­fee­ex­trakts, dass aus zwei­ein­halb gros­sen kaf­fee­löf­feln kaf­fee­pul­ver und ca. 100 mil­li­li­ter was­ser be­steht, dazu.

ich trin­ke seit­dem ich die aero­press habe im­mer noch je­den tag ae­ro­ge­press­ten kaf­fee und bin rund­um zu­frie­den mit dem teil. bei un­se­rer newy-york-rei­se habe ich für 2 oder 3 dol­lar ein paar hun­dert neue pa­pier­fil­ter ge­kauft, ne­ben kaf­fee­pul­ver und was­ser gibt’s kei­ne wei­te­ren war­tungs­kos­ten für die aero­press. ich wür­de das ding je­der­zeit wie­der kau­fen.

was mich be­son­ders freut, war die mail ei­nes freun­des heu­te früh:

… ei­gent­lich muss ich taeg­lich an Dich den­ken … ich hab mir seit dei­ner Wir­res-Re­view die Aero­press ge­kauft und lie­be sie. Best purcha­se ever!

ich kann wirk­lich emp­feh­len das teil mal aus­zu­pro­bie­ren, für knapp 30 euro kann man fast nichts falsch ma­chen: [ama­zon-wer­be­link] aero­press bei ama­zon kau­fen.


wir wer­den al­le ster­ben — und das web erst recht

felix schwenzel

  wired.de: John­ny Haeus­ler rät Ver­la­gen, ihre Web­sites zu schlie­ßen   #

konn­te die­sen text von john­ny haeus­ler nicht zu­en­de le­sen, weil wired.de just in dem mo­ment die web­site schloss. hab ihn dann auf snap­chat zu­en­de ge­le­sen.


aber mal im ernst und mit ver­laub: ich hal­te die idee, dass news-out­lets auf ei­ge­ne web­sei­ten ver­zich­ten soll­ten, weil sie dort­hin ge­hen soll­ten, wo die leu­te sind, für quatsch. das ist ein biss­chen so wie zu sa­gen: wer abends aus­geht um zu trin­ken, leu­te ken­nen­zu­ler­nen oder ab­zu­schlep­pen soll­te vor­her sei­ne woh­nung kün­di­gen. auch die christ­li­chen, eu­ro­päi­schen mis­sio­na­re und kreuz­rit­ter ha­ben nicht ihre klös­ter und bur­gen dem erd­bo­den gleich­ge­macht, be­vor sie da­hin ge­gan­gen sind, „wo die Men­schen sind“.

na­tür­lich soll­te je­der, der et­was von men­schen will, dort­hin ge­hen, wo die men­schen sind. na­tür­lich soll­te man dar­über nach­den­ken, ob man stän­dig ver­su­chen soll­te, die men­schen von dort wo sie sind zu sich nach­hau­se zu lo­cken. na­tür­lich soll­te man auch ra­di­ka­le ideen aus­pro­bie­ren, so wie now­this­news.com das macht — oder ver­su­chen aus sol­chen ex­pe­rie­men­ten zu ler­nen.

mich er­in­nert das auch ein biss­chen an die gute alte push vs. pull de­bat­te zur jahr­tau­send­wen­de (1997). da wur­de von der (ame­ri­ka­ni­schen) wired das web, bzw. der brow­ser, erst­mals für tot er­klärt und die be­läs­ti­gung (push) mit „nach­rich­ten“ schön­ge­re­det. 2010 dann der er­neu­te ver­such der (ame­ri­ka­ni­schen) wired das web tot­zu­re­den: „The Web Is Dead. Long Live the In­ter­net“.

klar sol­len leu­te die et­was zu sa­gen ha­ben (nach­rich­ten-or­ga­ni­sa­tio­nen, wer­ber, PRler, mis­sio­na­re) da­hin ge­hen wo die men­schen sind. aber sie soll­ten auch wis­sen, dass es nicht je­der mag wenn man stän­dig vor de­ren ge­sichts­feld tanzt, springt und auf­merk­sam­keit zu er­hei­schen ver­sucht. kom­mu­ni­ka­ti­on ist viel­schich­tig und kom­pli­ziert. man braucht fein­glied­ri­ge und sen­si­ble werk­zeu­ge da­für. aber nach­rich­ten-out­lets zu emp­feh­len mit dem bull­do­zer zu ar­bei­ten und al­les alte ab­zu­reis­sen, hal­te ich für ei­nen feh­ler — oder zu­min­dest für über­trie­ben.

was man auch be­den­ken soll­te: ver­la­ge und news-out­lets sind wie sport­ler: sehr ver­schie­den, sehr un­ter­schied­lich spe­zia­li­siert. der trai­nings­plan für ei­nen 100 me­ter sprin­ter muss nicht un­be­dingt op­ti­mal für den ge­wicht­he­ber oder lang­stre­cken­schwim­mer sein.


prin­ten, ko­ri­an­der, au­ber­gi­nen und perl­glanz­pig­men­te

felix schwenzel

ich bin zwar in aa­chen auf­ge­wach­sen, moch­te prin­ten, die aa­che­ner leb­ku­chen­va­ri­an­te, aber nie. zu hart, zu wür­zig, zu WTF. zum letz­ten weih­nach­ten ha­ben mei­ne el­tern uns wie­der ein paar prin­ten in un­ser rei­se­pro­vi­ant ge­legt. weil sie der bei­fah­re­rin ganz of­fen­sich­tich sehr gut schmeck­ten, habe ich mich nach jah­ren der abs­ti­nenz über­wun­den und auch noch­mal pro­biert. die prin­ten wa­ren zwar et­was fes­ter als zum bei­spiel die aldi-leb­ku­chen, aber lan­ge nicht so stein­hart wie ich mich err­in­ne­re. und auch die wür­zung fand ich nicht mehr so un­an­ge­nehm do­mi­nant wie ich sie in er­in­ne­rung hat­te. wir fan­den die prin­ten so le­cker, dass wir im ja­nu­ar mei­ne el­tern ge­be­ten ha­ben, uns die üb­rig­ge­blie­benn weih­nachts­prin­ten nach ber­lin zu schi­cken.

so ähn­lich er­ging es mir üb­ri­gens mit in­di­schem es­sen. ich moch­te bis vor ein paar jah­ren die meis­ten ge­wür­ze in in­di­schem es­sen nicht. teil­wei­se wur­de mir von in­di­schem es­sen so­gar ein biss­chen flau. das än­der­te sich vor ein paar jah­ren, als ich die ers­ten re­zep­te von aus dem asia­tisch, pa­zi­fi­schen, in­di­schen oder mit­tel-öst­li­chen raum aus­pro­bier­te (und zum bei­spiel ot­to­lenghi nach­koch­te). plötz­lich konn­te ich im es­sen auch ko­ri­an­der, ko­ri­an­der­sa­men, pi­ment oder anis­no­ten to­le­rie­ren und schät­zen. viel­leicht hat es auch mit tim mäl­zer an­ge­fan­gen, der mir (im fern­se­hen) bei­brach­te zimt an kohl zu ma­chen oder küm­mel noch­mal ne chan­ce zu ge­ben. ing­wer habe ich jah­re­lang ge­hasst, jetzt lie­be ich ing­wer.

ich glau­be an ge­wür­ze und ge­schmä­cke kann man sich ge­wöh­nen, auch wenn es manch­mal zeit oder über­win­dung kos­tet. aber, ähn­lich wie beim de­sign, ste­cken hin­ter vie­len ge­schmä­cken und aro­men die man an­fangs gar nicht mag oft über­ra­gen­de qua­li­tä­ten. beim bier kennt das je­der: bit­ter­keit, fremd­heit oder ir­ri­tie­ren­de viel­schich­tig­keit zu über­win­den und schät­zen zu ler­nen geht mit ein biss­chen ex­pe­ri­men­tier­wil­len oder aben­teu­er­lust. ich glau­be das könn­te man auch ganz gut ver­all­ge­mei­nern und auf alle le­bens­be­rei­che aus­deh­nen. mach ich jetzt aber nicht.


apro­pos ex­pe­ri­men­tie­ren. ein paar re­zep­te von ot­to­lenghi wa­ren in den letz­ten wo­chen ziem­li­che rein­fäl­le. eine der au­ber­gi­nen­sup­pen, die ich nach sei­nem re­zept ge­kocht habe, sah aus wie kot­ze und hat­te auch die kon­sis­tenz da­von. ich hät­te das na­tür­lich ah­nen kön­nen, weil die schau­mig-fas­ri­ge kon­sis­tenz von au­ber­gi­nen alle mei­ne warn­lam­pen an­ge­hen lässt. wie erd­bee­ren. der rei­ne ge­schmack von au­ber­gi­nen oder erd­bee­ren stört mich nicht, aber die kon­sis­tenz löst bei mir ekel aus. ich ver­mu­te auch, dass sich das, an­ders als beim ge­schmack, nicht mehr än­dern wird. bei ge­schmack kön­nen wir uns um­ge­wöh­nen und um­ler­nen, bei der kon­sis­tenz wohl nicht. also ich zu­min­dest nicht.


heu­te gabs ge­füll­te quit­ten. bei der an­kün­di­gung un­se­rer es­sens­pla­nung hat uns das kind bei­na­he vor wut ge­schla­gen. weil die quit­ten aber mit (lamm) hack­fleisch ge­füllt wa­ren, ak­zep­tier­te das kind das es­sen wi­der­wil­lig. hei­ke von au hat das re­zept auch mal nach­ge­kocht, fand die far­be der sos­se aber un­be­frie­di­gend und schlug vor, die sos­se mit kur­ku­ma zu fär­ben und wür­zen und die ge­füll­ten quit­ten im ofen zu ga­ren, statt im topf. so habe ich das dann auch ge­macht. die pas­sier­te sos­se war dann schön frucht­las­tig und le­cker, aber die un­pas­sier­ten, gan­zen quit­ten moch­te ich dann auch nicht. we­der die kon­sis­tenz, noch den ge­schmack.

das glei­che galt für das „mu­hal­la­bieh“, ei­nen nah­öst­li­chen milch­pud­ding den ich ges­tern nach­ge­kocht habe. zu­erst dach­te ich zu­fäl­lig das re­zept für slime ent­deckt zu ha­ben, aber ich fand her­aus, dass das nicht aus stär­ke und milch, son­dern aus na­tri­um­te­tra­bo­rat und al­ko­hol her­ge­stellt wird, hier das re­zept.


apro­pos che­mie (und ei­gent­lich auch phy­sik): heu­te wur­de bei der sen­dung mit der maus die her­stel­lung von glim­mer­ba­sier­ten perl­glanz­pig­men­ten er­klärt. also ei­gent­lich die her­stel­lung von na­gel­lack oder lip­pen­stift. die sach­ge­schich­te habe ich noch nicht ein­zeln ge­fun­den, aber die sen­dung selbst ist jetzt eine wo­che on­line.

in der sen­dung wur­de die her­stel­lung der perl­glanz­pig­men­te mit le­go­stei­nen er­klärt. ein klein­ge­mah­len­de­nes glim­mer­plätt­chen wur­de als eine le­go­st­ein­wür­fel ge­zeigt, auf dass sich „flöck­chen“ le­gen wür­den, also hier le­go­plätt­chen, die eine schicht rund um das glim­mer­plätt­chen bil­den wür­den.

wenn man dann „län­ger war­tet“, er­zähl­te ar­min mai­wald, dann bil­de sich „ne zwei­te schicht“ und zwar mit ner an­de­ren far­be.

mir war beim gu­cken dann klar, dass die­se un­ter­schied­li­chen far­ben was mit licht­bre­chung und in­ter­fe­ren­zen zu tun ha­ben müss­ten und habe nach der sen­dung nach „glim­mer“ und „pig­men­te“ ge­goo­gelt. in ei­ner aus­ga­be von spek­trum der wis­sen­schaft von 1997 fin­det sich tat­säch­lich ein ziem­lich gu­ter ar­ti­kel über perl­glanz­pig­men­te. der text von ger­hard pfaff be­nö­tigt ein biss­chen che­mi­sches und phy­si­ka­li­sches grund­wis­sen, ist aber ganz gut ver­ständ­lich — und wie ich fin­de, to­tal fas­zi­nie­rend.

