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„exakt falsch herum gedacht“

felix schwenzel

  hackr.de: How to be kin­der, plea­se?   #

mar­kus spath no­tiert zu mei­nen an­mer­kun­gen zu ei­ner idee von neil gai­man, bzw. zu han­lon's ra­zor fol­gen­des:

(wirres mit exakt falsch herum gedachten tipps zum freundlicherwerden; gerade die unterstellung von dummheit, wo man auch bösartigkeit unterstellen könnte, ist misanthrop, weil gerade sie den menschen nicht ernst nimmt, weil man die dummheit eben nicht mal schnell ändern kann, usw.)

kann dumm­heit nur erb­lich oder so­ma­tisch be­dingt vor­kom­men wie mar­kus spath hier be­haup­tet?
oder kann dumm­heit, wie bös­ar­tig­keit, zum bei­spiel auch durch be­son­de­re um­stän­de, re­ak­tio­nen oder miss­ver­ständ­nis­se aus­ge­löst wer­den?

dumm­heit und bös­ar­tig­keit (und fast alle an­de­ren ver­hal­tens­wei­sen) sind mei­ner mei­nung nach in den sel­tens­ten fäl­len de­ter­mi­niert, wes­halb es lo­gi­scher­wei­se dumm ein fehl­schluss ist, die kul­ti­vie­rung von zwei­feln an der ei­ge­nen wahr­neh­mung als mis­an­throp zu be­zeich­nen — auch wenn man sich das ver­hal­ten an­de­rer mit „irr­tü­mern, kurz­sich­tig­keit, nach­läs­sig­keit oder dumm­heit“ er­klärt.

ab­ge­se­hen da­von gibt es na­tür­lich va­ria­tio­nen von han­lon's ra­zor („Gehe nie­mals von Bös­wil­lig­keit aus, wenn Dumm­heit aus­rei­chend ist.“), die zei­gen, dass es eben ge­ra­de nicht um per­sön­lich­keits­merk­ma­le geht, son­dern pro­zes­se:

Versuche nie durch Konspiration zu erklären, was auf Chaos oder Inkompetenz zurückgeführt werden muss.

dumm­heit ist nicht nur et­was mit dem man den IQ ei­nes men­schen be­schreibt, son­dern et­was mit dem man han­deln von men­schen, aber auch in­sti­tu­tio­nen be­wer­tet. so kann es ge­ra­de in der po­li­tik zu gros­sen dumm­hei­ten, zu fehl­ent­schei­dun­gen kom­men, ohne dass eine „böse“ in­ten­ti­on vor­han­den sein muss. noch­mal an­ders aus­drü­cken lässt sich das pro­blem mit die­sem al­ten spruch: „das ge­gen­teil von gut ist oft gut ge­meint.“


syndikation

felix schwenzel

als mei­ne mut­ter vor un­ge­fähr 35 jah­ren mit mir im zir­kus war, er­klär­te sie mir:

das brot der künstler ist der applaus.

nicht alle kön­nen vom ap­plaus al­lein le­ben und selbst zir­kus-ar­tis­ten be­kom­men eine gage zu­sa­ätz­lich zum ap­plaus. aber zwi­schen dem ap­plaus und der höhe der gage be­steht wahr­schein­lich ein di­rek­ter zu­sam­men­hang. aber das mit dem geld­ver­die­nen möch­te ich an die­ser stel­le kurz aus­klam­mern, weil es al­les noch kom­pli­zier­ter macht als es eh schon ist.

vor ei­ner wei­le griff john­ny haeus­ler in der deut­schen wired eine dis­kus­si­on auf, die man even­tu­ell mit die­sem satz zu­sam­men­fas­sen kann:

verlage und autoren sollten dort hingehen, wo ihr publikum ist.

john­ny über­spitz­te die­sen ge­dan­ken et­was, in­dem er ver­la­gen riet, ihre web­sei­ten zu schlies­sen. das dif­fe­ren­zier­te er spä­ter noch ein biss­chen nach, aber ich wi­der­sprach ihm bei­de male (eins, zwei).

grund­sätz­lich hat john­ny aber (na­tür­lich) recht. will ich mein pu­bli­kum gut er­rei­chen, muss ich nicht nur gut er­reich­bar sein, son­dern vor al­lem dort ver­öf­fent­li­chen wo das pu­bli­kum ist. aus ei­ge­ner er­fah­rung weiss ich, dass mir selbst oft schon ein klick mehr als nö­tig zu viel ist, um ei­nen text zu le­sen. ich lebe lese in mei­nem feed­rea­der. ge­kürz­te RSS-feeds ner­ven mich so sehr, dass ich dar­über sei­ten­lan­ge kla­gen ver­fas­sen kann — we­gen ei­nes klicks. weil die­se klicks oft (nicht im­mer) in funk­lö­chern in der bahn statt­fin­den, habe ich an die­ser stel­le ein ge­wis­ses ver­ständ­nis für mich und mei­ne ar­gu­men­te.

wenn ich et­was in mein blog schrei­be (oder jour­na­lis­ten in ihre zei­tung), tease­re ich es nach der ver­öf­fent­li­chung auf twit­ter, face­book (oder was sonst ge­ra­de gut funk­tio­niert) an und ver­lin­ke es dort. auf face­book zwin­ge ich mei­ne le­ser da­mit qua­si zu ei­nem klick auf mein blog. dort sehe ich dann in mei­ner be­su­cher­sta­tis­tik ei­nen be­such und hof­fe vie­le wei­te­re, auf li­kes, kom­men­ta­re und links auf mei­nen ar­ti­kel. im op­ti­mal­fall mul­ti­pli­zie­ren sich die links, li­kes, shares zu ei­nem klei­nen vi­ra­len wind­hauch, der le­ser zu mir rü­ber­weht.

die idee dort zu sein, wo die le­ser sind, ist aber ein biss­chen an­ders ge­meint. sie be­deu­tet, dass ich den ge­sam­ten text (zum bei­spiel) auf face­book — oder eben der platt­form wo mei­ne ziel­grup­pe sizt — ver­öf­fent­li­che und sich der le­ser den klick auf mei­ne sei­te spart und da­mit auch zu­sätz­li­che la­de­zei­ten oder die aus­ein­an­der­set­zung mit ge­wöh­nungs­be­dürf­ti­gem lay­out. oder (noch bes­ser), dass ich mei­nen text für die platt­form wo ich mei­ne le­ser ver­mu­te op­ti­mie­re und nicht nur au­to­ma­tisch vor­han­de­nes ma­te­ri­al rü­ber­spü­le.

auf face­book funk­tio­niert das of­fen­bar ganz gut. pe­ter breu­er ver­öf­fent­licht dort bei­spiels­wei­se oft sehr lan­ge tex­te, weil auf face­book (ver­mu­te ich mal) das feed­back sehr viel­fäl­ti­ger und grös­ser ist als auf sei­nem blog. das ist ei­ner­seits ver­ständ­lich, aber an­de­rer­seits auch scha­de. die tex­te sind nach ein paar ta­gen nicht mehr so gut zu fin­den und aus­ser­halb von face­book so gut wie nicht exis­tent. da­für er­rei­chen sie ein ziem­lich gros­ses pu­bli­kum, kön­nen mü­he­los ge­mocht, ge­teilt und wei­ter­emp­foh­len wer­den.

po­si­tiv aus­ge­drückt kann man sich so auf face­book eine enorm gros­se zahl le­ser und fans er­ar­bei­ten. die­se le­ser in­ter­agie­ren mit den in­hal­ten sehr gross­zü­gig, sie tei­len, li­ken und kom­men­tie­ren dort in sehr viel grös­se­rer zahl als sie es in ei­nem blog tun wür­den. die er­klä­rung da­für liegt auf der hand: auf face­book muss ich mich für ei­nen kom­men­tar nicht erst an­mel­den, ich kann ein­fach los­schrei­ben, li­ken oder sha­ren. ich weiss als kom­men­tie­ren­der, dass ich mei­ne kom­men­ta­re auf face­book edi­tie­ren oder lö­schen kann. die in­ter­ak­ti­on mit in­hal­ten auf face­book ist sehr viel ein­fa­cher als auf je­dem x-be­lie­bi­gen blog. das gilt na­tür­lich auch für vie­le an­de­re so­zia­le netz­wer­ke.

we­ni­ger po­si­tiv ist, dass man die in­hal­te aus der hand gibt und auf platt­for­men stellt über die man als au­tor oder fo­to­graf we­nig kon­trol­le hat. man be­kommt (re­la­tiv) we­nig le­ser le­ser rü­ber­ge­spült und die in­ter­ak­tio­nen (li­kes, favs, kom­me­n­at­re) blei­ben auch in den si­los der gros­sen netz­wer­ke.


wer wie ich jah­re­lang da­für ar­gu­men­tier­te RSS-feeds nicht zu kür­zen und dem le­ser die wahl zu las­sen wo und wie er tex­te oder ein­trä­ge kon­su­miert, an­zeigt oder liest, müss­te die­ser lo­gik auch in sa­chen con­tent-ag­gre­ga­ti­on in so­zia­le netz­wer­ke fol­gen. fol­ge­rich­tig wäre es nach die­ser lo­gik auf face­book nicht nur kurz-teaser mit link zur quel­le zu ver­öf­fent­li­chen, son­dern eben den kom­plet­ten in­halt. so wie man das auch mit RSS macht.

ich habe die­ser lo­gik lan­ge zeit nicht fol­gen wol­len und ging da­von aus, dass es gut und rich­tig sei, leu­te aus so­zia­len netz­wer­ken auf die ei­ge­ne sei­te zu lo­cken. seit ein paar ta­gen ver­su­che ich mit dem ge­gen­teil zu ex­pe­ri­men­tie­ren:

  • zuerst veröffentliche ich auf wirres.net
  • dann syndiziere ich den inhalt halbautomatisch oder manuell zu twitter oder facebook (andere netzwerke sind auch möglich und vorstellbar)
  • die inhalte dort haben einen zurücklink auf wirres.net, der originalinhalt bekommt einen mit rel="syndication" markierten link
  • und in einer idealen welt würden facebook und twitter mir für diesen zurücklink und alle folgenden interaktionen (likes, shares/retweets, kommentare) einen ping oder webmention schicken, so dass ich diese interaktionen unter dem originalinhalt sammeln und anzeigen könnte. tun sie aber nicht, also muss ich einen proxy, einen stellvertreter nutzen. in diesem fall heisst der brid.gy und stellt (fast) alle interaktionen unter syndizierten inhalten von mir zu wirres.net, bzw. meinen webmention-empfänger durch.

kon­kret sieht das dann so aus: zum bei­spiel habe ich die­ses bild ei­nes koch­topfs auf wir­res.net ver­öf­fent­licht und dann auf twit­ter, face­book und in­sta­gram syn­di­ziert. die re­ak­tio­nen hat mir brid.gy zu­rück­ge­spielt, so dass ich sie un­ter dem ori­gi­nal­in­halt an­zei­gen kann.

die­se ko­lum­ne habe ich im voll­text auf face­book ko­piert. auf twit­ter konn­te ich sie we­gen des 140-zei­chen li­mits na­tür­lich nur an­teasern. aber so­wohl die twit­ter-re­p­lys, als auch die face­book kom­men­ta­re kön­nen dank brid.gy un­ter dem ori­gi­nal an­ge­zeigt wer­den.


