noch ein paar worte zur nebenan-konferenz letztes wochenende. freundlicherweise hatte mich ole reißmann gefragt ob ich zum thema indieweb und reclaim etwas erzählen konnte, was im effekt zu wochenlanger recherche führte, die mir grossen spass machte und zu einigen technischen änderungen an diesem blog führten. das ergebnis habe ich hier aufgeschrieben: indie war gestern — oder umgekehrt.
Da könnt ihr noch so die Nase rümpfen: Helvetica - gerade bold/narrow in Kombination - geht einfach immer. #nebenanpic.twitter.com/6i0VYYplF0
die konferenz war klein, aber freundlich und vor allem freundlich organisiert. es gab leberwurst- und erdbeermarmeladenbrote zum selberschmieren, für die vortragenden ein paar getränkegutscheine und mittags einen veganen foodtruck, dem ich allerdings zwei selbstgeschmierte leberwurstbrote vorzog. aber die süsskartoffel-pommes waren toll (ich hab eine einzelne probiert). ulrike klode hat über die organsation der konferenz sehr nachvollziehbar gebloggt:
Ursprünglich hatten wir nur Leute angefragt, deren Sessionvorschläge von der re:publica 2015 (rp15) abgelehnt worden waren (…). Doch in Gesprächen mit anderen wurde ziemlich schnell klar: Wir sollten uns von der rp15 lösen. Und so haben wir eine eigene thematische Richtung entwickelt. Herausgekommen ist dann zwar ein Programm, das wir spannend finden.
ich fand das programm überraschend, aber insgesamt eher durchwachsen. ich konnte nicht mit allem etwas anfangen und das ist ja auch gut so und bei der #rp15 oder bei netflix nicht anders. dafür waren aber auch ein paar highlights im programm, von dem ich an dieser stelle nur eins herauspicken möchte. den vortrag von frau crafteln. sie redete über das bloggen in sehr belebten und lebendigen nischen (am beispiel der #nähnerds) darüber dass das internet und die nischen im internet aus menschen bestehen und wie wichtig mut und respektvoller umgang miteinander sind. sie schreibt drüben, bei sich selbst, darüber. das kann man lesen und staunen und wenn die vortragsvideos online sind, weise ich hier auch darauf nochmal darauf hin und dann kann man sich vortrefflich unterhalten fühlen, so wie ich am samstag.
Ich beschloss davon zu berichten, worüber ich mich auskenne: unsere gemütliche Nähnerd-Nische im Internets. Ich erzählte, dass wir eine Teilmenge der DIY-Blogs sind und dass es viele andere Nähblogs gibt, die andere Dinge nähen. […] Mir ging es darum, von unserer Ecke des Internets zu berichten, wo sich Frauen gut vernetzt und mit konstruktivem Miteinander bloggen, die ihre eigene Kleidung nähen. Ich erzählte, dass ich es wichtig finde, dass wir nett miteinander umgehen, ohne oberflächlich zu sein, dass wir voneinander lernen und dass wir uns alle ständig weiterentwickeln. Ich berichtete von dem Mut, den es die Einzelne kostet, Bilder von sich und dem Werk ins Internet zu stellen. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieser Mut nur aufgebracht wird, weil wir einen wertschätzenden Umgang pflegen und uns gegenseitig ernst nehmen - auch wenn wir alle unterschiedlich sind und uns im „echten“ Leben möglicherweise nie begegnen würden, weil wir so unterschiedliche Leben leben.
vom respektvollen umgang miteinander redeten eigentlich fast alle vortragenden und speziell jürgen geuters vortrag über die ethik des nicht-teilens war geradezu ein musterbeispiel dafür, wie viel arbeit wir noch vor uns haben, einen gesellschaftlichen konsens und regeln über das leben im cyberspace vernetzte zusammenleben finden (darüber habe ich im prinzip auch auf der rp15 gesprochen). ich bin sicher, @tante spielt bei diesem prozess weiter eine wichtige rolle.
was ich insgesamt an der #nebenan angenehm fand, war der fokus; nur ein track, keine parallelveranstaltungen, eine übersichtliche anzahl an teilnehmern. die teilnehmerzahl war zwar immer noch zu gross um mit allen zu sprechen, mit denen ich gerne gesprochen hätte, aber das kann auch an meinen schlechten smalltalk-skills liegen. trotzdem habe ich mit erstaunlich vielen menschen geredet die ich vorher noch nicht kannte oder die ich vorher noch nicht in der fleischwelt getroffen hatte. ausnahmslos alle waren dem motto entsprechend extrem freundlich. nicht auf der konferenz gesprochen hat ulrike bartos. aber mit mir. und ich kam aus dem staunen nicht mehr heraus: ulrike bartos führt ein blog mit dem sie ihren lebensunterhalt bestreiten kann: missbartoz.de. erstaunlich, aber auch folgerichtig, dass ich in meiner kleinen internet-wahrnehmungs-blase noch nie von ihrem blog gehört hatte; ich brauche zwar auch übergrössen, interessiere mich aber weder für männer- noch für frauen-mode. aber gerade dieses beispiel eines äusserst erfolgreichen blogs zeigt, dass man mit vorurteilen wie: „niemand bloggt mehr“ oder „das bloggen stirbt“, sehr vorsichtig sein muss.
auch interessant und vielleicht auch für die freundliche atmosphäre mitverantwortlich, war der anteil der frauen auf der konferenz. bei den vortragenden waren sie sogar in der mehrheit, im publikum schien es nicht viel anders zu gewesen zu sein.
ich habe viel gesehen und viel gelernt am samstag. die konferenz war nicht nur freundlich, sondern auch eine prima gelegenheit über den tellerrand zu schauen. etwas was ich selbst viel öfter machen sollte. danke dafür und danke für die leberwurstbrote!
vortrag über das bloggen und das indieweb, den ich am 6. juni 2015 auf der nebenan.hamburg gehalten habe. auf youtube gibt es eine aufzeichnung.
den titel für diesen vortrag, habe ich mir nicht selbst ausgedacht, sondern ole reißmann. so lautete die ankündigung auf der veranstaltungsseite:
Indie war gestern. Warum niemand mehr bloggt oder seine eigene Seite fürs Publizieren nutzen möchte und warum sich niemand für das Indieweb und reclaim.fm interessiert.
und bevor ich erkläre was „indieweb“ und „reclaim“ überhaupt sind, würde ich gerne darauf hinweisen, dass der titel und der anreissertext totaler quatsch sind.
ich würde nämlich gerne behaupten, dass „indie“ eine grosse zukunft hat und dass man eigentlich nicht behaupten kann, dass „niemand mehr bloggt“. ich glaube nämlich mittlerweile, dass das bloggen in bestimmten bereichen boomt, nur nicht so sehr im mainstream, bzw. unsichtbar in nischen versteckt, die wir gelegentlich abfällig mit mutti-, strick, food- oder whatever-blogs abtun.
diese frage hingegen
warum sich niemand für das indieweb und reclaim.fm interessiert
ist leicht zu beantworten: für das indieweb und reclaim interessiert sich niemand weil’s zu kompliziert ist — niemand kaum jemand, hat den sinn sinn vom indieweb verstanden. kaum jemand hat den sinn sinn von reclaim verstanden.
ich habe mich, als ich vor zwei, drei jahren versucht habe reclaim zu bauen, mal intensiver mit dem indieweb auseinandergesetzt und dabei weniger als die hälfte verstanden. normalerweise werfe ich anderen gerne vor, dass ihnen bei der entwicklung von web-projekten oft das abstraktionsvermögen und die fähigkeit potenziale zu erkennen fehlt. die potenziale des indiewebs habe ich damals ansatzweise verstanden, die konzepte, protokolle und technologien dahinter hingegen kaum. mir fehlt teilweise immer noch das abstraktionsvermögen, um auf manchen indiewebseiten einen sinn, potenziale oder struktur zu erkennen.
die webseiten von aaron perecki sind exemplarische und vorbildliche indiewebseiten — und während gut nachvollziehbar ist was artikel oder notizen (kurze, tweetartige artikel ohne überschrift) sind, ist die frage bei antworten schon schwieriger. antworten? auf wen? warum? warum dort?
was steht auf dieser seite? eine antwort auf ne antwort? kann ich auf die antwort auch antworten? wo? wie? kann ich auf diese antwort auch auf twitter antworten?
das gleiche galt und gilt für das reclaim-projekt: da haben ich und einige andere potenziale, sinn und praktischen nutzen erkannt, aber viele andere nicht.
ich sehe schon, ich komme nicht drum rum, kurz zu erklären was indieweb und reclaim eigentlich sind. obwohl ich eigentlich vorher noch klären sollte was bloggen ist. denn die wurzeln des indiewebs stecken natürlich im bloggen — glaube ich zumindest. zum bloggen habe ich vor allem eins zu sagen:
ich blogge in erster linie erstmal nur für mich.
vor allem um dinge, ideen, momente festzuhalten — und mich später dran zu erinnern oder das verflossene wiederzufinden. wenn ich dinge aufschreibe ist das eine art verdauungsvorgang. ich strukturiere die gedanken, formuliere sie aus, bearbeite sie tiefer, als wenn ich nur in der dusche oder auf dem weg zur arbeit drüber nachdenken würde. tatsächlich habe ich vor 15 jahren angefangen mit dem schreiben, dem regelmässig ins internet schreiben, als mich meine arbeit, mein studium anfingen zu langweilen und zu frustrieren. schreiben war ein kreativer gegenpol. neben dem festhalten von gedanken, erlebtem, war (und ist) das schreiben eine form der kreativen selbstbefriedigung.
antje schrupp sieht das ähnlich: für sie ist das dokumentieren ihrer ideen eine neue, eine andere art zu denken.
Das Wesentliche ist das Dokumentieren meiner Einfälle und Wahrnehmungen, wofür es seit dem Internet eine technologische Möglichkeit gibt, die es früher nicht gab. Mit „Mikropostings“ im Internet denke ich sozusagen öffentlich. Früher gab es nur die Möglichkeit, diese Eindrücke mit denjenigen zu teilen, die zufällig in der betreffenden Situation ebenfalls anwesend sind – he, guck mal hier! Ich denke dazu das, was meinst du?
sie erweitert den dokumentationsgedanken hier allerdings noch um einen wichtigen aspekt, den der kommunikation, des gesprächs, des plauderns. technologie ermöglicht es uns mit leuten zu plaudern die gerade nicht körperlich anwesend sind. und das ist der aspekt, der bloggen erst wirklich interessant macht — im gegenteil zum beispiel zum tagebuch-, oder genauer, nicht-öffentlichen schreiben.
und noch spannender ist natürlich das ganze blogding als eine art gehirnerweiterung, als externes denkwerkzeug zu sehen:
Dieser kleine, tägliche, unspektakuläre Austausch ist für mich inzwischen so eine Art Werkzeug meines Denkens geworden, ein Tool, auf das ich nicht verzichten möchte. Denken funktioniert ja nicht im abgeschlossenen Gehirn einer isolierten Persönlichkeit, sondern im permanenten Austausch mit der Welt und mit anderen Leuten.
das ist keine allgemeingültige definition des bloggens, aber eine mögliche, meine:
verdauen — denken — veröffentlichen
oder anders: ich veröffentliche, also denke ich …
der witz ist allerdings, dass die verständnisprobleme schon genau hier anfangen:
warum machst du das?
was sagt dein arbeitgeber dazu?
was ist mit deiner privatsphäre?
mir wäre das zu anstrengend!
liest das denn überhaupt jemand?
das gibt doch nur ärger …
die faszination des bloggens ist in der tat wahnsinnig schwer zu vermitteln und die einstiegshürden (gar nicht mal unbedingt die technischen) scheinen irre hoch zu sein. als ich angefangen habe zu bloggen dachte ich: „mann! dieses bloggen ist toll, das will bestimmt jeder.“
und meine enttäuschung darüber, dass das nach wie vor so wenige tun, ist seit 15 jahren auf einem gleich hohen niveau.