Glim­mer­plätt­chen kann man mit ei­ner Rei­he wei­te­rer Ver­bin­dun­gen um­hül­len, um neue ko­lo­ris­ti­sche Va­ria­tio­nen zu er­zeu­gen. Fest­kör­per-Re­ak­tio­nen und der CVD-Pro­zeß er­wei­tern die Syn­the­se­mög­lich­kei­ten.

Glim­mer läßt sich auch mit Me­tal­len wie Sil­ber und Gold be­schich­ten. Dazu löst man Me­tall­sal­ze in Glim­mer­sus­pen­sio­nen; bei Zu­satz von Re­duk­ti­ons­mit­teln schei­det sich das Me­tall auf den Par­ti­keln in Form dün­ner Schich­ten ab. Man er­hält so Pig­men­te, die preis­güns­ti­ger als rei­ne Plätt­chen aus Gold oder Sil­ber sind, aber eine ver­gleich­ba­re Op­tik auf­wei­sen.

Dr. Ger­hard Pfaff, Perl­glanz­pig­men­te, Spek­trum der Wis­sen­schaft 1997


oh­ne flash auf sa­fa­ri

felix schwenzel

vor ner wei­le habe ich mich dar­über auf­ge­regt, dass spie­gel-on­line brow­ser ohne in­stal­lier­tes flash brüsk ab­weist und eine ka­put­te feh­ler­mel­dung, statt ei­nes mp4-er­satz­films an­zeigt. ver­sucht man vi­de­os auf spie­gel.de mit ei­nem flash­lo­sen sa­fa­ri auf ei­nem ipad oder ipho­ne auf­zu­ru­fen, funk­tio­niert al­les ganz pri­ma.

der (sich selbst so nen­nen­de) spie­gel on­line mo­bil-mi­nis­ter mat­thi­as streitz meint, ei­nen „lö­sung“ für flash­lo­se brow­ser zu fin­den kön­ne „(lei­der) dau­ern, weil vie­le Sei­ten sich ab­stim­men“ müss­ten.

heu­te bin ich über die­sen ar­ti­kel drauf ge­kom­men, dass man sich auch selbst hel­fen kann und mit ei­ner än­de­rung des „user agents“ spie­gel.de vor­gau­keln kann, ein ipad zu be­nut­zen. dann be­kommt man statt die­ses an­blicks:

die­sen an­blick:

um den user agent um­zu­stel­len muss man im sa­fa­ri al­ler­dings erst das ent­wick­ler-menü frei­schal­ten, dann wor­auf­hin man dann so tun kann, als ob man ein ipad hät­te. das müss­te auch mit an­de­ren sei­ten funk­tio­nie­ren.

[nach­trag]

sieht gut aus, funk­tio­niert aber nur so halb, weil die be­dien­ele­men­te of­fen­bar nicht kor­rekt auf klicks son­dern (ver­mut­lich) nur auf touch re­agie­ren. mit der space-tas­te kann man die vi­de­os aber ab­spie­len.


al­les nur ge­klaut

felix schwenzel




ich hab mir ges­tern das neo ma­ga­zin roya­le an­ge­guckt. auf dem han­dy, am frü­hen abend.

auf dem fern­se­her und spät nachts, habe ich mir „late night fern­se­hen“ zu­letzt, glau­be ich, zu ha­rald-schmidt-zei­ten an­ge­se­hen. das hört sich zu­nächst mal voll­kom­men egal an, zeigt aber eine un­ge­reimt­heit mit der sich alle late night shows rum­pla­gen: sie wer­den spät nachts aus­ge­strahlt, da­vid let­ter­man, jim­my fallon oder jim­my kim­mel zum bei­spiel ge­gen halb zwölf. im an­schluss, ge­gen halb eins lau­fen dann noch la­ter shows, wie die von craig fer­gu­son (bis ende 2014) oder seth mey­ers. die shows wer­den aber alle am nach­mit­tag auf­ge­zeich­net (auch jim­my kim­mel live). craig fer­gu­son hat auch mit­un­ter an ei­nem tag gleich zwei shows auf­ge­zeich­net, die dann an ver­schie­de­nen ta­gen ver­sen­det wur­den. an­ge­se­hen wer­den die shows dann aber nicht nur zur sen­de­zeit, son­dern dank sen­dungs-me­dia­the­ken, hulu, you­tube oder an­de­rer an­bie­ter eben ir­gend­wann.

man kann also sa­gen: late night talk shows sind nach­mit­tags­sen­dun­gen, die spät abends aus­ge­strahlt wer­den und ir­gend­wann ge­se­hen wer­den.

die ame­ri­ka­ni­schen late night shows dau­ern un­ge­fähr eine stun­de. al­ler­dings ist je­weils un­ge­fähr eine vier­tel stun­de da­von wer­bung. bleibt also je­weils ne knap­pe drei­vier­tel stun­de sen­de­zeit. die meis­ten late night shows sind iden­tisch struk­tu­riert: am an­fang ein stan­dup, in dem der mo­de­ra­tor ein paar wit­ze er­zählt oder sich mit sei­nem si­de­kick un­ter­hält, oft un­ter­bro­chen von klei­nen ein­spiel­fil­men. da­nach, nach ei­ner wer­be­pau­se, ein biss­chen plau­de­rei am schreib­tisch, oft mit gags oder spiel­chen, die nicht im ste­hen funk­tio­nie­ren, wie le­ser­post vor­le­sen oder schrei­ben oder klei­nen in­sze­nie­run­gen oder sket­chen. da­nach, wie­der nach ei­ner wer­be­pau­se, der ers­te gast, nach ei­ner wei­te­ren wer­be­pau­se der zwei­te gast, und wenn nach der letz­ten wer­be­pau­se noch zeit ist, manch­mal noch live-mu­sik. böh­mer­mann hat das ein biss­chen ge­strafft und zeigt nur ein seg­ment mit gäs­ten, so dass er gut mit ei­ner hal­ben stun­de aus­kommt. die ha­rald schmidt show in der ARD war zwi­schen­zeit­lich mal auf vier­zig mi­nu­ten an­ge­setzt, was mir im­mer viel zu lang vor­kam. die 30 mi­nu­ten die böh­mer­mann für sei­ne sen­dung hat, kom­men mir sehr ad­äquat vor.

das for­mat von late night shows ist (in ame­ri­ka) im prin­zip to­tal aus­ge­lutscht. late night shows lau­fen seit vie­len jahr­zehn­ten im ame­ri­ka­ni­schen fern­se­hen, auf man­chen sen­dern zwei pro abend, die meis­ten gros­sen net­works ha­ben ei­ge­ne, pro wo­chen­tag lau­fen der­zeit zehn bis zwan­zig late night shows. jim­my carson fing mit sei­ner to­night show 1962 an, seit­dem dürf­ten im ame­ri­ka­ni­schen fern­se­hen ins­ge­samt so um die hun­der­tau­send late night show­aus­ga­ben pro­du­ziert wor­den sein (of­fen­le­gung: ich kann nicht be­son­ders gut rech­nen, aber okay schät­zen). neue late-night-for­ma­te wird man heut­zu­ta­ge also eher schwer er­fin­den kön­nen, die ame­ri­ka­ner dürf­ten schon so ziem­lich al­les aus­pro­biert ha­ben was geht. so hat auch ha­rald schmidt, als er in SAT1 mit sei­ner ha­rald schmidt show an­fing, erst­mal be­währ­tes über­nom­men. im prin­zip war die ha­rald schmidt show eine ge­konn­te ko­pie von da­vid let­ter­mans late show. ha­rald schmidt hat das na­tür­lich nie ver­heim­licht, son­dern ist im ge­gen­teil so­gar dar­auf rum­ge­rit­ten. in fast je­der sen­dung war der let­ter­man gast und brach­te brie­fe vor­bei, die schmidt dann vor­las. bei böh­mer­mann heisst der let­ter­man jetzt beef­trä­ger. das wort­spiel er­klärt do­ris akrap in ih­rer böh­mer­mann­gut­fin­dung auf zeit on­line. nach­dem böh­mer­mann das „beef“ vor­ge­le­sen be­kom­men hat, ant­wor­tet er in der sen­dung na­tür­lich auch, mit ex­al­tier­ten schreib­ges­ten, und ku­sche­lig-ro­ma­ti­scher mu­sik. das wie­der­um er­in­nert mich an jim­my fallons (eben­falls ur­ko­mi­sche) thank you no­tes, hier zum bei­spiel an aca­de­my pre­si­dent cheryl boo­ne isaacs, pad­ding­ton den bär und be­ne­dict cum­ber­batch, dan­kens­wer­ter­wei­se mit ei­ner gros­sen por­ti­on fä­kal­wit­ze­lei­en.

auch jan böh­mer­manns stan­dup kann man als par­odie auf die un­zäh­li­gen gros­sen und klei­nen vor­bil­der se­hen. hän­de in den ho­sen­ta­schen, mit ge­spiel­ter lo­cker­heit und plau­der­ton ein paar vor­for­mu­lier­te gags raus­hau­en, mit dem si­de­kick re­den und am ende mit ge­spiel­ter eu­pho­rie die gross­ar­ti­gen gäs­te und die tol­le show aus­ru­fen. ri­chard we­ber fand das im ta­ges­spie­gel un­sou­ve­rän:

Wie bei je­der Late-Night-Show kommt jetzt der Stand-Up. Ta­ges­ak­tua­li­tä­ten wit­zig prä­sen­tiert. Da zeigt sich, das Böh­mer­mann nicht mal der ganz ganz ganz ganz klei­ne Bru­der von Ha­rald Schmidt ist. Eher der Bru­der von Anke En­gel­ke. Stand-Up ist nicht sei­ne Welt. Das Gag-Ni­veau, hö­hen­mä­ßig nicht Al­pen son­dern Berg & Tal. Viel Tal.

ich fand den stan­dup ok, da habe ich schon viel schlim­me­res ge­se­hen. böh­mer­mann mit schmidt zu ver­glei­chen ist na­tür­lich un­fair, weil schmidt in sei­ner gu­ten zeit so­gar sei­ne ame­ri­ka­ni­schen vor­bil­der über­flü­gelt hat und zu­dem über jahr­zehn­te über­haupt der ein­zi­ge deut­sche mo­de­ra­tor zu sein schien, der vor­ge­fer­tig­te gags vor ei­ner ka­me­ra gleich­zei­tig wit­zig, la­ko­nisch, di­stan­ziert und un­ge­küns­telt ab­lie­fern konn­te. böh­mer­mann par­odiert schmid­ter­man ein­fach und ist da­mit auf der si­che­ren sei­te. jay le­nos stan­dups fand ich üb­ri­gens im­mer gräss­lich. je­der zwei­te gag fing mit „hey, have you he­ard about that …“ und die auf­ge­pump­te jo­via­li­tät und gute-lau­ne-gym­nas­tik, wa­ren auch nach zwan­zig jah­ren übung und rou­ti­ne un­er­träg­lich. böh­mer­mann hat, wie bei fast al­lem was er tut, bei sei­nem stan­dup den weg der me­ta­ebe­ne ge­wählt. von dort oben kann man auch mal zwei, drei grot­ten­schlech­te gags ma­chen, weil es im prin­zip zi­ta­te sind. des­halb, we­gen der me­ta­ebe­nen, konn­te ha­rald schmidt auch po­len-wit­ze ma­chen, ohne fremd­schäm-at­ta­cken zu trig­gern. und des­halb kann böh­mer­mann auch blö­de pä­do­phi­len-wit­ze ma­chen.