das sys­tem, das auf web­men­ti­ons und an­de­ren in­die­web-tech­nol­gi­en ba­siert, ist al­les an­de­re als per­fekt. es löst aber an­satz­wei­se das zir­kus­pro­blem: der ap­plaus oder die buh­ru­fe für mei­ne in­hal­te kom­men zu mir zu­rück, bzw. las­sen sich ein­fan­gen. da­mit lässt sich zwar (auch) kein geld ver­die­nen, aber die reich­wei­te dürf­te sich so um ei­ni­ges ver­bes­sern las­sen, so wie das auch mit RSS funk­tio­niert: die an­zahl der le­ser die mei­ne in­hal­te per RSS le­sen ist mei­ner schät­zung und mes­sung nach pro tag an dem ich ver­öf­fent­li­che etwa dop­pelt so hoch wie die zahl der le­ser die wir­res.net be­su­chen. die po­ten­zi­el­le reich­wei­te von un­ge­kürzt ver­öf­fent­lich­ten in­hal­ten in so­zia­len netz­wer­ken dürf­te noch­mal hö­her sein (auch wenn man sie nicht in je­dem fall mes­sen kann).


lan­ge rede kur­zer sinn: wenn man dem in­ne­ren zwang wi­der­steht, le­ser um je­den preis auf die ei­ge­ne web­site zu lo­cken, kann man da­mit le­ser sehr gut er­rei­chen und ih­nen ent­ge­gen kom­men — ohne ganz die kon­trol­le über die in­hal­te zu ver­lie­ren (aber ein biss­chen schon).

die in­die­web-tech­no­lo­gien wie web­men­ti­ons, back­feeds oder POS­SE sind gross­ar­ti­ge an­sät­ze, die ei­nem hel­fen kön­nen ein biss­chen kon­trol­le über ei­ge­ne in­hal­te zu ge­win­nen, aber auch kon­trol­liert ab­zu­ge­ben. es gibt auch span­nen­de an­sät­ze wie man mit in­die­web­tech­no­lo­gien de­zen­tral kom­mu­ni­zie­ren kann oder sich web­sei­ten un­ter­ein­an­der de­zen­tral ver­net­zen las­sen kön­nen. lei­der ha­ben die­se tech­no­lo­gien noch sehr vie­le kin­der­krank­hei­ten und bie­ten sehr hohe tech­ni­sche und kon­zep­tio­nel­le zu­gangs­hür­den. aber ich fin­de das furch­bar span­nend und freue mich hier auf vie­le web­men­ti­ons und dis­kus­sio­nen, wenn nicht hier, dann wo­an­ders oder im juni ne­ben­an.


neun gründe warum wir listen mögen (mit bonusgrund)

felix schwenzel

  bbc.com: Nine psy­cho­lo­gi­cal re­asons why we love lists   #

wun­der­bar iro­nisch, eine lis­te der BBC war­um wir lis­ten gut fin­den. ich habe das mal zu­sam­men­ge­fasst und ein­ge­deutscht, lohnt sich trotz­dem das ori­gi­nal zu le­sen.

  1. vorhersehbarkeit: wir wissen was uns erwartet
  2. unwiderstehlichkeit: wenn es schon diese liste gibt, dann will ich die auch nicht verpassen
  3. verdaulichkeit: das lesen von listen strengt nicht besonders an
  4. effizienz: wir erwarten und wissen, dass listen schnell zu konsumieren sind und können meist direkt nutzen daraus ziehen
  5. erfassbarkeit: listen lassen sich mit wenigen blicken erfassen
  6. orientierung: wir wissen wo wir stehen (wenn wir listen lesen)
  7. spieltrieb: listen machen (manchmal) lust zum mitdenken: was könnte der nächste punkt der liste sein?
  8. selektive wahrnehmung: wir mögen es recht zu haben und listen erleichtern uns das überlesen von dingen die uns nicht interessieren
  9. endgültigkeit: listen wirken definitiv
  10. schreibfreundlichkeit: journalisten lieben es listen zu schreiben: statt einen artikel sorgfältig zu strukturieren, die absätze aufeinander zu beziehen und an übergängen zu feilen, geben listen bereits die grundstruktur vor. und über den schlusssatz muss man auch nicht nachdenken, listen hören irgendwann einfach auf.

familiensendung

felix schwenzel

  das­nuf.de: Die Sen­dung aka ey guck doch ma in die Ka­me­ra   #

das­nuf und cas­par cle­mens mier­au ha­ben bei der sen­der eine (live) test­sen­dung ge­macht (die noch nicht als auf­zeich­nung ver­füg­bar ist). hier schreibt das­nuf über die sen­dung, hier der mann von frau mier­au.

ar­beits­ti­tel der sen­dung ist das fa­mi­li­en­ma­ga­zin. da­mit ist die sen­dung zwar noch na­mens­los, aber ei­gent­lich fin­de ich den ti­tel schon nicht schlecht. die fa­mi­li­en­sen­dung wäre noch ei­nen ta­cken dop­pel­deu­ti­ger und zum sen­der­na­men pas­send.

das the­ma fa­mi­lie (und kin­der) ist zwar nicht so mein (blog) the­ma und blogs die das zum the­ma ha­ben, wer­den oft als mut­ti­blogs ab­ge­tan. war­um das the­ma aber durch­aus in­ter­es­sant sein kann, zeigt das­nuf, fin­de ich, im­mer wie­der sehr be­ein­dru­ckend in ih­rem blog. zum bei­spiel mit ih­rem letz­ten blog­ein­trag …

  das­nuf.de: Die täg­li­che Übung   #

… wo das nuf über un­se­re im­per­fek­ten kör­per und de­ren wahr­neh­mung schreibt:

Kind 2.0 ist offenbar in die Phase gewachsen, in der Körper keine Werkzeuge mehr sind, sondern irgendwie bewertet werden müssen.
Ich finde das erschütternd.
Mein Kind ist die Sportskanone der Familie. Total drahtig und besteht quasi nur aus Muskeln. Isst wie ein Vögelchen und klettert den ganzen Tag auf Bäume und plötzlich fragt es mich beim Abendessen: „Findest du mich dick?“


Das Gärtner-Prinzip

felix schwenzel in artikel

Der Jon­gleur Alex Bar­ron hat es 2012 ge­schafft 11 Bäl­le für eine Wei­le in der Luft zu hal­ten und 23 mal hin­ter­ein­an­der auf­zu­fan­gen. 2013 schaff­te er mit ei­nem Ball we­ni­ger, die Bäl­le 30 mal hin­ter­ein­an­der auf­zu­fan­gen. Mög­li­cher­wei­se wird die­ser Re­kord in den nächs­ten Jah­ren noch um ei­nen Ball ver­bes­sert, aber Alex Ba­ron’s Re­kord scheint die Ka­pa­zi­täts­gren­ze bei der Ball­jon­gla­ge ganz gut zu mar­kie­ren: Men­schen kön­nen ma­xi­mal 10 bis 11 Bäl­le jon­glie­ren.

Wir ken­nen auch die Ka­pa­zi­täts­gren­ze beim Ma­nage­ment von Groß­pro­jek­ten ganz gut. Sie wur­de in den letz­ten Jah­ren sicht­bar, als (wie­der mal) di­ver­se Groß­pro­jek­te schei­ter­ten oder zu schei­tern droh­ten.

Schon das ers­te Groß­pro­jekt, das ich in mei­ner Ju­gend ver­folg­te, der Kli­ni­kums­neu­bau in Aa­chen, kos­te­te statt der ur­sprüng­lich ge­plan­ten 550 Mio. Mark am Ende min­des­tens 1,5 Mrd. Mark. Auch der Ter­min für die Fer­tig­stel­lung wur­de stück­wei­se von 1976 auf 1979, dann auf 1982 und dann schließ­lich auf 1985 ver­scho­ben. Die Kos­ten des Ber­li­ner Kon­gress­zen­trums stie­gen in den sieb­zi­ger Jah­ren um das sie­ben­fa­che (von ur­sprüng­lich rund 120 Mio. Mark auf un­ge­fähr 800 Mio. Mark). Da­mit ist der neue Ber­li­ner Groß­flug­ha­fen Schö­ne­feld noch im klas­si­schen Ber­li­ner Kos­ten­stei­ge­rungs­rah­men: Ak­tu­el­le Pla­nun­gen ge­hen vom acht­fa­chen der ur­sprüng­lich ge­plan­ten Bau­sum­me aus.

War­um ver­lau­fen Groß­pro­jek­te im­mer wie­der in den glei­chen Bah­nen?

Ei­gen­ar­ti­ger­wei­se er­klä­ren wir das Schei­tern von Groß­pro­jek­ten oft mit Füh­rungs­schwä­che („Der Wo­we­reit war’s!“) oder Pla­nungs­feh­lern. In die­ser Er­klä­rung steckt die Über­zeu­gung, dass Pro­jek­te be­lie­bi­ger Kom­ple­xi­tät mit den rich­ti­gen Pla­nungs­werk­zeu­gen und Füh­rungs­me­tho­den in den Griff zu be­kom­men sei­en. Auch un­zäh­li­ge ge­schei­ter­te Groß­pro­jek­te dämp­fen nicht etwa den Grö­ßen­wahn, son­dern in­spi­rie­ren die Pla­ner le­dig­lich zu im­mer aus­ge­feil­te­ren Pla­nungs­me­tho­den. Der neue hei­ße Scheiß für Bau­pro­jek­te lau­tet jetzt Buil­ding In­for­ma­ti­on Mo­de­ling (BIM). Bei BIM pla­nen und ar­bei­ten alle am Bau Be­tei­lig­ten ver­netzt an ei­nem ein­zi­gen Ge­bäu­de­mo­dell. Da­mit, be­haup­ten Ex­per­ten, sol­len miss­lun­ge­ne Bau­pro­jek­te wie die Ham­bur­ger Elb­phil­har­mo­nie oder der Ber­li­ner Groß­flug­ha­fen „in ab­seh­ba­rer Zeit der Ver­gan­gen­heit an­ge­hö­ren.“

Dass die­se Pro­jek­te aber viel­leicht nicht nur we­gen un­zu­rei­chen­der Werk­zeu­ge oder Ver­fah­ren schei­tern, son­dern weil sie dem Ver­such glei­chen, mehr als 11 Bäl­le gleich­zei­tig in der Luft zu hal­ten, kommt uns nicht in den Sinn. Kann es nicht sein, dass Pro­jek­te ab ei­nem ge­wis­sen Kom­ple­xi­täts­grad ein­fach nicht ef­fi­zi­ent vor­ab plan­bar sind? Zu­min­dest nicht mit ge­nau­en Zeit- und Kos­ten­vor­ga­ben?

Viel­leicht soll­ten wir ein­fach grund­sätz­lich et­was klei­ner den­ken? Oder be­stimm­te Pro­jek­te eher wach­sen und spries­sen las­sen, statt sie mit oft jahr­zehn­te­lan­gem Vor­lauf ver­meint­lich durch­zu­pla­nen? De­zen­tra­li­tät för­dern, vie­le, statt gro­ße Pro­jek­te un­ter­stüt­zen und die, die sich be­wäh­ren, aus­bau­en und wach­sen las­sen. Das hat mit be­stimm­ten Tech­no­lo­gien be­reits gut funk­tio­niert. In Deutsch­land gibt es mitt­ler­wei­le 25.000 klei­ne­re Wind­kraft­an­la­gen, wäh­rend in den acht­zi­ger Jah­ren noch ein Wind­an­la­gen­groß­pro­jekt (Gro­wi­an) kläg­lich an sei­ner Über­di­men­sio­nie­rung und pla­ne­ri­schem Grö­ßen­wahn schei­ter­te.

