[Für die Erstellung und Bewerbung von ein paar Ebay-Kollektionen habe ich ein (pauschal) Honorar bekommen. Etwas mehr zu den Ebay-Kollektionen habe ich hier geschrieben.]
starke, sehr, sehr tolle rede von navid kermani im deutschen bundestag. lenz jacobsen überschlägt sich in der zeit vor lob, völlig zu recht, und ich bin sicher, dass das lob in den nächsten tagen nicht abebben wird.
ich habe mir zwei zitate rausgepickt, die ich besonders gut fand, was natürlich keine super-tolle idee ist, weil die rede natürlich nur im ganzen funktioniert (und mir im ganzen sehr aus dem herzen spricht):
Wie froh müssen wir sein, daß am Anfang der Bundesrepublik Politiker standen, die ihr Handeln nicht nach Umfragen, sondern nach ihren Überzeugungen ausrichteten.
Dieser Staat hat Würde durch einen Akt der Demut erlangt.
einige wundern sich zum beispiel, warum nicht ausreichend serverkapazitäten bereit gestellt wurden, damit die seite nicht am ersten tag zusammenbricht. bei ein paar zahlungswilligen wird die zahlung nicht akzeptiert und wieder andere wundern sich, dass so wenige frauen bei dem projekt mitmachen.
die kritik scheint auch ziemlich schnell gewirkt zu haben, es wird stellung bezogen, diskutiert und besserung angekündigt.
trotzdem rief die kritik dann aber auch gleich die schnappatmer auf den plan. die sind empört, wie man als „nicht-macher“ („mach doch erstmal selbst was“) leute kritisieren könnte, die „endlich mal“ was machen. offenbar ist es immer noch nicht bekannt, dass nur spitzenköche sich über versalzene suppen beschweren dürfen.
dabei ist das gegenteil der fall. durch kritik können dinge besser werden. kritik ist auch ein toller stress-test: wie gut können leute unter druck arbeiten? halten sie dem druck der öffentlichkeit stand? können sie krisenkommunikation? sind sie lernfähig? können sie relevante kritik von quatsch unterscheiden? sind sie souverän und von ihrem projekt überzeugt?
mindestens einer der künftigen krautreporter hat auch schon frühzeitg erkannt, dass man seine eigenen defizite und schwächen hervorragend von dritten vertikulieren lassen kann — wenn man denn will. peer schader sagt in seinem krautvideo (fettungen von mir):
ich glaube, der grosse vorteil von online ist natürlich tatsächlich, dass ich die möglichkeit eines feedbacks habe. das heisst als journalist muss ich mich natürlich darauf einstellen, dass ich eins um die ohren bekomme, weil die leser im zweifel auch schlauer sind als ich und was dazu beitragen können, aber das stärkt ja im grund genommen nur das produkt. weil mein job isses möglichst viel rauszufinden. deshalb rede ich mit fachleuten, aber wenn die leute gleichzeitig leser sind, hab ich da ja kein problem mit. das ist ja im gegenteil ganz wunderbar. dann können die auch was dazu beitragen, dass die geschichte besser wird, oder dass ich beim nächsten mal weiss, dass die geschichte besser wird — oder was ändern kann.
im grund genommen ist ein grosser teil meiner recherche immer wieder das feedback, das ich von den lesern bekomme, die einfach natürlich viel breiteres wissen haben oder einfach auch an orten sind, wo ich nicht so schnell hinkomme.
sehr vorausschauend der peer. guter mann (keine ironie). allein für den, lohnt es sich 5 euro im monat zu investieren. das mach ich dann auch, sobald die krautreporter ihre verkackte bezahl-technik im griff haben.
weil ich heute nen 129-zeichen-witz gemacht habe, über die unterrepräsentierung von frauen in der geplanten krautreporter-redaktion (22:6), weiter unten noch ein paar ergänzende worte dazu:
sollte dieses krautreporter-dings scheitern, wird in 6 monaten ein erneuter versuch gestartet unter dem namen krautreporterinnen.
ich habe es nur mit halben ohr mitbekommen, aber auf twitter und ein paar kommentarspalten war ich nicht der einzige, der dieses auffällige ungleichgewicht in der geplanten redaktion festgestellt hat. die diskussionen auf twitter gingen dann wohl an manchen stellen in die richtung, dass hinweise auf dieses auffällige ungleichgewicht irgendwie miesmuffelig und verkrampft politisch-korrekt wirkten.
ich stelle mir da ne ganz andere frage; wenn ich eine oder mehrere bestimmte gesellschaftliche gruppen um unterstützung bitte, sollte ich dann nicht wenigstens versuchen den eindruck zu erwecken, dass ich mich für diese gruppe etwas mehr als zu 21 prozent interessiere?
ich finde die frage nach dem frauenanteil auch gar nicht irre politisch oder eine frage nach „korrektheit“, sondern eher eine nach den eigenen zielen und den leuten die man ansprechen möchte. für leicht adipöse, mittelalte, relativ gut gebildete, internetaffine, weisse mittelschichtmänner verspricht krautreporter beim blick auf die redaktionsmitglieder ein spannendes dings zu werden. deshalb habe ich mich auch gleich zum start versucht als unterstützer einzutragen (vorerst aus technischen gründen gescheitert).
aber wenn man interesse und vertrauen ausserhalb dieser etwas begrenzten zielgruppe erzeugen will, müssen die 22 krautreporter und 6 krautreporterinnen wohl noch ein bisschen überzeugungsarbeit leisten. denn wenn man schon in der startaufstellung klar zeigt, dass man kein übermässig grosses interesse an der beteiligung von frauen hat, kann es eben auch passieren, dass frauen kein übermässig grosses interesse an der unterstützung eines solchen vorhabens haben.
wolfgang lünenbürger sieht das etwas radikaler, hat aber eine (hypo-) these, die ich nicht völlig abwegig finde:
Denn die Bereitschaft von Frauen, sich zu engagieren und zu beteiligen, ist ein ziemlich guter Indikator für [die] Undoofheit [eines Vorhabens], so ist meine Erfahrung.
Q: Warum gibt es nur sechs Frauen, aber 19 Männer unter den Autoren?
A: Es stimmt: Wir haben es in der Vorbereitungsphase versäumt, auf mehr mehr Vielfalt in der Redaktion wie zum Beispiel ein ausgeglicheneres Verhältnis von Männern und Frauen im Team zu achten. Das wird uns in Zukunft nicht mehr passieren, und wir werden das Ungleichgewicht berücksichtigen, wenn das Projekt realisiert wird und wir die Redaktion erweitern.
dienstag habe ich mir den vortrag von friedemann karig angesehen. das thema hiess „Überwachung macht impotent!“ – Neue Narrative gegen Überwachung
war ein guter vortrag, allerdings war die einletung etwas lang.
die einleitung hat ungefähr 49 minuten gedauert.
dem eigentliche thema, „Neue Narrative gegen Überwachung“, hat friedmann karig dann 5 oder 10 minuten gewidmet. unter anderem hat er dann 3 neue (beta) narrative präsentiert.
für meinen vortrag hatte ich auch ne irre lange einleitung.
das thema der einleitung war angst. und zwar, dass wir alle angst haben. die regierungen vor terroranschlägen, die sicherheitsbehörden vor dem erneuten versagen und ihrer eigenen inkomptenz, wir vor dem staat der offenbar die demokratie zerstören will und es nicht schafft uns zu schützen.
wobei wir auch sehr anspruchsvoll sind:
wir wünschen uns sicherheit vor dem staat, also starke grundrechte.
wir wünschen uns aber auch einen starken staat mit effektiven ermittlungsbehörden. wenn es zum beispiel um die verhinderung von nazi-aufläufen geht, oder die aufklärung oder verhinderung der taten von nazi-mordbanden geht.
bis jetzt waren wir, wie unsere europäischen nachbarn, ganz froh, aussenpolitisch nicht allzu souverän zu sein, neuerdings wünschen wir uns aber ein starkes deutschland, ein deutschland, dass uns sicherheit vor ausländischen geheimen mächten bieten kann.
aber vor allem war das thema der einleitung, die ich gestern auf anraten meiner frau komplett aus dem vortrag geworfen habe, dass wir alle keine ahnung haben.
Wir laufen der Zeit hinterher und wissen überhaupt nicht, wie wir als Gesellschaft mit diesen technologischen Entwicklungen umgehen sollen.
— Juli Zeh
dieser satz von juli zeh ist übrigens eine elegante umformulierung eines bekannten ausspruchs unserer bundeskanzlerin. juli zeh spricht eigentlich von #neuland.
ich glaube wir hätten diesem merkel-wort nicht mit arroganz und internetversteher-obercheckertum begegnen sollen. sondern mit einem eingeständnis:
stimmt. das internet ist neuland. auch für uns. wir laufen nicht nur den technologischen entwicklungen hinterher, sondern auch den gesellschaftlichen — und zwar wir alle, nicht nur die politik.
wir stehen vor einem wald, der in flammen steht und sind schockiert, dass dieser wald den wir jahrelang gehegt und gepflegt und geliebt haben, plötzlich lichertoh brennt.
wir stehen davor und fragen uns wie das passieren konnte.
neben uns stehen menschen, die tanzen und sich freuen, dass nur der wald brennt und nicht ihre hütten am waldrand.
irgendwo steht sascha lobo und schreit:
tut doch was! irgendwas! spendet der feuerwehr geld! los! tut was!
was ich sagen will:
wir wissen nicht wie es passieren konnte.
wir wissen nicht was passiert ist.
wir wissen nicht was wir dagegen tun können und vor allem gegen wen oder was wir kämpfen sollen.
wir wissen nicht wie wir aus dem schlamassel wieder rauskommen sollen.
uns ist — wenn wir ehrlich sind — das lachen über merkels #neuland-spruch im hals stecken geblieben.
deshalb hat friedemann karig 49 minuten gebraucht für seine einleitung, um am ende drei vorschläge zu machen, wie wir die gefahr umschreiben könnten.
deshalb hat sascha lobo 2 stunden gebraucht, um eine handvoll vorschläge zu machen, wie wir die, die für totalüberwachung verantworlich sind, künftig nennen könnten.
jetzt hab ich meine einleitung weggeworfen — aber wie finde ich jetzt meinen einstieg?
vielleicht sollte ich als einstieg einfach mal sascha lobo widersprechen?
sascha — und viele anderen — meinen ja, mann müsse die regierung (oder die SPD) überzeugen uns zu schützen. wir sollten druck erzeugen, damit die politiker verstehen und unsere interessen (und rechte) schützen.
vielleicht ist das zu semantisch, aber erstens bin ich der überzeugung, dass sog besser wirkt als druck.
zweitens: zu verlangen dass der staat uns vor überwachung schützt, ist ein bisschen wie das verlangen, dass der staat uns vor bürokratie beschützen solle.
drittens: ich bin nicht sicher ob die bundesregierung druck braucht. ich glaube es herrscht durchaus überwachungsaffärendruck in der regierung. schliesslich ist nicht nur die regierung selbst (und wahrscheinlich einige andere verfassungsorgane) abgehört worden, ich gehe auch davon aus, dass die wirtschaftslobby kräftig druck macht wegen wirtschaftsspionage.
was fehlt ist nicht der druck, sondern lösungsansätze.
das sagt sich jetzt einfach, aber haben wir uns nicht immer selbst als internetversteher dargestellt?
das olle netzsperren-beispiel vor ein paar jahren zeigt wie es geht — oder gehen könnte: statt nein, haben wir irgendwann gesagt: löschen statt sperren.
ich glaube das war genau der punkt, der die wende gebracht hat. das war pragmatisch und lösungsorientiert. diesen differenzierten pragmatismus brauchen wir auch jetzt. nicht nur wut!
druck haben kürzlich auch 560 schriftsteller versucht aufzubauen. das wurde vollmundig im zentralorgan der schriftsteller und kulturschaffenden, der zeit, angekündigt:
über dem artikel stand:
560 Autoren wehren sich gegen Massenüberwachung
Hunderte Schriftsteller wehren sich gegen die digitale Ausspähung
ein Aufruf soll Bürger weltweit aufrütteln
wow, denkt man da. KÄMPFEN, WEHREN, AUFRÜTTELN!