die ein­zi­ge ame­ri­ka­ni­sche late night show in der kon­se­quent im­pro­vi­siert wur­de, war craig fer­gu­sons late late night show. das funk­tio­nier­te al­ler­dings auch vor al­lem des­halb, weil sein si­de­kick, ein ske­lett na­mens ge­off pe­ter­son, das von josh ro­bert thomp­son ani­miert und ge­spro­chen wur­de, teil­wei­se noch wit­zi­ger und spon­ta­ner als fer­gu­son selbst war. und wo spon­ta­ni­tät und im­pro­vi­sa­ti­ons­ga­be feh­len, muss halt ge­scrip­tet wer­den, was völ­lig ok ist und manch­mal auch bes­ser, strin­gen­ter und un­ter­halt­sa­mer. ge­mein­sam ha­ben böh­mer­mann und fer­gu­son aber of­fen­sicht­lich ihre tie­fe ab­nei­gung ge­gen­über ge­sprä­chen mit pro­mi­nen­ten. fer­gu­son war stets be­müht, sei­ne ge­sprä­che ins ab­sur­de ab­glei­ten zu las­sen und zu se­hen, was pas­siert. auf den al­ten show­busi­ness-deal, ich er­zäh­le ein zwei lus­ti­ge ge­schich­ten und darf da­für wer­bung für mei­nen neu­en film/buch/sen­dung ma­chen, woll­te sich fer­gu­son nie ein­las­sen. das führ­te bei nicht we­ni­gen sei­ner gäs­ten zu of­fen zur schau ge­stell­ter fas­sungs­lo­sig­keit. auf der an­de­ren sei­te konn­te fer­gu­son, wenn ihn sein ge­gen­über wirk­lich in­ter­es­sier­te, auch die gross­ar­tigs­ten ge­sprä­che füh­ren, zum bei­spiel mit ste­phen fry oder ri­cky ger­vais.

we­gen fer­gu­sons an­archo-ge­sprächs­füh­rung habe ich auch hoff­nung, dass böh­mer­manns un­fä­hig­keit „we­nigs­tens ein­mal mit sei­nen Gäs­ten ein sinn­vol­les Ge­spräch auf­zu­bau­en“, die chris­toph beh­rens in der süd­deut­schen dia­gnos­ti­zier­te, eine aus­bau­fä­hi­ge stär­ke und kei­ne schwä­che ist.

im sin­ne der über­schrift hof­fe ich, dass böh­mer­mann sich wei­ter fleis­sig aus dem late-night-fun­dus der gros­sen be­dient, zi­tiert und sich nur in aus­nah­me­fäl­len von der me­ta­ebe­ne ent­fernt. von mir aus kann das so wei­ter­ge­hen.


mein vor­trags­vor­schlag für die #rp15

felix schwenzel

na­tür­lich habe ich wie­der bis zum letz­ten tag ge­war­tet, um ei­nen vor­schlag für ei­nen vor­trag für die re­pu­bli­ca ein­zu­rei­chen. ich habs im ja­nu­ar nicht ge­schafft, das the­ma zu et­was sinn­vol­lem oder strin­gen­ten zu­sam­men­damp­fen. ich wuss­te, dass ich im wei­tes­ten sin­ne über me­di­en­kom­pe­tenz re­den woll­te und dar­über, dass un­se­re selbst­wahr­neh­mung, per­sön­lich, aber auch ge­sell­schaft­lich, eher von wunsch­vor­stel­lun­gen, als von di­stan­zier­ter, nüch­ter­ner ana­ly­se ge­prägt ist. das fol­gen­de habe ich mir dann am 31. ja­nu­ar aus der nase ge­zo­gen und ver­sucht das the­ma mit buz­zwords ein­zu­krei­sen.

Ko­gni­ti­ve Dis­so­nanz

War­um es hilf­reich sein könn­te, Wi­der­sprü­che aus­zu­hal­ten, statt sie auf­zu­lö­sen

Durch die Ver­net­zung der Welt neh­men wir plötz­lich Ge­dan­ken oder Mei­nun­gen in ei­ner Viel­falt wahr, die frü­her nicht so nied­rig­schwel­lig zu­gäng­lich war. Wie ori­en­tie­ren und po­si­tio­nie­ren wir uns in ei­ner Welt, die uns lau­ter, bun­ter und viel­fäl­ti­ger als je­mals zu­vor er­scheint, aber auch feind­se­li­ger und ag­gres­si­ver als frü­he­re Ver­sio­nen der Welt?

Soll­ten wir nicht nur an un­se­rer Me­di­en­kom­pe­tenz ar­bei­ten, son­dern auch an un­se­rer Wahr­neh­mungs­kom­pe­tenz und der Ver­ar­bei­tung un­se­rer dis­so­nan­ten Wahr­neh­mun­gen? Hilft uns da­bei der ge­sun­de Men­schen­ver­stand, und wenn ja, wie und wor­aus speist und bil­det sich in ei­ner ver­netz­ten Welt ein ge­sun­der Men­schen­ver­stand? Was ist, wenn es im Sin­ne des eng­li­schen Aus­druck com­mon sen­se, gar kei­ne ge­mein­sa­me Wahr­neh­mung mehr gibt und da­mit auch kei­nen ge­sun­den, son­dern nur noch ei­nen pa­tho­lo­gi­schen Men­schen­ver­stand?


the o₂ DSL show

felix schwenzel

email von o₂ von heu­te früh um sie­ben uhr:

Sehr ge­ehr­ter Herr Schwen­zel,

eine ab­schlie­ßen­de Be­ar­bei­tung Ih­res Auf­trags ist lei­der noch nicht mög­lich. Ihre An­ga­ben zum An­schluss stim­men zum Teil nicht mit den An­ga­ben über­ein, die bei Ih­rem bis­he­ri­gen Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­an­bie­ter hin­ter­legt sind.

Es ist wich­tig, dass Ihre An­ga­ben voll­stän­dig mit den bei Ih­rem bis­he­ri­gen An­bie­ter hin­ter­leg­ten An­schluss­an­ga­ben über­ein­stim­men. Ohne den er­folg­rei­chen Ab­gleich die­ser Da­ten kön­nen wir Ih­ren Auf­trag nicht aus­füh­ren. Wir be­nö­ti­gen die An­ga­ben, um Ih­ren bis­he­ri­gen An­schluss zu kün­di­gen und Ihre Ruf­num­mern zu O₂ zu über­neh­men.

Wir bit­ten Sie da­her um Ih­ren Rück­ruf. Ge­ben Sie da­bei bit­te die im Be­treff ge­nann­te Kun­den­num­mer und das von Ih­nen fest­ge­leg­te Kun­den­kenn­wort an. Un­ter der oben ge­nann­ten Ruf­num­mer sind wir an 7 Ta­gen die Wo­che ger­ne für Sie da, rund um die Uhr.

Wir freu­en uns, dass wir mit Ih­rer Hil­fe schon bald Ih­ren O₂ DSL An­schluss für Sie frei­schal­ten kön­nen.

Freund­li­che Grü­ße
Ihr O₂ Team

den DSL-auf­trag habe ich am 19. au­gust 2014 er­teilt. in den ers­ten vier mo­na­ten nach auf­trags­er­tei­lung schei­ter­te die schal­tung of­fen­bar an ab­tei­lungs­in­ter­nen wi­der­stän­den. der o₂-in­ter­ne um­zug war of­fen­bar eine ech­te or­ga­ni­sa­to­ri­sche her­aus­for­de­rung für o₂. ich rief mo­nat­lich dort an, um mich nach dem sta­tus mei­nes auf­trags zu er­kun­di­gen; die ant­wor­ten wa­ren al­ler­dings im­mer recht aus­wei­chend, deu­te­ten aber mas­si­ve o₂-in­ter­ne kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­me an. vor 14 ta­gen dann ein klei­nes wun­der: o₂ rief mich an, um mir von sich aus ein sta­tus-up­date zu ge­ben. es habe tech­ni­sche pro­ble­me bei der te­le­kom ge­ge­ben, die jetzt be­ho­ben sei­en. in we­ni­gen wo­chen müss­te mein auf­trag ab­ge­schlos­sen sein. eine mit­ar­bei­te­rin von o₂ nann­te mir ei­nen zeit­ho­ri­zont von 3 mo­na­ten, eine an­de­re war zu­ver­sicht­lich, dass es schnel­ler gehe als 3 mo­na­te, auch wenn sie sich nicht zu weit aus dem fens­ter leh­nen wol­le.

jetzt, 2 wo­chen spä­ter, scheint der in­ter­ne um­zug wie­der ein the­ma zu sein, statt ge­gen die te­le­kom, muss o₂ sich wie­der sei­nem gröss­ten geg­ner stel­len, den ei­ge­nen ab­tei­lun­gen.

der mann an der hot­line drück­te es zu­nächst beim le­sen der ein­trä­ge in mei­nem kun­den­pro­fil so aus: „oh gott!“

dann, nach­dem er sich die ein­trä­ge vor­ge­le­sen hat­te, sag­te er, das sei jetzt eine sa­che zwi­schen „alt-o₂“ und „neu-o₂“ und das schrei­ben sei au­to­ma­tisch er­stellt. das sei „schwach­sinn“, wür­de aber im­mer ver­schickt, wenn ein da­ten­satz ver­wor­fen wür­de. der in­ter­ne wech­sel lie­fe jetzt im hin­ter­grund und das schrei­ben bräuch­te ich nicht zu be­ach­ten.

ich bin nach wie vor ge­spannt was jetzt pas­siert. in zwei wo­chen fei­ert mein un­er­le­dig­ter DSL-auf­trag sei­nen hal­ben ge­burts­tag.


pre­vious­ly on the o₂ DSL show:


up­date, heu­te per SMS:

der (un­er­le­dig­te) @o2de-auf­trag (vom au­gust) wie­der mal.
kann ich mich drü­ber sche­kig la­chen. wir­res.net/7497 pic.twit­ter.com/MRHY6hMuZG

— fe­lix schwen­zel (@di­plix) 06.02.2015 12:00


das in­ter­net als wil­le und vor­stel­lung

felix schwenzel

  deutsch­land­funk.de: Das Di­gi­ta­le um­ar­men - Das In­ter­net als Wil­le und Vor­stel­lung   #

heu­te wur­de im deutsch­land­ra­dio, im rah­men der rei­he „Es­say und Dis­kurs“, mein es­say über das in­ter­net ge­sen­det. den text habe ich mit­te de­zem­ber ge­schrie­ben und im ja­nu­ar noch­mal ein biss­chen ge­kürzt. um den text vor­les­bar zu ma­chen (mp3-link), wur­de er von der re­dak­ti­on ein biss­chen re­di­giert und ge­kürzt, was ihm kei­nes­falls ge­scha­det hat, aus­ser das die links weg­ge­fal­len sind. (in der re­dak­tio­nell be­ar­bei­te­ten und vor­ge­le­se­nen ver­si­on hat sich ein kit­ze­klei­ner feh­ler ein­ge­schli­chen: an ei­ner stel­le heisst es „… hat uns nicht ge­stei­ger­ten Kom­fort und Ge­schwin­dig­keit [ge­bracht].“ wo es na­tür­lich „… hat uns nicht nur ge­stei­ger­ten Kom­fort …“ heis­sen müss­te.)

für mein ar­chiv ver­öf­fent­li­che ich den un­re­di­gier­ten text, so wie ich ihn ab­ge­ge­ben habe, hier noch­mal. hier kann, falls be­darf be­steht, na­tür­lich auch kom­men­tiert wer­den.

weiterlesen

„das wird man doch wohl noch ab­mah­nen dür­fen?“

felix schwenzel

jan böh­mer­mann hat vor ein paar ta­gen auf face­book auf­ge­schrie­ben dass er und ein be­kann­ter von ihm von ei­nem fo­to­gra­fen ab­ge­mahnt wur­den, weil sie eins sei­ner bil­der auf twit­ter ver­wen­det hä­ten.