Das ist auch das Prin­zip nach dem das Si­li­con Val­ley groß wur­de; vie­le der ame­ri­ka­ni­schen Fir­men, die wir heu­te als Gi­gan­ten wahr­neh­men, wa­ren ur­sprüng­lich nicht als Groß­pro­jek­te an­ge­legt, son­dern star­te­ten als Kleinst­pro­jek­te, in Ga­ra­gen oder Uni­ver­si­täts­wohn­hei­men. Die Wachs­tums­im­pul­se im Si­li­con Val­ley funk­tio­nie­ren auch wei­ter­hin nach die­sem Gärt­ner-Prin­zip: die meis­ten Ka­pi­tal­ge­ber ha­ben vie­le klei­ne Pro­jek­te im Port­fo­lio und he­gen die Er­folg­ver­spre­chens­ten, bis die­se aus­ge­wach­sen sind oder von Grö­ße­ren ge­schluckt wer­den.

Statt den Grö­ßen­wahn in den An­fang, in die Pla­nung, zu ste­cken, soll­ten wir den Grö­ßen­wahn viel­leicht eher in das Wachs­tum, in die Wei­ter­ent­wick­lung, ste­cken.


an­mer­kung: das ist der text mei­ner ko­lum­ne im (ge­druck­ten) t3n-ma­ga­zin num­mer 39 (ko­lum­ne aus aus­ga­be #38 hier). in ein paar wo­chen kommt die neue aus­ga­be, mit ei­ner neu­en ko­lum­ne von mir. die taucht dann wie­der­rum in ca. drei mo­na­ten hier auf. ei­nen ab­satz aus der kom­men­den ko­lum­ne hab ich ges­tern schon ver­öf­fent­licht.

weil ich für die ko­lum­ne be­zahlt wer­de, ent­hält sie auch gross- und klein­schrei­bung.


qualitätsirgendwas

felix schwenzel

ich habe ne ko­lum­ne für die aus­ga­be 40 der t3n ge­schrie­ben (er­scheint am 27.05.2015). das the­ma ist ei­gent­lich „nach­hal­tig­keit“, aber ich kom­me ja im­mer vom hölz­chen aufs stöck­chen und des­halb auch auf das the­ma „qua­li­täts­jour­na­lis­mus“. und weil ich über eine klei­ne er­kennt­nis selbst la­chen muss­te ver­öf­fent­li­che ich sie hier vor­ab:

Journalisten dürften übrigens sehr traurig darüber sein, dass sie das Wort Nachhaltigkeit nicht zum Eigenmarketing verwenden können. Wenn Sie sich selbst als aufrichtig, verantwortungsbewusst und zukunftsfähig darstellen möchten, müssen sie das leicht abgewetzte und peinliche Wort „Qualitätsjournalismus“ verwenden. Selbst Politiker sind nicht schamlos genug, ihre Arbeit Qualitätspolitik zu nennen.


kurt w. zim­mer­mann meint üb­ri­gens:

Wer dauernd von Qualität redet, der verrät darum nur eines. Er hat ein Problem mit sich selbst.


webmention.io

felix schwenzel

weil die ver­an­stal­ter der ne­ben­an ham­burg kon­fe­renz sich über­legt ha­ben, dass ich mal was zum in­dy­web und re­cla­im sa­gen kön­ne, hab ich mich auf an­re­gung von hen­drik mans noch­mal mit die­sem web­men­ti­on-ge­döns be­schäf­tigt.
und sie­he da, mit ein paar er­gän­zun­gen am quell­code (un­ter an­de­rem h-ent­ry for­ma­te hin­zu­fü­gen) und ner an­mel­dung bei web­men­ti­on.io und brid.gy läuft das:

was man dort sieht ist ein gePOS­SEtetes in­sta­gram­bild. durch ei­nen back­link auf in­sta­gram mit rel="syn­di­ca­ti­on" er­kennt brid.gy das auf in­sta­gram mein bild ist und pingt die li­kes und (lei­der nicht alle) kom­men­ta­re per web­men­ti­on zu mir. die­se pings/web­men­ti­ons emp­fängt web­men­ti­on.io für mich und ich fra­ge sie dort ab und stel­le sie un­ter dem blog-ein­trag dar (wenn der rei­ter track­backs auf­ge­klappt ist.

bin an­ge­tan, auch wenn’s noch im­mer ne ganz schö­ne fri­kelei ist und man sich sehr ein­ar­bei­ten muss.


macaroni and cheese

felix schwenzel

seit wir in new york bei ei­nem freund mac­a­ro­ni and cheese ge­ges­sen ha­ben, ma­chen wir die auch re­gel­mäs­sig. ich glau­be in new york ha­ben wir die nu­deln nach die­sem re­zept zu­be­rei­tet ge­se­hen, dass man in ei­nem satz zu­sam­men­fas­sen kann:

2 tas­sen nu­deln mit 2 tas­sen milch 20 mi­nu­ten kö­cheln las­sen, vom herd neh­men und 1 tas­se käse ein­rüh­ren.

an­de­re fin­den, dass ech­te mac­a­ro­ni and cheese aus dem papp­kar­ton kom­men und aus nu­deln, pul­ver und milch her­ge­stellt wer­den.

ich habe seit dem som­mer be­reits ein paar­mal die­ses re­zept nach­ge­baut. das ist ei­ner­seits auch nicht viel ar­beit und zeigt über­dies, dass ve­ga­ta­ri­sches es­sen kei­nes­falls ge­sund sein muss.

hier noch­mal wie ich die mac­a­ro­ni and cheese heu­te ge­macht habe.

  • 250 gramm nudeln (celentani, muschelnudeln)
  • 3 teelöffel mehl
  • 3 teelöffel butter
  • 1 teelöffel scharfer senf
  • 550 ml milch
  • 1 zwiebel, fein gewürfelt
  • 1 lorbeerblatt
  • 1 teelöffel paprikapulver
  • 1 ei
  • 300 gramm geriebener käse (cheddar)
  • 1 teelöffel salz
  • pfeffer
  • 1 paprika, gewürfelt
  • 3 teelöffel butter
  • 50 gramm paniermehl

die nu­deln 6 oder acht 8 mi­nu­ten lang ko­chen, so wie’s auf der pa­ckung steht. der­weil (oder da­nach) die but­ter in ei­nem topf schmel­zen, mit dem mehl ver­üh­ren und ne kur­ze wei­le schwit­zen las­sen. da­nach die zwie­beln kurz mit­schwit­zen las­sen, et­was pa­pri­ka­pul­ver und et­was schar­fen senf und dann lang­sam die milch ein­rüh­ren. wenn man das lor­beer­blatt ver­gisst ist nicht schlimm, merkt eh kei­ner. das gan­ze 10 mi­nu­ten leicht kö­cheln las­sen, sal­zen, pfef­fern, lor­beer­blatt raus­neh­men (wenn man ver­gisst das lor­beer­blatt raus­zu­neh­men ist nicht schlimm, merkt eh kei­ner). das ei und und zwei drit­tel des kä­ses ein­rüh­ren — nicht zu lan­ge, nicht zu kurz rüh­ren bis sich der käse fast auf­ge­löst hat.

ja­mie oli­ver schlägt vor jetzt noch ge­wür­fel­te to­ma­ten un­ter­zu­rüh­ren, ich habe gel­be pa­pri­ka ge­nom­men.

jetzt kommt al­les in eine auf­lauf­form und wer mag kann noch die pa­nier­mehl­krus­te drü­ber­ma­chen. da­für noch­mal 3 tee­löf­fel but­ter schmel­zen und mit 50 bis 100 gramm pa­nier­mehl ganz leicht an­rös­ten.

die auf­lauf­form kommt ca. 30 mi­nu­ten bei 200°C in den ofen. das er­geb­nis lässt sich her­vor­ra­gend heiss, warm aber auch kalt es­sen.


TTIP

felix schwenzel

  spie­gel.de: Frei­han­dels­ab­kom­men TTIP: BDI räumt fal­sche An­ga­ben ein   #

die wirt­schaft­ver­bän­de und die re­gie­rung lob­by­ie­ren ge­ra­de mas­siv für TTIP. das ge­plan­te han­dels­ab­kom­men ist stark um­strit­ten und auf bei­den sei­ten, den be­für­wor­tern und den geg­nern, wird aus mei­ner sicht nicht im­mer be­son­ders sau­ber ar­gu­men­tiert. bei­de sei­ten ver­su­chen ängs­te zu er­zeu­gen, die ei­nen vor dem nie­der­gang der eu­ro­päi­schen wirt­schaft falls das ab­kom­men nicht kommt, die an­de­ren vor der de­mo­kra­tie­apo­ka­lyp­se falls es kom­men soll­te.

was mir bis­her bei all der be­richt­erstat­tung über TTIP nicht ge­lin­gen will, ist mir eine ei­ni­ger­mas­sen aus­ge­wo­ge­ne mei­nung zu bil­den. eine art fak­ten­check, eine ge­gen­über­stel­lung der po­si­tio­nen der be­für­wor­ter und der geg­ner und ih­rer ar­gu­men­te. die be­richt­erstat­tung in den me­di­en die mir bis­her zu ge­sicht ge­kom­men ist, be­schränkt sich meis­tens dar­auf zu wie­der­ho­len was die­se oder jene par­tei über TTIP ge­sagt hat oder meint. es man­gelt auch nicht an ver­fah­rens­kri­tik: die ver­hand­lun­gen fin­den hin­ter ge­schlos­se­nen tü­ren statt und of­fen­bar ha­ben in­dus­trie­ver­tre­ter bes­se­ren zu­gang zu den un­ter­händ­lern und in­hal­ten als par­la­men­ta­ri­er, NGOs oder TTIP-geg­ner.

was fehlt ist eine be­wer­tung der kon­kre­ten vor­ha­ben, der stu­di­en dazu und die ein­schät­zung von neu­tra­len ex­per­ten. in dem oben ver­link­ten text geht es ja dar­um, dass der BDI falsch aus ei­ner stu­die zi­tiert hat. wor­um es nicht geht: wie ver­läss­lich sind die zah­len in der stu­die ei­gent­lich? wer hat die stu­die er­stellt? auf ba­sis wel­cher da­ten?

bei der süd­eut­schen zei­tung be­schäf­tig­te sich die re­dak­ti­on mo­na­te­lang mit ge­le­ak­ten steu­er­un­ter­la­gen um am ende her­aus­zu­fin­den, was oh­ne­hin schon je­der weiss: vie­le un­ter­neh­men spa­ren steu­ern in­dem sie ela­bo­rier­te steu­er­spar­mo­del­le am ran­de der le­ga­li­tät er­rich­ten. aber wel­che re­dak­ti­on hat sich bis­her in die­ser aus­führ­lich­keit mit den TTIP vor­ha­ben und un­ter­la­gen (die be­kannt sind) aus­ein­an­der­ge­setzt? habe ich da was ver­passt?

oder noch­mal an­ders­rum ge­fragt: wenn die ge­setz­ge­ber in eu­ro­pa es nicht schaf­fen steu­er­ge­set­ze so zu ge­stal­ten und zu for­mu­lie­ren, dass un­ter­neh­men nicht mehr ohne wei­te­res der be­steue­rung ih­rer pro­fi­te aus dem weg ge­hen kön­nen, wel­che lü­cken, schlupf­lö­cher wer­den sie in TTIP ein­bau­en? ob die­se lü­cken nun ab­sichts­voll ein­ge­baut wer­den oder weil un­se­re ver­tre­ter von in­tel­li­gen­te­ren ver­hand­lungs­part­nern oder lob­by­is­ten über den tisch ge­zo­gen wer­den ist eher se­kun­där. die fra­ge wäre doch eher: kann über­haupt je­mand die fol­gen von TTIP und den dort ver­ein­bar­ten re­geln ein­schät­zen?