ABER! … in den letzten fünf, sechs jahren hat sich etwas verändert. die leute schreiben plötzlich ins internet! allerdings nicht in blogs. sondern ins facebook. und ganz ehrlich: ich finds grossartig. ich finds grossartig das plötzlich ganz viele ins internet schreiben.
dass facebook funktioniert liegt übrigens nicht nur an niedrigeren technischen hürden, sondern daran dass facebook bestimmte psychologische hürden senken konnte: dort zu reden, zu schreiben wo niemand oder wenige sind, ist kommunikation eher frustrierend. dort reden wo alle sind, ist party.
facebook hat das jedenfalls ganz gut hinbekommen. ich hatte vor vielen jahren mein facebook-konto auch ruhen gelassen, bis ich merkte: auf facebook sind mittlerweile „alle“. facebook ist kuschelig und freundlich. blogs, das internet, wirken auf viele kalt und abweisend.
aber ich schweife ab. ich wollte erklären was reclaim ist und was das indieweb ist. aber eigentlich bin ich gar nicht abgeschwiffen, denn das grossartige was facebook, twitter, instagram oder das hier bewirkt haben (niedrigschwelliger zugang zum veröffentlichen, gemeinschaftsbildung, kommunikation über grenzen hinweg) ist gleichzeitig auch der grund für bestimmte frustrationen.
ich wollte zum beispiel immer gerne meine letzten tweets, twitpics, instagramme auf der rückseite von wirres.net sammeln. und auch wenn die meisten dieser dienste eine API-schnittstelle bieten, war es doch irre kompliziert die daten dort zur eigenen verwendung rauszuholen. ich habe mir über monate hinweg scripte zusammengeschraubt, die ein paar meiner daten aus den silos der grossen anbieter per API rausholten, um sie auf meiner rückseite anzuzeigen. (die „widgets“ der hersteller wollte ich dafür nicht benutzen, da sie fast ausnahmslos scheisse aussehen und tonnenweise javascript in die eigene seiten injezieren.)
irgendwann fragte mich sascha lobo ob er auch sowas haben könnte und ich habe versucht die scripte die ich zusammengehämmert hatte ein bisschen zu systematissieren und professionalisieren. daraus ist dann das projekt reclaim geworden, ein auf wordpress basierender plugin, mit dem man sich tatsächlich alle seine aktivitäten aus sozialen netzwerken ziehen kann (tweets, facebook- und googleplus-aktivitäten, pins, flickr-bilder, instagramme, youtubevideos, favs und likes) und auf einem/seinen wordpress-blog republizieren kann.
wir konnten plötzlich alles was wir in die silos bliesen durchsuchen, sortieren, archivieren oder darstellen.
aber ausser uns uns sahen es eher wenige als erstrebenswert an, all die inhalte die man favt, liked, shared oder manchmal selbst veröffentlicht auf der eigenen seite zu sammeln. dazu kam, dass die technischen hürden für die software sehr hoch waren (und sind) und es viele ungeklärte rechtliche fragen gibt. vor allem aber hatte ich furchtbar wenig zeit und motivation um die entwicklung voranzutreiben. die APIs ändern sich ständig. irgendwas war ständig kaputt. alle wollten ein fertiges produkt, aber nur wenige wollten mitentwickeln.
als eine der ersten versionen von reclaim fertig war entdeckte ich das indieweb. ich erfuhr, dass die indiewebleute das was reclaim macht „PESOS“ nannten (post elsewhere, syndicate [to your] own site). den rest verstand ich nur so halb. ich las faszinierende ideen und konzepte, konnte aber nicht alzuviel damit anfangen. was ich verstand: das bevorzugte konzept bei den indiewebleuten lautete übrigens nicht PESOS, sondern „POSSE“ (post [on your] own site, syndicate elsewhere). ich habe das damals fasziniert beobachtet, aber konzeptionell kritisch gesehen. denn einer der vielen vorteile von PESOS ist ja, dass man teilweise sehr tolle und benutzerfreundliche web- oder app-interfaces nutzen kann um inhalte zu veröffentlichen und dann zu sich rüberziehen:
mein eindruck damals, wie heute, war: alles furchtbar kompliziert.
dazu kam, in den letzten monaten fehlte mir für reclaim ein echter, befreidigender nutzen. so habe ich zum beispiel in den letzten monaten relativ viele essensbilder auf facebook gepostet. das gab dort erfreulich viel feedback und reichweite. ich mag auch die einfache, unkomplizierte methode bilder auf FB posten zu können. klick, klick, fertig. die essensbilder wurden von meiner reclaim-instanz kopiert, aber die essenbilder dann auch dort in kopie zu haben, war unbefriedigend, leblos. ich hätte die essensfotos und das feedback und die reaktionen gerne auf meinem richtigen blog. aber wirres.net läuft eben nicht auf wordpress, sondern auf einem 14 jahre alten CMS.
dann wurde ich auf die nebenan.hamburg-konferenz eingeladen. ole reissmann schlug mir vor über das indieweb und reclaim und das bloggen zu reden. also musste ich über den ganzen scheiss nochmal nachdenken und recherchieren, was ich, während ich essensfotos auf facebook veröffentlichte, stark vernachlässigt hatte.
Womöglich gehe ich nur zu "nebenan", um @diplix zu fragen, wieso wirres.net weder h-card noch h-entry noch webmention macht.
und dann sowas: kritik an meinem vortrag, meiner thematischen-kompetenz, noch bevor ich den vortrag überhaupt vorbereitet hatte. das war aber in der tat ne gute frage. bis zu diesem tweet wusste ich nämlich, wie 99,99999 % der weltbevölkerung nicht, was h-card und h-entry sind.
vorab: sie sind total praktisch! und sie sind grundbausteine des indiewebs. h-card und h-entry sind teil der sogenannten microformate. im prinzip machen sie webseiten für maschinen, für programmierer, für crawler, für scripte lesbar.
so kann man zum beispiel aus dieser seite, das hier machen — wenn die seite microformate enthält. das sind strukturierte daten. angaben über den autor, den titel, die enthaltenen bilder, die artikel-art und so weiter und so fort.
das gleiche liefert twitter übrigens über jeden tweet, wenn man den passenden schlüssel hat, kann man diese daten über die twitter-API für jeden tweet abrufen:
aber statt einer API hat eine webseite, die mit microformaten formatiert ist, maschinenlesbares, semantisches HTML. aaron parecki nennt das folgerichtig: HTML is my API — oder anders gesagt: wenn jeder zugriff auf die strukturierten daten einer website hat, kann jeder damit sachen machen.
zum beispiel faven. weil sowohl mein blog, als auch aaron pareckis blog microformate enthalten, bzw. „indieweb-ready“ sind, kann ich diese seite einfach faven:
ich versuche mal kurz, schritt für schritt, zu erklären was da passiert ist:
mit einem quill-bookmarklet habe ich per klick einen artikel auf wirres.net erstellt der per microformat-auszeichnung (like-of) die information enthält: felix schwenzel mag einen artkel mit der url https://aaronparecki.com/articles/2015/04/26/1/html-is-my-api. sende ich jetzt einen webmention von wirres.net zu aaronpareki.com guckt aaronpareki.com was der schwenzel da gemacht hat — aha — ein like, und vermerkt das unter dem artikel.
genauso funktionierte das mit einem kommentar, den ich auf meiner seite veröffentliche und dann einen webmention verschicke oder einem repost.
einfach, ne?
in wirklichkeit stecken dahinter natürlich ein paar technische feinheiten die nicht ganz ohne sind, aber leicht genug, dass ich sie als nicht-programmierer an ein paar abenden umsetzen konnte und mein altes CMS damit aufrüsten konnte. wichtig ist aber: die anwendung an sich ist einfach — und ist im prinzip auch mit buttons möglich.
das problem sind beim indieweb aber nicht nur die technische hürden und noch nicht ganz ausgereifte technologien, sondern wie beim bloggen konzeptionelle hürden. oder anders gesagt: die frage warum man das mit indieweb-technologien alles auf seinem eigenen blog machen soll, wenn es doch mit facebook, twitter oder tumblr alles viel einfacher und per knopfdruck geht.
das ist einer von vielen gründen, etwas hochtrabend formuliert, das trifft aber einen ganz wichtigen punkt. facebook, twitter, blogger.com sehen so aus wie öffentlicher raum, sind aber private räume in denen der hausherr oder die hausfrau tun kann was sie will.
jüngstes beispiel politwoops, eine plattform die tweets sammelt, die politiker wieder zu löschen versucht haben. twitter hat denen einfach den saft abgedreht, unter hinweis auf deren nutzungsbedingungen. ausserdem gibt es fälle bei denen auf facebook oder instagram einträge gelöscht wurden, die mütter beim stillen zeigten oder von frauen, die meinen sie sollten die gleichen rechte wie männer haben und bilder von ihrem unbekleideten oberkörper veröffentlichen dürfen. die liste, warum es vorteile haben könnte auf der eigenen seite zu veröffentlichen und sich nicht zu abhängig von silo-anbietern zu machen, lässt sich beliebig fortsetzen. hier nur ein paar erratische beispiele:
webdienste die schliessen (geocities, twitpic), sich ständig ändernde AGB oder APIs, absurde nutzungsbedingungen, nicht vorhandene oder bekloppte suchfunktion, mangelhafte GIF-unterstützung, keine übersicht über reaktionen über dienste hinweg, geringe auffindbarkeit, geringe zugänglichkeit, keine möglichkeit suchmaschinenoptimierung für silo-inhalte zu betreiben, selbstermächtigung, keine unterstützung von microformaten, keine webmention-unterstützung.
auf der nebenan-konferenz habe ich an dieser stelle des vortrags einen etwas unvorteilhaften selfie mit instagram gemacht und auf instagram veröffentlicht. wenige sekunden später war der selfie auf wirres.net, twitter und facebook veröffentlicht. alles automatisch getriggert durch die veröffentlichung auf instagram.