als ich den ar­ti­kel auf face­book vor ein paar ta­gen las, fand ich ihn ziem­lich dif­fe­ren­ziert und aus­ge­wo­gen. aus­ge­wo­gen in­so­fern, als sich böh­mer­mann ganz of­fen­sicht­lich über sei­ne ei­ge­ne blöd­heit, die ab­mah­nun­gen und die ge­set­zes­la­ge glei­cher­mas­sen är­ger­te. wenn man den ar­ti­kel sorg­fäl­tig liest, merkt man al­ler­dings auch, dass böh­mer­mann kei­ne ah­nung vom ur­he­ber­recht hat, aber ich möch­te mal be­haup­ten das geht un­ge­fähr je­dem so, der noch nicht we­gen ei­ner ur­he­ber­rechts­ver­let­zung ab­ge­mahnt wur­de. den ar­ti­kel kann man ent­we­der auf face­book le­sen oder nicht, ich kenn mich mit die­sen pri­vat­s­hä­ren­ein­stel­lun­gen von face­book nicht aus.

ein paar tage spä­ter hat jan böh­mer­mann das bild, für das er und sein be­kann­ter ab­ge­mahnt wur­den, mit sei­nem si­de­kick wil­liam cohn nach­ge­stellt:

ich fand und fin­de das sehr wit­zig. ich fin­de aber auch sonst fast al­les was jan böh­mer­mann macht wit­zig.

nicht wit­zig fand das der fo­to­graf, der die ab­mah­nung ge­gen böh­mer­mann ver­an­lasst hat. dan­kens­wer­ter­wei­se hat se­bas­ti­an bau­mer ihm die ge­le­gen­heit ge­ge­ben, sich dazu öf­fent­lich zu äus­sern. ich fin­de es gut, auch mal die an­de­re sei­te der ge­schich­te zu hö­ren, bzw. war ge­spannt, was der mann zu sa­gen hat­te.

mee­dia fasst das was der fo­to­graf zu sa­gen hat­te so zu­sam­men:

Mar­tin Lan­ger ist ge­kränkt, er emp­fin­det das Ver­hal­ten des Mo­de­ra­tors als ruf­schä­di­gend. „Wes­halb wer­de ich als Tä­ter dar­ge­stellt, wenn ich mich an gel­ten­de Ge­set­ze hal­te?“

ab­ge­se­hen da­von, dass der fo­to­graf eine der in­ter­es­san­te­ren fra­gen von böh­mer­mann gar nicht ein­geht, näm­lich, wie es zum bei­spiel sein kann, dass sein be­kann­ter, der auf twit­ter pri­vat und mit we­ni­ger als 200 fol­lo­wern un­ter­wegs ist, für die glei­che ur­he­ber­rechts­ver­let­zung mit dem glei­chen streit­wert ab­ge­mahnt wur­de, also ab­ge­se­hen da­von, fin­de ich die stel­lung­nah­me des fo­to­gra­fen we­nig hilf­reich und auch ein biss­chen un­lo­gisch.

der fo­to­graf schreibt un­ter an­de­rem, dass böh­mer­mann sein „Foto über den Ka­nal Twit­ter ver­brei­tet“ habe und da­für eine ab­mah­nung be­kom­men habe, „da die Nut­zung we­der ab­ge­spro­chen noch li­zen­ziert war“. so weit so gut. böh­mer­mann hat die­sen sach­ver­halt auf twit­ter et­was zu­ge­spitzt so zu­sam­men­ge­fasst:

Wer das Ros­tock-Lich­ten­ha­gen Foto mit Hit­ler­gruß und zu­ge­piss­ter Jog­ging­ho­se twit­tert, wird vom Fo­to­gra­fen Mar­tin Lan­ger ab­ge­mahnt! 1000 €!

die­sen tweet von böh­mer­mann ver­linkt der fo­to­graf mit den wor­ten:

Aber die Per­son hat sich of­fen­bar so dar­über ge­är­gert, beim Bil­der­klau er­tappt wor­den zu sein, dass sie mich nun öf­fent­lich da­für an­pran­gert und zwar auf ver­schie­de­nen So­cial-Me­dia-Ka­nä­len.

was an dem hin­weis, dass der fo­to­graf sei­ne rech­te per ab­mah­nung ver­tei­digt, an­pran­gernd sein soll, ver­ste­he ich nicht. böh­mer­mann be­schreibt aus mei­ner sicht ex­akt das, was der fo­to­graf auch ge­gen­über mee­dia sagt:

Auch Pri­vat­per­so­nen dür­fen das Bild nicht ein­fach so öf­fent­lich pos­ten. Das ist doch im Ur­he­ber­rechts­ge­setz sehr an­schau­lich ge­re­gelt. Dar­an hal­te ich mich.

und böh­mer­mann weist ge­nau dar­auf hin.


ei­gen­ar­tig fin­de ich auch den wie­der­hol­ten hin­weis des fo­to­gra­fen, dass er sich im rah­men des ge­set­zes be­we­ge und gar nicht ver­ste­he, war­um sich da je­mand drü­ber auf­regt oder är­gert. ich fin­de das dop­pelt er­staun­lich, weil der fo­to­graf un­ter an­de­rem sehr tol­le (kei­ne iro­nie) fo­tos für green­peace ge­macht hat. green­peace be­schäf­tigt qua sat­zung da­mit, kon­zer­ne oder or­ga­ni­sa­tio­nen „an­zu­pran­gern“ die in der re­gel nichts an­de­res ma­chen, als sich an ge­set­ze zu hal­ten. bei­spiels­wei­se hielt sich shell vor ei­ni­gen jah­ren mit der ge­plan­ten ver­sen­kung der brent spar auch an alle gel­ten­den ge­set­ze. so wie der fo­to­graf jetzt sagt: „ich habe nichts falsch ge­macht“, hat auch shell (an­fangs) ar­gu­men­tiert: die ver­sen­kung der öl­platt­form ent­spre­che gel­ten­dem recht, wur­de jah­re­lang auf al­ter­na­ti­ven ge­prüft und war von den bri­ti­schen be­hör­den ge­neh­migt.

ob­wohl shell nichts falsch ge­macht hat­te, war green­peace an­de­rer mei­nung als shell und stell­te den kon­zern „an den pran­ger“. wie sich spä­ter her­aus­stell­te teil­wei­se auch mit fal­schen zah­len. na­tür­lich ist die­ser ver­gleich über­zo­gen und hinkt, aber was ich sa­gen will: wer sein recht in der öf­fent­lich­keit durch­setzt, kann dar­an nicht die er­war­tung von po­si­ti­ver öf­fent­li­cher wahr­neh­mung knüp­fen, schon gar nicht, wenn man sich mit ei­nem witz­bold (oder mit um­welt­schüt­zern, blog­gern oder que­ru­lan­ten) an­legt. das mit der po­si­ti­ven öf­fent­li­chen wahr­neh­mung kann man al­ler­dings durch ge­schick­te kom­mu­ni­ka­ti­on hin­be­kom­men — das ist aber (lei­der) ganz of­fen­sicht­lich eine gros­se schwä­che des fo­to­gra­fen, der jan böh­mer­mann von sei­nem pro­fes­sio­nel­len „rechts­bei­stand“ hat ab­ge­mah­nen las­sen, aber auf ei­nen pro­fes­sio­nel­len kom­mu­ni­ka­ti­ons­bei­stand ver­zich­tet.


mit dem pos­ten des fo­tos von böh­mer­mann und cohn be­ge­he ich üb­ri­gens auch eine ur­he­ber­rechts­ver­let­zung. auch das pos­ten von screen­shots aus ei­ner fern­seh­se­rie dürf­te in deutsch­land nicht ganz un­pro­ble­ma­tisch sein, trotz­dem habe ich es vor­ges­tern ge­tan. auch der be­trieb mei­nes re­cla­im-blogs, dass mei­ne pos­tings und favs und shares und links aus so­zia­len netz­wer­ken zu­rück auf mei­nen ser­ver agg­re­giert, dürf­te ur­he­ber­recht­lich hoch­pro­ble­ma­tisch sein. was ich sa­gen will: egal ob voll­pro­fi, als frei­er mit­ar­bei­ter beim ZDF oder RBB, als hob­by-blog­ger mit kom­mer­zi­el­len ein­spreg­se­ln: in ur­he­ber­recht­li­che fal­len tap­pen wir alle, im­mer wie­der. wenn man ein­fach sagt, der böh­mer­mann ist zu blöd und soll­te als pro­fi al­les übers ur­he­be­recht wis­sen, macht man es sich zu ein­fach, ge­nau­so wie man es sich zu ein­fach macht, ei­nen fo­to­gra­fen, der auf sei­nen rech­ten be­steht, öf­fent­lich als geld­gei­len doo­fi dar­zu­stel­len. es ist kom­pli­zier­ter — aber teil­wei­se auch wirk­lich zu kom­pli­ziert.



[nach­trag 30.01.2015, 12 uhr]
jan böh­mer­mann hat auf face­book die de­bat­te für be­en­det er­klärt (hat er nicht, das ist ein (aus­ge­lie­he­nes) po­falla-wort­spielzi­tat):

Na­tür­lich bin ich da­für, dass alle Ur­he­ber für Ihre Wer­ke an­ge­mes­sen be­zahlt wer­den. Und na­tür­lich fin­de ich es falsch, wenn Rech­te von Ur­he­bern ver­letzt wer­den.
Ich emp­fin­de es aber als un­ver­hält­nis­mä­ßig, dass so­wohl ich mit 159.000 Fol­lo­wern als auch mein Kol­le­ge mit 100 Fol­lo­wern für das Pos­ten ei­nes Fo­tos bei Twit­ter ohne jeg­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on di­rekt mit 1000 Euro ab­ge­mahnt wer­den. Dar­um geht es mir.
Dass ich den Na­men des ab­mah­nen­den Fo­to­gra­fen bei Twit­ter ver­öf­fent­licht habe, war al­ler­dings eben­so un­ver­hält­nis­mä­ßig. Das bringt die De­bat­te nicht wei­ter und war wirk­lich nicht sehr schlau. Sor­ry for that!


me­ja­dra (röst­zwie­beln mit ge­würz­ten lin­sen und reis)

felix schwenzel

die­ses re­zept aus ot­to­lenghis je­ru­sa­lem-koch­buch ist re­la­tiv un­kom­pli­ziert, dau­ert aber ins­ge­samt knapp ne stun­de. die wür­zung ist bei­na­he ein biss­chen weih­nacht­lich, passt aber auch gut ins früh­jahr. das bes­te sind aber die röst­zwie­beln. statt mein nach­er­zähl­tes rez­pet nach­zu­ko­chen, emp­feh­le ich das je­ru­sa­lem-buch von ot­to­lenghi zu kau­fen und dar­aus zu ko­chen. lohnt sich wirk­lich, wie alle ot­to­lenghi-bü­cher.