im artikel ist dann allerdings weniger von „kämpfern“ die rede, als von „unterzeichnern“, die „alle Bürger auf[rufen], ihre Freiheitsrechte zu verteidigen“.
das hat mich zu einer kleinen subjektiven auswahl von grossen momenten des freiheitskampfes inspiriert:
(CC-BY-SA-3.0-DE, friedrich gahlbeck)
(CC-BY-SA-3.0, mstyslav chernov)
jedenfalls wird juli zeh in diesem artikel so zitiert:
Es wird sich langfristig nur etwas ändern, wenn sich auf breitester Basis durchsetzt, dass Überwachung die Demokratie gefährdet. Und wenn wir Intellektuelle jetzt aufstehen und unsere Meinung laut äußern, ermutigt das andere, es auch zu tun.
mit anderen worten, die führenden intelektuellen der welt rufen dazu auf, dass wir unsere meinung sagen?
und? hat der aufruf erfolg gehabt?
naja. einer ist aufgestanden und sagt jetzt seine meinung: akif pirinçci.
der hat zwar nicht die überwachung als gefährdung der demokratie ausgemacht, dafür aber einen „irren Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“.
spass (oder zynismus?) beiseite. was ich sagen will ist ernst gemeint: es gibt viele leute, die gesellschaftspolitisch völlig andere schwerpunkte setzen als wir.
oder polemisch ausgedrückt: so bescheuert wir die themen und ängste von pirinci und sarazin finden, so bescheuert finden möglicherweise auch viele unsere themen und befürchtungen im zusammenhang mit der NSA-äffäre. oder zumindest unsere prioritäten.
wir überzeugen niemanden durch dumpfes wiederholen unserer ein- und ansichten, so kristallklar sie uns selbst auch erscheinen mögen.
mich erinnert das ein bisschen an mustafa mutlu der seit zweieinhalb jahren vor dem auswärtiges amt protestiert. sein hungerstreik ist schon lange beendet hat, aber trotzdem sitzt oder steht er jeden tag mit seinem hungerstreik-schild vor dem auswärtigen amt und protestiert. bis heute.
zu ostern war mutlu übrigens im urlaub. auf der bank, auf der sonst sitzt, stand ein schild mit der aufschrift: frohe ostern!
überwachung gefährdet die demokratie
nochmal zurück zu juli zeh. ich glaube wir sind an einem punkt angelangt, an dem wir uns eingestehen sollten, dass kaum jemand den satz oben noch hören will. egal wie oft wir ihn wiederholen.
für viele scheint die demokratie trotz totalüberwachung weiterhin gut zu funktionieren.
oder: defizite der demokratie, werden von vielen anders erklärt.
kaum jemand will sein verhalten ändern oder über sein verhalten nachdenken.
niemand überrascht es zu hören, dass die amerikaner sich nicht an gesetze ausserhalb der USA halten — bzw. das die interessen der USA für die USA immer an erster stelle stehen.
niemand überrascht es zu hören, dass amerikanische geheimdienste an der parlamentarischen kontrolle vorbei operieren. ich habe erste berichte darüber gesehen, als ich vor 30 jahren angefangen habe tagesschau zu gucken.
niemand überrascht es, dass die deutsche regierung die eigenen interessen, denen ihrer internationalen partner unterordnet. (ich glaube übrigens, dass das im prinzip nicht die schlechteste wahl ist und auf eine lange geschichte zurückgeht.)
Es lohnt sich, jetzt zu kämpfen, damit die Überwachungsgesellschaft nicht zur akzeptierten Normalität wird.
— sascha lobo
sascha lobo hat letzte woche in seiner kolumne und am dienstag in seinem vortrag davor gewarnt, die normalität als normalität anzuerkennen. im ernst, ich frage mich: ist die überwachung nicht schon längst akzeptierte normalität?
das schliesst nicht aus, dass es sich lohnt widerstand zu leisten und gegen überwachung zu kämpfen.
wobei sich mir aber mehrere fragen stellen:
lebten wir nicht schon immer in einer Überwachungsgesellschaft?
und hat das internet nicht einfach nur mehr effektivität und eine andere dimension in die Überwachungsgesellschaft gebracht?
oder nochmal anders gefragt:
ist überwachung vielleicht nur ein symptom, nicht die ursache des problems?
ist überwachung quasi dem wesen des internets — zumindest so wie wir es derzeit nutzen und angelegt haben — inhärent, also eingebaut?
sascha hat das am dienstag auch angedeutet. mit einem marcuse-zitat, der sagte „herrschaft“ sei schon in der konstruktion von technologie mit angelegt. ich zeige den screenshot aber nur deshalb, weil auf meinem foto sascha lobo wie shrek aussieht.
ich glaube sicherheitslücken, datenlecks — und eben auch überwachungspotenziale — sind in die DNA des internets gewoben — murphy's law, „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen“, gilt auch fürs internet.
bevor ich jetzt postprivacy sage, benutze ich lieber eine weitere analogie:
das internet ist wie der flugverkehr. durch technologie und beschleunigung verkleinert es die welt.
und so wie maschinen, die man mehrere tausend meter über die erdoberfläche beschleunigt, eben auch unkontrolliert zu boden kommen können, fliegen uns — mit und ohne sicherheitsmassnahmen — eben auch hin und wieder mal unsere daten um die ohren. das risiko für daten-GAUs oder flugzeugabstürze lässt sich eindämmen, aber niemals ausschliessen.
man sagt ja immer analogien zum verkehr, funktionieren beim internet nicht. aber trotzdem machts irgendwie jeder:
al gore mit seiner datenautobahn
ursula von der leyen mit stop-schildern
und der verein digitale gesellschaft e.v. mit maut-schildern
ich glaube, das internet und überwachung gehören zusammen, wie der strassenverkehr und verkehrstote.
beides ist grässlich, aber jeweils inhärent. die risiken lassen sich reduzieren, aber nie ganz ausschliessen.
in beiden beispielen lässt sich das risiko durch zwei parameter reduzieren:
durch eine einschränkung von bequemlichkeit oder freiheit
und durch verbesserung von technologie
die entwicklung der sicherheitstechnik beim auto zeigt meiner meinung nach, dass wir durchaus zu einer grossen portion zukunftsoptimismus oder technikgläubigkeit berechtigt sind. die autos und strassen mögen früher hübscher gewesen sein als heute, aber sichererer waren strassen und autos früher eindeutig nicht.
das was sich in den letzten jahrzehnten bei der sicherheit von autos getan hat ist beispiellos. beispielhaft ist aber die implementierung der sicherheitssysteme in automobile.
die systeme sind standardmässig aktiviert. niemand muss irgendwas aktivieren oder konfigurieren
die meisten systeme schränken den komfort nur minimal ein
sicherheit geht immer vor komfort, schränkt den komfort aber meist nicht ein
so wie wir es jetzt unglaublich finden, dass menschen bis in die 70er jahre meist ohne sicherheitsgurt (oder ohne dreipunktgurt) auto gefahren sind, werden wir wahrscheinlich auch in 40 oder 20 oder 10 jahren auf unsere netz-nutzungs-gewohnheiten zurückblicken und sagen:
wie konnten wir uns damals so leichtsinnig sein und unverschlüsselte mails verschicken?
unglaublich: früher haben wir passwörter benutzt?
nochmal zurück zum thema des vortrags. welches thema?
das ist ja eigentlich gar nicht das thema, sondern eine anspielung auf einen filmtitel.
das thema mit dem ich mich eigentlich beschäftigen wollte, lautet: kann man den überwachungsstaat eigentlich schlagen? vor allem: wie?
In dem Moment in dem ich meinen Feind verstehe, ihn gut genug verstehe um ihn zu schlagen, in genau diesem Moment liebe ich ihn auch.
— Andrew (Ender) Wiggins
das zitat aus enders game impliziert das verständnis des gegners mit das wichtigste ist.
um den vortrag vorzubereiten habe ich beispiele gesucht, in denen der staat durch proteste zum einlenken gezwungen wurde (siehe: sog statt druck) und wo man es auch gegen eine öffentliche mir-doch-egal-haltung schaffte, eine breite öffentliche wirkung zu erzielen. das folgende ist jetzt ein kurzer exkurs in die 60er jahre.
bill hudson nahm dieses foto am 3. mai 1963 in birmingham, alabama auf.
man sieht auf dem bild einen sehr jungen schwarzen bürgerrechtler, der von einem polizeihund angegriffen wird. viele sind der meinung, dass die proteste in birmingham und vor allem dieses bild die entscheidende wende im kampf gegen die rassentrennung brachte.
birmingham war damals eine der am gründlichsten und radikalsten rassengetrennten städte der USA. die bürgerrechtsbewegung hatte jahrelang gegen rassentrennung und benachteilungung schwarzer bürger gekämpft, aber mit diesem foto schien sich plötzlich der wind zu drehen.
ein jahr nachdem dieses foto auf den titelseiten der nyt und vieler anderer tageszeitungen erschien, verabschiedete der US-kongress den civil rights act von 1964. die proteste in birmingham galten als der ausschlaggebende grund für dieses gesetz.
zuvor hatte martin luther king und seine bewegung neun monate vergeblich versucht in albany, georgia gegen die rassentrennung zu protestieren — ohne nennenswerte erfolge. vor allem, weil der polizeichef laurie pritchett es verstand (fotogene) gewalt beim umgang mit den protestierenden zu vermeiden.
in birmingham waren die bürgerrechtler ständig in lebensgefahr. einer der ansässigen bürgerrechtler, fred shuttlesworth, entging knapp einem bombenanschlag des kkk.
in birmingham versuchten die bürgerrechtler es mit konfrontation (project c, für confrontation). mit dem project c und den gewaltfreien protesten sollte bundesweite aufmerksamkeit auf die „the biggest and baddest city of the South“ gelenkt werden. in der ersten phase setzten sich schwarze auf für weisse reservierte plätze, liessen sich mitunter bespucken, festnehmen und verprügeln. bedient wurden sie nie.
das ziel war, die lokalen gefängnisse mit bürgerrechtlern zu füllen. der plan ging nicht auf, da nicht ausreichend viele der protestierenden festgenommen wurden, um die funktionsfähigkeit der stadt zu beeinträchtigen.
auch die eskalation durch eine provozierte festnahme von martin luther king brachte nicht die gewünschten erfolge, vor allem gab es immer weniger freiwillige die bereit waren sich festnehmen zu lassen.
in einer weiteren eskalation begannen die bürgerrechtler kinder und jugendliche für die proteste zu rekrutieren und zu schulen. an einem der ersten protesttage wurden 600 schüler festgenommen, der jüngste war 8 jahre alt. ingesamt führte dieser tag zur festnahme von 900 personen.
weil die gefängnisse nach ein paar tagen voll waren, versuchte der polizeichef in den folgenden tagen die protestierenden mit wasserwerfern und hunden aus den strassen zu vertreiben.
das bild vom 3. mai 1963 rief so starke reaktionen hervor, dass es nicht nur eine profunde wirkung auf die welt ausserhalb von birmingham hatte, sondern auch die reihen hinter martin luther king schloss. dessen art die proteste zu planen und zu führen, war zuvor in der schwarzen community heftig umstritten.
der junge auf dem bild heisst walter gadsden. er war damals 15 jahre alt. seine familie war eher konservativ und besass zwei tageszeitungen in birmingham, die king scharf kritisierten. gadsen kam zu den protesten eigentlich nicht als protestler, sondern als zuschauer.
weshalb ich das erzähle?
weil ich mir einbilde parallelen von der bürgerrechtsbewegung der 60er jahre zur grundrechtsbewegung 2014 zu sehen.
die bürgerrechtsbewegung damals
hatte keinen besonders breiten gesellschaftlichen rückhalt (im gegenteil) und
weder der kongress noch das weisse haus hatte interesse an reformen. kennedy sympathisierte zwar mit den zielen der bewegung, sah sich aber wahrscheinlich nicht in der lage reformen durchzusetzen
die bürgerrechtler und ihre methoden (vor allem kinder einzusetzen) wurden auch von schwarzen heftig kritisiert
die probleme der schwarzen waren vielen amerikanern egal oder es war ihnen unangenehm darüber nachdenken zu müssen (wer nicht schwarz ist, hat auch nichts zu befürchten)
erst jahrelanger, mühsamer und lebensgefährlicher protest, mit ständig verfeinerten strategien, führte zu ersten reformen.
durch die provokation der staatsmacht, entstanden starke, symbolische bilder, die als projekttionsfläche dienen konnten. noch wichtiger. die proteste zeigten, dass man mit gezielter provokation, mut und gewaltlosigkeit, eine position der schwäche in eine position der stärke verwandeln kann.
das bild auf dem gadsen von polizeihunden angegriffen wird, kommt übrigens nicht ohne einen kleinen taschenspielertrick aus.
wenn man genau hinsieht, sieht man, dass gadsen sich nicht wehrlos vom hund angreifen lässt, sondern dass er sein knie in richtung des hundes bewegt. es hiess später im lager der protestierenden, gadsen habe dem hund den kiefer gebrochen.
können wir da was draus lernen? wie können wir den überwachungsstaat schlagen?