im detail funktioniert das so: instagram pingt nach der veröffentlichung ownyourgram an, ownyourgram veröffentlicht per micropub-schnitstelle das bild auf meinem blog und mein blog pingt bridgy an das bild auch auf twitter und facebook zu posten.
das alles ist jedenfalls dann einfach, wenn man sein blog ein bisschen gepimmt hat, sprich, für das indieweb vorbereitet hat. das kann man schritt für schritt auf indiewebify.me durchgehen und testen. was dann neben den massnahmen die auf indiewebify.me aufgezählt sind fehlt: ein micropub-endpunkt und eine anmeldung per indieauth bei ownyourgram. mein micropub-endpunkt basiert auf diesem script und einer anpassung der XMLRPC-funktion meines CMS.
was ich am indieweb besonders angenehm finde ist, dass man unter artikeln auf der eigenen seite die reaktionen auf die syndizierten kopien per bridgy wieder einsammeln kann (zumindest die von twitter, instagram, g+ und facebook). das sieht man auch unter dem podiums-selfie.
zum prinzip der syndizierung von eigenen inhalten habe ich vor ein paar wochen schonmal was geschrieben. das prinzip ist auch schon mit dem guten alten volltext-RSS etabliert: wenn ich mich als leser entscheide einer seite per RSS zu folgen, muss ich die seite zum konsumieren nicht extra ansurfen. ich kann im RSS-reader bleiben. auch facebook hat die vorteile erkannt, die es haben kann, wenn man den lesern entgegen kommt und ihnen klicks und wartezeit erspart. bei facebook nennt man diese art von inhalte-syndizieruzng instant articles.
ich finde, indieweb-technologien wie POSSE oder syndizieren, sollten sich auch um die beantwortung dieser frage drehen: wie kann ich leser besser erreichen?
und in der tat ist das auch eines der prinzipien die sich die indieweb-menschen ausgedacht haben:
POSSE lets your friends keep using whatever they use to read your stuff (e.g. silo aggregators like Facebook, Tumblr, Twitter, etc.).
(zeitungen liegen ja auch nicht nur im verlagshaus aus. sie werden dahin gekarrt, wo die leute sind. in kaffeehäuser. in wohnungen. zu friseuren.)
das instagram-beispiel ist eines der beispiele, warum ich glaube dass das indieweb zukunft hat. ich kann inhalte erstellen, egal ob per per POSSE oder PESOS, ich lasse die inhalte dort konsumieren und diskutieren wo die interessenten sind.
und auch die technische weiterentwicklung von blogs, die manche sehr vermissen, geht hier in gutem tempo voran. auch das hat mit indieweb-prinzipien zu tun. dort liegt der fokus auf der konkreten umsetzung von konzepten, nicht auf der theoretischen ausarbeitung von ideen. in einem interview im screenguide magazin (leider nicht online verfügbar), sagte aaron parecki über die prinzipien des indiewebs:
machen statt reden
benutze deine eigenen tools
kontrolliere deine daten
diejenigen die das indieweb vorantreiben zu versuchen, benutzen die technologien alle selbst (eat-your-own-dogfood-prinzip). jeder in anderen geschmacksrichtungen, beinahe alle mit verschiedenen CMSystemen … aber fast alles was im rahmen des indiewebs entwickelt wird, ist natürlich open source. das was ich mit der indiewebifizierung meines blogs in ein paar wochen gemacht habe, konnte ich trotz programmier-analphebetismus in wenigen wochen abendfreizeit umsetzen, dank der grandiosen vorarbeit von vielen indiewebmenschen.
das ist alles kein erfolgsgarant, oder ein mittel schnell die massen, „alle“ zu begeistern und zum mitmachen zu motivieren, aber es ist eine sehr lebendige gemeinschaft, die ich als sehr hilfsbereit und kompetent erfahren habe. so ähnlich hat sich das auch zur frühzeit (in der steinzeit) der „blogoshäre“ angefühlt.
insofern ist die frage warum sich niemand für das indieweb interessiere eigentlich falsch gestellt. für das indieweb interessieren sich nicht alle, aber sehr viele. und das ist zum teil auch absicht, weil die technologieen alle noch nicht reif für einen massenmarkt sind, richtet sich das indieweb bisher explizit nur an entwickler und designer.
da ich aber weder entwickler, noch designer bin, hat mit meinen interesse am indieweb wohl bereits die popularisierung des indiewebs begonnen. und auch wenn die konzeptionellen zugangsschwellen noch recht hoch liegen, ich rufe gerne dazu auf, sich das alles mal näher anzusehen, denn der nutzen und der spass an diesen technologien ist grossartig.
relativ gefahrlos und mit niedriger einstiegsschwelle kann man sich diese technologien übrigens mit withknown.com ansehen. eine gehostete und selbst-installierbare blogsoftware, die viele indiewebtechnologien bereits eingebaut hat.
[nachtrag 11.09.2015]
aufzeichnung des vortrag auf youtube:
ist mir jetzt erst aufgefallen, auf turi2 gibt’s seit ein paar monaten keine kommentarfunktion mehr. und was sagt der chef und app-entwickler peter turi dazu?
Ein Blog ohne Kommentarfunktion ist wie ein Hahn ohne Libido.
hm. das hat er natürlich nicht über seine eigene libido sein eigenes blog gesagt, sondern über das bildblog. vor 10 jahren.
auf turi2.de (veröffentlichungsjahr 2007) ist aber auch zu lesen, dass man sich ohne kommentarfunktion einer diskussion „entziehen“ würde:
… die Lektüre trotz flotter Schreibe mitunter zäh werden lassen. Zumal sich „Bildblog“ einer Diskussion seiner Inhalte entzieht, indem er die Kommentarfunktion abgeschaltet hat.
turi2 ist jetzt ja auch eigentlich turi3, sagt peter turi (veröffentlichungsdatum ende 2014):
turi3 ist der Newsstream der Branche. […] Optimiert für Smartphones können Medienmacher zu jeder Tages- und Nachtzeit bei uns sehen, suchen und kommentieren, was weltweit in der Medienbranche gerade passiert und diskutiert wird.
und dann kommt „turi3“ so libidolos daher:
[nachtrag 03.06.2015]
peter turis erklärung: it’a fehler, not an absicht.
netflix hatte anlässlich des baldigen starts von sense8 und der dritten staffel von orange is the new black zu einem cocktail-empfang geladen. am anfang gabs ein bisschen rumstehen …
… und leider nur berliner pilsener — das gleiche mistbier wie auf der republica. da musste ich halt cocktails trinken. ich habe irgendwas mit rum getrunken, der dem thema (netflix) entsprechend frank underwood hiess.
nicht nur weil die beifahrerin zum geburtstag ne selfiestange geschenkt bekommen hatte, wurde aus dem empfang bald ein selfiefest.
vor dem selfie, bzw. bild mit taylor schilling (die die piper chapman in #oitnb spielt) hatte die beifahrerin ein bisschen — nun denn — zweifel.
nach etwas überzeugungsarbeit näherten sich dasnuf und die beifahrerin langsam taylor schilling, die aber leider gerade in ein gespräch vertieft war mit jemandem der wichtig erschien.
aber am ende wurde dann doch alles gut, als fast alle schon weg waren und taylor schilling eigentlich gerade gehen wollte habe ich sie kurz gefragt ob sie was gegen ein foto hätte. hatte sie nicht und sie liess sich auch geduldig von der beifahrerin ein bisschen was aus unserem leben erzählen.
das war ein sehr angenehmer abend, auch wenn wir über sense8 und orange is the new black eher wenig erfahren haben. ich habe orange is the new black nach der vierten oder fünften folge der ersten staffel übrigens abgebrochen zu gucken, aber die schaupspielerinnen schienen mir alle sehr sympathisch und leuchtend — um nicht zu sagen wunderschön. aber das kann auch am licht oder den frank underwoods die ich getrunken habe gelegen haben.
ich kann mich nicht daran erinnern jemals eine wettervorhersage im fersehen gesehen zu haben und mich danach daran erinnert zu haben, wie das wetter denn nun am nächsten tag wird. die informationen die die wettermenschen einem im fernsehen präsentieren sind meisten komplexer als meine erwartungen ans wetter (kalt/warm, sonnig/bewölkt, regen?). abgesehen davon ist es natürlich gerade im fernsehen interessanter die menschen die das wetter präsentieren anzusehen und zu bewerten als ihren spanisch klingenden ausführungen konzentriert zu folgen.
j sei dank können die mobilgeräte die wir mittlerweile fast alle mit uns herumschleppen ganz gut zusammenfassen wie das wetter ist und wie es werden könnte. aber auch das überfordert mich meist. ich habe mein telefon eben gefragt und es antwortet:
Meist bewölkt mit einem Wind aus West mit 35 km/h. Die Höchsttemperatur wird bei 17° liegen. Heute Nacht: Teilweise bewölkt bei einer Tiefsttemperatur von 7°.
alternativ, nach einem weiteren klick, bietet mir mein telefon eine ansicht die das wetter ganz gut zusammenfasst. damit schaffe ich es meisten auf einen blick zu erkennen, wie das wetter gerade draussen ist. wie das wetter wird, vermag ich nur mit extremer konzentration zu erfassen.
kürzlich, nach einer aufforderung der beifahrerin („regnets heute?“ — „häh? weiss nicht …“ — „google mal wetter berlin!“), habe ich das hier zum ersten mal (bewusst) gesehen:
das ist mal eine zusammenfassung die ich ansehen kann und auf einen blick verstehen. ich finde den kontrast zu, beispielsweise, dieser ansicht bemerkenswert:
warum ich das alles aufschreibe? weil es ja auch immer wieder diskussionen um die vorherrschaft von google oder anderen anbietern aus übersee geht. aber aus benutzersicht ist das eigentlich ganz gut nachvollziehbar. die benutzbarkeit, die qualität der benutzerführung und der suchergebnisse von google-diensten, stehen regelmässig in starkem kontrast zu bestehenden angeboten. google wird nicht gewählt weil google so ne tolle marke ist, sondern weil es funktioniert. nicht nervt. gut lesbar und gut benutzbar ist. das nur mal am rande zum ewigen gejammer, dass google in allen möglichen bereichen eine „marktbeherrschende“ stellung erreicht. diese vorherrschaft besteht nur so lange, bis auch andere anbieter lernen, dass es sich lohnt, dem benutzer das gefühl zu geben im vordergrund zu stehen. (ob der benutzer bei google wirklich im vordergrund steht, ist ne ganz andere frage.)