  • 250 gramm grü­ne oder brau­ne lin­sen
  • 4 mit­tel­gros­se zwie­beln (un­ge­fähr 700 gramm)
  • 4 ess­löf­fel mehl
  • viel son­nen­blu­men­öl zum fri­tie­ren (un­ge­fähr 250 mil­li­li­ter)
  • 2 tee­löf­fel kreuz­küm­mel­sa­men (mag ich nicht, hab ge­mah­le­nen kreuz­küm­mel ge­nom­men)
  • 1½ tee­löf­fel ko­ri­an­der­sa­men (mag auch nie­mand, hab ge­mah­le­nen ko­ri­an­der ge­nom­men)
  • 200 gramm bas­ma­ti­reis
  • 3 ess­löf­fel oli­ven­öl
  • ½ tee­löf­fel kur­ku­ma
  • 1½ tee­löf­fel ge­mah­le­ner pi­ment
  • 1½ tee­löf­fel zimt
  • 1 tee­löf­fel zu­cker
  • salz und schwa­r­uer pfef­fer

die lin­sen sol­len erst­mal 15 mi­nu­ten in aus­rei­chend was­ser kö­cheln (da­nach das was­ser ab­gies­sen). in der zeit kann man die zwie­beln schä­len und in fei­ne rin­ge schnei­den. die zwie­bel­rin­ge mit dem mehl und ei­nem tee­löf­fel salz ver­men­gen und 5-7 mi­nu­ten por­ti­ons­wei­se frit­tie­ren (ich hab in ner gros­sen pfan­ne zwei por­tio­nen ge­rös­tet). die zwie­beln sol­len nicht zu dun­kel wer­den, also früh­zei­tig ein biss­chen run­ter­schal­ten.

wenn die zwie­beln fer­tig sind und das öl fach­ge­recht ent­sorgt ist, kann man die ge­wür­ze und das öl und den reis und pfef­fer in die pfan­ne tun, die ge­koch­ten lin­sen und 350 mil­li­li­ter was­ser dazu, de­ckel drauf und bei mil­der hit­ze 15 mi­nu­ten kö­cheln las­sen. nach 15 mi­nu­ten noch­mal, mit auf­lie­gen­dem de­ckel, aber ohne hit­ze, zie­hen las­sen. er­staun­li­cher­wei­se ist der reis nach die­sen 25 mi­nu­ten ge­nau rich­tig.

dann noch die hälf­te der röst­zwie­beln un­ter­men­gen und das gan­ze auf nem tel­ler drap­pie­ren. wir ha­ben noch ein biss­chen ge­sal­ze­nen jo­gurt da­ne­ben ge­kippt.


spie­gel-on­line klam­mert sich an flash

felix schwenzel

apro­pos spie­gel-on­line und apro­pos you­tube nutzt jetzt stan­dard­mäs­sig das HTML5 vi­deo-ele­ment:

auch wenn der „op­ti­miert für den in­ter­net-ex­plo­rer“-hin­weis fehlt, fühlt sich @SPIE­GELON­LINE doch sehr 90er an. pic.twit­ter.com/pVO5fIM0H8

— fe­lix schwen­zel (@di­plix) 28.01.2015 11:43

sehr lo­bens­wert, dass @spie­gelon­line auf mei­ne kla­ge, dass vi­de­os ohne flash-play­er ers­tens nicht funk­tio­nie­ren und zwei­tens of­fen­ba­ren dass UTF8 nichts für spie­gel-on­line-feh­ler­mel­dun­gen ist, ge­ant­wor­tet hat:

@di­plix Das wird sich in Zu­kunft si­cher än­dern, der­zeit geht es aber noch nicht ohne Flash. Tut uns leid!

— SPIE­GEL ON­LINE (@SPIE­GELON­LINE) 28.01.2015 11:47

was mich al­ler­dings wun­dert: war­um geht das in der mo­bi­len ver­si­on von spie­gel on­line, zum bei­spiel auf mei­nem ipho­ne-sa­fa­ri, das ja be­kannt­lich auch kein flash in­stal­liert hat? die­se fra­ge hat die freund­li­chen spie­gel-on­line-so­cial-me­dia-re­dak­ti­on dann of­fen­bar über­for­dert und blieb un­be­ant­wor­tet.

@spie­gelon­line aber die mo­bil­ver­si­on funk­tio­niert mit ohne flash — war­um nicht auch die desk­top-ver­si­on? pic.twit­ter.com/wCef57b4D1

— fe­lix schwen­zel (@di­plix) 28.01.2015 11:49

war ich zu un­freund­lich oder muss man „Tut uns leid!“ als fi­na­le ant­wort ak­zep­tie­ren? tech­nisch muss das doch easy-peasy funk­tio­nie­ren, zum bei­spiel mit ei­ner wei­ter­lei­tung für alle brow­ser mit der flash ver­si­on 0.0.0, auf die mo­bi­le ver­si­on von spie­gel.de. oder so.


[nach­trag 25.04.2015]
seit ein paar wo­chen funk­tio­nie­ren die vi­de­os auf spie­gel on­line auch mit de­instal­lier­tem flash auf desk­top-brow­sern.


schlüpf­ri­ger bou­le­vard

felix schwenzel

  spie­gel.de: 80-jäh­ri­ge Judi Dench: Reif fürs ers­te Tat­too   #

spie­gel-on­line dich­tet sich hier eine nicht nur blöd­sin­ni­ge, son­dern auch fal­sche über­schrift zu­sam­men. judi dench hat sich be­reits den hin­tern tä­to­wie­ren las­sen, das er­zähl­te zu­min­dest der film­pro­du­zent har­vey weins­stein vor ein paar wo­chen in der gra­ham nor­ton show. den aus­schnitt kann man sich bei time.com (oder you­tube) an­se­hen. laut wi­ki­pe­dia, bzw. dem bou­le­vard­blatt new york post hat sie das auf ei­nem emp­fang auch mal selbst er­zählt:

“[He] said, 'Mrs. Brown' should be a film," Dench said of the 1997 pro­ject that laun­ched her Hol­ly­wood care­er af­ter Wein­stein took it from the BBC to US ci­ne­mas. “It was thanks to Har­vey, who­se name I have had tat­to­oed on my bum ever sin­ce," Dench jo­ked while ac­cep­ting a Bri­tish Film In­sti­tu­te award in Lon­don.

in der dpa-mel­dung steht auch nichts von ei­nem ers­ten tat­too, son­dern, dass dench „Lust auf eine Tä­to­wie­rung“ habe.

ganz ab­ge­se­hen da­von ist die aus­ga­be von mit­te ja­nu­ar der gra­ham nor­ton show sehr se­hens­wert.


per­son of in­te­rest: die haupt­sta­tis­tin

felix schwenzel

heu­te abend (auf net­flix) wie­der ein paar fol­gen per­son of in­te­rest (imdb) ge­guckt. eine mei­ner mei­nung nach ganz gute mit­tel­gu­te se­rie. die epi­so­den sind im­mer schön in sich ab­ge­schlos­sen, aber durch die staf­feln zie­hen sich ein paar rote fä­den, die die auf­merk­sam­keit und neu­gier ganz gut hal­ten kön­nen — trotz der vie­len un­ge­reimt­hei­ten, de­ren zeu­ge man jede fol­ge wird. jj abrams fun­gier­te zu­min­dest bei der fol­ge 22 der ers­ten staf­fel, ich ver­mu­te auch bei an­de­ren, als aus­füh­ren­der pro­du­zent; was wie­der­um das stück­chen­wei­se auf­lö­sen der ge­heim­nis­se der prot­ago­nis­ten er­klä­ren dürf­te.

was mir in die­ser s01-e22-fol­ge auf­fiel war eine ver­däch­ti­ge per­son, die den bei­den haupt­fi­gu­ren, finch und ree­se, stän­dig folg­te. da die bei­den die gan­ze fol­ge über kei­ne no­tiz von ihr nah­men, ver­mu­te ich sie war die haupt­sta­tis­tin in die­ser fol­ge. ich habe sie mal rot mar­kiert. die nächs­ten fol­gen schaue ich mir auch auf­merk­sam an, um zu se­hen ob es da ein mus­ter gibt.


ty­pi­scher tag ei­nes man­nes
😀😏😏😏😏😏😏😏😏😏😏😏
😏😏😏😏😏😏😏😏😏😏😏😴

ty­pi­scher tag ei­ner frau
😀😒😣😱😖😑😠😡😶😇😘😨
😞😊😳😕😬😜😂😶😩😓😤😴


0800 2602601

felix schwenzel

ges­tern und heu­te meh­re­re an­ru­fe auf mei­nem (o₂-han­dy) von der 0800 2602601. je­des mal wenn ich ran­ge­he be­en­det sich die ver­bin­dung. die num­mer ist von o₂ deutsch­land, fin­de ich im in­ter­net herraus. das passt. o₂ ist nicht in der lage mit­tels sei­nes ei­ge­nen kom­mu­ni­ka­ti­ons­net­zes eine ver­bin­dung zu sei­nen kun­den auf­zu­bau­en.

weil ich mir sor­gen ma­che, dass es um die um­schal­tung un­se­res DSL-an­schlus­ses ge­hen könn­te, die sich nun schon seit et­was mehr als 5 mo­na­ten hin­zieht, rufe ich o₂ zu­rück.

die dame in der DSL-ab­tei­lung liest mir die ein­trä­ge aus dem CRM vor, „um­ge­hend schal­ten …“, „tech­ni­sche pro­ble­me …“, „kun­den be­nach­rich­ti­gen so­bald …“

… ja, da gäbe es noch ein paar tech­ni­sche pro­ble­me bei der schal­tung. nor­ma­ler­wei­se wür­de die schal­tung selbst so un­ge­fähr zwei bis drei wo­chen dau­ern. da wo ich woh­ne, gäbe es aber wohl ge­ra­de tech­ni­sche pro­ble­me (ich ver­mu­te: vie­le DSL-kun­den), wes­halb es in mei­nem fall noch so um die 3 mo­na­te dau­ern wür­de bis der an­schluss ge­schal­tet wür­de. in­ter­net hät­te ich aber noch, fragt die dame be­sorgt nach. ja, ja, der 16k DSL-an­schluss, den ich ger­ne, seit über 5 mo­na­ten, zu ei­nem schnel­le­ren DSL-an­schluss um­wan­deln wür­de, funk­tio­niert ein­wand­frei.

die dame ist sich re­la­tiv si­cher, dass es zum DSL-an­schluss kei­ne rück­fra­gen an mich ge­ge­ben habe, wenn sie, die DSL-ab­tei­lung an­ru­fen wür­de, käme das mit ei­ner mün­che­ner ab­sen­der­num­mer bei mir an. wahr­schein­lich woll­te sich je­mand aus dem mar­ke­ting bei mir er­kun­di­gen, ob ich zu­frie­den mit mei­nen te­le­komu­ni­ka­ti­ons­dienst­leis­ter sei.


das oben habe ich mir heu­te früh no­tiert. eben, so ge­gen 13 uhr, klin­gel­te mein te­le­fon wie­der mit der 0800 2602601 und dies­mal klapp­te es mit der ver­bin­dung als ich den an­ruf an­nahm. wie­der eine sehr freund­li­che mit­ar­bei­te­rin, die sich „mal mel­den“ woll­te und be­scheid sa­gen woll­te, war­um es zu ver­zö­ge­run­gen bei mei­ner be­stel­lung ge­kom­men sei. es hät­te tech­ni­sche pro­ble­me bei der te­le­kom ge­ge­ben, die jetzt aber be­ho­ben sei­en und die auf­trä­ge wür­den jetzt wie­der nor­mal be­ar­bei­tet. die drei mo­na­te war­te­zeit die mir ihre kol­le­gin heu­te früh in aus­sicht ge­stellt habe, sei­en wohl eine sehr vor­sich­ti­ge schät­zung ge­we­sen, sie wol­le sich zwar nicht zu weit aus dem fens­ter leh­nen, glau­be aber, dass das sehr viel schnel­ler gehe. aus­ser­dem wür­de sie mir für „die ent­stan­de­nen un­an­nehm­lich­kei­ten“ eine gut­schrift von 30 euro an­bie­ten.

das habe ich ger­ne an­ge­nom­men und bin jetzt — wie seit un­ge­fähr fünf mo­na­ten — ge­spannt was als nächs­tes kommt. bei so ei­ner ark­tis-ex­pe­di­ti­on DSL-um­schal­tung kann ja ei­ni­ges schief­ge­hen.