1 aufbauschen
das erste problem das ich sehe ist das rhetorische aufbauschen. auch, und vor allem, von uns.
ständig beschwören wir die demokratie-apokalypse.
die gefährdungen der demokratie die wir an die wand malen sind für viele nicht nachvollziehbar
ein bisschen haben wir das gleiche problem wie die us-regierung vor ihrem letzten einmarsch in den irak. für dessen legitimierung wurde die gefahr aufgebauscht.
was joschka fischer und viele deutsche allerdings nicht überzeugte.
wenn wir andere (und uns selbst) überzeugen wollen, müssen wir besser argumentieren. we have to make our case. wir müssen die realen gefahren besser herausarbeiten. ohne colin-powel-taschenspielertricks.
sascha lobo hat „diese überwachung“ mit radioaktivität verglichen. unsichtbar, unschmeckbar, vage (aber gefährlich). ich frage: wo sind die strahlenopfer? auch markus beckedahl vermisst die toten robbenbabies des überwachungsskandals.
2 gegen wen?
wir wissen nicht wer unser gegner ist und wir wissen nicht was unser ziel ist (ausser der rettung der demokratie).
sind wir gegen die NSA? GHCQ? FSA? BND? BKA? FBI? CIA? den chinesischen geheimdienst? die einwohnermeldeämter?
sind wir gegen die grossen netzkonzerne? eher gegen google oder facebook? gegen kleine startups, die besonders lässig mit benutzerdaten umgehen?
sind wir gegen die bundesregierung? für eine starke bundesregierung? für ein no-spy abkommen? für mehr staatliche souveränität, gegen unsere verbündeten?
sind wir gegen die datenweitergabe zwischen „befreundeten“ geheimdiensten?
wenn ja, wollen uns also voll und ganz auf unserer eigenen dienste verlassen?
wohin deren kompetenzen führen, hat kürzlich auch einen untersuchungsausschuss beschäftigt.
sind für mehr parlamentarische kontrollen? nur wo dann? erstmal nur in deutschland? was ist mit den USA? in GB? in china?
wollen wir mehr datenschutz? wenn ja, datenschutz eher in der ausprägung eines thilo weichert oder eines peter schaar? wäre thilo weichert ein guter bundeskanzler?
wenn wir gegen videoüberwachung protestieren, müssen wir dann nicht auch gegen das instagrammen von menschen ohne schriftliche genehmigung sein?
ich habe kürzlich thomas gottschalk am kollwitz-platz gesehen. der hat dort (wahrscheinlich) mit seinen enkeln gespielt. mein erster impuls war: foto! mein zweiter: twitter! mein dritter: wieso eigentlich?
ich wiederhole mich, aber ich glaube es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass uns nicht mal ansatzweise klar ist
gegen was wir kämpfen
wer der gegner ist
wie lösung aussehen könnten
und wie wir diese lösungen erreichen, bzw. erkämpfen wollen
3 symbole
uns fehlen die narrative, oder genauer, die symbole. vor allem symbole die zur projektion geeignet sind.
gegen bestimmte überwachungs-verherrlichungs-narrative der amerikaner kommen wir allerdings ganz schwer an.
hier konstruiert die US regierung eines der mächtigsten narrative zur rechtfertigung ihres überwachungsapparats.
das bild was hier konstruiert wird, ist stärker als jedes tote robbenbaby.
gegen ein narrativ, dass so simpel ist, dass man es in den sand zeichnen könnte, kommt man schwer an.
wir kämpfen mit den angestaubten begriffen unserer elterngeneration:
Datenschutz
Privatsphäre
Gläserer Bürger
aus der stasi 1.0-überwachung liessen sich wirksamere visualisierungen von unrecht konstruieren.
das liegt vor allem daran, dass die überwachung schreckliche, sichtbare folgen hatte. für tausende menschen. über jahrzehnte hinweg.
die (konkreten) opfer des modernen überwachungsstaats lassen sich (zumindest im westen) an ein paar händen abzählen. glaub ich.
was uns bitter fehlt, sind bilder, symbole dieser art.
dieses bild hat sog!
4 umdenken
wir müssen umdenken können lernen.
[Die neuen Herausforderungen] erfordern […] eine veränderte Sichtweise und die radikale Abkehr von bisher für selbstverständlich hingenommenen Denk- und Handelsweisen. Denn eines ist klar: Vieles wird nicht mehr so sein, wie es einmal war.
das hat martin weigert 2009 geschrieben um den wandel im handel, kultur- und medienbereich zu umschreiben.
das gesagte gilt aber eigentlich auch für unsere sicht auf privatsphäre und freiheit. die konzepte für privatsphäre und freiheit haben sich in den letzten 4000 jahren immer wieder gewandelt und den gegebenheiten angepasst.
die dinge sind jetzt besonders im wandel, weil die technologie das recht vor sich hertreibt. im positven wie im negativen: technologie ist dem rechtsystem immer weit voraus.
wie wir die technologie im rechtsystem verankern wollen, müssen wir diskutieren und neu-denken.
wir sind weder die krone der schöpfung, noch sind unsere derzeitigen konzepte von privatsphäre und freiheit die kronen der philosophie oder soziologie. da ist noch platz nach oben, links und rechts.
Aus Angst vor Veränderungen, die sie nicht kontrollieren können oder die sie dazu zwingen würden, sich selbst zu verändern, wählen [Konservative] die Bequemste aller Lösungen, den Stillstand.
das hat ronnie grob über konservative geschrieben. wenn man das so liest, müsste uns klar werden, dass wir auch sehr, sehr konservativ sind — zumindest wenn es um unsere eigenen rechte und privilegien geht.
5. stop worrying
ich habe das gefühl, wir sind die einzigen sind die wütend sind. unsere wut ist aber nicht ansteckend. unsere wut und ungläubigkeit angesichts der monstrosität der totalüberwachung macht uns auch blind für das wesentliche.
.
wir sollten unsere wut in konstruktive, pragmatische lösungen fliessen lassen
wie umgehe ich überwachung? wie kann die sicherheit der kommunikation verbessert werden? wie lassen sich gefährdete menschen schützen?
sicherheit muss leichter, integrierter, inhärenter werden.
die sicherheitssysteme beim auto sind beispielhaft, vor allem in der bedienung.
wir müssen den dreipunktgurt neu erfinden!
6. play the system
ich habe immer gerne geglaubt, dass geheimdienste vor allem deshalb im geheimen werkeln, um ihre inkompetenz und unfähigkeit zu verbergen.
das ist wie mit den scheinriesen. wenn sie weit weg sind erscheinen sie monströs, je näher man ihnen kommt desto kleiner erscheinen sie.
geheimdienste sind vor allem deshalb effektiv, weil sie es schaffen, angst und schrecken zu verbreiten.
wir haben aber dank snowden neuerdings einen entscheidenden strategischen vorteil: wir wissen wie sie arbeiten.
warum haben wir diesen vorteil bisher so wenig genutzt?
um starke bilder zu bekommen, brauchen wir provokation. in diesem sinne ganz famos wäre zum beispiel, wenn nach einer snowden befragung der NSA-untersuchungsausschuss geschlossen in die USA reisen würde und dort festgenommen würde. festgenommene deutsche parlamentarier in guantanamo bay — was für ein bild! welch einen sog das erzeugen würde!
die täter benennen hat sich sascha ausgedacht. finde ich super.
und wie das mit dem spott aussehen kann, sieht man, wenn man in diesem video in dem glenn greenwald mit dem ehemaligen NSA chef michael hayden debattiert (link zum video, link zu sekunde 4364).
diese art von gesichtern von NSA-verantwortlichen, möchte ich in der nächsten jahren gerne öfter sehen.
ich könnte die liste noch weiter führen. aber jetzt hab ich keinen bock mehr.
wichtig ist: es gibt wege unsere schwäche in stärke umzuwandeln.
unbeantwortet ist aber immer noch die frage, warum ich denn jetzt die überwachung zu lieben gelernt habe. erstens: das war ein scherz. eine provokation. irgendwas musste ich ja beim call for papers schreiben. zweitens: weil ich glaube, dass man seinen arsch nur hochbekommt, wenn man getreten wird.
also ich zumindest. drittens: die überwachung hilft uns das eigentliche problem zu erkennen
und viertens: dank totalüberwachung erinnern wir uns wieder daran, dass freiheit nicht gegeben, sondern genommen wird.
A very interesting word that has no equivalent in English, but is amazing... pic.twitter.com/qle4SRaTVk
— Jeremy Trevathan (@JezzaTrev) May 6, 2014
diese schale war mal kaputt. irgendwer hat sie repariert. die technik heisst kintsugi. kintsugi ist eine kunstform die keramik mit gold- oder silber-lack repariert und die ansicht vertritt, dass etwas schöner werden kann, wenn es vorher zerbrochen war.
die schönheit des kaputten — oder eben, wenn man so will — internetoptimismus.
aber es gibt auch einen grund, warum ich diese total-überwachungs-scheisse hasse. der wichtigste grund, etwas gegen die totalüberwachung der überwachungsesoteriker zu tun?
wir müssen alles tun, damit sascha lobo wieder witzig wird!