das prinzip erstreckt sich übrigens auch in viele andere lebensbereiche. in vielen deutschen (einzelhandels-) geschäften habe ich das gefühl als kunde ein störfaktor zu sein, der die gespräche des verkaufspersonals oder deren angeregtes rumstehen unterbricht und die geschäftsprozesse durcheinanderwirbelt. kürzlich erst wieder gehört: getränke nur am seitenfenster, essen am vorderfenster und mit dem essen vom vorderfenster dürfen sie dann aber nicht hier sitzen. das ist alles aus der perspektive der geschäfte nachvollziehbar, abrechnungsgründe, organisatorische fragen — nur was interessiert mich das als kunden? als kunde bekomme ich das gefühl einfach nur zu stören.
kürzlich ne fusswanne bei amazon bestellt. die war lächerlich klein und nur für kinderfüsse benutzbar, was aber online, bei der bestellung, nicht erkennbar war. also hab ich auf der amazon-website eine retoure beantragt. amazon antwortete mir: „danke schön, die 5 euro schreiben wir ihnen gut, die wanne brauchen sie nicht zurückzuschicken.“
sehr sehenswert fand ich am wochenende den pseudo-dokumentarfilm deutschboden von moritz von uslar. der lief im rahmen der „der film zum wochenende“-reihe auf spiegel-tv. zuende gesehen habe ich ihn nicht, weil ich am wochenende irgendwann zu müde war. weitergucken kann ich aber auch nicht, weil er nach dem wochenende depubliziert wurde. na gut, rechtefragen und so. soll mir recht sein. der entscheidendere, störendere punkt war aber die benutzerführung auf der spiegel-tv-seite. erstmal soll ich flash benutzen. na gut, starte ich halt den alten chrome-browser, der hat noch flash. vorabwerbung — auch ok, auch wenn es natürlich toll wäre, sie überspringbar zu haben. fullscreen geht. leertaste zum pausieren allerdings nicht. obwohl ich mittlerweile (sehr) schnelles internet zuhause habe: der film ruckelt und buffert hin und wieder. kann ich auch mit leben, genauso wie ich damit leben kann, dass sich spiegel-tv nicht die alte abspielposition merkt, wenn ich die filmseite nach einem spaziergang erneut aufrufe. aber alles zusammengenommen ist das genau betrachtet eine usability-katastrophe.
der spiegel-tv-video-player wäre in den 80er jahren sicherlich eine sensation gewesen. aber in zeiten von netflix, das kein flash verlangt, (fast) nie ruckelt, sich meine abspielposition nicht nur an einem gerät, sondern auf allen geräten merkt, ein fluffiges benutzerinterface bietet, das meinen (alten) nutzungsgewohnheiten entgegenkommt, in diesen zeiten kommt man sich von so einer technologie wie sie spiegel-tv online bietet — verarscht vor.
früher™ fiel das nicht weiter ins gewicht. es gab kaum vergleichsmöglichkeiten und wir hatten ja nix. aber heutzutage™, wo das netz mit allen möglichen, überlegenen, besser funktionierenden angeboten überquillt, ist es eigentlich of-the-essence alles dafür zu tun, dass die nutzer sich nicht verkackeiert vorkommen und die eigenen angebote auf einen mindeststandard an benutzerfreundlichkeit anzuheben, damit einem die nutzer nicht weglaufen. das ist nicht einfach, ich weiss, aber das klagen, dass die nutzer alle zur konkurenz aus übersee gehen, ist auch nicht einfach.
nach dem letzten spaziergang auf unserem 66 seen rundwanderwegvorhaben, der dann doch ziemlich lang war, haben wir diese woche eine etwas kürzere strecke erwischt, von wensickendorf nach wandlitzsee.
gleich bei der ankunft (mit der RB26) in wernsickendorf haben wir etwas gesehen, das ich so noch nie gesehen habe: ein per hand bedienter bahnübergang.
die häuser wurden, je näher man wandlitz kam, immer nobler und zauniger. um stolzenhagen herum hielt sich die noblesse allerdings noch in grenzen.
an der wensickendorferstrasse, kurz vor dem stolzenhagener see gibt’s einen rotteplatz auf dem man offensichtlich an jedem ersten samstag im monat zwischen 10 und 13 uhr gartenabfälle abgfeben kann. gleich neben dem anderen rotteplatz, dem friedhof.
manchmal ist in brandenburger dörfern die dorftristesse doch sehr greifbar.
aber kurz bevor die tristesse einem das gemüt trübt, kommt eine rast. heute wars die fischerstube am stolzenhagener see. auf yelp sind die ansichten über dieses restaurant eher gemischt. die karte war jedenfalls sehr OK, fischig und anregend. wir sassen draussen, mit blick auf den see und der kellner schien sehr viel zu tun zu haben. allerdings eröffnete er uns, als er dann kam, dass es für das essen eine wartezeit von mindestens einer stunde gäbe. essen gäbe es aber auch am fenster vorne zum parkplatz, getränke am seitenfenster und wenn man am parkplatzfenster essen kaufe, müsse man mit den partybänken an der seite vorlieb nehmen, die nicht direkt am see sind.
tatsächlich gab es am parkplatzfenster dann fischbrötchen (€2,50), aber keine getränke. die gabs nur am seitenfenster (bier €3,00).
im „imbissbereich“ der „fischerstube“ wird nicht bedient!
hier gibt’s essen
hier gibt’s getränke
nach der fischerstube bs dann wieder dorftristesse, aber immerhin auch den willen zum humor:
die beifahrerin hat sich in den kopf gesetzt, dass wir einmal um berlin wandern, auf dem 66-seen-wanderweg. dafür hat sie sich sogar dieses buch gekauft und nach einer etappe vor 8 monaten und einer in der letzten woche, haben wir heute die dritte etappe in angriff genommen. diesmal gings von birkenwerder, durchs briesetal, nach wensickendorf.
im wanderführer stand, dass dies eine der schönsten strecken sei und ich kann nicht widersprechen. wir sind zwar fast nur durch wald gelaufen, aber der abwechslungsreich, tierreich und relativ naturbelassen. wir haben auch mehrere von bibern gebaute dämme gesehen, deren echtheit ich aber erst im internet verifizieren musste bevor ich es glauben konnte. am wegesrand lagen zwar auch baumstämme, deren bissspuren eindeutig nach biber aussahen — aber glauben wollte ich das, wie gesagt nicht.
durch das briesetal fliesst zwar nur ein kleines bächlein, die briese, aber das ganze teil ist sehr feucht und moorig. früher wurde hier wohl auch torf abgebaut, jetzt kreuchen und fleuchen nur noch tiere und wanderer da durch.
hab ich schon gesagt, dass das alles wunderschön war?
tiere haben wir auch jede menge gesehen, mistkäfer, waldameisen, rentner, einen frosch (oder ne kröte?), enten, entengrütze, …
von manchen tiere konnten wir nur die spuren sehen (vom biber den damm zum beispiel), von anderen konnte man nur hören:
von den holz-harvestern konnte man die spuren sehen, die arbeitsergebnisse und kurz vor wensickendorf auch ein real-life-exemplar.
teilweise war auch verarbeitetes holz zu sehen.
vor allem aber wars schön.
gerastet haben wir nach einem kleinen verlaufer und schlenker dann im alten forsthaus wensickendorf. das war angenehm billig (tasse kaffee ein euro, eine flasche hefeweizen zwei euro, leckerer kuchen, leberwurstbrötchen, bockwürste für je ein oder zwei euro). dafür das das forsthaus am arsch der welt liegt und kaum mit dem auto zu erreichen ist, war erstaunlich viel dort los. überhaupt war auf der strecke ungewöhnlich viel wanderverkehr.
sehr schöne strecke, nächste woche wollen wir an der gleichen stelle weitermachen und von wensickendorf zum wandlitzer see laufen. da ist die strecke dann auch etwas kürzer, die 18 kilometer heute waren schon recht viel.
dieses bild, dass das radio bayern 3auf facebook veröffentlicht hat, ist stark ergänzungsbedürftig. (abgesehen davon, dass nespresso auch ausserhalb deutschlands alu-kapsel-kaffee zu relativ hohen preisen verkauft.)
radio bayern drei sagt also:
1 kilo fair gehandelter kaffee kostet 30 €
1 kilo kapselkaffee kostet 90 €
es geht aber noch teurer. wenn man zum beispiel zu starbucks geht um dort einen espresso zu ca. 2 euro zu trinken, zahlte man fürs kilo kaffee ungefähr 200 euro. in form von cappuccino käme man ungefähr auf 350 euro pro kilo. (wenn man davon ausgeht, dass für einen espresso ca. 10 g kaffee verbraucht werden.) erschwerend kommt hinzu, dass der kaffee von starbucksfair gehandelt wird.
vor ner weile habe ich mal an wasserpreisen rumgerechnet: ein kasten apollinaris silence kostet ungefähr 14 euro. das macht pro liter 1,55 €. ein liter leitungswasser kostet in hamburg 0,00376 €. für 100 liter apollinaris silence zahlt man also 155 euro, für 100 liter leitungswasser 38 cent. selbst bei aldi zahlt man für 100 liter flaschenwasser noch zwischen 13 und 42 euro, also mindestens 12,62 euro mehr als aus der leitung.
landliebe griessbrei kostet ungefähr 5 euro pro kilogramm. kaufte man sich griess im laden (ca. 2 €/kg) und milch (ca. 0,79 €/l) könnte man sich ein kilo griessbrei für knapp 1 euro herstellen.
die liste liesse sich ohne ende fortsetzen. restaurantbesuche, speiseeis, fleischersatz, fast food — überall zahlen wir für (vermeintlich) überlegenen geschmack und vor allem bequemlichkeit teilweise das vielfache vom rohstoffpreis. und meistens auch gerne. insofern hat das radio bayern 3 natürlich recht mit seiner impliziten botschaft: menschen sind unfassbar dumm. naja, oder eben auch nicht
Als Marktführer bietet DHL professionelle und weltweite Express-Leistungen sowie kundenspezifische Logistiklösungen an. Mit unseren Paket-, Express- und Logistikangeboten verbinden wir jeden Tag Menschen und vereinfachen und verbessern das Leben unserer Kunden.
ich bin mir relativ sicher, dass die selbstdarsteller von DHL das nicht ironisch meinen. wer schonmal zuhause sass und auf ein paket wartete und dann über die sendungsverfolgung erfährt, dass er zuhause nicht angetroffen wurde, fragt sich natürlich, inwiefern das sein leben gerade verbessert hat. ich habe immer wieder gehört, dass der grund für solche phantomzustellversuche oft in der völligen überlastung der paketzusteller liegt, die ihr tagespensum nur erfüllen können, wenn sie täglich eine gewisse anzahl pakete unbearbeitet zurücklegen und behaupten, der empfänger sei nicht anwesend gewesen.
ich hätte da auch ein gewisses verständnis für, wenn zustellfahrer aus überlastung lügen würden und behaupteten, dass die sendung nicht zugestellt werden konnte, obwohl sie das gar nicht probiert haben. das vereinfachte und verbesserte auf gewisse weise auch das leben der fahrer.