„Rie­sen-Scheiss-Plei­te“

felix schwenzel

in der dank­sa­gung am ende sei­nes neu­en bu­ches be­schreibt an­drew keen, wie ihn der at­lan­tic-books-chef toby mun­dy über­re­de­te ein buch zu schrei­ben, in dem er sei­ne „Über­le­gun­gen zum In­ter­net“ zu­sam­men­fas­sen sol­le:

»Es ist ganz ein­fach«, ver­sprach er mir. »Schreib ein­fach al­les auf, was du über das In­ter­net denkst.«

keen hat das tat­säch­lich ge­macht und man kann das auch re­la­tiv kurz zu­sam­men­fas­sen: er denkt über das in­ter­net nicht viel gu­tes. das in­ter­net, schreibt er ein­mal in ei­nem ne­ben­satz, habe zwar ein paar gute sei­ten, sei un­term strich aber eine „Rie­sen-Scheiss-Plei­te“. die „Rie­sen-Scheiss-Plei­te“ ist ei­gent­lich ein zi­tat, das er in ka­pi­tel 8 ei­nem „un­ge­kämm­ten und un­ra­sier­ten Jun­gen“, der auf ei­ner kon­fer­nez ne­ben ihm sass, in den mund legt. im ori­gi­nal lau­te­te das zi­tat wahr­schein­lich „epic fuck­ing fail“. keen greift die­ses zi­tat auf den fol­gen­den sei­ten (oder im buch-pro­mo-ma­te­ri­al) wie­der auf, um zu be­schrei­ben was er über das in­ter­net denkt.

keen woll­te das buch ur­sprüng­lich auch „epic fail“ nen­nen, nann­te es dann im ori­gi­nal dann aber „the in­ter­net is not the ans­wer“. auf deutsch ent­schied sich die deut­sche ver­lags-an­stalt dann für den epi­schen ti­tel: „Das di­gi­ta­le De­ba­kel: War­um das In­ter­net ge­schei­tert ist - und wie wir es ret­ten kön­nen“.

der deut­sche ti­tel ist ver­ständ­li­cher­wei­se et­was auf ran­da­le ge­bürs­tet. nach der ver­lei­hung des frie­dens­prei­ses des deut­schen buch­han­dels an ja­ron la­nier er­war­tet der ver­lag of­fen­bar zu recht, dass die in­ter­net-kri­ti­schen deut­schen in­tel­lek­tu­el­len und feuil­le­tons neue nah­rung brau­chen. um ganz si­cher zu ge­hen, dass die ziel­grup­pe das buch auch als in­ter­net­kri­tisch er­kennt, hat man das buch dann gleich auf dem co­ver in 14 wor­ten zu­sam­men­ge­fasst.

auch beim um­schlag­text über­trieb man zur si­cher­heit gleich ein biss­chen und sagt über keen:

Er lehr­te an meh­re­ren US-ame­ri­ka­ni­schen Uni­ver­si­tä­ten und grün­de­te 1995 ein er­folg­rei­ches In­ter­net­un­ter­neh­men im Si­li­con Val­ley.

im buch schreibt keen auf sei­te 226 das ge­gen­teil:

Wäh­rend Ka­l­a­nick in den Neun­zi­gern mit Scour schei­ter­te, schei­ter­te ich mit mei­nem ei­ge­nen Mu­sik-Start-Up Au­dio­Ca­fe.


um die ein­lei­tung von keens buch zu le­sen, habe ich meh­re­re an­läu­fe ge­braucht. tex­te in de­nen mehr rum­be­haup­tet als ar­gu­men­tiert wird, ver­lie­ren ganz schnell mein in­ter­es­se. nach­dem er 5 sei­ten auf mi­cha­el und xochi birch und de­ren bat­tery-club rum­hackt, füllt er die rest­li­chen 7 ein­lei­tungs­sei­ten mit all­ge­mei­nem in­ter­net-ge­mä­kel, das der ver­lag im pro­mo­ti­on-ma­te­ri­al auf die­sen ab­satz zu­sam­men­ge­dampft hat:

Nicht die Ge­sell­schaft pro­fi­tiert von ei­ner „hy­per­ver­netz­ten“ Welt, son­dern eine eli­tä­re Grup­pe jun­ger wei­ßer Män­ner. Was ih­nen im­mer mehr Reich­tum be­schert, macht uns in vie­ler­lei Hin­sicht är­mer. Das In­ter­net ver­nich­tet Ar­beits­plät­ze, un­ter­bin­det den Wett­be­werb und be­för­dert In­to­le­ranz und Voy­eu­ris­mus. Es ist kein Ort der Frei­heit, son­dern ein Über­wa­chungs­ap­pa­rat, dem wir kos­ten- und be­den­ken­los zu­ar­bei­ten. Kurz­um: Das In­ter­net ist ein wirt­schaft­li­ches, kul­tu­rel­les und ge­sell­schaft­li­ches De­ba­kel.

ganz ein­fach: schreib ein­fach auf was du über das in­ter­net denkst — zack, ist die ein­lei­tung fer­tig!

ich habe keen ein paar mal live er­lebt und ge­se­hen und fand ihn mit sei­ner schnei­den­den stim­me und bril­li­an­ten rhe­to­rik im­mer sehr über­zeu­gend. ei­ner sei­ner vor­trä­ge auf der next-kon­fe­renz im jahr 2009 hat mich mass­geb­lich zu mei­nem vor­trag war­um das in­ter­net scheis­se ist in­spi­riert. aber ge­ra­de weil ich keen schät­ze, hat mich die feh­len­de tie­fe der ar­gu­men­ta­ti­on in der ein­lei­tung be­son­ders ge­nervt.

die fol­gen­den ka­pi­tel kom­men ei­ner ana­ly­se dann schon et­was nä­her. keen zeich­net die ent­ste­hung des in­ter­nets und des world wide webs nach und hält sich mit dem, was er über das in­ter­net denkt, ein biss­chen zu­rück. er zi­tiert freund und feind und ir­gend­wann beim le­sen wird ei­nem klar, dass keen ei­gent­lich gar nicht das in­ter­net scheis­se fin­det, son­dern den ka­pi­ta­lis­mus.

Die Spiel­re­geln der New Eco­no­my sind da­her die­sel­ben wie die der Old Eco­no­my — nur mit Auf­putsch­mit­teln.

Si­mon Head vom In­sti­tu­te for Pu­plic Know­ledge an der New York Uni­ver­si­ty er­klärt, da­mit sei Ama­zon zu­sam­men mit Wal-Mart »das un­ver­schämt rück­sichts­lo­ses­te Un­ter­neh­men der Ver­ei­nig­ten Staa­ten«.

im prin­zip er­füllt keen also sa­scha lo­bos for­de­rung, kei­nen quark zu er­zäh­len:

Be­schleu­ni­gungs­kri­tik ohne Ka­pi­ta­lis­mus­kri­tik ist Quark.

tat­säch­lich dif­fe­ren­ziert an­drew keen in sei­nen ana­ly­se-ka­pi­teln auch ge­le­gent­lich und räumt ein, dass die pro­ble­me die das in­ter­net ver­ur­sacht auch schon in der welt ohne in­ter­net exis­tier­ten. aber lei­der ver­ein­facht er mit­un­ter auch so sehr, dass das bild, das er zeich­net, mir stel­len­wei­se sehr ver­zerrt er­scheint.

in keens welt­bild ist das in­ter­net am nie­der­gang der kul­tur schuld. sei­ne lieb­lings­bei­spie­le sind der buch­han­del und die mu­sik­bran­che. er be­klagt sich so­gar dar­über, dass es kaum noch vi­nyl-plat­ten gebe und sieht die schuld im nie­der­gang der mu­sik­in­dus­trie nicht nur in pi­ra­te­rie, der „Mo­no­po­li­sie­rung des On­line-Mu­sik­markts durch An­bie­ter wie iTu­nes und Ama­zon“ (und spo­ti­fy und you­tube und sound­cloud [sic!]), son­dern auch in ei­ner von ihm per­sön­lich aus­ge­dach­ten neu­en ge­fahr, der „Ty­ran­nei der über­gros­sen Aus­wahl“. stö­ren­de fak­ten lässt keen ein­fach weg. bei ihm liest sich der nie­der­gang der buch­bran­che wie eine lo­gi­sche fol­ge von ama­zon:

Im Jahr 2014 gab es rund 3440 im Bör­sen­ver­ein des Deut­schen Buch­han­dels or­ga­ni­sier­te Buch­lä­den und da­mit fast ein Drit­tel we­ni­ger als noch 1999.

keen ver­liert kein wort dar­über, dass ende der neun­zi­ger jah­re ein bru­ta­ler kon­zen­tra­ti­ons­pro­zess im buch­han­del be­gann, bei dem fi­lia­lis­ten wie tha­lia oder hu­gen­du­bel ag­gres­siv ex­pan­dier­ten. tors­ten mei­ni­cke, ein buch­häd­ler aus ham­burg, er­in­ner­te im deutsch­land­funk dar­an, wel­che pro­ble­me in den neun­zi­ger jah­ren auch er­kenn­bar wa­ren:

Es sind zu vie­le Bü­cher, wir müs­sen we­ni­ger pro­du­zie­ren. Mit dem Er­geb­nis, dass bei der nächs­ten Herbst­vor­schau die Ti­tel­zahl der Neu­erschei­nun­gen noch ein­mal er­höht wor­den ist. Das hat sehr lan­ge ge­dau­ert, bis ein paar Sa­chen erst­mals zu­rück­ge­fah­ren wur­den.

ganz ohne die hil­fe des in­ter­nets kre­ierte die buch­bran­che eine „Ty­ran­nei der über­gros­sen Aus­wahl“; 1969 lag die an­zahl der neu­erschei­nun­gen und neu­auf­la­gen bei 35.577, um 40 jah­re spä­ter, 2007 und 2011, auf re­kord­wer­te von über 96.000 zu stei­gen. kon­zen­tra­ti­ons­pro­zes­se, „eine Fo­kus­sie­rung des Ge­schäfts auf im­mer we­ni­ger und schnell­le­bi­ge­re Ti­tel“ (noch­mal deutsch­land­funk) und vie­le an­de­re fak­to­ren, sor­gen da­für, dass sich die buch­bran­che seit jahr­zehn­ten in un­ru­hi­gen ge­wäs­sern be­fin­det — aber für keen ist die ant­wort ganz ein­fach: ama­zon, in­ter­net — die sind schuld.