— Silvia Renauer (@SilviaRenauer) May 8, 2014
ich möchte vor allem dem internet danken, ohne das ich diesen vortrag (über das internet) nicht hätte vorbereiten können. sehr viel inspiration habe ich aus malcolm gladwell’s buch „David and Goliath: Underdogs, Misfits and the Art of Battling Giants“ gezogen. viele dinge sind mir während der recherche in meinem RSS-feed entgegen geflogen, ein grosser teil über stellar.io. ganz wichtig war das frühe gegenlesen von patrcia cammarata und der beifahrerin. dank der beiden habe ich den vortrag einigermassen straffen und aufs wesentliche reduzieren können. dank geht auch an die republica, auf der ich durch gespräche und vorträge noch einiges an input für den vortrag aufnehmen konnte. eine oft unterberichtete eigenschaft der republica ist nämlich, dass sie sehr, sehr gut zum nachdenken anregt. und vielen dank an das super freundliche und positive publikum, das einzige publikum der welt, dass über keynote-effekte lachen kann.
hier nochmal die video-aufzeichnung eingebettet:
beim tagesspiegel-interview hatte ich meine session-planung natürlich noch nicht gemacht und deshalb lediglich die rede zur lage der nation empfohlen. heute sieht mein plan für die republica so aus:
10:00 bis 11:00 schlange stehen für die akkreditierung
wenn ich dann noch sitzen kann, 18:45 bis 19:45 zehn jahre bildblog, sollte das langweilig zu werden drohen, redet torsten kleinz von 19:15 bis 19:45 über bullshit.
ich bin ein grosser fan der RSS-leseapp reeder. ich synchronisiere sie seit ein paar jahren mit meiner fever-installation. morgens und abends im bett, sowie auf dem weg zur und von der arbeit verbringe ich täglich ein paar stunden mit der reeder-app. ich kann nicht sagen dass ich unzufrieden bin, die app funktioniert hervorragend offline, also in den berliner u-bahn schächten, die eine no-go-area für das internet von o₂ zu sein scheinen. reeder speichert die meisten beitragsbilder für offline-zugriff und vor allem funktioniert auch das abspeichern von pinboard- oder instapaperlinks in der u-bahn zuverlässig (indem die links an die jeweiligen server übertragen werden, wenn wieder netz verfügbar ist).
ansonsten mag ich es sehr, dass ich mit dem reeder einerseits angenehm lesen kann und andererseits wirklich schnell durch die feeds huschen kann.
es gibt aber auch ein paar sachen die mich am reeder nerven.
er stürzt er zu oft ab. aus meiner sicht grundlos, meistens wenn ich ein bookmark speichern möchte
wenn ich den reeder aus dem hintergrund zurückhole zeigt er mir meistens den letzten offenen artikel an (leider oft nicht an der letzten leseposition). manchmal tauscht er diesen offenen artikel dann aber während des synchronisierens im hintergrund aus unerfindlichen gründen mit einer weissen seite aus.
ein bookmark zu speichern benötigt mindestens 3 klicks (noch mehr, wenn der reeder abstürzt): klick auf das sharing-symbol, klick auf das pinboard-symbol, klick auf das ok-speichern-symbol. zudem sind die beiden ersten symbole im unteren bildschirmbereich, das OK-symbol aber ganz oben rechts. das überfordert leider meistens meinen daumen und erfordert ein umgreifen.
der entwickler silvio rizzi hat die app schon seit monaten nicht mehr aktualisiert was ich angesichts der offensichtlichen bugs ein bisschen enttäusched finde.
wegen dieser problemchen war ich offen den RSS-leser unread auszuprobieren, von dem ich gestern erstmals hörte. tatsächlich macht diese app einiges besser. bei der einrichtung der accounts (bei mir fever und pinboard) bietet die app einen link zur 1password-app, zum nachsehen des passworts. sehr praktisches detail. das speichern eines links bei pinboard erfordert nur noch zwei klicks ohne daumenverrenkung — und einen wisch. die artikel lassen sich auf dem gesamten iphone-bildschirm lesen, überflüssige bedienelemente sind komplett ausgeblendet.
durch den (zeitweiligen) wechsel der app sind mir aber auch gleich wieder die sachen aufgefallen die ich am reeder sehr zu schätzen gelernt habe:
im reeder kann ich bilder mit einer (pinch-) handbewegung vergrössern (sehe gerade, in unread gehts per klick und pinch)
im reeder gibt es eine readability-funktion mit der ich (solange ich online bin) gekürzte RSS-feed-artikel nach einem klick im volltext lesen kann
unread scheint pinboard links die ich abspeichere während ich u-bahn offline bin nach einem vergeblichen versuch und einem hinweis zu verwerfen. das ist leider ein K.O-kriterium. explizit gespeicherte informationen dürfen beim heutigen stand der technik nicht einfach verloren gehen. da nützt auch eine hochglanzoberfläche nichts, wenn dahinter scherben liegen. beim reeder ist mir bisher, trotz vieler abstürze, noch nichts verlorenen gegangen.
uninteressante artikel kann ich im reeder mit einem button überspringen. in unread muss ich sie wegwischen, bei langen artikel unter umständen sehr weit.
reeder aktualisiert sich nicht von alleine im hintergrund. unread schon. das heisst wenn ich morgens oder abends in die u-bahn gehe und vergessen habe den reeder vorher 3 minuten laufen zu lassen, sitz ich mit stunden- oder tage-alten artikeln in der u-bahn.
unread ist super detailverliebt und ambitioniert. eine wunderbare app. ich glaube, ich könnte mich an die minimalistische art zu lesen gewöhnen. reeder scheint gerade nicht besonders viel aufmerksamkeit vom entwickler zu bekommen — obwohl ich finde dass er diese aufmerksamkeit gut gebrauchen könnte, wenn er die beste RSS-leseapp bleiben will. denn unread ist ihm dicht auf den fersen, spätestens wenn unread keine daten mehr verliert, drohe ich umzusteigen.
zu ostern sind wir wieder zu den schwiegereltern der beifahrerin gefahren. über cardelmar habe ich bei europcar ein auto für 153 euro vom karfreitag bis zum dienstag nach ostern gemietet. die mietwagenqualifizierung war CDMR, was laut mietwagen-talk.de bedeutet, dass das auto c-ompact sei, 4 d-üren hat, m-anuell geschaltet wird und klimatisiert sei. bei europcar bekäme man dafür ein auto wie den skoda yeti, einen opel meriva oder einen golf 1.6 TDI. ausgehändigt wurd mir dann aber ein golf GTI. die beifahrerin sagte, als sie das auto sah, nur ein wort: „spoiler!“.
mich hats gefreut, weil an dem auto fast alles automatisch ist. die temperatur im innenraum, die scheibenwischer, die aussenbeleuchtung, stauanzeige und umfahrung — ausser gas geben, einen der 7 gänge einschalten und bremsen muss man fast nichts tun. man kommt auch sehr schnell voran, bis die beifahrerin einen anschreit, man solle jetzt bitte sprit sparen.
jedenfalls stand ich mit dem golf GTI und der beifahrerin auf der rückbank gestern vor einer filiale der kreissparkasse heinsberg. wir warteten auf meinen vater, der sich gerade am geldautomaten bargeld kaufte. in der sparkasse sprach ihn eine frau an, die sich sorgen über den golf GTI vor der tür machte. sie meinte zu meinem vater, dass der wagen aus hamburg sei und der fahrer „eigenartig“ aussähe.
die dame machte sich sorgen, überfallen zu werden. da die leute in heinsberg meinem vater zu vertrauen scheinen, konnte er sie mit dem hinweis beruhigen, dass der eigenartige typ draussen im golf sein sohn sei.
interessant finde ich jedenfalls, dass es tatsächlich leute gibt, die golf GTI ernst nehmen.
dinge die in the barn verboten oder ungern gesehen sind:
kinderwagen
laptops
hunde
aufs klo gehen (es gibt kein klo)
milch und zucker im filterkaffee
kaffee vor 8:30 uhr
reservierungen
wenn auch nicht explizit ausgeschlossen wie die oben genannten punkte, vermute ich, dass in the barn auch weisse socken, sandalen, shorts, basballschläger, clownskostüme und motorsägen ungern gesehen sind. gern gesehen scheinen jedoch vollbärte und dicke brillengläser, baseballkappen und wollmützen zu sein.
witzigerweise, auch wenn der erste teil dieses textes so interpretiert werden könnte, stören mich die vorschriften der barn-betreiber nicht im geringsten. im gegenteil. mich erinnert der besuch in the barn ein bisschen an einen besuch in einem restaurant im new yorker china town vor ein paar jahrzehnten. dort sprach niemand englisch (oder alle taten so), die speisekarte war ausschliesslich chinesisch und niemand machte sich die mühe auf meine gewohnheiten einzugehen. wenn ich mich recht erinnere suchte ich mir zwei sachen von der karte nach preis aus und liess mich überraschen.
der deal lautete: euer laden, eure regeln, ich lasse mich da heute gerne drauf ein und wenn ich glück habe, erlebe oder schmecke ich etwas, was ich vorher noch nie geschmeckt habe. eigentlich ist das bei fast jedem restaurantbesuch (nicht nur im ausland) so und andererseits natürlich auch der grund, warum mcdonalds und subway (oder starbucks) international so erfolgreich sind: das risiko des unbekannten und neuen will nicht jeder ständig eingehen. weil experimente oder sich auf fremde oder neue geschmäcker und gewohnheiten einzulassen auch schiefgehen und im ekel enden kann.
soll mir also recht sein, wenn man in the barn sagt:
Our handbrewed coffees have a spectacular range of notes and flavours. They are roasted lightly and with great care to bring out the individual characteristics of a bean. We only serve these coffees without milk or sugar to showcase those fantastic flavours.
am samstag hab ich mir dort dann also (auf empfehlung von bosch) einen kaffee aus der aeropress bestellt. der wurde mit erstaunlich wenig kaffeepulver und erstaunlich viel wasser zubereitet, so dass ich am ende ein kännchen duftenen filterkaffee hatte. die barista meinte, als sie ihre nase über das fertige produkt hielt, dass der kaffee nach sherry röche. auf meine frage, ob das was gutes sei, nickte sie.
wie ich das bereits von meinen eigenen aeropress-experimenten kenne fehlte dem kaffee jede bitterkeit. er hatte in der tat einiges an aromen zu bieten, aber leider auch ein paar saure noten. nicht unangenehm, im gegenteil, aber merklich. in der asiatischen küche kontert man die sauren noten mit süsse, aber das ist bei den filterkaffees in the barn, wie gesagt, verboten:
We do advise not to use sugar for various reasons but mainly because it distracts from wonderful coffee flavours. However, if you must we offer Whole Cane Sugar from dried unrefined natural sugarcane juice.
weil zucker vom geschmack ablenkt, bietet man also zur not eine zuckerart an, die einen sehr starken (karamelligen) eigengeschmack hat. ich benutze auch seit jahren fast ausschliesslich vollrohrzucker im kaffee, aber das mit der logik ist bei the barn wohl eher zweitrangig.
wie gesagt, ich mag das konzept der barn: einen laden um ein gutes produkt herum aufbauen und das so pur wie möglich zu verkaufen, auch auf die gefahr hin damit bevormundend oder elitär zu wirken. trotzdem werde ich wohl nicht zum stammkunden dort werden. einerseits weil ich mir mittlerweile zuhause nicht nur guten kaffee machen kann, sondern auch, weil ich den dann auch so trinken kann wie ich es mag: vor einem laptop, vorm fernseher, mit zucker, ohne zucker, mit milch, ohne milch, mit bier oder ohne bier. und nach dem kaffee aufs klo gehen ist auch was tolles.
obwohl einen flat white, ich glaube das ist ein kaffee mit demeter-milchschaum, werde ich dort irgendwann nochmal probieren.
original: „Now, if you’ll excuse me, I have to go grind a gap in my front teeth.“
übersetzung von faz-redakteur michael hanfeld: „Wenn Sie mich nun entschuldigen, ich muss die Lücke zwischen meinen Vorderzähnen schließen.“
übersetzung google translate: „Nun, wenn Sie mich entschuldigen, 1 müssen an Dann gehen die von der Lücke in der My vorderen Zähne.“
übersetzung vom bing-übersetzer: „Jetzt, wenn Sie mich entschuldigen, ich muss gehen, eine Lücke in meine Vorderzähne zu mahlen.“
meine übersetzung: „wenn Sie mich nun entschuldigen würden, ich muss mir eine lücke zwischen die vorderzähne schleifen“
übersetzung der serienjunkies: „Nun entschuldigt mich bitte, ich muss mir eine Zahnlücke in meine Schneidezähne scharben.“
(alternativ ginge natürlich auch ein denglischer gag: „ich muss mir einen briefschlitz in die vorderzähne schleifen“)
robert m. maier, der gründer eines shopping-portals, dass mittlerweile zu axel-springer gehört, durfte im feuilleton der faz einen text veröffentlichen, der offenbar von niemandem gegengelesen wurde (wie bei mir übrigens auch).
man kann google von sehr vielen seiten aus kritisieren, aber aus der ecke eines sich benachteiligten fühlenden, direkten wettbewerbers verliert kritik sehr schnell an überzeugungskraft. erst recht wenn die kritik so unpräzsise, unstrukturiert und arm an argumenten verfasst wird, wie in diesem fall. anbei ein paar stellen, die mir beim lesen besonders ins auge fielen.
Google baut auf den Suchergebnisseiten immer mehr und immer prominenter Werbung für eine Produkte ein (Google AdWords, Google Shopping).
das mag schon stimmen, aber was sind „eine Produkte“?