(sor­ry für den pos­til­lon-link oben)

  car­ta.info: TTIP: „Kon­zer­ne ge­win­nen an Macht“   #

ei­nen an­satz für ei­ni­ger­mas­sen aus­ge­wo­ge­ne TTIP-be­richt­erstat­tung ver­folgt of­fen­bar car­ta. die­ses kur­ze in­ter­view mit dem ka­na­di­sche ju­ra­pro­fes­sor gus van har­ten ist zwar nicht aus­ge­wo­gen, son­dern, wie alle ein­zel-in­ter­views zu ei­nem the­ma, eher mei­nungs­las­tig, aber car­ta hat of­fen­bar vor mit mit­teln der ru­dolf aug­stein stif­tung aus die­sem the­ma eine län­ge­re rei­he zu ma­chen. bis­her ist ne­ben dem in­ter­view mit van har­ten noch ein wei­te­rer (link­rei­cher) ar­ti­kel von eric bon­se er­schie­nen, der die grund­kon­stel­la­ti­on zu TTIP ganz gut er­klärt: „TTIP: Frei­han­del oder De­mo­kra­tie

als kraut­re­por­ter-mit­glied, bzw. un­ter­stüt­zer fra­ge ich mich na­tür­lich: und die kraut­re­por­ter? ma­chen die auch was zu TTIP? bis­her konn­te ich dazu auf kraut­re­por­ter.de noch nichts fin­den (was aber auch an der web­site-tech­nik lie­gen kann) und alex­an­der von streit hat mei­ne fra­ge da­nach noch nicht be­ant­wor­tet.

  you­tube.com: Last Week To­night with John Oli­ver: To­b­ac­co (HBO)   #

john oli­ver hat sich in die­ser sen­dung mit den prak­ti­ken von ta­bak-kon­zer­nen be­schäf­tigt. auch wenn mir john oli­vers prä­sen­ta­ti­on mitt­ler­wei­le et­was zu be­müht vor­kommt, ist das was er hier zeigt (mal wie­der) ziem­lich gut re­cher­chiert. denn er zeigt wel­che me­tho­den mil­li­ar­den­schwe­re, in­ter­na­tio­na­le kon­zer­ne be­reits jetzt an­wen­den, um ih­ren in­ves­ti­ti­ons­schutz und ihre mar­ken­rech­te durch­zu­set­zen: sie bie­gen sich die wahr­heit zu­recht und dro­hen rück­sichts­los klei­nen und gros­sen staa­ten, trick­sen am ran­de des an­stands — und das mit al­len mit­teln die ih­nen zur ver­fü­gung ste­hen. in die­sem licht er­scheint der durch TTIP an­ge­streb­te „in­ves­ti­ti­ons­schutz durch schieds­ge­rich­te“ (ISDS) umso ab­sur­der. wenn kon­zer­ne staa­ten vor in­trans­pa­ren­ten, ge­schlos­se­nen schieds­ge­rich­ten ver­kla­gen kön­nen, ist zu be­fürch­ten, dass das ähn­lich ab­sur­de fol­gen ha­ben wird, wie das was john oli­ver zeigt.

oder wie gus van har­ten mahnt:

Es findet ein Transfer von Souveränität statt – zu Lasten der Staaten, zugunsten der Konzerne.


blinde flecken bei der journalismusrettung

felix schwenzel

  kraut­re­por­ter.de: Der blin­de Fleck   #

se­bas­ti­an es­ser:

Der britische Autor Jon Ronson hat gerade ein Buch mit dem Titel „So You've Been Publicly Shamed“ veröffentlicht. Er schreibt darin über Menschen, die einen Fehler machen und anschließend von einem Tornado aus öffentlicher Kritik mitgerissen werden. Eine Welle von Schande überschüttet sie. In manchen Fällen spült sie ihr Ansehen, ihren Job, ihr Leben weg. [...]

Es wäre eine einfache Lösung, wenn Krautreporter sich von Tilo Jung trennen würde. Aber es wäre nicht die richtige. Jeder hat das Recht auf einen bescheuerten Post - zumindest, wenn er versteht, was er falsch gemacht hat.

auf mei­ne fra­ge:

verstehe ix das richtig, dass @TiloJung ansehen, job und leben verlieren würde, wenn er nicht mehr bei @krautreporter wäre?

ant­wor­te­te se­bas­ti­an es­ser:

Nein, das verstehst Du falsch. Mein Punkt: Konsequenzen sollten angemessen sein und auch etwas bewirken.

weil tilo jung sich nicht mehr er­in­nern kann, was an sei­nem witz lus­tig war, ha­ben die kraut­re­por­ter ihm jetzt zeit ge­ge­ben ei­nen „blin­den fleck“ in sei­nem kopf zu er­leuch­ten:

Wir haben beschlossen, Tilo Zeit zu geben, diesen „blinden Fleck“ auszuleuchten. Es ist seine Entscheidung, ob und wie er auf diese Fragen antworten will. Wir werden vorübergehend keine neuen Beiträge von Tilo Jung veröffentlichen, aber er bleibt ein Teil von Krautreporter.

ich glau­be al­ler­dings, dass gar nicht der blin­de fleck bei tilo jung ein pro­blem ist, son­dern vie­le blin­de fle­cken bei den kraut­re­por­tern — und ei­ner da­von heisst tilo jung. wenn sich die kraut­re­por­ter nicht ent­schei­den, wie sie zu tilo jung und sei­nem kru­den hu­mor- und qua­li­täts­ver­ständ­nis ste­hen, könn­ten sie ein pro­blem bei der nächs­ten fi­nan­zie­rungs­run­de be­kom­men — oder auch nicht. denn tilo jung hat vie­le fans, wie man un­ter sei­ner ent­schul­di­gung und recht­fer­ti­gung auf face­book se­hen kann. wie bei die­ter boh­len, der auch vie­le fans hat und den vie­le lus­tig und iro­nisch fin­den, kann ich gut da­mit le­ben, dass die welt nicht al­lein nach mei­ner fa­çon ge­formt ist. al­ler­dings kau­fe und kon­su­mie­re ich nichts von die­ter boh­len und ge­nau­so we­nig möch­te ich an der fi­nan­zie­rung von tilo jungs (oder die­ter boh­lens) le­bens­stil, hu­mor­ver­ständ­nis oder auf­trit­ten be­tei­ligt sein.

ich fin­de es gut, nicht im­mer gleich aku­ten druck oder hoch­ge­schau­kel­ten em­pö­rungs­wel­len nach­zu­ge­ben, egal wo­her der druck oder die wel­len kom­men. aber ich wür­de mir wün­schen, dass kraut­re­por­ter-mit­glie­der sich nicht nur in den kom­men­ta­ren, in ih­ren ei­ge­nen blogs, auf di­ver­sen mai­ling­lis­ten oder hin­ter den ku­lis­sen äus­sern und die aus­rich­tung der kraut­re­por­ter mit­steu­ern könn­ten, son­dern dass die kraut­re­por­ter ih­ren mit­glie­dern und le­sern die mög­lich­keit bie­ten, bei­trä­ge auch di­rekt zu be­wer­ten. die­se wer­tun­gen müs­sen nicht öf­fent­lich sein und soll­ten auch kei­ne di­rek­ten in­halts- oder per­so­nal­ent­schei­dun­gen zur fol­ge ha­ben, aber ich wür­de mir als kraut­re­por­termit­glied sehr wün­schen mei­ne kri­tik oder lob de­di­ziert und kon­kret hin­ter­las­sen zu kön­nen. statt­des­sen wer­den, so­weit ich das ver­ste­he, le­dig­lich un­schar­fe si­gna­le ge­mes­sen (wie le­ser­zah­len, klick­pfa­de und ver­wei­se aus den wei­ten des net­zes).

ich möch­te nicht nur ein­mal pro jahr pau­schal an der urne mit der kre­dit­kar­te ab­stim­men dür­fen, ich wür­de mir wün­schen, dass ich und an­de­re mit­glie­der mess­bar und ein­deu­tig quan­ti­fi­zier­bar an je­dem ar­ti­kel ihre stim­me hin­ter­las­sen könn­ten. was die re­dak­ti­on dann dar­aus macht sei dann der re­dak­ti­on über­las­sen, aber im­mer­hin hät­te sie so eine ba­sis für ihre ent­schei­dun­gen und das stim­mungs­bild un­ter ih­ren mit­glie­dern. und ei­gent­lich sieht sich die re­dak­ti­on ja durch­aus ver­pflich­tet, im sin­ne der mit­glie­der mit dem ihr an­ver­trau­ten ver­trau­ens- und geld­vor­schuss um­zu­ge­hen. das schrieb se­bas­ti­an es­ser alex­an­der von streit nach dem raus­wurf von jens schrö­ders da­ten­sport-for­mat:

Wir haben eine große Verantwortung übernommen und müssen das uns anvertraute Geld richtig einsetzen. In diesem Fall ist der Einsatz zu hoch für das, was das Projekt in der Gesamtschau auf unser Programm leistet.

ab­leh­nung oder des­in­ter­es­se an in­hal­ten, kön­nen bei den kraut­re­por­tern also durch­aus zu per­so­nel­len kon­se­quen­zen füh­ren.

  jour­nel­le.de: Kraut, Schuld und Süh­ne   #

jour­nel­le sieht den um­gang mit, oder ge­nau­er den nicht-raus­wurf von tilo jung bei den kraut­re­por­ter als rich­tig an:

Aus Sicht eines Arbeitnehmers finde ich die Reaktion der Krautreporter fair und richtig. Ich wünsche mir auch, dass mein Arbeitgeber mich nicht nach einem Fehler feuert.

trotz­dem sieht sie bei der aus­rich­tung der kraut­re­por­ter das eine oder an­de­re struk­tu­rel­le pro­blem:

Für mich sind die Krautreporter eine Gruppe selbstgefälliger Journalisten, die glaubten, Kraft ihres empfundenen Genies den digitalen Journalismus neu zu erfinden. Immerhin konnten sie genügend Geld für ihr Projekt zusammentragen, aber das Resultat ist in 95% der Artikel der gleiche langweilige Journalismus, den sie ja ursprünglich revolutionieren wollten. Zu allem Übel haben sie nicht nur die Langeweile, sondern auch den gesellschaftlich tolerieren Sexismus der etablierten Medien übernommen.