ich bin mir auch sicher, dass logistikanbieter unter höchstem druck stehen, sowohl unter konkurenz- und preisdruck, als auch druck von kunden. aber ein gewisses mass an professionalität möchte ich von einem „Marktführer“ doch erwarten können. also zum beispiel, klare und nachvollziehbare kommunikation.
grundsätzlich ist es ja eine tolle idee, ein paket nachverfolgen zu können und dem logistikdienstleister bei der arbeit zusehen zu können. aber warum, um himmels willen, lässt man dann den eindruck enstehen, dass es sich bei DHL, dem „Marktführer“, um einen aufgeregten, planlosen hühnerhaufen handelt?
kann natürlich auch sein, dass DHL das leben der kunden durch dramatische zustell-inszenierungen verbessern will. so nach dem motto: „we love to entertain you.“ qualitätsfernsehserien sollen ja auch eine erquickliche wirkung haben.
und dramatisch liest sich dass ja schon, wenn ein kleines paket nach 2-3 tagen reise, auch nach zwei zustellversuchen nicht sein ziel erreicht und dann erkennt, dass es „fehlgeleitet“ ist und seine existenz offenbar keinen sinn ergibt. in einer solchen situation hilft es offenbar, sich auf ein mehrtägige reise durch das land nach speyer zu begeben, um zu sich selbst zu finden. das hat, glaube ich, auch schon karl der grosse so gemacht.
als logistik-laie freut man sich natürlich, wenn ein paket irgendwann wieder zu sich selbst findet und erkennt, dass es keinesfalls fehlgeleitet war. ich weiss nicht wie es in börnicke so ist (sieht nett aus), aber dem paket schien es dort zu gefallen. drei tage lang das leben in börnicke geniessen und von den strapazen speyer-reise erholen. ich möchte das dem paket das von herzen gönnen.
traurig wurde es dann wieder, als wir beobachteten, dass das paket nach einer siebenstündigen fahrt durch berlin wieder in eine identitätskrise geriet und (nach 12 tagen!) erkannte, dass es gar nicht den versandbedingungen entspricht und zurück nach hause will. ob es dann gegen seinen willen am 19. und 20. wieder verladen wurde?
immerhin gab es am 20. (gestern) dann auch ein happy-end. obwohl jetzt mal wirklich niemand zuhause war, wurde das paket, trotz fehleitung und unkonformität, zugestellt. das happy end lässt sich auch nicht durch die mitteilung trüben, die uns der versandhändler heute früh um drei uhr zugestellt hat:
Ich habe gerade eine Nachricht von DHL erhalten undmuss Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Paket auf dem Rückweg zu uns sich befindet.
man kann das jetzt (wie ich) alles total lustig finden, wenn sich der marktführer als verpeilter paket-hin-und-herschieber darstellt. aber das problem ist: niemand fühlt sich zuständig. der versandhändler (der nicht amazon war) will mit den versandproblemen nichts zu tun haben und nicht intervenieren. DHL schiebt die schuld auf den kunden (weil der kunde nicht anwesend war, mussten wir das paket nach speyer fahren und die rücksendung ankündigen). der kunde (wir) fühlt sich von DHL verarscht. die auslieferungsfahrer sind überfordert und unglücklich. am ende hat der versandhändler kunden verloren, DHL hat niemandem das leben verbessert und alle kaufen bei amazon, weils da meistens klappt und amzon wegen seiner schieren grösse den effektivsten druck auf die logistikdienstleister ausüben kann. das kann doch auch keine lösung sein.
vor ein paar wochen lächelten mich im kühlregal die worte „GRATIS GENIESSEN!“ (mit ausrufezeichen) an. so stand das auf ein paar iglo-fertiggerichten, die man pro haushalt einmal kostenlos probieren können sollte. sonst esse ich zum mittag auf der arbeit ja meistens frosta, aber an nem geschenkten tiefkühl-gericht schaut man nicht vorbei. das essen selbst war so mittel, aber dankenswerter weise tut iglo bei der online-aktionscode-einlösung so als würde sie das interessieren:
Aktionscode, Produktionscode und Kaufpreis eintragen
Kassenbon digitalisieren und hochladen
Adressformular und Kontodaten ausfüllen
Daten absenden
dooferweise war zu dem zeitpunkt an dem ich das geld zurückbeantragen wollte die kamera meines telefons kaputt, also musste ich etwas umständlich die selfie-kamera benutzen um den kassenbon zu fotografieren (2 minuten). aktions- und promotionscode eingeben war einfach: 25 zeichen ablesen und eintippen (2 minuten). dank browser-autofüll-funktion konnte ich meinen namen und meine adresse fast augenblicklich ausfüllen (20 sekunden), nur meine kontodaten mit der langen IBAN-nummer musste ich nachschlagen (2 minuten). die teilnahmebedingungen habe ich tatsächlich gelesen überflogen (2 minuten), dann musste ich nur noch bestätigen, dass ein „GRATIS GENIESSEN! Aktionsprodukt“ gekauft habe und nach einem kurzen blick auf das SSL-zertifikat: ab damit.
ein paar wochen später (gestern) erreicht mich folgende mail:
Sehr geehrter Herr Schwenzel,
vielen Dank für Ihre Teilnahme an der Iglo Gratis-Testen-Aktion. Wir übernehmen für Iglo das Handling der Promotion.
Leider konnten wir Ihnen den Betrag bisher noch nicht erstatten, da das Kaufdatum auf dem von Ihnen zugesandten Kassenbon nicht ersichtlich ist.
Um Ihnen den Betrag dennoch erstatten zu können, möchten wir Sie bitten uns einen Kassenbon mit ersichtlichem Kaufdatum bis zum 01.06.2015 zuzusenden.
sie können sich entscheiden ob sie mir glauben, dass ich das TK-essen an dem tag an dem ich den gutscheincode eingelöst habe auch gekauft und gegessen habe — oder ob ich mir irgendwelche genialen betrugszenarien ausgedacht habe, um sie, bzw. die iglo gmbh um 3 euro fünfzig (oder so) zu linken.
tatsächlich ist mir der aufwand schon bei der gutschein-eingabe gehörig auf die nerven gegangen (das ausfüllen des formulars hat länger gedauert als die zubereitung des essens), aber wenn sie das alles noch komplizierter machen wollen, als es ohnehin schon war, spiele ich gerne noch ein level mit. ich habe mir die teilnahmebedingungen gerade nochmal durchgelesen. dort steht nichts davon, dass das datum des kassenbons lesbar sein muss, sondern lediglich, dass dort das „das Aktionsprodukt vermerkt“ sein sollte:
ein Upload eines lesbaren Fotos oder Scans des Kassenbons, auf dem das Aktionsprodukt vermerkt ist, zwingend erforderlich.
mir fehlen leider sowohl die juristischen fähigkeiten um teilnahmebedingungen 100% korrekt zu interpretieren, als auch die phantasie mir auszudenken, welche betrugsszenarien möglich sind, wenn man das kaufdatum absichtlich abschneidet. aber ich wundere mich, dass sie die legitimität meiner aktionsteilnahme nicht schon allein aus dem produktions- und aktionscode ablesen können. aber da steckt man ja nicht drin, in solchen produktions- und verwaltungsvorgängen. das ist sicher alles viel komplizierter als man sich das so als aussenstehender vorstellt.
ich würde sie aber darum bitten, wenn sie mir ohne das kassenbondatum das geld nicht zurückerstatten wollen, dass sie mir ersatzweise meine mutmassliche betrugsabsicht formlos beurkunden. das ginge auch ganz schnell in ein oder zwei sätzen:
wir, die ██████ ██ münchen, im auftrag für die iglo „gerührt und verführt gratis geniessen aktion“ handelnd, beschuldigen felix schwenzel, wohnhaft in der kameruner str. 9, 13351 berlin, sich irgendwas ausgedacht zu haben um die iglo gmbh zu foppen und zur herausgabe von 3 euro fünfzig (oder so) zu verführen.
eine antwort nach dem muster „regeln sind nunmal regeln“ fände ich masslos enttäuschend.
gruss, felix schwenzel
leider habe ich auf diese mail, die ich gestern nachmittag abgeschickt habe, auch nach über 24 stunden noch keine antwort, geschweige denn eine beurkundung meiner mutmasslichen betrugsabsichten bekommen. sehr, sehr schade.
die firma die mich anschrieb, wirbt auf ihrer webseite übrigens damit, dass sie das finanzielle risiko für „Geld-zurück-Garantien oder Millionen-Gewinnspiele [sic!]“ absichert:
Die ██████ ██ hat sich als Gewinnspielabsicherer darauf spezialisiert, Marketingaktionen zu versichern und somit das finanzielle Risiko für Unternehmen zu übernehmen.
mich erinnert das ein bisschen an eine geniale geschäftsidee, die sich dasnuf mal vor einer weile ausgedacht hat und vor 9 jahren im rahmen unseres damailigen kurzzeitigen blogtauschs auf wirres.net veröffentlicht hat: Nicht mehr länger warten! Jetzt reich werden!
[nachtrag 21.05.2015]
heute hat iglo bei mir (auf facebook) kommentiert und sich entschuldigt und die zahlung veranlasst. das geld war ein paar minuten später auch auf meinem konto. meine rückfrage ob es gar nicht nötig sei das kassenbondatum vorzulegen und ob das eventuell nur eine bürokratische hürde zur rückläufer-reduzierung sei, ist aber noch unbeantwortet. und wird es wohl auch bleiben.
danke für Deine Rückfrage. Aus juristischen Gründen sind bei einer solchen Aktion gewisse Regeln notwendig. Da uns allen aber daran gelegen ist, einen möglichst einfachen Ablauf sicherstellen, ist das Kaufdatum für die Rückerstattung nun nicht mehr notwendig. Es wurden gestern alle Erstattung vorgenommen, bei denen das Datum auf dem Kassenbon nicht ersichtlich war bzw. ist.
die beifahrerin hat sich in den kopf gesetzt, dass wir einmal um berlin wandern, auf dem 66-seen-wanderweg. dafür hat sie sich sogar dieses buch gekauft und nach ungefähr 8 monaten, haben wir schon die zweite etappe in angriff genommen. diesmal gings von henningsdorf nach birkenwerder.
im wanderführer stand, dass das eine der weniger attraktiven strecken sei, also eine art überbrückungswanderung, aber wir fanden es eigentlich ganz ok. auf dem weg zur ubahn, fiel uns erstmal auf, dass das saray offensichtlich sein schutzgeld nicht bezahlt hat. sehr schade, ich mochte das döner dort sehr gerne.
das wetter in henningsdorf versprach regen, hielt sein versprechen aber dann doch nicht ein. bis auf ein paar tropfen kam nichts runter.
nach ein paar hundert metern durch henningsdorf und einem stück landstrasse gings dann mehr oder weniger ständig durch den wald der stolper heide die mit ungefähr 90 tiefbrunnen durchlöchert ist, die für die trinkwasserversorgung von berlin mitverantwortlich sind.
fürs wandern hatte sich die beifahrerin im letzten jahr extra wanderschuhe gekauft, die zu ungefähr 4 frühen pausen führten, bei denen die beifahrerin papiertaschentücher in ihre schuhe stopfte.
ansonsten vor allem: wald, ab und zu sah man die havel, eine eisenbahn- oder autobahnstrecke.
dann, nach ungefähr 8 kilometern das highlight das mit messer und gabel auf der wanderkarte markiert war: das wirtshaus havelbaude. ein etwas abgerockter wintergarten, aber eine sympathische speisekarte, nicht ganz billig, aber auch nicht irre teuer. wir entschieden uns für das etwas prätentiös benannte „trio vom matjes“ mit (obviously) drei sorten matjes mit leckeren bratkartoffeln und einem apfel-zwiebel-gurken-dings.
der nachtisch, ein warmer schoko-brownie mit vanilleeis war auch super-lecker, aber nicht so fotogen und mit sinnloser sternfrucht-deko verunstaltet. danach sind wir noch vier kilometer bis zur s-bahn birkenwerder gelaufen und waren froh schnell wieder zuhause zu sein.
mal sehen ob die nächste etappe tatsächlich, wie geplant, nächstes wochenende stattfindet, oder ob sich die wunden stellen an den füssen der beifahrein noch zu blasen entwickeln.