„Mir per­sön­lich ge­fällt das, was ich da sehe, nicht.“ an­drew keen über in­sta­gram, aber ei­gent­lich über das in­ter­net.

keen schreckt auch vor un­sin­ni­gen be­haup­tun­gen nicht zu­rück. ba­sie­rend auf sei­ner un­be­grün­de­ten, ein­fach in den raum ge­stell­ten the­se, dass „das pu­bli­kum“ schlech­ter in­for­miert denn je sei, ver­steigt er sich zu der ge­wag­ten the­se, dass frü­her™, als es noch me­di­en gab die „un­ein­ge­schränkt ver­trau­ens­wür­dig“ wa­ren, so­gar über krie­ge wahr­heits­ge­mäss, ob­jek­tiv und ohne jede pro­pa­gan­da be­rich­tet wur­de. das sei jetzt „an­ge­sichts der Macht und Po­pu­la­ri­tät der so­zia­len Me­di­en“ vor­bei. plötz­lich, we­gen des in­ter­nets, blei­be die wahr­heit bei der kriegs­be­richt­erstat­tung auf der stre­cke.

die­se ver­ein­fa­chun­gen, zu­spit­zun­gen, ein­sei­tig­kei­ten und blöd­sin­nig­kei­ten, die sich durch das gan­ze buch zie­hen, rau­ben keens ana­ly­se ei­ni­ges an glaub­wür­dig­keit und durch­schlag­kraft. das ist scha­de, denn vie­les an sei­ner ana­ly­se ist na­tür­lich rich­tig und dis­kus­si­ons­wür­dig.

die feh­len­de tie­fe der ana­ly­se und die teil­wei­se ge­ra­de­zu schlam­pi­ge an­ein­an­der­rei­hung von be­ge­ben­hei­ten, zi­ta­ten, be­schimp­fun­gen und stei­len the­sen ist die gröss­te ent­täu­chung an keens buch. viel­leicht hat sich keen aber auch ein­fach nicht ge­traut, das gros­se fass auf­zu­ma­chen, näm­lich statt in­ter­net­kri­tik ge­sell­schafts­kri­tik zu üben. so­gar sei­ne hin und wie­der durch­schei­nen­de ka­pi­ta­lis­mus­kri­tik re­la­ti­viert er mehr­fach, of­fen­bar um das fass ge­schlos­sen zu hal­ten. er kon­zen­triert sich lie­ber dar­auf, „jun­ge wei­ße“ in­ter­net­fuz­zis wie mark zu­cker­berg, tra­vis ka­l­a­nick, eric schmidt oder ste­ve jobs [sic!] (zu recht) an­zu­pran­gern — aber ver­zich­tet dar­auf, die sel­ben struk­tu­rel­len miss­stän­de im fi­nanz­sek­tor, jus­tiz­sys­tem oder glo­ba­len han­del auf­zu­zei­gen. flap­sig und ver­ein­fa­chend aus­ge­drückt, für an­drew keen ist das in­ter­net nicht scheis­se, weil die welt scheis­se ist, son­dern das in­ter­net ist für ihn scheis­se, weil das in­ter­net scheis­se ist und al­les zer­stört.

teil­wei­se sind keens aus­las­sun­gen auch frap­pie­rend. über mi­cro­soft oder den ehe­mals eli­tä­ren „jun­gen wei­ßen Mann“ bill gates ver­liert keen nicht ein ein­zi­ges ne­ga­ti­ves wort. wenn es um das böse geht, schreibt er im­mer von der drei­er­kom­bi­na­ti­on goog­le, ap­ple, face­book — manch­mal er­gänzt von uber, in­sta­gram und twit­ter. und wäh­rend er sei­ten­wei­se über jun­ge, weis­se, gross­kot­zi­ge män­ner wie zu­cker­berg, ke­vin systrom, lar­ry page, tra­vis ka­l­a­nick schimpft, die sich ihre je­weils un­ge­fähr 30 mil­li­ar­den dol­lar pri­vat­ver­mö­gen aus „un­se­rer Ar­beit, un­se­rer Pro­duk­ti­vi­tät“ zu­sam­men­ge­klaubt hät­ten, er­wähnt er men­schen wie craig new­mark gar nicht. der hat zwar auch, wie die vor­her ge­nann­ten, eine gan­ze bran­che zer­stört, aber sich dar­an nicht „gross­kot­zig“ be­rei­chert. das passt keen dann ein­fach nicht ins nar­ra­tiv von der „ei­nen eli­tä­re Grup­pe jun­ger wei­ßer Män­ner“ und so lässt er es ein­fach aus.

keen re­det auch un­ab­läs­sig vom nie­der­gang der kul­tur, vor al­lem we­gen des von ihm fest­ge­stell­ten ab­sur­den kult um ama­teu­re, der „Ty­ran­nei der über­gros­sen Aus­wahl“, der pi­ra­te­rie und kos­ten­lo­s­kul­tur, ver­gisst aber zu er­wäh­nen, dass der­zeit alle welt zeu­ge ei­ner re­nais­sance des qua­li­täts-fern­se­hens wird, die nicht un­we­sent­lich durch die ver­net­zung und das in­ter­net be­feu­ert wird. keen bie­tet aman­da pal­mer als zeu­gin ge­gen die schlech­te be­zah­lung von künst­lern durch spo­ti­fy auf, er­wähnt aber nicht, dass sie eine gros­se ver­fech­te­rin der „kos­ten­los-“ und „sha­ring-kul­tur“ ist, die keen so sehr ver­ach­tet und als eu­phe­mis­men für pi­ra­te­rie ver­steht.

aman­da pal­mer:

Free Di­gi­tal Con­tent (and Tits) for Ever­y­bo­dy.

an­drew keen:

»Kos­ten­lo­se« In­hal­te ha­ben in Wirk­lich­keit ei­nen un­be­zahl­ba­ren Preis. Und der Er­folg des In­ter­nets ist in Wirk­lich­keit eine rie­si­ge Plei­te. Eine Rie­sen-Scheiß-Plei­te.

noch­mal zum pro­mo-ma­te­ri­al des ver­lags. dort heisst es:

An­drew Keen lie­fert eine schar­fe, poin­tier­te Ana­ly­se un­se­rer ver­netz­ten Welt und zeigt, was sich än­dern muss, um ein end­gül­ti­ges Schei­tern des In­ter­nets zu ver­hin­dern.

tat­säch­lich ver­sucht keen nach 248 sei­ten die ant­wort (auf 22 ½ sei­ten) dar­auf zu ge­ben, wie man das schei­tern des in­ter­nets ver­hin­dern könn­te. auch das kann man flott zu­sam­men­fas­sen: re­gu­lie­rung, glo­ba­le steu­ern für olig­ar­chen und ei­nen neu­en ge­sell­schafts­ver­trag an den sich alle hal­ten:

Die Ant­wort ist, das In­ter­net mit Ge­set­zen und Ver­ord­nun­gen aus sei­ner Dau­er­pu­ber­tät zu ho­len.

»Was für eine Ge­sell­schaft schaf­fen wir hier ei­gent­lich?«, fragt Jeff Jar­vis. Die­se Fra­ge soll­te am An­fang je­des Ge­sprächs über das In­ter­net ste­hen.

das ist nicht falsch, aber auch irre un­kon­kret. im­mer­hin ha­ben wir das jahr 2015 und nicht nur das in­ter­net soll­te aus sei­ner „Dau­er­pu­ber­tät“, in der es sich zwei­fel­los be­fin­det, ge­holt wer­den, auch die in­ter­net­kri­tik soll­te mitt­ler­wei­le et­was wei­ter sein, als le­dig­lich „re­gu­lie­rung“ zu ru­fen oder auf re­gie­run­gen zu hof­fen, die „Goog­le die Stirn bie­ten“. die­se for­de­run­gen er­hob an­drew keen schon, als ich ihn 2009 erst­mals sah. dass es auch kon­kre­ter und klü­ger geht, zeigt üb­ri­gens ein an­de­res jüngst er­schie­nes buch: mi­cha­el see­manns „das neue spiel“. sei­ne ana­ly­se ist der von keen sehr ähn­lich (al­ler­dings im ge­gen­teil zu keen, ohne häme, ge­spött und ad-ho­mi­nem-an­grif­fe auf­ge­schrie­ben), aber sei­ne „10 re­geln für das neue spiel“ sind kon­kre­ter, klü­ger und dif­fe­ren­zier­ter als keens gan­zes buch. aber das, und stra­te­gien für den um­gang mit dem in­ter­net, sind das the­ma ei­nes ei­ge­nen texts, der wahr­schein­lich an­fang fe­bru­ar im in­ter­net er­scheint.


nach­dem ich das buch ge­le­sen habe, fiel mir ein bes­se­rer, pas­sen­de­rer um­schlag­text für an­drew keens buch ein als das ori­gi­nal:

Das In­ter­net hat ver­sagt. Trotz sei­ner of­fe­nen, de­zen­tra­len Struk­tur hat es uns nicht mehr Chan­cen­gleich­heit und Viel­falt ge­bracht, im Ge­gen­teil: Es ver­grö­ßert die wirt­schaft­li­che und kul­tu­rel­le Un­gleich­heit. Der Gra­ben zwi­schen zwi­schen ei­ner Hand­voll jun­ger wei­ßer Män­ner, die an Reich­tum und Ein­fluss ge­win­nen, und dem Rest der Ge­sell­schaft wird im­mer grö­ßer. Bis­sig und poin­tiert rech­net Si­li­con-Val­ley-In­si­der An­drew keen mit un­se­rer ver­netz­ten Ge­sell­schaft ab und for­dert uns auf, staat­li­cher Un­tä­tig­keit und In­ter­net­mo­no­po­lis­ten wie Goog­le und Ama­zon den Kampf an­zu­sa­gen.

das ist mein vor­schlag:

Das In­ter­net ist nicht ge­schei­tert, wir ha­ben nur noch nicht die rich­ti­gen Stra­te­gien ent­wi­ckelt da­mit um­zu­ge­hen. An­drew Keen hat­te sich fest vor­ge­nom­men sich ein paar Stra­te­gien aus­zu­den­ken, es aber in der kür­ze der Zeit bis zur Druck­le­gung nicht ge­schafft sie aus­zu­for­mu­lie­ren. Da­für hat er bis­sig und poin­tiert auf­ge­schrie­ben, wie das In­ter­net ent­stan­den ist und was er über das In­ter­net denkt.


an­de­re über das buch:

youtube-video laden, info, direktlink

ich habe das buch vom ver­lag als re­zen­si­ons­exem­plar (als ge­bun­de­ne aus­ga­be) zur ver­fü­gung ge­stellt be­kom­men.


Aus­zeit? Nö.

felix schwenzel in artikel

Als Mo­bil­te­le­fo­ne noch schwer und klo­big wa­ren und Un­men­gen von Geld ge­kos­tet ha­ben, habe ich vie­le Leu­te sa­gen hö­ren, dass der Be­sitz so ei­nes mo­bi­len Te­le­fons gräss­lich sein müs­se: „da ist man ja im­mer er­reich­bar.“ Die Pra­xis im lau­fe der letz­ten 30 Jah­re hat aber ge­zeigt, dass kaum je­mand hört wenn sein Han­dy klin­gelt und die Leu­te ge­nau­so gut oder schlecht zu er­rei­chen sind, wie zu Zei­ten der Deut­schen Bun­des­post.

Die Zu­kunft hat ge­gen­über Zu­kunfts­pes­si­mis­ten ei­nen ent­schei­den­den Vor­teil: sie ist nicht vor­her­seh­bar. Sie nimmt oft Wen­dun­gen, die nie­mand vor­her­ge­se­hen hat. Funk­lö­cher, lee­re Ak­kus, Whats­App-Ser­ver­aus­fäl­le sind In­no­va­tio­nen des 21. Jahr­hun­derts, die man in den acht­zi­ger Jah­ren un­mög­lich er­ah­nen konn­te.

Die Be­fürch­tun­gen von Fort­schritts­skep­ti­kern sind über die Jahr­hun­der­te hin­weg bei­na­he im­mer gleich­lau­tend: das Neue, fürch­ten sie, sei schlecht für das freie oder krea­ti­ve Den­ken, len­ke ab, schä­di­ge ir­gend­wie die Ge­sund­heit oder das Wohl­be­fin­den und man müs­se sich und an­de­re da­vor schüt­zen. Ja­ron La­nierr Karl G. Bau­er stell­te 1787 fest, dass die „er­zwun­ge­ne Lage und der Man­gel al­ler kör­per­li­chen Be­we­gung beim Le­sen, in Ver­bin­dung mit der so ge­walt­sa­men Ab­wechs­lung von Vor­stel­lun­gen und Emp­fin­dun­gen […] Schlaff­heit, Ver­schlei­mung, Blä­hun­gen und Ver­stop­fung in den Ein­ge­wei­den, […] Siech­heit und Weich­lich­keit im gan­zen Kör­per“ er­zeu­ge.

Mal war es das Le­sen, mal der Man­gel an Fröm­mig­keit, der Rock’n’Roll, das Fern­se­hen oder die Mo­bil­te­le­fo­ne, die den Men­schen scha­de­ten und Un­heil brach­ten, heu­te ist es das Netz, die E-Mail, das Smart­phone oder das Chat­ten, die die Pro­duk­ti­vi­tät oder gar das Aus­kos­ten des „wah­ren Le­bens“ hem­men. Das Netz zum Ver­gnü­gen zu be­nut­zen oder zum ziel­lo­sen Brow­sen scheint als ein Hoch­ver­rat am Ge­bot zur Pro­duk­ti­vi­tät und Dis­zi­plin an­ge­se­hen zu wer­den.