So zahlt Google an die Herstellerfirma des wichtigen Ad-Blockers Eyoe, damit diese bestimmte Werbungen nicht mehr blockt. Das ist sicherlich nicht zum Wohle aller Nutzer.
die firma heisst eyeo, der adblocker adblock plus und wenn man sich die mühe macht an adblock plus rumzukonfigurieren, kann man „diese bestimmten Werbungen“ durchaus blocken. beeindruckend finde ich jedenfalls, dass robert m. maier adblocker in der faz als weg zum benutzerwohl bezeichnet und ihm firmen, die gegen adblocker vorgehen, angst machen.
am rande bemerkt, faz.net macht sowohl werbung für adblocker („Fazit: Adblock IE ist eine gelungene Antwort auf Dauerwerbung im Netz“), als auch dagegen.
Über die Einhaltung der Google Guidelines scheint hingegen Google ganz allein zu entscheiden, wie es aussieht, hinter verschlossenen Türen, ohne anderen Website-Betreibern die Chance zu geben, sich zu verteidigen. Was für ein Satz: sich vor Google verteidigen!
finde ich gut, wenn man sich über seine eigenen formulierungen freuen kann. ich frage mich nur, wie sich das mit den journalistischen qualitätsstandards der faz vereinbaren lässt, über die soweit ich weiss auch hinter verschlossenen türen entschieden wird. aber vielleicht gelten die standards bei werbebeiträgen von unternehmern in eigener sache nicht. auch bezahlte werbung redigiert die faz ja nicht, warum sollte sie dann unbezahlte werbung redigieren?
Und wenn sich jemand im Google-Kalender einen Termin mit mir einträgt, kann es wissen, wen ich wann wo treffe, ohne dass ich den Google-Kalender nutzen muss. Damit wird das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausgehebelt.
das ist harter tobak, scharf an den grenzen menschlicher und juristischer logik. denn die „informationelle Selbstbestimmung“ würde nach dieser logik möglicherweise auch verletzt, wenn „jemand“ einen termin mit robert m. maier in sein icloud-synchronisiertes iphone oder outlook oder eine klowand einträgt. so gesehen sind adressbücher und kalender wohl unvereinbar mit der informationellen selbstbestimmung.
erstaunlich jedenfalls, eine so fundamentalistische datenschutzansicht in einem blatt zu lesen, dass ganz gut vom adresshandel lebt und dafür kräftig mitlobbyiert hat.
Die Steuern, die Google gegenüber seinen deutschen und europäischen Wettbewerben spart, nutzt es, um in mehr Mitarbeiter, mehr Forschung und Entwicklung sowie mehr Unternehmenszukäufe zu investieren. Dies schwächt die europäischen Firmen, Staaten und letzten Endes Bürger.
mehr mitarbeiter, mehr forschung, entwicklung und unternehmenszukäufe schwächen europa? ich vermute der implizite vorwurf von robert m. maier ist hier, dass google legale steuerspartricks aus den suchergebnissen filtert um die wettbewerber, europa und die bürger zu schwächen.
nur mal so aus interesse und apropos verschlossene türen. kennt jemand die qualitätsstandards der frankfurter allgemeinen zeitung? sei es beim rausredigieren von fehlern oder dem streichen von sätzen, die so tun als enthielten sie argumente. und kann neuerdings tatsächlich jeder unternehmer einen unredigierten text in der faz unterbringen, wenn er grob in die politische agenda der herausgeberschaft passt?
nachtrag:
@wirresnet Mich hat geärgert, dass vor dem (Online-)Leser versteckt wurde, wer denn Herr Maier eigentlich ist. https://t.co/ssE0NXpqIR
angeblich ist das eine antwort auf robert m. maiers artikel von eric schmidt („Der Google-Verwaltungsratschef antwortet auf alle Kritiker.“): „Die Chancen des Wachstums“
the machine: leider ziemlich guter film. itunes fasst ihn so zusammen:
With an impoverished world plunged into a Cold War with a new enemy, Britain’s Ministry of Defense is on the brink of developing a game-changing weapon. Lead scientist Vincent McCarthy (Toby Stephens) provides the answer with his creation, ‘The Machine’- an android with unrivalled physical and processing skills. When a programming glitch causes an early prototype to destroy his lab, McCarthy enlists artificial intelligence expert Ava (Caity Lotz) to help him harness the full potential of a truly conscious fighting machine.
die geschichte (im film, nicht in der kurzbeschreibung) ist überaschend gewendet, zumindest gegenüber den normalen genre-filmen. auch erholsam: ausnahmweise erzählt der trailer mal nicht die halbe geschichte, sondern führt auf falsche fährten. was mir besonders gut gefiel war, dass die musik eindeutig bezug auf frühe 70er und 80er-jahre filme nahm. diese art synthesizer-sounds habe ich schon lange nicht mehr in einem film gehört. auch die anspielungen an west-world, den ich mir vor kurzem extra nochmal angesehen habe, erfreuten mich. ich war von westworld zwar mittelschwer enttäuscht, was aber an veränderten sehgewohnheiten lag, zumindest meinen. die haben sich in den letzten 41 jahren doch sehr verändert. das 2DF hat also, auf ne art, voll recht.
the machine wurde meinen sehgewohnheiten von 2014 sehr gerecht. das ende vom ende ist zwar ein bisschen überpathetisiert, aber der film ist alles andere als doof geschrieben und ein grosses, relativ kurzes vergnügen.
wo ich gerade dabei bin, apropos doof geschrieben. der hobbit teil 2 (smaugs einöde) war ja ganz unterhaltsam und technisch makellos. aber einen solchen bescheuerten quatsch hab ich mir schon lange nicht mehr von einem film erzählen lassen. dutzende genetisch modifizierte kampfmaschinen, ein drachen und dutzende andere gegner werfen sich teilweise schwer bewaffnet auf einen haufen zwerge und einen hobbit und denen ist am ende des filmes nicht ein haar gekrümmt? unverwundbarer ist in der filmgeschichte eigentlich nur ein filmheld: james bond. der ist auch seit fast 50 jahren jung und sportlich wie eh und je.
aber im ernst; der hobbit wäre vielleicht etwas überzeugender gewesen, wenn die zwerge und der hobbit ihre stärke aus esprit und geistiger beweglichkeit gezogen hätten und der film sich nicht auf gigantomanische bond-spielereien und unglaubwürdige technikspielereien verlassen hätte, um die haare seiner helden zu schonen. die technikgläubigkeit im hobbit nahm so absurde formen an, dass ich mehrfach beinahe genervt weggeschaltet und gekotzt hätte.
kurz: the machine ist kurzweiliger, intelligenter quark, smaugs einöde eine zumutung für den gesunden menschenverstand.
heute auf facebook diesen eintrag im brand-eins-facebook-strom gesehen. ein ziemlich witziges video von einem menschen der sagt, dass ihn viele leute fragen würden, wie es sei ein sexsymbol zu sein und dann voll auf die fresse fällt.
ich finde das von der brand eins eingebettete video sehr, sehr witzig und meine erste reaktion war: „das muss ich auch üben!“ in aller bescheidenheit habe ich kürzlich auch so etwas in der art versucht. leider sehr viel unüberzeugender:
die brand eins schreibt auf facebook:
Wir waren uns uneinig, ob das unter unserem Niveau ist. Wahrscheinlich schon, aber lustig ist es trotzdem.
selbst auf schleckysilberstein.de bekommt man als leser einen tacken mehr information geliefert, nämlich, dass es sich im video „um Schauspieler und Model Taye Diggs“ handelt.
was mich aber ärgert wundert: niemand macht sich die mühe nach dem original und dem kontext dieses videos zu suchen, das, wie man auf den ersten blick erkennt, brilliant inszeniert ist.
nach 2 minuten google-bildersuche und ein bisschen klicki-klicki findet man das original vine-video:
die entscheidende frage ist aber: warum macht sich niemand die mühe die quelle zu finden und zu nennen und postet/shared stattdessen wie ein kopfloser teenager alles stumpf ins facebook oder seine wordpress-installation rein? dass die hohlbirnen von schlecky silberstein christian brandes statt 3 minuten lang das original zu suchen, lieber den von einem trittbrettfahrer auf youtube hochgeladenen abzug postet ist klar. aber die brand eins?
nicht der witz, der humor oder die potenziell erzeugte (falsche) schadenfreude des videos ist unter dem niveau der brand eins, sondern die mangelnde journalistische neugier und der mangelnde journalistische ehrgeiz. wer ist das auf dem video? was macht der da? warum macht er das? fake oder echt? hat der typ noch andere witzige sachen im peto? stattdessen: „harharhar! guckt mal! harharhar.“ — das ist genau das was ich von der brand eins nicht lesen und hören will, genau das gegenteil dessen, was ich an der brand eins schätze.
es gibt freundliche und unfreundliche aldis. gestern waren wir mal wieder im unfreundlichen aldi einkaufen. dort fiel irgendwann einer älteren dame ein glas instant-kaffee auf den boden, das zerbrach und ein bisschen kaffeeduft im aldi verteilte. sie sagte auch gleich dem personal bescheid, dass die reste beseitigte und sich für ihre ehrlichkeit damit bedankte, ihr an der kasse zwei gläser instantkaffee zu berechnen: einmal für das kaputte glas und einmal für das glas, was sie dann tatsächlich mitnahm.
die ältere dame fand dann, dass es eine gute idee sei, das zerbrochene glas mitzunehmen, um es „zu reklamieren“. sie wollte zwar nicht sagen wo sie es reklamieren würde oder warum es für die reklamation nötig sei im besitz von scherben zu sein, aber die kassierinnen wollten ihr das zerbrochene glas so oder so nicht geben.
was mich aber wunderte, war die erklärung der kassiererin, warum die kundin den zerbrochenen kaffee würde zahlen müssen: weil kunden angehalten seien einkaufswagen zu nutzen, müssten kunden die keinen einkaufswagen nutzen dinge die ihnen runterfallen eben zahlen. rein rechtlich hatte die kassiererin wohl recht. der jurist peter derledermeint, dass es keinen „Rechtsgrundsatz“ gäbe, nach dem man waren die einem im supermarkt kaputtgehen vor der bezahlung auch nicht zahlen müsse.
trotzdem scheint es sehr viele supermärkte zu geben, auch aldi-filialen, die das kulanter handhaben und mehr wert auf wiederkehrende kunden legen, als auf erbsenzählerei und rechthaberei. manch ein supermarktbesitzer ersetzt sogar gelegentlich kaputte waren aus anderen geschäften.
ganz anderes thema. interessant wie springer-medien mitunter arbeiten, leistungsschutzrecht hin oder her. das interview mit dem juristen peter derleder erschien am 29.03.2005 auf test.de (und wahrscheinlich auch in der zeitschrift der stiftung warentest). am 7. april erschien diese zusammenfassung des interviews in der bz-berlin.de. abgesehen davon, dass die aussage von peter derleder hier als aussage der stiftung warentest ausgelegt wird, fügt der artikel dem original nicht das geringste hinzu. aus der interviewantwort
Eltern müssen ihre Kinder aber auch belehren. In jedem Fall ist eine Haftpflichtversicherung sinnvoll.
macht die bz einen gefetteten absatz:
Experten-Tip: In jedem Fall ist eine Haftpflichtversicherung sinnvoll.
aber eins muss man springer lassen: kürzen, fetten und suchmaschinenoptimiert schreiben können sie.
heute habe ich diesen text von thomas hoof gelesen, dem gründer von manufactum und verleger von akif pirinçcis „Deutschland von Sinnen“. danach gingen mir in etwa diese gedanken durch den kopf:
das neue berliner schloss, manufactum und akif pirinçcis tiraden basieren alle auf dem gleichen sentimentalen fehlschluss: früher sah alles besser aus.