Die Todgeweihten beugen sich vor dem neuen Kaiser.
mit den „todgeweihten“ meint hanfeld journalisten und mit dem kaiser facebook. er redet vom spiegel, der new york times, dem guardian, der BBC, the atlantic und davon, dass diese „nun bei einem Programm von Facebook mitmachen, das sich ‚Instant Articles‘ nennt“. er redet von „Objektivität und Wahrhaftigkeit“, um die es beim „Qualitätsjournalismus“ gehe. und er greift tief in die grabbelkiste mit abgenutzten vokabeln für oberflächliche online-kritiker und spricht von „kostenloskultur“, filterblasen und „shitstorms“.
von wem hanfeld witzigerweise nur einmal, in einem nebensatz, spricht, sind „leser“. und eigentlich, so scheint es, sind diese „leser“ eine echte gefahr für den journalismus. denn deren „vermeintliche Vorlieben“ werden den journalismus ins unglück stürzen:
Da gibt es dann vornehmlich angenehme Storys im Katzenbilder-Stil oder echte, schnelle Aufreger, die zum Shitstorm werden bis zur Online-Exekution, dann wieder weg sind, aber eher nichts dazwischen und nicht zu komplex.
nun ist michael hanfelds artikel natürlich auch nicht gerade besonders komplex oder klug, sondern eher ein schneller, hingekotzter aufregertext der fleissig auf facebook diskutiert (102 kommentare), geliked (224 likes) und geteilt (122 shares) wird (stand 17.05.2015, 8 uhr). aber auffällig ist hanfelds misstrauen gegenüber den lesern schon. ich habe das gefühl, er würde lieber nur für seine kollegen schreiben, für kollegen die katzenbilder doof finden, sich niemals empören oder an empörungswellen teilnehmen und jeden tag gegen die von der umwelt und den medien auferlegten filter kämpfen, indem sie hegel und kant lesen und sich täglich durch 200 abonnierte tageszeitungen kämpfen, um ein differenziertes bild der welt zu erlangen.
aber die abscheu vor dem pöbel leser ist gar nicht das was mich an hanfelds text am meisten stört, es ist die unaufrichtigkeit. denn die gefahr die er heraufbeschwört, die eines populistischen journalismus, der den vermeintlichen interessen seiner leser hinterherläuft und sie mit katzenbildern, empörung und flachheiten bewirft, diese gefahr besteht nicht erst seit online oder facebook.
leser und zuschauer und ihre vorlieben werden seit jahrzehnten gemessen und inhalte werden seit jahrzehnten auf ihre vorlieben hinoptimiert. auch die faz versucht die vorlieben ihrer leser mit unzähligen trackern und nutzungsanalysen zu erfassen und zu optimieren. 24 solcher leservorlieben-tracker werden zusammen mit hanfelds artikel aufgerufen.
auch in einer zeit, als journalistenmeinungen lediglich auf papier und im fernsehen zum „nutzer“ getragen wurden, fanden wettrennen statt um die „vorlieben“ der empfänger zu erfassen und zu bedienen. der „qualitätsjournalismus“ den hanfeld voreilig betrauert war nie ein massengeschäft, er musste sich immer schon im rauschen des massenmarktes behaupten und versuchen seine zielgruppe zu erreichen. dem journalismus ging es auch nie nur um „Objektivität und Wahrhaftigkeit“, sondern immer auch um popularisierung und annährung an den massengeschmack. ebenso ging es dem dem journalismus auch immer schon um skandalisierung und emotionalisierung. das war und ist immer thema der medienkritik und wird es auch in diesen zeiten bleiben. aber popularisierung, unterkomplexität, emotionalisierung allein mit facebook in verbindung zu bringen ist, nunja, unterkomplex, populistisch und emotionalisierend.
vor allem ist es aber grundfalsch, denn gerade die digitalisierung hat es geschafft, neben dem massengeschmack profitable nischen für spezialinteressen oder „qualitätsinhalte“ zu schaffen. das zeigt vor allem die renaissance der „qualitätsfernsehserien“, die auch an hanfeld nicht vorbeigegangen ist. was er aber offenbar verpasst hat: die hinwendung zu den „vermeintlichen vorlieben“ der zuschauer ist ein entscheidender baustein für den erfolg der neuen „qualitätsserien“. eben genau weil zuschauer sich gegenseitig diese serien empfehlen können, weil sich die vorlieben für diese serien viral in sozialen netzwerken aufschaukeln können, finden sie ihre zuschauer abseits des massengeschmacks. auf facebook, in der vernetzten welt, kann man ein massenpublikum finden, aber eben auch ein spezialpublikum mit nischen- oder qualitätsinteressen.
es gibt für mich keinerlei hinweise darauf, warum das mit journalistischen formaten anders sein sollte.
apropos „wahrhaftigkeit“. darauf legt hanfeld ja in seinem text grossen wert. trotzdem scheut er sich nicht, sinnentstellend zu vereinfachen:
Dabei stellen die Verlage und Sender Beiträge auf Facebook zur Verfügung, die nicht verlinkt, also nicht mit der Originaladresse des Urhebers verbunden sind. Zahlen muss Facebook dafür nichts. Beziehungsweise: Der Netzwerkkonzern zahlt mit den Daten seiner Nutzer, auf die die Verlage und Sender zugreifen dürfen. Sie können zu den Artikeln auch in eigener Regie Werbung setzen.
das stimmt so nicht. die ersten beispiele für facebook instant articles funktionieren anders: für jeden artikel den ein verlag als „instant article“ bei facebook anlegt, gibt es auch ein pendant auf der verlagswebsite. dieser buzzfeed-artikel auf facebook wird auf einem iphone (mit der neuesten facebook-app) zu einem instant article. für alle anderen führt er auf buzzfeed.com. das ist bei diesem nyt-artikel nicht anders. auf dem iphone ist es ein instant article, für alle anderen geht’s zur nytimes.com.
das zweite: auch in der faz werden artikel nicht mit der „Originaladresse des Urhebers verbunden“. dieser artikel von stefan niggemeier linkt zum beispiel nicht zu stefan-niggemeier.de — obwohl stefan niggemeier der urheber ist. ich verstehe schon was hanfeld meint: er meint verwerter (nicht urheber). aber das hörte sich für ihn wahrscheinlich zu kommerziell an — und kommerziell, populistisch oder emörungswellenreitend sind ja immer nur die anderen.
worauf ich aber eigentlich hinaus wollte: instant articles sind eigentlich nichts anderes als „Publish (on your) Own Site, Syndicate Elsewhere“, kurz „POSSE“. POSSE beschreibt eine indieweb-technik, bei der man (obviously) inhalte zuerst auf seiner eigenen webseite veröffentlicht und sie dann auf beliebige weitere seiten syndiziert. das indiewebcamp-wiki drückt den entscheidenden punkt so aus:
POSSE lets your friends keep using whatever they use to read your stuff (e.g. silo aggregators like Facebook, Tumblr, Twitter, etc.).
die leser so lesen lassen, wie sie gerne lesen möchten …
das ist ein satz den man leider von journalisten oder verlagen viel zu selten hört.
syndikation ist nichts neues. in den USA werden zeitungsartikel oder comic strips seit langem syndiziert, also von verschiedenen zeitungen nachgedruckt. wenn jetzt verlage ihre inhalte zu facebook syndizieren, ist das unterm strich das gleiche: die inhalte werden übernommen, leserfreundlich gestaltet und präsentiert und im gegenzug gibt’s dafür werbeeinnahmen und reichweite. man erreicht so leser, die man sonst nicht erreichen würde und man kommt dem leser entgegen. was man damit verliert, will mir nicht so recht einleuchten, zumal der vorgang jedem autor bekannt sein sollte, der schon mal für medien produziert hat: wenn man einen text für eine zeitung schreibt, statt beispielsweise für die eigene webseite, bekommt man ein honorar und reichweite und gibt im gegenzug ein bisschen kontrolle über sein werk auf. der deal ist seit jahrzehnten der gleiche. wenn man es nicht aus eigener kraft schafft reichweite aufzubauen, wenn man es nicht schafft seinen lesern aus eigener kraft entgegenzukommen, nutzt man eben spezialisten. früher waren das verlage, jetzt sind es (auch) soziale netzwerke und suchmaschinen und morgen kann es wieder ein ganz anderer sein.
wichtig ist: wer die interessen der leser, der konsumenten, der zuhörer, der zuschauer aus den augen verliert, verliert auch reichweite. wer es konsumenten schwer macht zu konsumieren, hat es schwer konsumenten zu halten.
zu facebooks neuen instant articles ist in den letzten tagen ja viel gesagt worden. vor allem auf turi2 (eins, zwei, drei, vier, fünf, etc.). substanzieller äussert sich john gruber, den vor allem die geschwindigkeit der instant artikel auf facebook fasziniert:
I’m intrigued by the emphasis on speed. Not only is native mobile code winning for app development, but with things like Instant Articles, native is making the browser-based web look like a relic even just for publishing articles.
tatsächlich ist geschwindigkeit und bequemlichkeit („convenience“) auch eins der hauptverkaufsargumente der instant-artikel von facebook. und das aus gutem grund. nicht nur diese webseite lädt mit suboptimaler geschwindigkeit, auch die von grossen verlagen tun das mitunter. und viele grossen verlage haben auch nichts aus den letzten 20 jahren www gelernt und nerven ihre leser mit popupwerbung die den ganzen bildschirm einnimmt und mit schlecht erreichbaren schliess-knöpfchen fehlklicks provozieren und benutzer nerven. statt werbung auf eine angenheme art nerven zu lassen, haben sich viele verlage entschieden auf konfrontationskurs zu ihren benutzern zu gehen und ihre mobilenwebseiten unlesbar und unbenutzbar zu machen.