üb­ri­gens woll­ten die kraut­re­por­ter ja nicht nur den jour­na­lis­mus neu er­fin­den, son­dern auch das da­zu­ge­hö­ri­ge con­tent ma­nage­ment sys­tem. al­les nach dem mot­to: wir ma­chen das selbst und wir ma­chen es bes­ser. lei­der ist das er­geb­nis er­nüch­ternd; ein­zel­ne ar­ti­kel kann ich tat­säch­lich auf kraut­re­por­ter.de ganz gut (sprich ohne tech­ni­sche pro­ble­me oder ir­ri­ta­tio­nen) le­sen. so­bald ich aber ei­nen be­stimm­ten ar­ti­kel oder au­toren su­che, ver­zweif­le ich. die web­site treibt mich beim stö­bern in den wahn­sinn. ich glau­be das ist sym­pto­ma­tisch und ein zei­chen da­für, dass beim kraut­re­por­ter-kon­zept tilo jung nicht der ein­zi­ge blin­de fleck ist.


[an­mer­kung]
am ab­satz über die ab­set­zung von jens schrö­ders da­ten­sport-for­mat habe ich nach­träg­lich et­was rum­e­di­tiert: ei­ner­seits hat­te ich alex­an­der von streit mit se­bas­ti­an es­ser ver­wech­selt, jens schrö­der wur­de nicht raus­ge­schmis­sen, son­dern nur sein da­ten­sport-for­mat wur­de ein­ge­stellt und den satz nach dem zi­tat habe ich hin­zu­ge­fügt.


o2 DSL show — vorletzte episode

felix schwenzel

die o2 DSL show ist jetzt (fast) zu­en­de. am 3. märz hat o₂ den in­ter­nen wech­sel vom al­ten o₂-DSL zum neu­en o₂-DSL voll­zo­gen, den ich vor un­ge­fähr 6 mo­na­ten be­auf­tragt hat­te. ich woll­te ei­gent­lich nur mehr als 16mbit/s ha­ben, aber das ging eben nur mit ei­nem wech­sel des DSL-ver­trags, im o₂-sprech: in­ter­ner wech­sel.

beim wech­seln ist of­fen­bar ei­ni­ges schief­ge­lau­fen, was aber gut aus­zu­hal­ten war, weil te­le­fon und (16mbit/s) DSL wei­ter­hin funk­tio­nier­ten. als be­son­ders hilf­reich hat sich üb­ri­gens @o2de auf twit­ter er­wie­sen. ganz ohne iro­nie: ich habe das ge­fühl die leu­te dort ha­ben sich wirk­lich ein­ge­setzt und druck an den rich­ti­gen stel­len an­ge­wandt. vor 4 wo­chen hat @o2de auch den an­schluss­ter­min rich­tig vor­aus­ge­sagt, et­was das die re­gu­lä­re o₂-bü­ro­kra­tie mir erst zwei wo­chen spä­ter mit­tei­len konn­te. vie­len dank also an o2 hil­fe auf twit­ter.

ganz zu­en­de ist die o₂ DSL show noch nicht, weil ich statt des be­stell­ten fritz­box-rou­ters eine zy­xel o₂ home­box als rou­ter be­kom­men habe. das ding funk­tio­niert zwar und mit ein paar tricks konn­te ich auch die fritz­box wei­ter­hin als te­le­fon­an­la­ge für die vier te­le­fon­num­mern und 3 DECT-ap­pa­ra­te ein­rich­ten (home­box und fritz­box per isdn ver­bun­den). das wlan der zy­xel-kis­te funkt sehr schnell auf 2,4 und 5 GHZ, die reich­wei­te ist OK und der an­schluss bringt fast die vol­len 50mbit/s down­link- und 10mbit/s uplink­ge­schwin­dig­keit die der an­schluss theo­re­tisch ha­ben soll. trotz­dem will ich na­tür­lich wie­der eine VDSL-fä­hi­ge fritz­box ha­ben. an­geb­lich soll die in ein paar wo­chen kom­men, ich bin mal ge­spannt ob das jetzt schnel­ler als 6 mo­na­te ge­hen wird.

ein wei­te­res lob an den mit­ar­bei­ter im o₂-flag­ship­s­to­re un­ter den lin­den, der mich sanft in ein paar ver­trags­um­stel­lun­gen für mei­ne han­dy-ver­trä­ge ge­drängt hat. mit den neu­en ver­trä­gen und di­ver­sen ra­bat­ten und pau­schal­ta­ri­fen soll un­se­re kom­bi­nier­te te­le­fon- und DSL-mo­nats­rech­nung im schnitt um 50 euro güns­ti­ger aus­fal­len (von 120 bis 140 euro im mo­nat für 1 mal DSL und fest­netz und 3 han­dy-ver­trä­ge auf ca. 85 euro). ich bin na­tür­lich noch et­was skep­tisch und wer­de jetzt erst­mal die ers­ten paar rech­nun­gen ab­war­ten, be­vor ich eu­pho­risch wer­de und mich im letz­ten le­vel wäh­ne.

[nach­trag]
kbit/s und mbit/s ver­wech­selt. kor­ri­giert; soll­te jetzt stim­men.


aus müll trash machen

felix schwenzel

  se­ri­en­jun­kies.de: Stu­die: Brau­chen wir noch Syn­chro­ni­sa­ti­on?   #

ni­co­le sälz­le ist in ih­rer mas­ter­ar­beit der fra­ge nach­ge­gan­gen, ob se­ri­en oder fil­me ein­gent­lich noch deut­sche syn­chro­ni­sa­ti­on brau­chen: kla­res jein:

Letztlich bewies die Umfrage aber zwei Dinge, die widersprüchlicher nicht sein könnten: Zum einen das große Interesse an englischsprachigen Originalversionen in Deutschland, zum anderen aber auch, dass Forschungen im Bereich der Sprachkenntnisse unterschiedlicher Länder alles andere als falsch liegen - die Englischkenntnisse in Deutschland sind weit weniger ausgeprägt als dies in anderen Ländern der Fall ist.

ich wie­der­ho­le mich na­tür­lich, wenn ich hier wie­der mei­ne ab­nei­gung ge­gen deut­sche syn­chron­fas­sun­gen auf­schrei­be. aber weil ich mich ger­ne wie­der­ho­le: ich hal­te das für eine un­sit­te. nicht nur weil es uns alle da­von ab­hält uns an den klang von frem­den spra­chen zu ge­wöh­nen, son­dern auch, weil ich es teil­wei­se für ei­nen un­er­hör­ten ein­griff in die künst­le­ri­sche frei­heit der se­ri­en- oder fil­me­ma­che­rin­nen an­se­he. ein pa­ra­de­bei­spiel für in­va­si­ve syn­chro­ni­sa­ti­on ist rai­ner brandt, der die sieb­zi­ger-jah­re se­rie the per­sua­ders mit tony cur­tis (und ro­ger moo­re) syn­chro­ni­sier­te und sich da­bei sehr viel ei­ge­ne künst­le­ri­sche frei­heit nahm. in ei­nem in­ter­view sag­te brandt ein­mal: die vor­la­gen (wahr­schein­lich mein­te er die deut­schen dia­lo­ge) sei­en tot­lang­wei­lig ge­we­sen und er habe sich ge­dacht, das müs­se man um­dre­hen, „da müs­se man neue ge­schich­ten draus ma­chen“. in deutsch­land wur­den die­se „neu­en ge­schich­ten“ ein sen­sa­tio­nel­ler er­folg.

al­ler­dings er­schafft man mit die­sem vor­ge­hen eben et­was neu­es. heut­zu­ta­ge nennt man so­et­was ei­nen mas­hup . kann man so ma­chen und in ein­zel­fäl­len kan­n's für sich ge­nom­men auch gut oder bes­ser als das ori­gi­nal wer­den. es kann aber eben auch aus „tot­lang­wei­li­gen“ vor­la­gen oder müll ein­fach nur trash ma­chen. so kann das dann am ende aus­se­hen:

zur ak­tu­el­len si­tua­ti­on sagt rai­ner brandt :

Brandt wundert das nicht: „Heute fehlt die Muße und das Geld, denn die Qualität ist den Auftraggebern egal“, sagt der 76-Jährige. „Darum sind die Leute heute auch mehr daran interessiert, das Original zu hören als die schlechte Synchronisation.“

ei­gent­lich ist es ja um­ge­kehrt: wer se­ri­en syn­chro­ni­sie­ren möch­te, dem ist die qua­li­tät des ori­gi­nals von vor­ne­her­rein egal. wir kön­nen uns ei­gent­lich glück­lich schät­zen, dass mu­se­en in deutsch­land bil­der nicht auch über­ma­len oder mit er­klä­run­gen oder deut­schen mo­ti­ven ver­se­hen, dass bor­deaux-wei­ne nicht mit mo­sel­wei­nen ver­panscht wer­den, um deut­sche zun­gen nicht zu ir­ri­tie­ren oder dass piz­za in deutsch­land nicht aus kar­tof­feln ge­macht wird.


house of cards, hide my ass und netflix

felix schwenzel

über die drit­te staf­fel house of cards habe ich bis­her nicht viel gu­tes ge­le­sen. ob­wohl: ei­gent­lich habe ich nichts dar­über ge­le­sen, son­dern nur ei­nen hau­fen ne­ga­ti­ver sta­tus­nach­rich­ten an mei­nen au­gen­win­keln vor­bei­zie­hen se­hen. ich sehe die drit­te staf­fel aber ger­ne. bin jetzt bei der fünf­ten fol­ge. und ich mag die re­la­ti­ve ruhe in der die hand­lungs­strän­ge er­zählt wer­den. house of cards schafft es die han­deln­den ge­nau­so klug und in­tel­lek­tu­ell über­le­gen dar­zu­stel­len wie da­mals the west wing — mit we­ni­ger pa­thos, aber ähn­lich star­ken dia­lo­gen.

über­haupt gibt es ein paar par­al­le­len zu the west wing. ein star­ker, iko­ni­scher mo­ment in the west wing war, als bart­let in der zwei­ten staf­fel (fol­ge 22) gott ver­flucht und eine kip­pe auf dem ka­the­dra­len­bo­den aus­drückt. house of cards nimmt die vor­la­ge in fol­ge 4 auf und lässt un­der­wood in ei­ner kir­che kurz über ge­rech­tig­keit, gott und lie­be phi­lo­so­phie­ren und schafft es in der fol­gen­den sze­ne the west wing sehr alt und lahm aus­se­hen zu las­sen. was in der sze­ne pas­siert ver­ra­te ich nicht (wer’s nach­le­sen/spoi­len will, hier steht’s), aber al­lein we­gen die­ser sze­ne in fol­ge 4 lohnt es sich mei­ner mei­nung nach house of cards zu gu­cken.


house of cards gu­cken? geht in deutsch­land na­tür­lich nicht. hier hat net­flix wohl ver­trä­ge mit sky, das die staf­fel zu­nächst ex­klu­siv in deutsch­land zei­gen darf. wenn man al­ler­dings ne­ben ei­nem net­flix-kon­to auch ei­nen vpn-dienst zur hand hat, mit dem man so tun kann, als sei man mit sei­ner in­ter­net­ver­bin­dung in den USA, kann man house of cards auch in deutsch­land se­hen. ich habe das bis­her mit ei­nem (be­zahl­ten) blackvpn-kon­to oder mei­nem (ge­schenk­ten) blackvpn-rou­ter ge­macht.

vor ein paar wo­chen habe ich kos­ten­los ein­jäh­ri­ges hide-my-ass-kon­to zur ver­fü­gung ge­stellt be­kom­men. da­mit kann man zwar we­der ei­nen esel noch sei­nen arsch ver­ste­cken, aber sich laut ei­gen­wer­bung „on­line be­frei­en“:

Greife weltweit auf gesperrte Inhalte zu und erhalte die totale Privatsphäre online mit unserem top-bewerteten VPN-Dienst

oder mit an­de­ren wor­ten: bei hide my ass kann man sich für 7 bis 12 dol­lar im mo­nat ei­nen VPN-dienst kau­fen, mit dem man sich on­line (un­ter an­de­rem) als US-in­ter­net­nut­zer aus­ge­ben kann — und da­mit zum bei­spiel auf net­flix house of cards gu­cken kann. ich schrei­be dazu mög­li­cher­wei­se in ei­nem se­pa­ra­ten ar­ti­kel noch­mal de­tail­ier­ter, hier ein paar kur­ze an­mer­kun­gen: hide my ass (HMA) ist gut do­ku­men­tiert, bie­tet vie­le zu­gangs­punk­te, man kann es ohne zu­satz­soft­ware be­nut­zen oder mit hma-ei­ge­ner soft­ware. aber vor al­lem ist es schnell. mei­ne stich­pro­ben­ar­ti­gen tests mit ei­ner ein­zi­gen US-IP an meh­re­ren aben­den zeig­ten, dass HMA fast durch­gän­gig mehr als dop­pelt so schnell wie blackvpn (BVPN) ist. an mei­nem neu­en 50 mbit/s-DSL hat HMA an den aben­den 16 bis 30 mbit/s ge­lie­fert, wäh­rend BVPN meis­tens un­ter 10 mbit/s blieb. wäh­rend ich das schrei­be schwä­chelt HMA ein biss­chen, an den aben­den gab es aber nichts an der ge­schwin­dig­keit aus­zu­set­zen.

(ge­tes­tet mit der US-ser­ver­adres­se 72.8.129.155 über l2tp ohne HMA-cli­ent soft­ware.)


kurz­ver­si­on: die drit­te staf­fel house of cards ge­fällt mir, net­flix und der VPN-dienst hide my ass, mit de­ren hil­fe man das an­gu­cken kann, auch.


pullern im stehn

felix schwenzel in gelesen

gross­ar­ti­ges buch. durch­zo­gen von sehr sub­ti­ler wit­zel­sucht und scho­nungs­lo­ser of­fen­heit, mit der sich fil teil­wei­se so lä­cher­lich macht, dass man die ge­schich­ten gar nicht glau­ben will, es aber trotz­dem tut. ich per­sön­lich glau­be ihm tat­säch­lich al­les, was er in das buch ge­schrie­ben hat, vor al­lem weil ich mich in sehr vie­len der ab­sur­den si­tua­tio­nen wie­der­erken­ne. al­lein da­für, dass er der welt (mir) in er­in­ne­rung ruft welch ver­lo­re­nes und ab­sur­des welt- und men­schen­bild in den köp­fen von pu­ber­tie­ren­den men­schen wab­bert, ge­bührt fil dank­bar­keit — und von mir aus auch gros­se li­te­ra­ri­sche an­er­ken­nung.

die ge­hei­men ta­ge­bü­cher des adri­an mole wa­ren in die­sem gen­re ziem­lich wit­zi­ge vor­rei­ter, aber bei fil ist das al­les noch­mal zeh­mal wit­zi­ger und er­schüt­tern­der, weil ich mich viel bes­ser mit der haupt­fi­gur iden­ti­fi­zie­ren konn­te als mit adri­an mole. die le­bens­ge­schich­te von fil ist al­ler­dings auch we­gen der vie­len ein­ge­wo­be­nen iro­nie- und me­ta­ebe­nen um ein viel­fa­ches wit­zi­ger — viel­leicht aber auch dop­pelt so schwer ver­dau­lich. aus­ser fil kön­nen das nicht vie­le: ei­nen text bis zu bers­ten mit ste­reo­ty­pen und dumm­heit voll­pa­cken und dann al­les bis zur un­kennt­lich­keit ver­rüh­ren, mit me­ta­ebe­nen und di­stanz wür­zen und zu ei­nem gros­sen le­se­ver­gnü­gen ma­chen.

es gibt we­nig bü­cher bei de­nen ich beim le­sen laut la­che, bei „pul­lern im stehn“ muss­te ich das alle paar sei­ten. al­ler­dings funk­tio­nie­ren die stel­len die ich mir im ebook mar­kiert habe aus dem kon­text des bu­ches ge­ris­sen über­haupt nicht mehr. ge­nau­so wie üb­ri­gens die live-shows von fil nicht auf­ge­zeich­net oder auf you­tube funk­tio­nie­ren. man muss ich die auf­trit­te von fil schon sel­ber an­se­hen — und das buch eben auch selbst le­sen. ich fin­de das lohnt sich, ich fands bril­li­ant.

[ama­zon-wer­be­link] pul­lern im stehn: die ge­schich­te mei­ner ju­gend von fil.


john­ny haeus­ler hat vor ein paar wo­chen in fluxfm spree­blick mit fil über das buch ge­spro­chen. lohnt sich auch, das an­zu­hö­ren.


die bei­fah­re­rin mein­te eben zu mir:

geniales buch — müssen alle lesen! das ist ein meisterwerk — und auch wenn das kein kompliment ist: man merkt dem buch die viele arbeit an, die er da rein gesteckt hat.


senf gefährdet würstchen

felix schwenzel

  me­di­um.com: Trans­la­ted: THE WORLD GO­VERN­MENT How Si­li­con Val­ley con­trols our fu­ture   #

jeff jar­vis nennt das neue spie­gel-co­ver, bzw. die ti­tel­ge­schich­te sei eine scheis­se­bom­be und pre­war pro­pa­gan­da:

Then comes this Scheißebombe from Der Spiegel. It goes far beyond the publishers’ game. It is nothing less than prewar propaganda, trying to stir up a populace against a boogeyman enemy in hopes of goading politicians to action to stop these people. If anyone would know better, you'd think they would. Schade.

jar­vis lässt ein biss­chen in sei­ner ar­gu­men­ta­ti­ven klar­heit nach, wenn er sich auf­regt. in die­sem ar­ti­kel merkt man, dass er stark emo­tio­na­li­siert ist. ohne auf­re­gung ar­gu­men­tiert er bes­ser, zum bei­spiel hier in die­sem stück ...

  me­di­um.com: Is ever­y­thing in Ger­ma­ny Goo­g­le's fault?   #

hier ar­gu­men­tiert jeff jar­vis ge­gen das ar­gu­ment vom faz-ge­schäfts­füh­rer tho­mas lind­ner, dass goog­le ein senf­händ­ler sei, der dar­an schuld sei, dass die würst­chen­her­stel­ler ihre fleisch­ab­fäl­le kos­ten­los ab­ge­ben. ho­ri­zont.de:

Dann räumt er mit der These vieler Internetgurus auf, dass das Digitalzeitalter Informationen im Überfluss beschere - und Aufmerksamkeit das knappe Gut sei. Nun, dies sei die Argumentation der Google-Lobbyisten, um immer mehr freie Inhalte anderer verwerten zu können: „Google verhält sich hier wie ein Senfhändler, der das Verteilen von Gratiswürsten propagiert.“

Das Gegenteil sei wahr: Wirklich verlässliche Informationen seien in der „Gerüchte- und Verschwörungstheorieschleuder Internet“ knapp. Und in einer modernen Sozialstaats- und Freizeitgesellschaft habe das Gros der Bevölkerung außerdem immer mehr Zeit und suche nach Zerstreuung, siehe die prosperierende Unterhaltungsindustrie. Nicht Aufmerksamkeit sei also das knappe Gut, sondern verlässliche Information vertrauenswürdiger Absender.

das pro­blem der ver­le­ger ist in die­ser ana­lo­gie na­tür­lich, dass in ei­ner zeit in der je­der weiss wie wurst her­ge­stellt wird — und die­ser pro­zess im­mer trans­pa­ren­ter wird — nie­mand mehr an die hei­len­de wir­kung von würst­chen glaubt. wäh­rend die ver­le­ger die kon­su­men­ten glau­ben las­sen möch­ten, dass ihre jahr­gangs-würst­chen aus rei­nem fi­let und aus gol­de­nen käl­bern her­ge­stellt sind, wei­sen tau­sen­de von be­ob­ach­tern täg­lich de­tail­iert dar­auf hin, dass auch (und ge­ra­de) die gros­sen, eta­blier­ten wurst­her­stel­ler nur mit was­ser ko­chen und die glei­chen zu­ta­ten wie alle an­de­ren be­nut­zen.

um in der ana­lo­gie zu blei­ben: die wurst­her­stel­ler glau­ben ihre würst­chen sei­en de­li­ka­tes­sen wie ka­vi­ar, sin­gle malt whis­keys oder cham­pa­gner. aus­ser ih­nen, glaubt das aber mitt­ler­wei­le kaum je­mand, zu­mal sich die meis­ten leu­te der­zeit auch mehr für bun­tes su­shi, raf­fi­nier­te ra­men-sup­pen oder kom­ple­xe cur­rys in­ter­es­sie­ren. die­sen et­was an­ders her­ge­stell­ten spe­zia­li­tä­ten wei­sen vie­le leu­te die ei­gen­schaf­ten zu, die wurst­her­stel­ler ger­ne ih­ren pro­duk­ten at­tes­tier­ten: gut be­kömm­lich, ge­sund­heits­för­dernd, auf­re­gend, be­frie­di­gend. für su­shi oder eine auf­wän­di­ge ra­men sup­pe las­sen die leu­te auch (noch) ger­ne was sprin­gen.

oder um das mal ohne me­ta­pher aus­zu­drü­cken: wenn et­was nicht ver­kauft wer­den kann, ist das oft ein zei­chen da­für, dass sich nie­mand für das pro­dukt aus­rei­chend in­ter­es­siert.

mein lieb­lings-senf­witz han­delt üb­ri­gens von ei­nem ver­le­ger am im­biss:
— „zwei knack­würst­chen bit­te.“
— „fünf­acht­zig.“
— „dan­ke. was kost der senf?“
— „nichts.“
— „dann hätt ich gern nen ei­mer.“


[nach­trag]

Lustig. Der #Spiegel und sein Vorbild. #Nerdnazis Via @jeffjarvis
medium.com/change-objects… pic.twitter.com/N6R6uBXiY8

— Rüdiger Fries (@r_fries) 01.03.2015 8:58


wohlfühlen im mittelmass

felix schwenzel

  gut­jahr.biz: „Mit­tel­maß ist der klei­ne Bru­der von nett“ - Aus der Mit­te ent­springt nur Frust   #

ri­chard gut­jahr:

Sei der Erste oder sei der Beste. Wenn du weder das Eine, noch das Andere zu bieten hast, hast du ein Problem. Kein Mensch wartet auf Mittelmaß!