weil der zuckerbäckerstil des 15. jahrhunderts manchen so viel besser gefällt als zeitgemässe architektur, wird jetzt mitten in berlin ein hyper-moderner, effizienter bau erstellt, der am ende mit der fassade von vor ein paar hundert jahren beklebt wird. war ja früher alles besser — bis auf die energieeffizienz, die haus- und klimatechnik, die sicherheitstechnik, die fenster, die putze und wandfarben, die möbel und die scheisshäuser.
manufactum verzichtet bei der herstellung und den vertrieb der „guten alten dinge“ natürlich nicht auf modernste logistik, verpackungstechnik und marketing, inklusive vertrieb und marketing im internet; dieses ding, das viele, nicht nur manufactum-marketing-opfer, als gar nicht mal so gut und alt befinden. ein modernes unternehmen, das menschen, die die vorzüge der modernen welt geniessen, etwas glorifizierte-alte-welt-make-up zum abdecken der überkomplexen realität verkauft.
und jetzt bemängelt thomas hoff, der herausgeber von akif pirinçci, dass viele buchhändler sich so wie in der angeblich so guten alten zeit verhalten; ein bisschen betulich, sehr vorsichtig und sich auf das bauchgefühl — nicht algorithmen — verlassend. sollen sie doch sterben und vom modernen, fortschrittlichen, algorithmus-getriebenen amazon in den abgrund treiben lassen, sagt er. denn amazon verkaufe das werk aus hoffs verlag, dass die angeblich gute alte zeit, das „alte Deutschland“ wieder zurückwüten will, wie warme semmeln. die guten alten buchhädler (es gibt sie noch), verhalten sich angesichts des blödsinns den hoof unter die leute bringen will, etwas zurückhaltender.
die zeit die sich pirinçci und viele andere zurückwünschen ist eine, in der es in deutschland noch keine umweltprobleme gab (weil noch niemand drüber sprach), kaum minderwertigkeitskomplexe gab (es gab stolz und status) und vor allem keine gleichberechtigungsprobleme gab (es gab klare hierarchien). überaggressive, testesteron-verspritzende weicheier wie pirinçci mussten damals™ ihre alphatierrolle weder mit hengstbissigkeit, noch mit argumenten verteidigen, sondern bekamen sie dank ihres geschlechts einfach auf lebenszeit verliehen.
das ist die widersprüchlichkeit der schlossbauer, der hoofs und pirinçcis: sie wollen alle nicht auf die vorzüge der modernen welt verzichten — aber sie wünschen sich nichts sehnlicher als dass diese moderne welt so wie früher™ aussieht und sich auch ein bisschen so anfühlt. sie haben alle nichts gegen den fortschritt, man soll ihn nur nicht sehen, keine konsequenzen aus ihm ziehen und vor allem nicht darüber reden! so wie früher eben, als die welt noch übersichtlich, still und geordnet zu sein schien.
Dank LaterPay habt Ihr jetzt zusätzlich die Möglichkeit, mich für den einen oder anderen Inhalt zu bezahlen. Mit nur 2 Klicks (!) könnt Ihr weiterführende Informationen, Grafiken oder Videos abrufen. Eine Art „In-App-Purchase“, wie man das aus der Games-Welt kennt – nur eben übertragen auf den Journalismus.
mein erster versuch war nur so halb von erfolg gekrönt, nach dem kauf habe ich erstmal einen eigenartigen darstellungsfehler bekommen, der aber auch mit der aktuellen chrome version zusammenhängen kann die ich gerade benutze.
die behauptung mit den zwei klicks ist allerdings gewagt. wenn ich mich erstmal auf der artikelseite befinde, was von der gutjahr.biz-startseite schonmal mindestens zwei klicks entfernt ist, öffnet der erste klick erstmal ein laterpay-fenster. der kauf lässt sich erst durch den zweiten klick tätigen, wenn man die AGB zur kenntnis genommen hat (lesen: 1 klick, bestätigen: 1 klick). ich zähle da 4 klicks. möglicherweise muss ich beim nächsten kauf auf meinem laptop nicht mehr die AGB lesen und die kenntnisnahme bestätigen (und komme so dann tatsächlich auf 2 klicks), aber ausprobieren kann ich das nicht, weil es ausser diesm einen artikel noch nichts per laterpay zu kaufen gibt. spätestens wenn ich auf einem anderen gerät etwas mit laterpay kaufen will, werde ich aber wohl wieder auf vier klicks kommen.
also bin ich mit dem iphone auf den artikel navigiert (gefühlte 5 klicks) und habe todesmutig erneut für 29 cent den artikel kaufen wollen. richard gutjahrs blog ist zwar responsive, also auf die betrachtung mit mobilen geräten optimiert, aber leider das aufpoppende laterpay-fenster nicht.
#laterpay auf dem iphone: kann den bezahlen-button nicht anscrollen, mir aber eine tolle CSS-animation ansehen („Über LaterPay“). respekt.
unscrollbares laterpay-fenster auf dem iphone
das fenster lässt sich weder scrollen noch kleinskalieren, was sehr bedauerlich ist, weil es so unnötigerweise die nutzung mit einem iphone 4 unterbindet. ich habe es eben mit einem kindle fire ausprobiert und tatsächlich klappte der kauf damit (mit 4 klicks). was auch klappte war meinen vermeintlichen doppelkauf durch anmelden im kindle bei laterpay zu stornieren, bzw. die käufe zusammenzulegen, so dass ich nur einmal 29 cent zahlen werde müssen. ich glaube zumindest dass das funktioniert, denn das was mir das system gesagt hat, habe ich nur so halb verstanden.
im prinzip hält laterpay also was es verspricht: einfache, relativ unbürokratische abwicklung von kleinstkäufen, auch über gerätegrenzen hinweg (wenn man sich seine zugangsdaten merken kann). was ein bisschen irritiert ist die etwas lieblose umsetzung des überlagerten fensters, das nicht mit dem theme von gutjahr.biz zusammenspielt. die laterpay-api scheint auch noch sehr beta zu sein, eben habe ich mehrfach folgende fehlermeldung zu gesicht zu bekommen:
laterpay-API-fehler auf gutjahr.biz
ansonsten könnte das aber was werden, mit laterpay. wenn das dann mal irgendwann funktioniert und zugänglich ist.
die arbeit ist das sinnbild unseres diplomprojekts organic future. ansgar hat dankenswerterweise ein paar filme und ideen von damals dokumentiert. dort sind auch einige unserer damaligen filme eingebettet, die man sich alle ansehen kann, sobald sich die GEMA und google geeinigt haben. es gibt auch ein organic-future-youtube-konto mit den filmen.
diese dokumentationsseiten hat ansgar schon ne weile online (auf die bilder kann man klicken):
jason kottke hat vor ein paar tagen einen kaffee-kult-wutausbruch von khoi vinh verlinkt. ich bin beim lesen immer wieder gedanklich abgedriftet, was mir bei zu kompliziert geschriebenen wutausbrüchen immer wieder passiert. deshalb nehme ich mal das zitat das auch jason kottkes zur zusammenfassung ausgewählt hat:
In the West, and particularly in urban centers of the United States, we've turned coffee into not just a daily habit, but a totem of conspicuous consumption. They are "rituals of self-congratulation" (a choice phrase I believe I read from Sam Sifton, but which I can't seem to source) wherein we continually obsess over certain coffee purveyors or certain methods of brewing coffee - each new one more complex, more Rube Goldbergian and more comically self-involved than the previous brewing fad.
die ritualisierung und die kultische erhöhung von menschlichen tätigkeiten erstreckt sich wirklich auf alle lebensbereiche. von der nahrungsaufnahme zum stuhlgang (schonmal moderne japanische toiletten gesehen?), von der wahl der fortbewegungsmittel zur wahl der körper- und fussbedeckung hin zur frage ob man knoblauch besser quetscht, würfelt, in scheiben oder mit oder ohne keim verarbeitet. über jede, wirklich jede entscheidung können sich menschen ausgiebig streiten, sei es die wahl des richtigen telefons, des richtigen computerbetriebssystems oder der richtigen belichtungszeit und blende bei gänseblümchenfotographie. warum sollte das gerade bei kaffee anders sein?
ich glaube, man nennt die rituale der selbstbeglückwünschung von denen möglicherweise sam sifton oder sonstwer redet, in anderen zusammenhängen auch einfach kultur. wie wir nahrungsmittel zu uns nehmen, drogen, genussmittel, wie wir uns kleiden oder fortbewegen und uns gegenüber anderen verhalten, die sich ebenfalls fortbewegen oder etwas zu sich nehmen oder kleiden, all das kultivieren und regeln wir im laufe von jahren, manchmal dekaden oder jahrhunderten. und nennen es dann kultur, konsum, ausgehen, genuss oder wie auch immer.
es gibt nicht wenige menschen die sich selbst für sehr kultiviert halten und deren regale sich vor lauter gesammelten kulturgütern biegen, die aber die nase über kulturen rümpfen die entweder zu primitiv, zu ausgefeilt, zu fremd, zu spiessig, zu hipp, zu unhipp, zu neu oder einfach zu anders zu dem was in ihren regalen oder schränken steht sind. es gibt menschen die nennen es „spass“, wenn sie mit 200 auf einem zweirad durch die gegend rasen, aber dekadent, wenn man sich kaffee aus alumniniumkapseln zubereitet. dekandent und obsessiv sind immer die anderen. das was wir selbst tun, nennen wir lieber „ein bisschen spass“ oder „genuss“.
man kann sich wirklich über alle möglichen obsessionen lustig machen; über die japaner, wie sie zwanghaft an jedem deko-detail jedes bissens arbeiten, über die deutschen, die mayonaise auf alles kippen, fleisch über stunden hinweg weichkochen und kaffee aus tropfbrühautomaten trinken, über italiener die der meinung sind espresso schmecke besser, wenn er in heisse tassen gefüllt wird und im stehen getrunken wird oder über franzosen, die dünnen kaffee in homöopathischer dosis in zu heisse milch kippen.
ich mach mich heute mal über nichts lustig, sondern versuche mich zu erinnern wie sich mein kaffeekonsum über die jahre hinweg verändert hat.
an meine erste tasse kaffee kann ich mich leider nicht erinnern. ich bin aber sicher, dass es klassischer deutscher filterkaffee war, mit milch und zucker. woran ich mich allerdings in meiner jugend erinnere, war das aufkommen von kaffeeverkaufsstellen bei bäckern und den duft den das kaffeemahlen verströmte. dieser duft macht womöglich abhängiger als das koffein im kaffee. als ich mit 15 oder 16 regelmässiger gast im aachener domkeller wurde, wurde ich auch regelmässiger konsument des dort gereichten „milchkaffee“. der wurde dort mit viel milch und ein bisschen dünnen kaffee aus sowas wie einer siebträger-espressomaschine serviert. schmeckte wie das zeug, was man in frankreich als café au lait serviert bekommt.
hin und wieder, wenn ich mit meinen eltern mal essen ging, gabs zum abschluss einen espresso. diese abendlichen espressi knallten witzigerweise immer genauso so, wie man sich wünscht, dass der morgentliche kaffee knallen würde, aber fast nie tut. bis zu meinem ungefähr siebzehnten lebensjahr habe ich mehr oder weniger nur filterkaffee getrunken, mit gelegentlichen espresso-zwischenfällen. ein einziges mal habe ich in aachen im café van den daele einen kaffee getrunken, der direkt in die tasse gebrüht wurde, mit so einem edelstahlaufsatz, in dem das kaffeepulver war und aus dem unten dann der kaffee in die tasse tropfte. bis auf die apparatur, fand ich den kaffee nicht besonders beeindruckend.
ich kann mich an keinen einzigen kaffee erinnern, den ich in meinem austauschjahr in den USA getrunken habe. gut möglich, dass ich meinen koffeinbedarf ausschliesslich mit softdrinks gestillt habe — oder einfach keinen bedarf hatte. ein paar jahre nach meiner rückkehr hielt bei uns eine dieser auf-den-herd-stell-espresso-kannen einzug. ich fand den kaffee immer ein bisschen bäh, immer entweder zu sauer, zu schwach oder zu stark und oft meinte ich gummidichtungsgeschmack wahrzunehmen.