(ein positivbeispiel für aufmerksamkeitsgenerierende mobile werbung kann man auf der mobilen variante der wired.de sehen. dort haben die seiten manchmal ein seitengrosses loch, das die dahinterliegende werbung beim scrollen zeigt.)
jedenfalls wollte ich john gruber und vielen anderen zustimmen: geschwindigkeit und gute benutzbarkeit zählen. ob facebook das versprechen einlösen kann wird sich zeigen, die ersten beispiele die bereits zu sehen sind finde ich teilweise zu verspielt und man hat den eindruck, facebook hat 200 entwickler drangesetzt den berühmten html-<blink>-tag neu zu erfinden. aber schnell sind diese instant-artikel in der tat — und gut benutzbar auch — wenn man sich an ein paar gesten gewöhnt hat.
nur: so richtig neu ist die idee nicht. es gibt eine gut etablierte technologie, die die verlage allerdings nach leibeskräften vermeiden: volltext RSS. auf dem weg zur arbeit kann ich trotz funkloch 30 bis 60 artikel überfliegen oder durchlesen. jeder artikel ist innerhalb von microsekunden da, mit bildern und angenehmen, konsistenten bedienelementen. auf meinen iphone benutze ich dafür die reeder-app, die wiederrum ein paar hundert RSS-feeds für mich aus meiner fever-installation einliest und die texte und bilder auf meinem iphone zwischenspeichert. das macht reeder dankenswerterweise im hintergrund, so dass ich auch fast immer im ubahn-funkloch auf dem letzten stand der dinge bin, weil sich der reeder vor dem eintritt selbst aktualiisert hat
der witz ist jedenfalls, dass verlage und magazine dieses RSS fast noch mehr fürchten als google, facebook oder die NSA. volltexte einfach weggeben, so dass der leser die lesen kann wo und wie er will? niemals! und offenbar haben die anzugträger in den verlagen sich auch mit ihrer (falschen) ansicht durchgesetzt, dass man in RSS-feeds keine werbung unterbringen kann. statt für eine offene technologie, haben sich jetzt einige verlage dafür entschieden sich in die obhut von facebook und seiner geschlossenen, opaken technologie zu begeben um benutzerfreundlichkeit und -nähe zu üben.
ich verknüpfe damit die hoffnung, dass sich jetzt vielleicht doch irgendwann die ansicht durchsetzt, dass man seinen lesern zur abwechselung mal entgegen kommen könnte, statt immer nur auf die vertriebler zu hören. aber, ganz ehrlich, viel hoffnung mache ich mir nicht.
nick heer verweist auf diesen artikel von peter-paul koch, in dem er darauf hinweist, dass das was facebook macht, vor allem das weglassen von überflüssigem programmiermüll (cruft) ist: keine tonnenschweren javascript frameworks, keine tracker, weiterführende artikel:
Remove the tools, and we’ll recover speed.
The web’s answer to the native challenge should be radical simplification, not even more tools.
das ist im übrigen auch das, was RSS macht, bzw. was ein guter RSS-reader macht: kein javascript, kein gedöns, kein oder wenig tracking.
siehe auch: könige, kaiser und lakaien, wo ich weiter ausholend über facebooks instant-article-dings schreibe.
heute früh stand wirres.net (oder meine reclaim-installaton, die hab ich vorerst mal deaktiviert) offenbar unter einer leichten floodingattacke aus griechenland und der ukraine. der provider (canhost.de) hat die website zuerst dichtgemacht, dann gedrosselt. die „flooding-angriffe“ (ausdrucksweise des providers) kamen offenbar trotz cloudflare durch, als ich cloudflare dann aber auf den „angriffsmodus“ („under attack mode“) umgeschaltet hab, hat das wohl das gröbste abgehalten. „leichte“ floodingattacke schreibe ich, weil ich keine besonders krassen spitzen bei den zugriffen sehen konnte. cloudflare ist da ja eigentlich sehr akkurat. jetzt frage ich mich natürlich, inwieweit ich mich auf meinen hoster verlassen kann, wenn der schon bei nem milden lüftchen den saft abdreht und auf panikmodus umschaltet oder ob die attacke wirklich schwerwiegend war. oder ob mein altertümliches CMS doch viel resourcenfressender ist, als ich mir das denke.
den ganzen tag über lief wirres.net dann unrund, weil der provider die website „gedrosselt“ hatte. ab einer bestimmten anzahl anfragen antwortete der webserver mit einem 503-fehler, statt dateien auszuliefern. so luden gelegentlich die CSS-dateien nicht oder bilder oder scripte fehlten. sowas verursacht bei mir wirklich schlechte laune, zumal ich mein handy heute auch noch für 20 stunden im apple-store lassen musste, um die das kameramodul austauschen zu lassen.
jetzt läuft wirres.net jedenfalls wieder rund, weil eben die „drosselung“ deaktiviert wurde.
ich hab eigentlich überhaupt keine lust den provider zu wechseln (sehr viel arbeit), schliesslich läuft wirres.net jetzt schon seit über 13 jahren bei candan/canhost.de auf einem regulären shared hosting account. aber seit nem ganztägigen stromausfall vor ein paar monaten, dem umzug in ein neues rechenzentrum und eine umstellung auf 64bit-architektur hakelt es immer wieder. langfristig bin ich glaube ich bald so weit alternativen in betracht zu ziehen.
als budget will ich eigentlich nicht mehr als 10 bis 15 euro pro monat ausgeben. bei all-inklusive das premium-paket sieht ja ganz gut aus. wie sind denn eure erfahrungen mit grösseren hostern? all-inkl.com scheint ja nen ganz guten ruf zu haben. zu strato will ich nie wieder. bei hetzner irritiert mich der name.
wirklich toll hört sich ja in jeder hinsicht uberspace an. ich habe nur ein bisschen bedenken, ob ich dort auch noch in 20 jahren mein zuhause hosten lassen kann. für mich hört sich das alles fast zu gut und toll an um wahr zu sein, obwohl es sich offenbar ganz gut trägt. wer hat sonst noch erfahrungen mit uberspace.de gemacht?
der spiegel hat die wahrheit nicht für sich gepachtet, aber er sucht danach.
das image-video des spiegel in dem er das sagt, endet dann mit dieser einstellung:
mir ist natürlich klar, dass das brinkbäumer-zitat als claim zu lang ist, aber ich finde den unterschied zwischen „wir suchen nach wahrheit“ und „wir haben keine angst vor der wahrheit“ schon, nunja, auffällig.
natürlich bemüht sich der spiegel, wie kaum ein anderes blatt darum, journalistisch einwandfrei zu arbeiten. aber ich habe grundsätzlich ein problem mit dem wort wahrheit. ich habe da kürzlich eine halbe stunde öffentlich drüber nachgedacht (youtube-link) und gegen ende gesagt:
wer im politischen, im gesellschaftlichen kontext von „der wahrheit“ spricht, sollte prinzipiell mit skepsis betrachtet werden.
und ich glaube tatsächlich, dass in weltanschaulichen, politischen fragen an dieser aussage was dran ist.
(im zusammenhang meines vortrags auf youtube ergibt das mehr sinn, als auf der schlussfolie die hier zu sehen ist.)
etwas differenzierter und tiefergehend hat das friedmann karig kürzlich im gespräch mit philip banse besprochen. teilweise plädiert er für einen pragmatischen und kämpferischen umgang mit dem begriff der wahrheit, teilweise mahnt er auch vorsicht an:
ich glaube wir haben verlernt zu sagen: „ich weiss nicht“. wir sollten versuchen unsicherheit zu umarmen und öfter sagen: „ich weiss es einfach nicht.“
[…]
vorsicht wenn jemand sagt: ich hab die absolute wahrheit und alle anderen lügen. da kann man eigentlich sicher sein, dass er nicht so ganz richtig liegt.
unbedingte anguck-empfehlung, das gespräch ist sehr viel differenzierter und klüger als mein herausgerissenes zitat suggeriert:
Mein Aha-Moment auf der re:publica (#rp15) war der Talk von Christine Corbett Moran. Falls euch der Name grade nichts sagt: Das war die Astrophysikerin, die zwei Sessions nach dem Astronauten auf der Hauptbühne gesprochen hat, der seine Weltraumbilder und -selfies gezeigt hat.
Bei Alexander Gerst war die Halle zum Brechen voll, bei Christine Corbett Moran, die sehr gut und ernsthaft den Weltraum erklärt hat, herrschte gähnende Leere. In dem Moment habe ich endgültig gemerkt, dass das Publikum der Konferenz 2015 für meinen Geschmack zu sehr (i.e. gefühlt komplett) aus Digital-Hipstern besteht.
(links und hervorhebungen von mir hinzugefügt)
die schlussfolgerung ist natürlich totaler quatsch. gunter dueck würde diese schlussfolgerung wahrscheinlich dumm nennen („mache niemals aus einer korrelation eine kausalität“), ich würde sagen, sie ergibt, auch mit gutem willen, weniger als gar keinen sinn.
das interesse an alexander gerst hatte ganz sicher nichts damit zu tun, dass er „Weltraumselfies“ gezeigt hat, oder dass er aus dem all hat twittern lassen. alexander gerst stiess auf riesiges interesse, weil er einer von sehr wenigen menschen ist, der die erde auf 300 tonnen kontrolliert explodierendem flüssigen treibstoff verlassen hat und ein halbes jahr im weltraum gelebt hat. alexander gerst hat ein abenteuer erlebt, von dem viele von kindheitsbeinen an träumen, er hat etwas getan, was wir sonst nur aus dem fersehen oder kino kennen, er hat sich in lebensgefahr begeben und sein abenteuer wurde von einer erstklassigen pressearbeit begleitet. ich habe alexander gerst übrigens nicht zuerst auf twitter wahrgenommen, sondern in der digital-hippster-sendung mit der maus.
wer sich also eher für einen prominenten astronauten interessiert, statt für eine unbekannte theoretische physikerin, die über furchtbar komplizierte dinge wie „concordance cosmology“ (leitet bei der wikipedia auf „Lambda-CDM model“ weiter), die allgemeine relativitätstherie, den urknall, die expansion des weltalls, dunkle materie und die kosmologische konstante redet, outte sich als „digital-hipster“?
ich weiss noch nicht mal genau was ein „digital-hipster“ ausser einer beleidigung sein soll. waren die vielen kinder für die die ersten reihen in der halle reserviert waren auch digital-hipster? meine mutter, die sich alexander gerst mit begeisterung angesehen an (nicht aber christine corbett moran) würde das label digital-hipster wahrscheinlich freudig als kompliment annehmen, als geste, dass sie auch dazu gehöre. und das ist wahrscheinlich auch die klügere reaktion, als sich über so einen stumpfen, verallgemeinernden vergleich in einem eigenen blogartikel zu beschäftigen.