Oder wann habt Ihr in der Kaffeeküche das letzte Mal den Satz gehört: „Du, gestern habe ich eine Serie gesehen, die war echt unglaublich mittelmäßig!“. Im Netz findet „geht so“ nicht statt. Mittelmaß wird durch Suchfilter und das Fehlen von Likes von vorne herein ausgeblendet. Anders ausgedrückt: Mittelmaß ist der kleine Bruder von nett.

ich möch­te ger­ne auf die mir ei­ge­ne mit­tel­mäs­si­ge art ant­wor­ten. ich bin ein gros­ser fan von mit­tel­gu­ten fern­seh­se­ri­en. es gibt näm­lich sehr gute mit­tel­mäs­si­ge fern­seh­se­ri­en. das ist auch re­la­tiv lo­gisch, weil es na­tür­lich nicht nur spit­zen qua­li­täts­fern­seh­se­ri­en ge­ben kann. da­von gibt es zwar ei­ni­ges, ich freue mich zum bei­spiel sehr auf die neue staf­fel house of cards auf net­flix und sehe mir eben­dort auch sehr ger­ne bet­ter call saul an. aber eben nicht nur.

eine mei­ner der­zei­ti­gen lieb­lings mit­tel­gu­ten se­ri­en, per­son of in­te­rest, wird in der ak­tu­el­len 4 staf­fel 22 fol­gen ha­ben, vor­he­ri­ge staf­feln hat­ten je 23 fol­gen pro sai­son. das ist eine men­ge, zum bei­spiel im ver­gleich mit bet­ter call saul, das in der ers­ten staf­fel nur 10 fol­gen ha­ben wird. eine an­de­re mit­tel­gu­te fern­seh­se­rie, die ich sehr ger­ne sehe, heisst Agents of S.H.I.E.L.D.. auch sie hat 22 fol­gen pro staf­fel.

mit­tel­gu­te fern­seh­se­ri­en ha­ben nicht im­mer die fi­nes­se, die fi­nan­zi­el­len mit­tel und die pro­duk­ti­ons­zeit von spit­zense­ri­en und müs­sen bei der pro­duk­ti­on jede men­ge kom­pro­mis­se ein­ge­hen. da muss sich das roo­se­velt is­land in new york schon mal als ber­lin ver­klei­den. oder man teilt sich dreh­or­te in und um los an­ge­les die güns­tig zu mie­ten sind mit an­de­ren se­ri­en. aber um auf ri­chard gut­jahrs fra­ge zu­rück­zu­kom­men: ja, mit­tel­mass, gut ge­mach­te mit­tel­mäs­si­ge fern­seh­se­ri­en, sind ge­ra­de der heis­se scheiss. ich er­zäh­le in un­se­rer kaf­fee­kü­che stän­dig von mit­tel­gu­ten fern­seh­se­ri­en.

es gibt na­tür­lich ein paar aus­reis­ser nach oben, wie brea­king bad, vor vie­len jah­ren the wire oder the west wing oder ak­tu­ell die gran­dio­sen se­ri­en broad church, home­land, far­go und the good wife. game of thro­nes mag 18 mil­lio­nen zu­schau­er pro fol­ge ha­ben, aber per­son of in­te­rest hat eben­falls um die 10 mil­lio­nen zu­schau­er pro fol­ge (das sehr mit­tel­mäs­si­ge NCIS und sei­ne ab­le­ger kom­men auf 16 bis 17 mil­lio­nen).

mit­tel­mass fin­det im fern­se­hen (und im netz) auf sehr brei­ter ba­sis statt. al­lein, dass es die­se web­sei­te seit fast 12 jah­ren gibt ist be­weis ge­nug, dass mit­tel­mass ganz gut funk­tio­niert — aber vor al­lem auf­merk­sam­keit ge­ne­rie­ren kann.

wenn ich „bei Work­shops oder Vor­trä­gen [...] von Stu­den­ten“ ge­fragt wür­de, lau­te­te mein tipp statt

Sei der Erste oder sei der Beste.

wie folgt:

Futter gibt es nicht nur ganz vorne. Tu das was du kannst und magst, versuche Leidenschaft für das was du tust zu entwickeln, aber lass dich nicht vom Ehrgeiz zerfressen. In der Ruhe liegt mehr Kraft als du denkst, bleib in Bewegung, aber werde nicht hektisch. Gehe nicht joggen oder sprinten, sondern auf ausgiebige Spaziergänge. Lerne von den Ersten und Besten, aber äffe sie nicht nach.


website gastronomie

felix schwenzel

  wired.de: John­ny Haeus­ler rät Ver­la­gen, ihre Web­sites zu schlie­ßen — rel­oa­ded   #

john­ny haeus­ler hat auf wired.de noch­mal sei­ne emp­feh­lung an ver­la­ge ihre web­sites zu schlies­sen nach­dif­fen­ziert. un­ter an­de­rem schrob er:

Felix Schwenzel schreibt in seiner Replik auf meinen Text: „Ich halte die Idee, dass News-Outlets auf eigene Webseiten verzichten sollten, weil sie dorthin gehen sollten, wo die Leute sind, für Quatsch. Das ist ein bisschen so wie zu sagen: Wer abends ausgeht um zu trinken, Leute kennenzulernen oder abzuschleppen, sollte vorher seine Wohnung kündigen."

Ich würde den Vergleich anders formulieren: Wer abends ein Bier trinken gehen will, geht nicht in die Brauerei, sondern in ein Lokal seiner Wahl. Dort gibt es Biere verschiedener Marken, von denen keine auf die Idee kommen würde, eine eigene Kneipe zu eröffnen.

da man auf wired.de nicht kom­men­tie­ren kann, hat john­ny haeus­ler dazu ein­ge­la­den bei ihm im blog zu dis­ku­tie­ren. das habe ich dort hin ge­schrie­ben:

mir ist auch noch ein beispiel eingefallen: apple hat vor 10 jahren auch jeder berater davon abgeraten eigene stores zu betreiben. das sei wahnsinn und zum scheitern verurteilt: „lass die verteilung mal von den verteilungsprofis machen, nur die sind da wo die menschen sind und nur so lässt sich hohes vertriebsvolumen erzeugen.“

in der realität hat sich aber gezeigt, dass apple beides hinbekommen hat, die leute zu sich zu holen und dahin zu gehen wo sie sind. neuerdings sind die berater auf dem standpunkt, dass jede marke die was von sich hält, auch eigene stores haben sollte. bei microsoft in berlin sogar mit angeschlossener gastronomie.

jetzt kann man natürlich sagen: ja-haaa, das was apple sich leisten kann, kann sich sonst kaum einer leisten und ausserdem hat apple produkte, die jeder haben will. was dann wieder die frage aufwirft: vielleicht stimmt mit den produkten der verlage was nicht, dass die denen niemand aus der hand reisst? vielleicht sollte man eher an der zielgruppen-akzeptanz und -kompatibilität als den vertriebskanälen drehen? und: geht da überhaupt noch jemand von den jungen leuten hin, in kneipen?

und in der gastronomie findet man so viele vertriebs- und geschäftmodelle, dass man wahrscheinlich für jede these der welt ein beispiel finden kann: brauereien als verlage, kneipen als buchhändler und amazon als allesfressender kneipen und brauereifresser. oder die grossen plattformen als systemgastronomie, lebensmittelerzeuger als contenterzeuger, kneipen oder microbrauereien als blogs, kantinen und mensen als spammer, hippe clubs mit strengen zugangskontrollen und verhaltensregeln als snapchat, natriumglutamat als nowthisnews.

unterm strich glaube ich aber, dass wir deshalb so wenige guten antworten auf die verlagskrise haben, weil wir noch nicht die richtigen fragen stellen und zu wenig differenzieren. und wohl auch, weil wir zu sehr mit hinkenden beispielen aus der materiellen welt argumentieren, die in welt der immaterialgüter nicht nur hinken, sondern stolpern.


wir lassen uns gerne verarschen

felix schwenzel

  netz­frau­en.org : Tricks der Su­per­märk­te - „Gut Pon­holz“, „Müh­len­hof“ oder „Gut Drei Ei­chen“ gibt es gar nicht   #

aldi, net­to, lidl, ten­gel­mann be­nut­zen un­ter an­de­rem auf ih­ren wurst­wa­ren be­zeich­nun­gen wie „gut pon­holz“, „müh­len­hof“ oder „gut drei ei­chen“. die höfe oder gü­ter gib­t's na­tür­lich nicht, die na­men sind er­fun­den und sol­len ein gu­tes ge­fühl beim kon­su­men­ten her­vor­ru­fen, wie aldi-nord dem ARD-ma­ga­zin plus­mi­nus (link zum you­tube-mit­schnitt der sen­dung) auf an­fra­ge ant­wor­te­te:

Darüber hinaus wollen Verbraucher auch emotional angesprochen werden. Dies wird durch Markennamen und/oder Wort-Bild-Marken, die einen emotionalen Bezugsrahmen bilden, gewährleistet.
— Aldi Nord

ganz ab­ge­se­hen da­von, dass man sich als kon­su­ment von sol­chen aus­sa­gen und sol­chen mar­ke­ting­mass­nah­men (na­tür­lich) ver­schau­kelt vor­kommt, ist es viel­leicht an der zeit zu­zu­ge­ben, dass wer­bung ein­fach funk­tio­niert. nicht jede wer­bung bei je­dem, aber bei je­dem ir­gend­ei­ne wer­bung.

ich wür­de bei aldi auch sa­chen kau­fen die doof aus­se­hen oder mich emo­tio­nal nicht an­spre­chen, vor al­lem weil ich aldi bei der qu­al­tät ver­traue. so­weit ich weiss hat aldi ein sehr aus­ge­feil­tes qua­li­täts­kon­troll­sys­tem. des­halb wür­de ich na­tür­lich auch sa­la­mi bei aldi kau­fen, auf der le­dig­lich das wort sa­la­mi ste­hen wür­de, ganz ohne land­le­ben oder wohl­fühl­il­lus­tra­tio­nen. ich muss aber zu­ge­ben, dass ich na­tür­lich eher ge­neigt bin neue pro­duk­te aus­zu­pro­bie­ren, wenn sie mir ge­fal­len, also ei­nen „emo­tio­na­len Be­zugs­rah­men“ vor­ge­ben.

und wo die al­di­spre­che­rin auch recht hat: wir wol­len auf un­se­rer wurst kei­ne hin­wei­se auf mas­sen­tier­hal­tung oder in­dus­tri­el­le pro­duk­ti­on ha­ben. wir wol­len un­se­re pro­duk­te frisch, in bes­ter qua­li­tät und mög­lichst bil­lig ha­ben. wir alle wis­sen (oder soll­ten wis­sen), dass das ohne eine ef­fek­ti­ve semi-in­dus­tri­el­le her­stel­lungs­wei­se nicht zu ma­chen ist. des­halb freu­en wir uns, wenn uns das mar­ke­ting da­von ab­hält zu sehr über die her­kunft der wa­ren nach­zu­den­ken , die wir na­tür­lich in ers­ter li­nie sehr güns­tig kau­fen wol­len. und wenn uns je­mand drauf hin­weist, dass wir hier ver­schau­kelt wer­den, kön­nen wir uns herr­lich über an­de­re als uns selbst auf­re­gen, ob­wohl wir das spiel seit jah­ren oder jahr­zehn­ten mit­spie­len.

es gibt aber noch ein pro­blem: . das kann man sehr schön an der ber­li­ner bier­mar­ke „bier“ se­hen. die ver­kauft bier mit ei­nem eti­kett auf dem das wort „bier“ und die füll­men­ge ste­hen. die mar­ke tut so als kom­me sie ohne wer­bung aus und schreibt zum bei­spiel auf („bier“-) wer­be­pla­ka­te warn­hin­wei­se, dass wer­bung täu­schen und ver­füh­ren kön­ne, man sol­le sich doch mal sei­ne ei­ge­ne mei­nung bil­den (aus dem ge­däch­nis zi­tiert. an dem wer­be-pla­kat bin ich heu­te zu acht­los vor­bei­ge­gan­gen, um es zu fo­to­gra­fie­ren):