nach meiner ausbildung fuhr ich erneut für ein paar wochen in die USA, 2 wochen new york und 2 wochen seattle, bzw. washington state. in new york frühstückte ich meist in einem diner an der columbus avenue. dort liess ich mir acht bis 10 tassen kostenlos nachfüllen, bis sich ein bisschen koffein-kribbeln bemerkbar machte. geschmacklich konnte ich der amerikanischen kaffeeplörre durchaus etwas abgewinnen, der deutsche filterkaffee war mir jahrelang zu bitter. der amerikanische kaffee verursachte aber auch einiges mehr an harndrang als ich gewohnt war. aber da es in new york an fast jeder ecke ein mcdonalds gibt, war das auch kein problem.
in den zwei wochen bemerkte ich new york erstmal auch eine neue art café. es gab qualitativ hochwertige backwaren, kekse, kuchen und eben auch cefé latte und son gedöns — in pappbechern. ich habe in der zeit hin und wieder solche läden aufgesucht, allerdings (in meiner erinnerung) weniger wegen des kaffees (den ich lecker fand), sondern wegen der sitzplätze direkt im fenster. ich fand es gab nichts grossartigeres als in new york an einer belebten strasse in einem fenster zu sitzen und auf die strasse zu sehen. und vielleicht zu lesen. später in seattle habe ich auch zum ersten mal die marke starbucks wahrgenommen. das muss alles so gegen 1993/94 gewesen sein.
zurück in deutschland gab es dann durchs studium hindurch fast ausschliesslich filterkaffee. viel filterkaffee. gelegentliche espressi nach dem essen oder bei italien-reisen waren sicherlich dabei, aber filterkaffee war neben leitungswasser und bier eins meiner grundnahrungsmittel. bis ich zum ende des studiums umzog und das herbertz in der immenhofer strasse entdeckte. über mindestens zwei jahre bin ich dort jeden morgen hingegangen und habe eine oder zwei oder drei „melange“ getrunken (was, zumindest aus herbert okolowskis hand, eine art sehr starker café latte war) und ein laugenbrötchen mit salami und käse gegessen. der kaffee-geschmack im herbertz war leider sehr prägend für mich — zumindest für das, was ich als wirklich guten kaffee empfinde. mich hielt und hält diese messlatte nicht davon ab, andere arten kaffee zu trinken und zu schätzen, aber wirklich guter kaffee muss seit dem herbertz wirklich stark sein, ohne bitterstoffe, mit mehreren millimetern crema. beste erinnerungen habe ich auch an das kleine stehcafé im oder am tagblattturm. dort gab es ertklassigen illy-espresso, der mir damals in der kombination mit einem feierabendbier besonders gut schmeckte.
die letzten jahre in stuttgart, aber auch die ersten jahre in berlin hatte ich de-fakto kein zuhause. ich habe in meiner wohnung lediglich übernachtet und geduscht, gegessen, kaffee getrunken, gearbeitet und gebloggt habe ich mehr oder weniger in wechselnden büros und wechselnder gastronomie. in den ersten 5 jahren berlin (mindestens), bin ich jeden morgen ins coffeemamas gegangen und habe dort zwei bis drei kaffee latte getrunken. neben dem überragend leckeren, selbst gerösteten kaffee mochte ich dort insbesondere, wie damals in new york, das im fenster stehen und die menschen beobachten. irgendwann öffnete in berlin auch ein starbucks, in den seltenen fällen in denen ich dort hin ging, trank ich filterkaffee mit milchschaum, der war der günstigste und schmeckte nicht übel. scherzahft nannte ich starbucks damals auch immer wucherpfennig. ebenfalls sehr guten kaffee gabs im caras, da bin ich immer hin, wenn das coffeemamas zu hatte oder noch nicht offen weil die bedienung verschlafen hatte. zum starbucks bin ich allerdings immer gerne aufs klo gegegangen — was ich damals auch ausgiebig im internet dokumentierte. langjährige leser werden sich erinnern.
2007 passierte etwas ungeheuerliches und mir bis dahin unvorstellbares. wir schafften uns eine nespresso-maschine an, obwohl ich solchen überteuerten systemkaffee bis dahin für völlig blödsinnig hielt. nachdem wir den kaffee ein paar mal aus so einer maschine bei meiner schwester probiert hatten, liess ich all meine bedenken fahren. der hauptgrund war in meiner erinnerung, dass wir beide die schnauze voll hatten von den auf-den-herd-stell-espressokännchen. die dinger führten regelmässig zu spritzendem kaffee, verbrannten fingern und scheusslichem kaffeee. für mich war der nespresso-kaffee, wenn ich in hamburg war, eine echte alternative zum café-ausgehen. auch preislich erscheinem einem 30-40 cent im vergleich zu 3-4 euro nicht so doll. die nespresso-maschine hat mich in den letzten jahren auch fast vollkommen vom morgendlichen café-besuchen abgehalten.
2008 bin ich mit der beifahrein und dem kind wieder in und durch die USA gereist. unter anderem, um in las vegas zu heiraten. auf unserer hochzeitsreise durch den westen der USA sind wir leider zu regelmässigen starbucksgästen geworden. einfach weil es dort für amerikanische verhältnisse den besten kaffee gab. zumindest auf dem flachen land. und aus flachem land bestehen die USA nunmal zum grossen teil. bevor die beifahrerin vor ungefähr zwei jahren nach berlin zog, bin ich immer noch regelmässig zum frühstücken in berlin in cafés gegangen. meistens das balzac an der schönhauser allee. spätestens als der laden auf der ekelliste des ordnungsamt pankow auftauchte, trinke ich den kaffee in solchen läden immer im pappbecher. aber wahrscheinlich ist das nur eine USA-angewohnheit die ich mir als tick zugelegt habe.
vor ein paar wochen las ich mal wieder über die aeropress-kaffeemaschine (vorher wiederholt bei cory doctorow) und entschied mich, das ding mal auszuprobieren. [amazon-werbelink] für knapp 25 euro kann man da ja nicht viel falsch machen, dachte ich. zuhause hatten wir noch ein paket dallmayr prodomo mit einer geschenkschleife im schrank stehen. muss irgendwann mal jemand mitgebracht haben. der erste kaffee den ich mit der aeropress aus dem dallmayr prodomo presste, knallte wie ein abendlicher restaurant-espresso. der geschmack war stark, ohne echten espresso-geschmack, aber auch völlig ohne bitterstoffe — allerdings auch ohne crema. zu meinem geburtstag bekam ich von der beifahrerin und dem kind eine elektrische kaffeemühle und ein kilo faire bio-kaffeebohnen aus guatemala geschenkt. wenn ich diese bohnen ganz fein mahle, bilde ich mir ein, dass der kaffee aus der aeropress eine leichte kakao-note bekommt. er ist weiterhin stark und nicht bitter und ohne das typische espresso-röstaroma. aber köstlich. die zubereitung ist etwas komplexer als mit der nespresso-maschine, aber ich trinke ihn ähnlich: eine tasse, die mit ⅔ milch gefüllt ist, erwärme ich 30 sekunden in der mikrowelle und kippe dann die hälfte des kaffeeextrakts, dass aus zweieinhalb grossen kaffeelöffeln kaffeepulver und ca. 100 milliliter wasser besteht, dazu.
bei der aeropress kann man an vielen variablen drehen: der wassertemperatur, dem mahlgrad, der länge des rührvorgangs, des pressvorgangs und der kaffeesorte. auf diese variablen habe ich mit bedacht jahrelang dankend verzichtet und ehrlichgesagt ist das der entscheidende punkt bei nespresso: der kaffee ist nahzu immer gleichbleibend gut (für manche auch gleichbleibend schlecht). die einzige variable die man verstellen kann ist die art der kapsel. da das was aus der aeropress herauskommt bisher auch mit verschiedenen variablen köstlich war, freue ich mich darauf wieder an den stellschrauben drehen zu können oder verschiedene rezepte auszuprobieren. davon scheints reichlich zu geben.
[Werbung]
Ich habe auf Ebay eine Kollektion angelegt, in der ich die Maschinen und Zutaten, mit denen ich in den letzten paar Jahren Zuhause und im Büro Kaffee gemacht habe, aufliste. Mehr oder weniger alles in dieser Kollektion besitze oder nutze ich und kann ich aus vollem Herzen empfehlen.
[Für die Erstellung und Bewerbung von ein paar Ebay-Kollektionen habe ich ein (pauschal) Honorar bekommen. Etwas mehr zu den Ebay-Kollektionen habe ich hier geschrieben.]
die schweizer zeitung der bund, schreibt in einem info-kasten zu diesem artikel unter anderem:
Aufgrund der unklaren Rechtslage ist es in der Medienbranche jedoch Standard, dass Fotografen für ihre Bilder entschädigt werden, unabhängig davon, ob ein urheberrechtlich geschütztes Werk vorliegt oder nicht.
von der überschrift des artikels, „SVP kämpft mit gestohlenem Bild gegen Chaoten“, könnte man auch darauf schliessen, dass ein teil der redaktion des bundes der meinung ist, dass die unlizensierte nutzung eines bildes diebstahl ist. ich sehe das aus verschiedenen gründen anders und halte begriffe wie diebstahl oder eigentum im zusammenhang mit immateriellen gütern für kampfbegriffe (mehr dazu weiter unten).
trotzdem finde ich, sollte man sich an seinen eigenen worten messen lassen.
diese messung fiel beim bund sehr enttäuschend aus.
vor vier wochen entdeckte die beifahrein auf einer seite des bund ein foto das sie vor 5 jahren aufgenommen und veröffentlicht hatte. das foto war weder mit einem hinweis auf die urheberin, noch mit einem link auf die quelle veröffentlich worden. ausserdem wurde in das bild noch das logo des fussballblogs der zeitung montiert.
weil ich neugierig war, wie der bund diese bildnutzung mit den standards der medienbranche, von denen er seine redakteure schwadronieren lässt, in einklang bringen möchte, schrieb ich einen mittelfreundlichen brief:
ich wollte mal fragen ob das in ihrem haus üblich ist, fotos aus dem internet einfach zu nutzen, ohne den urheber davon in kenntnis zu setzen und das eigene copyright drunter zu flanschen oder ob sie sich an die standards der medienbranche halten, von denen sie in einem ihrer artikel schwadronieren:
Aufgrund der unklaren Rechtslage ist es in der Medienbranche jedoch Standard, dass Fotografen für ihre Bilder entschädigt werden, unabhängig davon, ob ein urheberrechtlich geschütztes Werk vorliegt oder nicht.
im impressum der seite seite meiner frau stehen die nutzungsbedingungen eigentlich unmissverständlich:
Die Fotos sind von verschiedenen Leuten gemacht worden. Von wem steht in den jeweiligen Einträgen. Für die meisten bin ich Inhaberin des Urheberrechts, für diese gilt: bei Namensnennung und Verlinkung meiner Seite dürfen sie die Bilder gerne kopieren und verbreiten. Es darf sich dabei allerdings nicht um einen kommerziellen Zweck handeln und die Bilder dürfen nicht verändert werden.
Bilder deren Urheberrecht ich nicht habe sind im Text gekennzeichnet. Die dürfen sie nicht kopieren.
soweit ich erkennen kann, verfolgt ihr verlag durchaus kommerzielle ziele, sie verstossen also eindeutig gegen die eigentlich recht liberalen nutzungsbedingungen die meine frau für ihre bilder vergibt.
wir würden uns sehr darüber freuen, wenn sie uns die frage beantworten würden, ob sie sich an die standards der medienbranche halten wollen, oder ausnahmen davon machen, wenn keine gegenwehr zu erwarten ist.
interessant fand ich, dass in der antwort, die einen tag später ankam, nicht mit einem wort auf das vollmundige versprechen eingegangen wurde, dass fotografen von verlagen die sich an medienstandards halten stets „für ihre Bilder entschädigt“ würden:
Sehr geehrter Herr Schwenzel,
Besten Dank für Ihr Mail. Ich möchte mich bei Ihnen und bei Ihrer Frau für die Urheberrechtsverletzung entschuldigen, die so natürlich nie hätte stattfinden dürfen. Dieses Vorgehen ist in unserem Medienhaus selbstverständlich nicht üblich, und ich werde alles veranlassen, damit dies auch in unseren Blogs, die zum grossen Teil auf freiwilliger Basis geschrieben werden, so gehandhabt wird.