aber wo ich gerade dabei bin, kann ich auch gleich weitermachen. denn witzigerweise macht sebastian baumer zwei absätze später genau das, was er vorher den „digital-hipstern“ vorgeworfen hat: stolz die eigene ignoranz rausposaunen:
So wie sie ist, ist die re:publica nur noch ein Zirkus aus oberflächlichen Anrissen verschiedenster Themen, die vor allem für die Was-mit-Medien-Leute interessant ist. Ich geh dann wohl nächstes Jahr lieber zum CCC.
vielleicht hat sebastian baumer am eingang kein programm mehr bekommen, aber mein eindruck vom programm der republica war dieses jahr genau das gegenteil von „oberflächlichkeit“ oder „was-mit-medien“-gedöns. es gab ungewöhnlich viele architekten und städtebauer auf den bühnen, wieder viele künstler die ihre arbeiten oder projekte zeigten, gunter dueck hat sich über BWLer und business-kasper lustig gemacht, sexualität, saufen und bildung waren mehrfach thema auf den bühnen. (nur ich hab über den gleichen scheiss wie in den letzten jahren geredet.)
ich finde, dass die republica weder den vergleich mit fachkongressen, noch mit anderen mischmasch-kongressen wie dem chaos communication congress oder (zum beispiel) der ars electronica scheuen muss. und auch wenn ich finde, dass die organisation und diversität des programms (natürlich) verbesserungsfähig ist, hat die republica auch dieses jahr wieder meine erwartungen voll erfüllt: ein programm bei dem mich nicht alles interessiert, aber einiges überrascht, begeistert oder euphorisiert. und das alles in einem extrem angenehmen und entspannten rahmen.
we should celebrate variety.
the internet is about diversity and taste.
mit anderen worten: jeder findet im internet sein plaisir. irgendwo. nicht alles muss allen gefallen. es gibt angebote für den massengeschmack, aber eben auch genau das gegenteil. und wer nichts findet was ihm oder ihr gefällt, der macht einfach selber was. insofern bildet das programm der republica das internet — bzw. die gesellschaft — schon ganz gut ab.
ich fände es nicht schlimm, wenn sebastian baumer veranstaltungen besucht, die seinen bedürfnissen besser entsprechen. aber besser fände ich, wenn sebastian baumer das was ihm an der republica fehlt vielleicht selbst ergänzt und zum beispiel einen vortrag hält mit dem „man tiefer in einen Komplex einsteigen kann und dann am Ende auch etwas mit nach Hause nehmen kann“. ich würde mir das angucken und mich danach wieder liebend gern mit ihm streiten. ein paar vorschläge für themen gebe ich ihm auch gerne gleich mit: „notizen aus der verallgemeinerungpraxis“, „warum hippster so ne seuche sind“ oder „wie ich es schaffte, meine schlechte laune los zu werden“.
fast alle tragen schon ihre #rp15-badges um den hals. warum?
meine iphone kamera bootet nicht. nur die selfie-kamera funktioniert. das wird ne selfie:publica. das bild ist auch ein selfie-kamera-schuss.
jens best trägt die gleiche jacketfarbe wie ich. weinrot.
als die sonne noch schien, litt ich unter starker misanthropie. seit die sonne weniger invasiv am horizont steht, liebe ich wieder fast alle menschen. misanthropie scheint also lichtinduziert zu sein. bei mir.
torsten kleinz hat mir versprochen schreiend aus meinem vortrag zu laufen wenn ich ein „usafe-word“ sage.
es gibt wieder nur berliner pilsener. leider. schlimm. die tankstelle nebenan wird mich öfter sehen.
das wlan ist auch schon vor der republica löchrig. leider.
auf den aldi moser roth schokoladenpackungen steht, dass die schokolade in der waldstrasse 27 in 13403 berlin hergestellt wird.
gute gelegenheit für einen sonntags-spaziergang um das mal anzugucken, zumal google maps sagt, dass es nur ungefähr 50 minuten fussweg seien. statt einfach in der wikipedia nachzuschlagen, mach ich mich also auf zu einem investigativ-spaziergang. nach einer stunde sehe ich, dass wir offenbar eine schokoladenfabrik in der nachbarschaft haben und dass storck die moser-roth-schokolade für aldi herstellt.
der weg zur schokoladenfabrik war trotz der ankündigung vereister parkplätze sonnig und unspektakulär.
wie überall im wedding, lief ich auf dem weg zur waldstrasse immer an der flugschneise vom flughafen tegel vorbei.
die deko eines thai-massage-ladens erinnerte mich an die schaufenster deko eines thai-friseurs
open ist das neue geschlossen
lichtloch
expressives dach
feedback [sic!]
insgesamt waren es 10 kilomenter und zwei stunden fussmarsch. (aufschreiben und „syndizieren“ hat fast genauso lange gedauert.)
Wenn [Google] den Verlagen helfen wolle, dann „könnte Google doch einfach das Leistungsschutzrecht akzeptieren.
Mit dem Geld könnten die Verlage dann auch in digitale Innovationen investieren“. Google hatte vergangene Woche angekündigt, mit einer 150 Millionen Euro schweren „Digital News Initiative“ Innovationen im digitalen Journalismus fördern zu wollen. An der Kooperation, die mit acht Gründungsverlagen gestartet ist, sind inzwischen diverse Medienhäuser in Europa beteiligt, unter anderem DER SPIEGEL.
als die verlage in geld schwammen, weil sie dienstleistungen und werbeflächen nahezu konkurrenzlos anbieten konnten, hatten verlage kaum interesse an innovation oder veränderung des anzeigenmarktes. dass axel springer seinen konzern jetzt angesichts der krise und absehbar einbrechender auflagen und erlöse im klassischen geschäft auf digital und innovativ trimmt, hat also weniger mit geld zu tun, als mit konkurenz. mein eindruck ist ja, dass man mit dem leistungsschutzrecht die hoffnung verknüpft, diese konkurenz wieder auszuschalten um endlich mit diesem anstrengenden wandel schluss zu machen. ausser natürlich, man definiert bei springer innovation als die schaffung von rechtsunsicherheit, bürokratie, zwangsabgaben und verwertungsgesellschaften.
immerhin ist christopher lauer offenbar das geld wert, dass man ihm bei axel springer zahlt; die realitätsverzerrung fürs leistungsschutzrecht bekommt er schon ganz gut hin, auch wenn sich das bis jetzt noch ein bisschen papageienhaft anhört.
langer, nicht ganz unkomplizierter text über das evolutionäre wettrüsten zwischen krankheitserregern und dem imunsystem und die hoffnungem, rückschläge und dilemmata, die durch behandlung und forschung dieser erreger (hier das HIV-virus) entstehen.
über 15tausend zeichen, aber ich fand den text von daniel a. gross (@readwriteradio) lesenswert, weil er nicht nur den stand der forschung gut wiedergibt, sondern auch die geschichten und die menschen hinter der forschung sichtbar macht. ohne pathos und ohne überflüssige schicksalssosse.
den link oben habe ich, wie immer, ganz regulär als link gesetzt:
hinter dem link steckt ein kurzer javascript-befehl, der javascriptcode von embedly.com nachlädt. embedly macht dann aus dem einfachen link eine illustrierte, bunte einbettung. das sieht man allerdings nur bei aktiviertem javascript (also zum beispiel nicht in RSS-readern) und das sähe dann so aus:
wunderbar, bis auf die tatsache, dass dieses embed, wie übrigens fast alle einbettungsmechanismen, tonnenweise (javascript) code von dritten laden. damit werden dann bilder, weitere scripte, tracker, zählcodes, cookies nachgeladen, also all das, was aufrechten datenschützer schlaflose nächte bereitet (so sähe es übrigens ohne javascript aus). das ist bei embeds von youtube- oder vimeo-videos so, bei eingebetteten tweets, facebook like- oder share-buttons und so weiter und so fort.
ich versuche hier eigentlich solche tracker zu vermeiden und solche datennachlader hinter einem klick zu verbergen. youtube-videos bette ich so ein (beispiel), meine flattr, share-, like- oder tweet-buttons sind alle unter slidern versteckt und laden ihren schadcode erst nach aufforderung durch einen klick. bei tweets bin ich eher inkonsequent, denen hänge ich auch den twitter-javascript-schnipsel an. blocken kann man das natürlich alles browserseits, zum beispiel mit ghostery (details und hintergründe dazu habe ich mal vor einem jahr aufgeschrieben und besprochen).
was ich eigentlich sagen wollte: hübsch dieses embedly, damit kann man sehr ansprechend beliebige links aufhübschen, aber einbetten nervt auch ein bisschen. ich versuche mir deshalb meine einbettungscodes soweit möglich selbst zu bauen. mein selbst zusammengedengelter code für twitter sieht übrigens ohne javascript nachladung von twitter.com so aus (und so mit):
funktioniert auch ohne nachträgliche javascript-aufhübschung. nennt man das dann als html-kenner graceful degredation oder progressive enhancement of graceful stuff?
theoretisch kann ich mir sogar vorstellen für meine artikel hier einbettcode anzubieten. das könnte dann so aussehen. ich weiss zwar nicht warum jemand einen ganzen artikel von mir einbetten wollte, aber es beruhigt mich zu wissen, dass es geht.
(wirres mit exakt falsch herum gedachten tipps zum freundlicherwerden; gerade die unterstellung von dummheit, wo man auch bösartigkeit unterstellen könnte, ist misanthrop, weil gerade sie den menschen nicht ernst nimmt, weil man die dummheit eben nicht mal schnell ändern kann, usw.)
kann dummheit nur erblich oder somatisch bedingt vorkommen wie markus spath hier behauptet?
oder kann dummheit, wie bösartigkeit, zum beispiel auch durch besondere umstände, reaktionen oder missverständnisse ausgelöst werden?
dummheit und bösartigkeit (und fast alle anderen verhaltensweisen) sind meiner meinung nach in den seltensten fällen determiniert, weshalb es logischerweise dumm ein fehlschluss ist, die kultivierung von zweifeln an der eigenen wahrnehmung als misanthrop zu bezeichnen — auch wenn man sich das verhalten anderer mit „irrtümern, kurzsichtigkeit, nachlässigkeit oder dummheit“ erklärt.
abgesehen davon gibt es natürlich variationen von hanlon's razor („Gehe niemals von Böswilligkeit aus, wenn Dummheit ausreichend ist.“), die zeigen, dass es eben gerade nicht um persönlichkeitsmerkmale geht, sondern prozesse:
Versuche nie durch Konspiration zu erklären, was auf Chaos oder Inkompetenz zurückgeführt werden muss.
dummheit ist nicht nur etwas mit dem man den IQ eines menschen beschreibt, sondern etwas mit dem man handeln von menschen, aber auch institutionen bewertet. so kann es gerade in der politik zu grossen dummheiten, zu fehlentscheidungen kommen, ohne dass eine „böse“ intention vorhanden sein muss. nochmal anders ausdrücken lässt sich das problem mit diesem alten spruch: „das gegenteil von gut ist oft gut gemeint.“