Wo­bei die An­nah­me, dass Din­ge, die Men­schen mit Ver­gnü­gen tun, nutz­los oder gar schäd­lich sein müss­ten, wahr­schein­lich min­des­tens so alt wie die Mensch­heit ist.

Frü­her war es der Kle­rus, der sich Vor­schrif­ten er­sann, wie man ein from­mes und Gott­ge­fäl­li­ges Le­ben zu füh­ren habe. Heu­te sind es Herr­scha­ren von Be­ra­tern, Trai­nern oder Selbst­op­ti­mie­rungs­gu­rus die sich Tipps und An­lei­tun­gen aus­den­ken, wie man ein ge­sun­des, glück­li­ches und pro­duk­ti­ves Le­ben füh­ren kann. Ge­bo­te und Dog­men wur­den ab­ge­schwächt zu Tipps oder Op­ti­mie­rungs­an­lei­tun­gen, aber die Ziel­rich­tung ist im­mer noch die Glei­che: das Ge­wis­sen. Auf das Ge­wis­sen wird aus al­len Roh­ren ge­feu­ert, in der Hoff­nung dar­über kon­for­mes Ver­hal­ten zu for­men. Men­schen die pro­duk­ti­ver, leis­tungs­fä­hi­ger und ge­sün­der sind. Men­schen, die sich an vor­ge­ge­be­ne Re­geln hal­ten.

Was wir statt­des­sen för­dern soll­ten, sei es in der Schu­le, der Aus­bil­dung, im Be­ruf, ist ech­tes Selbst­be­wusst­sein. Selbst­be­wusst­sein im Sin­ne von rea­lis­ti­scher Ei­gen­wahr­neh­mung, In­tui­ti­on und der Fä­hig­keit die Si­gna­le des ei­ge­nen Kör­pers und Geis­tes rich­tig zu deu­ten. Men­schen, die ihre Acht­sam­keit und ihre Selbst­wahr­neh­mung trai­nie­ren, ach­ten meis­tens ganz gut auf Ihre Ge­sund­heit und be­mer­ken auch ohne Re­gel­kor­sett, wenn sie sich ver­aus­ga­ben oder in all­zu viel Ab­len­kung ver­lie­ren¹. Wer sich selbst und sei­nen ver­meint­lich ver­steck­ten Si­gna­len zu­hört, muss kei­ne Aus­zeit vom Netz neh­men, um zu sich selbst zu fin­den oder zum ge­fühl­ten Pro­duk­ti­vi­täts­ni­veu­au der Acht­zi­ger Jah­re zu­rück zu keh­ren.

Zu­mal Fla­nie­ren, schein­bar ziel­lo­ses Um­her­strei­fen oder Rum­dad­deln im Netz, den glei­chen Sinn hat, wie kind­li­ches Spie­len; wäh­rend wir uns spie­le­risch in ihr be­we­gen, ler­nen wir die (di­gi­ta­le) Welt zu be­grei­fen, zu ver­ste­hen und schliess­lich auch zu for­men. Ohne eine ge­wis­se Miss­ach­tung von Re­geln, ent­ste­hen kei­ne neu­en Din­ge, gibt es kei­ne Krea­ti­vi­tät. In­no­va­ti­on ent­steht nicht, in­dem man mal eine Aus­zeit nimmt, son­dern in­dem man das Selbst­be­wusst­sein der Men­schen för­dert und sie er­mun­tert auf ihre In­tui­ti­on zu hö­ren — statt auf Bes­ser­wis­ser, die Ent­halt­sam­keit pre­di­gen.

Die Furcht vor Tech­no­lo­gie, bzw. Fort­schritt­ängs­te sind eng ver­knüpft mit der Furcht vor selbst­be­stimm­ten, eman­zi­pier­ten Men­schen. Das passt auch gut zu­sam­men, weil bei­des ei­gent­lich Furcht vor dem Un­be­kann­ten und Un­be­re­chen­ba­ren ist. So­wohl Men­schen, die tun was sie für rich­tig hal­ten, als auch Tech­no­lo­gie, die sich im­mer wei­ter ent­wi­ckelt, wer­den nicht ein­fach ver­schwin­den. Dar­auf soll­ten wir uns ein­stel­len.


1) Sie­he auch Pa­trick Brei­ten­bach: „[Es] scheint sich ein ganz wich­ti­ges neu­es Bil­dungs- und Kom­pe­tenz­ziel zu kris­tal­li­sie­ren: Wir be­nö­ti­gen in Zu­kunft Men­schen mit ei­ner ge­üb­ten und ent­wi­ckel­ten Selbst­wahr­neh­mung und Selbst­ach­tung.“


an­mer­kung: das ist der text mei­ner ers­ten ko­lum­ne im (ge­druck­ten) t3n-ma­ga­zin. die ko­lum­ne ist im ak­tu­el­len heft num­mer 38. in ein paar wo­chen kommt die neue aus­ga­be, mit ei­ner neu­en ko­lum­ne von mir. die taucht dann in ca. drei mo­na­ten hier auf.

weil ich für die ko­lum­ne be­zahlt wer­de, ent­hält es auch gross und klein­schrei­bung. zwei links habe ich hin­zu­ge­fügt. ei­ni­ges an in­spi­ra­ti­on stammt (of­fen­sicht­lich) aus kat­rin pas­sigs stan­dard­si­tu­al­tio­nen der tech­no­lo­gie­kri­tik und tech­no­lo­gie­be­geis­te­rung.


9.1.2015

felix schwenzel

  tech­nik­ta­ge­buch.tumb­lr.com: 9.1.2015   #

ich habe heu­te mit dem han­dy bei star­bucks ei­nen mit­tel­gros­sen café-lat­te be­zahlt. seit dem 20.12.2014 geht das theo­re­tisch auch in deutsch­land. das wuss­te ich aber nicht heu­te noch nicht. ich hat­te mir vor ein paar wo­chen, nach dem le­sen die­ses ar­ti­kels die ame­ri­ka­ni­sche star­bucks-app ge­la­den, dort mein deut­sches star­bucks-kon­to an­ge­ge­ben in dem mei­ne deut­sche gut­ha­ben­kar­te re­gis­triert ist und ei­nen screen­shot des be­zah­len­bild­schirms an­ge­fer­tigt. die­sen screen­shot, der ei­gent­lich nichts an­de­res als ei­nen bar­code und die kar­ten­num­mer an­zeigt, zeig­te ich heu­te bei star­bucks vor.

zum be­zah­len hielt ich den bar­code ein­fach vor ein le­se­ge­rät. eine si­cher­heits­ab­fra­ge gab es nicht. wenn der screen­shot — oder mei­ne star­bucks-gut­ha­ben­kar­te — in frem­de hän­de fällt, kann der fin­der da­mit so­lan­ge bei star­bucks be­zah­len wie gut­ha­ben auf der kar­te ist. (in ham­burg, im haupt­bahn­hof kann man mit der star­bucks­kar­te oder dem bar­code nicht be­zah­len, weil der star­bucks dort nicht von star­bucks ist, son­dern von ei­nem fran­chise­neh­mer, der sich of­fen­bar wei­gert die stan­dard-kas­sen­tech­nik von star­bucks zu in­stal­lie­ren.)

mit der star­bucks-app selbst (statt ei­nem screen­shot) zu zah­len ist mir bis­lang nicht ge­lun­gen. die ame­ri­ka­ni­sche app will sich mei­ne kon­to­da­ten nicht mer­ken und im star­bucks vor dem be­zah­len mei­nen be­nut­zer­na­men und mein pass­wort in die app ein­zu­ge­ben, fin­de ich eher kon­tra­pro­duk­tiv. die deut­sche star­bucks-app stürzt zu­ver­läs­sig ab. nach dem ers­ten ab­sturz liess sie sich nicht mehr öff­nen. das ist zum be­zah­len auch nicht be­son­ders be­quem.

weil we­der das app-star­ten, noch das screen­shot-in-der-foto-app raus­su­chen be­son­ders be­quem ist, hat star­bucks in ame­ri­ka auf dem ipho­ne auch eine pass­book an­bin­dung. da­mit taucht die be­zahl­kar­te, bzw. der bar­code au­to­ma­tisch (per geo­fen­cing) im sperr­bild­schirm des ipho­ne auf, wenn ich mich in ei­nem von 10 von mir aus­ge­wähl­ten star­bucks be­fin­de. das funk­tio­nier­te bei mir aber auch nicht, die pass­book-ein­rich­tung aus der app her­aus führ­te je­des Mal zum ab­sturz der ame­ri­ka­ni­schen star­bucks-app. die deut­sche star­bucks-app um­geht die­sen feh­ler, in­dem sie eine pass­book-an­bin­dung gar nicht erst an­bie­tet.

al­les was die deut­sche star­bucks-app kann, ist den be­zahl-bar­code und mei­nen bo­nus-sta­tus zu zei­gen, star­bucks-nie­der­las­sun­gen in der nähe zu fin­den und die be­zahl­kar­te wie­der auf­zu­la­den (wenn ich auf star­bucks.de mei­ne kre­dit­kar­ten­in­for­ma­tio­nen an­ge­ge­ben habe).

für mei­nen nächs­ten star­bucks­be­such in wahr­schein­lich drei bis vier mo­na­ten (ich lege je­den mo­nat ei­nen euro zu­rück), habe ich mir jetzt selbst ei­nen pass­book­ein­trag ge­baut. das habe ich bei pass­sour­ce.com ge­macht: dort gab ich mei­ne star­bucks­kar­ten­num­mer an, pass­sour­ce.com ge­ne­rier­te dar­aus ei­nen bar­code, den ich dann auf die pass­book-app mei­nes ipho­ne la­den konn­te. auf der rück­sei­te der von pass­sour­ce.com ge­bau­ten pass­book­kar­te konn­te ich auch mei­ne po­si­ti­on ak­tua­li­sie­ren, was zur fol­ge hat, dass dort jetzt 10 ber­li­ner star­bucks in die geo­fence-da­ten­bank mei­ner star­bucks-pass­book­kar­te ein­ge­tra­gen wur­den. gehe ich zu ei­nem die­ser star­bucks, soll dann der bar­code im sperr­bild­schirm auf­tau­chen.


ge­hei­me­so­te­rik

felix schwenzel

  tech­dirt.com: UK In­tel­li­gence Boss: We Had All This Info And To­tal­ly Fai­led To Pre­vent Char­lie Heb­do At­tack... So Give Us More Info   #

so funk­tio­niert eso­te­rik auch. wenn das hand­auf­le­gen ge­gen den krebs nicht half, dann lag es dar­an, dass der pa­ti­ent nicht aus­rei­chend an die hei­len­den kräf­te des hand­auf­le­gens ge­glaubt hat. wenn es an­geb­lich funk­tio­niert, er­fahrt man nie­mals de­tails um die be­haup­tun­gen zu ve­ri­fi­zie­ren. und wenn dann mal eine che­mo­the­ra­pie funk­tio­niert hat, wird be­haup­tet, dass die che­mo­the­ra­pie si­cher­lich von hand­auf­le­gen be­glei­tet wur­de.

eso­te­rik funk­tio­niert nur mit mas­si­ver ge­heim­nis­tue­rei, kon­se­quen­tem lü­gen, auf­ge­peitsch­ten emo­tio­nen und dem we­cken von (un­rea­lis­ti­schen) hoff­nun­gen und heils­ver­spre­chen. ganz wich­tig sind auch schuld­zu­wei­sun­gen: nicht die fal­schen me­tho­den oder der aus­ge­dach­te ho­kus­po­kus ist schuld, wenn pa­ti­en­ten ster­ben, son­dern die un­gläu­bi­gen, die schlech­te en­er­gie und skep­sis ver­brei­ten und die eso­te­ri­ker bei der ar­beit be­hin­dern.