Gerne werde ich die Löschung des Beitragbildes veranlassen, und möchte mich noch einmal nachdrücklich bei Ihnen entschuldigen.
auch heute, knapp vier wochen nach der ankündigung alles mögliche zu veranlassen, ist das bild noch online. mir und der beifahrerin ist das eigentlich ziemlich egal, aber es zeigt doch ziemlich deutlich, was man von den äusserungen, beteuerungen und heren grundsätzen von redaktionen, redakteuren und verlagen halten kann: zum grossen teil sind das leere, bedeutungslose worthülsen, die kläglich am alltag scheitern.
es ist natürlich kompliziert. im internet kann einen nicht nur die nicht lizensierte bildnutzung, sondern theoretisch auch schon das einbetten von youtube-videos, tweets oder anderen inhalten in urheberrechtsfallen tappen lassen. das posten von links auf facebook führt fast immer dazu, dass sich facebook ein vorschaubild von der verlinkten seite holt und mal klein, mal grösser auf der eigenen facebookseite anzeigt. selbst ein so elementarer bestandteil des digitalen lebens wie das verlinken von webseiten, liegt in einem für laien völlig undurchschaubaren rechtsgestrüpp. noch komplizierter wirds wenn man diese vorschaubilder selbst, von apps oder anderen webdiensten auswerten lässt. nur ein beispiel: die aktuelle topmeldung auf spiegel.de zeigt ein bild der DPA. dieses bild wird im quelltext der seite auch als open graph bild angeboten:
damit bietet spiegel.de das bild der DPA explizit für die verwendung in sozialen netzwerken an. dienste wie twitter, pinerest, google-plus und einige andere werten diese information teilweise ebenfalls aus und nutzen diese vorschaubilder. die rechtslage dafür ist völlig ungeklärt, wie man auch beim beispiel spiegel sieht. einerseits sagt spiegel online „nehmt dieses vorschaubild!“, andererseits sagt spiegel online klipp und klar:
SPIEGEL ONLINE arbeitet mit den allgemeinen Bildagenturen zusammen und kauft Bilder nur für das eigene Angebot. Die Rechte der Fotos bleiben bei den Bildagenturen und können nicht an Dritte übertragen werden. Bitte wenden Sie sich an die entsprechende Presse- oder Bildagentur, die unten rechts in der Ecke des Fotos genannt wird.
das internet ist ein urheberrechtliches minenfeld. mein persönlicher weg dadurch ist zumindest zu versuchen fair zu sein. schon klar, das ist ein sehr dehnbarer begriff. einerseits kann jeder meine bilder und texte nutzen und ändern, auch kommerziell, wenn er meinen namen nennt und das neue werk unter der gleichen lizenz veröffentlicht (lizenz ist im fuss der seite verlinkt). andererseits versuche ich bei nutzung fremder werke bildquellen immer zu nennen und, wo nötig, die lizenz anzugeben. bei urhebern (fotografen, zeichnern) versuche ich möglichst immer direkt nachzufragen ob ich das bild nutzen darf (bisher ist diese frage nie mit nein beantwortet worden). wenn ich mir unklar über die lizenz oder den urheber bin, versuche ich einen teaser zu bauen, der nicht das ganze bild zeigt und aufs original verweist.
aber sogar selbst fotografierte bilder bergen urheberrechtliche probleme: ein foto kann kunst enthalten, für deren abbildung man der vg bild-kunst gebühren zahlen müsste. personen abzubilden birgt noch mehr potenzielle probleme.
ja, es ist kompliziert, aber ich glaube (ich wiederhole mich, ich weiss) entscheidend ist immer abzuwägen und zu versuchen sich fair zu verhalten. wie heisst fair eigentlich auf schweizerisch?
[nachtrag 17.03.2014, 15:50 h]
die drei seiten mit dem blogbeitrag (eins, zwei, drei) mit dem entsprechenden bild sind jetzt gelöscht, bzw. 404. vom verlag oder dem entschuldigungsredakteur haben wir bis jetzt nichts neues gehört.
Ebay hat vor ein paar Tagen in Deutschland mit einigem Presserummel benutzergenerierte Kollektionen vorgestellt. Wie Ebay sich das dieses Kollektionendings genau vorstellt, sieht man auf der Landingpage die Ebay dafür gebaut hat. Auch die reguläre Ebay-Startseite wurde umgekrempelt und sieht jetzt, zumindest bei mir, aus wie ein mit Zetteln vollgeklebter Kühlschrank.
Auf Ebay kann sich jetzt jeder solche Kollektionen aus Ebay-Artikeln zusammenklicken; Sammlungen mit Artikeln die man anderen empfehlen möchte oder, wie Modeblogger das gerne tun, Artikel die farblich gut zusammen passen.
Zum Start der Kollektionen hat Ebay einen Haufen „Experten und Trendsetter“ [sic] eingeladen um die ersten paar hundert Kollektionen zusammenzustellen. Einer davon bin ich. Weil Ebay mir für die Erstellung von ein paar Kollektionen und dafür, dass ix dieses Kollektionendings hier und anderswo sporadisch erwähne, ein Honorar gezahlt hat, steht über diesem Artikel folgerichtig „Werbung“. Ausserdem schreibe ich zur eindeutigen Kennzeichnung mal mit Großbuchstaben.
Ich habe keine Ahnung nach welchen Algorithmus Ebay die Kollektionsstartseite sortiert. Angeblich funktioniert das nach Aktualität und Beliebtheit. Derzeit taucht erst an hundertachtzehnter Stelle eine Kollektion von mir auf (diese Toilettenschildersammlung). Keine Ahnung ob das funktioniert, aber was René Walter kann, kann ich schon lange: hiermit rufe ich einfach mal dazu auf, diese beiden, bisher unterbeaufmerksamten Kollektionen von mir zu klicken und zu folgen:
markus, oder den pöhler, wie ihn alle nannten, habe ich zuletzt auf neles beerdigung gesehen. das ist jetzt ungefähr zwanzig jahre her. seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen und auch nichts von ihm gehört. im august des letzten jahres ist markus gestorben, seine todesanzeige und eine „gedenkseite“ habe ich heute per google gefunden.
markus war vor 30 jahren mein bester freund. als ich ihn kennenlernte war ich 14 oder 15. wir haben zusammen das getan, was 15 jährige in den 80ern eben so machten: geraucht, getrunken, gekifft, musik gehört, computerspiele gespielt, michael gross mitten in der nacht beim schwimmen in los angeles zugeguckt (bei einem der rennen schlug markus vor aufregung eine scheibe ein). ich glaube wir haben ausser der olympiade in LA nie gemeinsam fernsehen geguckt, dafür sind wir aber mal mit 15 gemeinsam ins pornokino gegangen. als es noch kein internet gab, musste man für so nen scheiss noch mäntel mit hohen kragen anziehen und in die innenstadt fahren. an den wochenenden sind wir in diverse aachener clubs gegangen, die man damals noch diskotheken oder kneipen nannte. erschütternderweise sind mir ausser dem metropol in der blondelstrasse alle namen von diesen damals beinahe magischen orten entfallen. wir fühlten uns damals ziemlich erwachsen — und dachten auch dass wir so aussehen. welch ein irrtum.
nele, pöhler, ix
wir haben in der zeit auch ziemlich oft mädchen aufgesucht und unter anderem auch angefangen stark parfümierte tees zu trinken. und das nicht nur gemeinsam mit den mädchen die wir aufsuchten. bei monika sind wir mal abends über den garten in die erste etage in ihr zimmer geklettert. möglicherweise zum teetrinken. beim einsteigen ins fenster schlug mein fuss gegen die jalousie des wohnzimmers, in dem monikas eltern gerade fernsehen guckten. wir waren eventuell schon ein bisschen angetrunken, weil wir vorher auf dem spielplatz 40prozentigen rum getrunken hatten. wir dachten damals, dass das gegen die bittere kälte helfen würde. bei monika hörten wir, glaube ich, wham! auf einem plattenspieler mit tangetialarm (!), ein teil mit fernbedienung, mit dem man lieder überspringen konnte. eigenartig was man sich so alles merkt und was man vergisst. monikas eltern haben übrigens nicht bemerkt, dass monika herrenbesuch hatte und beim aussteigen waren wir offenbar vorsichtiger.
nie vergessen werde ich den abend an dem ich markus besuchte und gleich bei ihm im zimmer verschwand, ohne seinen eltern, die zwei zimmer weiter fern sahen, hallo zu sagen. bei uns gab es sonntags fast immer lammbraten mit knoblauchsosse (viel jogurt, ein bisschen mayonaise, ketchup, salz, zucker und sehr, sehr viel gequetschter knoblauch). nach 20 minuten riefen markus eltern laut aus dem wohnzimmer rüber: „markus? ist felix da? es riecht nach knoblauch!“
im sommer 1984 oder 85 sind wir zusammen mit dirk mit der mitfahrzentrale nach lacanau ocean in frankreich gefahren. eine erfahrung die wir dort machten hat sich mir sehr eingeprägt: den billigen landwein (zwei liter flasche) aus dem campingplatz-laden konnte man mit 10 würfeln zucker einigermassen geniessbar machen. ich glaube wir waren 2 oder drei wochen dort, eine zeit in der unsere eltern nicht wussten ob es uns gut geht — unter anderem, weil wir gar nicht auf die idee kamen, zuhause anzurufen. als die ferien sich dem ende zuneigten, kamen wir allerdings auf die idee, unsere mitfahrgelegenheit anzurufen, die versprochen hatte uns auch wieder mitzunehmen. der mann war allerdings nicht zu erreichen. wir fuhren mit unserem letzten geld mit dem zug zurück nach aachen. das geld war dann am kaiserplatz alle, so dass wir uns wegen meiner schwarzfahrphobie entschlossen vom kaiserplatz nach kornelimünster zu laufen oder zu trampen.
was mich im nachinein wundert ist, dass wir es über den urlaub hinweg geschafft haben so mit dem geld zu haushalten, dass wir es tatsächlich zurückgeschafft haben und dass unsere eltern nicht vor angst um uns wahnsinnig geworden sind (oder wenn sie es waren, es sich nicht haben anmerken lassen).
der tod schien uns damals sehr zu faszinieren. sowohl tagsüber, als auch abends trafen wir uns oft auf dem friedhof an der bergkirche in kornelimünster. oft auch mit nele. irgendwann hatten wir uns vorgenommen auf dem friedhof mal zu übernachten, eine mutprobe, die wir dann doch nie umgesetzt haben. bei neles trauerfeier, die in der bergkirche stattfand, fragte ich markus, ob er sich erinnern würde, wie wir damals oft mit nele auf der freidhofsmauer gesessen hätten. markus antwortete damals ja, wenn ich mir diese frage heute selbst stelle, fällt mir auf, dass ich mich nur noch daran erinnere dass wir oft dort sassen (und wahrscheinlich wie die schlote rauchten), aber nicht an konkrete situationen mit den beiden dort am friedhof. das einzige bild das mir ins gedächnis kommt ist, wie ich dort alleine in der sonne sitze, auf den vom sonnenlicht gewärmten alten, flechtenübersääten steinen, und von oben auf kornelimünster blicke.
markus und ich haben uns nie gestritten, aber dann doch irgendwann auseinandergelebt. vor allem geographisch, als ich 1986 für ein jahr in die USA ging und danach nicht nach aachen zurückkehrte, sondern nach heinsberg zog. ausser von ein bisschen hörensagen, weiss ich nicht was für ein leben markus seit dem führte und weshalb er gestorben ist. auf seiner gedenkseite erkennt man aber, dass er offenbar ein kind und eine frau hatte. mir tut das sehr leid und ich bin sicher, dass er ein sehr guter vater und mann war.