Werbung beeinflusst Dein Kosumverhalten. Triff Deine Kaufentscheidung bewusst!

das glei­che gilt für die rewe-mar­ke ja!. die in­sze­niert sich selbst als eine mar­ke die so preis­güns­tig und spar­sam ist, dass sie auf wer­bung ver­zich­ten kann. trotz­dem ist sie mit ei­ni­gem an auf­wand so wie­der­erkenn­bar und strin­gent ge­stal­tet, dass sie so­gar so­et­was wie ei­nen kult­sta­tus er­reicht hat. real,- ver­sucht ähn­li­ches mit sei­ner neu­en mar­ke­ting­mar­ke „ohne teu­er“ (sie­he auch peer scha­ders ar­ti­kel über die neue real-mar­ke):

Um Ihnen ausgewählte Produkte zu einer Top-Preisleistung anbieten zu können, haben wir bei unserer Marke auf jeden Schnickschnack verzichtet. Sogar auf den Namen.

auf dem wo­chen­markt oder bei uns um die ecke beim bau­ern-di­rekt­ver­kauf ist das üb­ri­gens auch nicht an­ders. nur wird dort wie­der an­ders ge­wor­ben.


liebevoller beleidigen

felix schwenzel

  jawl.net: Re­al­ness, Au­then­ti­zi­tät, Ruhm und Dings   #

jan böh­mer­mann (der alte you­tuber) hat mal wie­der ir­gend­was über you­tuber und de­ren ver­mark­ter oder die ver­mark­tungs­netz­wer­ke oder au­then­ti­zi­tät ge­sagt (vi­deo da­von). ich fand das eher so mäh, weil ich das ge­fühl hat­te, dass die trit­te et­was zu wahl­los in alle rich­tun­gen gin­gen, auch in rich­tung nach un­ten.

chris­ti­an fi­scher fand das stück wohl auch et­was mäh und hat dar­über was ge­schrie­ben, was sich ein biss­chen so an­hört wie: och das war doch schon im­mer so:

Eigentlich wiederholen sich die Dinge nur.

dem kann ich na­tür­lich nicht wi­der­spre­chen. wo­bei ich nicht ge­nau ver­ste­he ob das be­deu­ten soll, kri­tik an din­gen die es schon im­mer gab sei or­dent­li­cher zu dif­fe­ren­zie­ren oder gleich ganz zu las­sen. dem text kann ich das nicht ent­neh­men. eben­so we­nig kann ich die­sem satz eine be­deu­tung ent­neh­men:

Im Bereich der sogenannten „alten Medien" hat Jan Böhmermann, der ja jetzt im ZDF und damit im Establishment angekommen ist, die Rolle des Aufklärers übernommen.

wenn man im ZDF eine sen­dung hat, ge­hört man zum es­tab­lish­ment? oder um­ge­kehrt, wenn man zum es­tab­lish­ment ge­hört, kommt man ins ZDF? über­haupt, was ist das über­haupt, die­ses es­tab­lish­ment? mal nach­schla­gen:

der du­den meint der be­griff wür­de ab­wer­tend ge­nutzt um eine „eta­blier­te bür­ger­li­che Ge­sell­schaft, die auf Er­hal­tung des Sta­tus quo be­dacht“ sei zu be­zeich­nen. der be­griff wür­de aus­ser­dem eine „Ober­schicht“ aus „po­li­tisch, wirt­schaft­lich oder ge­sell­schaft­lich ein­fluss­rei­chen Per­so­nen“ be­zeich­nen.

ich möch­te ja sehr be­zwei­feln, dass sich aus ei­ner sen­dung im ZDF zwangs­läu­fig po­li­ti­scher, wirt­schaft­li­cher oder ge­sell­schaft­li­cher ein­fluss er­ge­ben. theo­re­tisch müss­te dann auch sa­scha hehn auf ir­gend­et­was ein­fluss ha­ben (eine vor­stel­lung die mich ir­ri­tiert). ge­nau­ge­nom­men müss­te dann so­gar der pumuckl (auch wenn der in der ARD auf­trat) zum es­tab­lish­ment ge­hö­ren.

aber wahr­schein­lich hat chris­ti­an fi­scher die es­tab­lish­men­ti­sie­rung von böh­mer­mann in sei­nem „Fach­ma­ga­zin für dif­fe­ren­zier­te Be­trach­tungs­wei­sen“ gar nicht dif­fe­ren­zie­rend ge­meint, son­dern ein­fach nur ab­wer­tend. wo­bei ich ja hef­tig da­für plä­die­re dif­fe­ren­zie­rung nicht nur beim auf­klä­ren, prä­zi­sie­ren oder re­la­ti­vie­ren an­zu­wen­den, son­dern erst recht beim ab­wer­ten oder be­lei­di­gen von leu­ten.

also, bit­te: mehr lie­be und mühe in be­lei­di­gun­gen ste­cken.


ein jahr aeropress

felix schwenzel

vor un­ge­fähr ei­nem jahr habe ich mir ei­nen [-wer­be­link] aero­press kaf­fee­be­rei­ter ge­kauft. da­mals schrieb ich — et­was wei­ter aus­ho­lend — un­ter an­de­rem:

vor ein paar wochen las ich mal wieder über die aeropress-kaffeemaschine und entschied mich, das ding mal auszuprobieren. für knapp 25 euro kann man da ja nicht viel falsch machen, dachte ich. zuhause hatten wir noch ein paket dallmayr prodomo mit einer geschenkschleife im schrank stehen. muss irgendwann mal jemand mitgebracht haben. der erste kaffee den ich mit der aeropress aus dem dallmayr prodomo presste, knallte wie ein abendlicher restaurant-espresso. der geschmack war stark, ohne echten espresso-geschmack, aber auch völlig ohne bitterstoffe — allerdings auch ohne crema. zu meinem geburtstag bekam ich von der beifahrerin und dem kind eine elektrische kaffeemühle und ein kilo faire bio-kaffeebohnen aus guatemala geschenkt. wenn ich diese bohnen ganz fein mahle, bilde ich mir ein, dass der kaffee aus der aeropress eine leichte kakao-note bekommt. er ist weiterhin stark und nicht bitter und ohne das typische espresso-röstaroma. aber köstlich. die zubereitung ist etwas komplexer als mit der nespresso-maschine, aber ich trinke ihn ähnlich: eine tasse, die mit ⅔ milch gefüllt ist, erwärme ich 30 sekunden in der mikrowelle und kippe dann die hälfte des kaffeeextrakts, dass aus zweieinhalb grossen kaffeelöffeln kaffeepulver und ca. 100 milliliter wasser besteht, dazu.

ich trin­ke seit­dem ich die aero­press habe im­mer noch je­den tag ae­ro­ge­press­ten kaf­fee und bin rund­um zu­frie­den mit dem teil. bei un­se­rer newy-york-rei­se habe ich für 2 oder 3 dol­lar ein paar hun­dert neue pa­pier­fil­ter ge­kauft, ne­ben kaf­fee­pul­ver und was­ser gibt’s kei­ne wei­te­ren war­tungs­kos­ten für die aero­press. ich wür­de das ding je­der­zeit wie­der kau­fen.

was mich be­son­ders freut, war die mail ei­nes freun­des heu­te früh:

… eigentlich muss ich taeglich an Dich denken … ich hab mir seit deiner Wirres-Review die Aeropress gekauft und liebe sie. Best purchase ever!

ich kann wirk­lich emp­feh­len das teil mal aus­zu­pro­bie­ren, für knapp 30 euro kann man fast nichts falsch ma­chen: [ama­zon-wer­be­link] aero­press bei ama­zon kau­fen.


wir werden alle sterben — und das web erst recht

felix schwenzel

  wired.de: John­ny Haeus­ler rät Ver­la­gen, ihre Web­sites zu schlie­ßen   #

konn­te die­sen text von john­ny haeus­ler nicht zu­en­de le­sen, weil wired.de just in dem mo­ment die web­site schloss. hab ihn dann auf snap­chat zu­en­de ge­le­sen.


aber mal im ernst und mit ver­laub: ich hal­te die idee, dass news-out­lets auf ei­ge­ne web­sei­ten ver­zich­ten soll­ten, weil sie dort­hin ge­hen soll­ten, wo die leu­te sind, für quatsch. das ist ein biss­chen so wie zu sa­gen: wer abends aus­geht um zu trin­ken, leu­te ken­nen­zu­ler­nen oder ab­zu­schlep­pen soll­te vor­her sei­ne woh­nung kün­di­gen. auch die christ­li­chen, eu­ro­päi­schen mis­sio­na­re und kreuz­rit­ter ha­ben nicht ihre klös­ter und bur­gen dem erd­bo­den gleich­ge­macht, be­vor sie da­hin ge­gan­gen sind, „wo die Men­schen sind“.

na­tür­lich soll­te je­der, der et­was von men­schen will, dort­hin ge­hen, wo die men­schen sind. na­tür­lich soll­te man dar­über nach­den­ken, ob man stän­dig ver­su­chen soll­te, die men­schen von dort wo sie sind zu sich nach­hau­se zu lo­cken. na­tür­lich soll­te man auch ra­di­ka­le ideen aus­pro­bie­ren, so wie now­this­news.com das macht — oder ver­su­chen aus sol­chen ex­pe­rie­men­ten zu ler­nen.

mich er­in­nert das auch ein biss­chen an die gute alte push vs. pull de­bat­te zur jahr­tau­send­wen­de (1997). da wur­de von der (ame­ri­ka­ni­schen) wired das web, bzw. der brow­ser, erst­mals für tot er­klärt und die be­läs­ti­gung (push) mit „nach­rich­ten“ schön­ge­re­det. 2010 dann der er­neu­te ver­such der (ame­ri­ka­ni­schen) wired das web tot­zu­re­den: „The Web Is Dead. Long Live the In­ter­net“.

klar sol­len leu­te die et­was zu sa­gen ha­ben (nach­rich­ten-or­ga­ni­sa­tio­nen, wer­ber, PRler, mis­sio­na­re) da­hin ge­hen wo die men­schen sind. aber sie soll­ten auch wis­sen, dass es nicht je­der mag wenn man stän­dig vor de­ren ge­sichts­feld tanzt, springt und auf­merk­sam­keit zu er­hei­schen ver­sucht. kom­mu­ni­ka­ti­on ist viel­schich­tig und kom­pli­ziert. man braucht fein­glied­ri­ge und sen­si­ble werk­zeu­ge da­für. aber nach­rich­ten-out­lets zu emp­feh­len mit dem bull­do­zer zu ar­bei­ten und al­les alte ab­zu­reis­sen, hal­te ich für ei­nen feh­ler — oder zu­min­dest für über­trie­ben.

was man auch be­den­ken soll­te: ver­la­ge und news-out­lets sind wie sport­ler: sehr ver­schie­den, sehr un­ter­schied­lich spe­zia­li­siert. der trai­nings­plan für ei­nen 100 me­ter sprin­ter muss nicht un­be­dingt op­ti­mal für den ge­wicht­he­ber oder lang­stre­cken­schwim­mer sein.