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wie ich lernte die überwachung zu lieben

felix schwenzel

das ist, auf viel­fa­chen wunsch, die ver­schrift­lich­te ver­si­on mei­nes vor­trags auf der re­pu­bli­ca 2014.
die auf­zeich­nung des vor­trags vom 8. mai liegt hier auf you­tube.


diens­tag habe ich mir den vor­trag von frie­de­mann ka­rig an­ge­se­hen.
das the­ma hiess „Über­wa­chung macht im­po­tent!“ – Neue Nar­ra­ti­ve ge­gen Über­wa­chung

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war ein gu­ter vor­trag, al­ler­dings war die ein­le­tung et­was lang.

die ein­lei­tung hat un­ge­fähr 49 mi­nu­ten ge­dau­ert.

dem ei­gent­li­che the­ma, „Neue Nar­ra­ti­ve ge­gen Über­wa­chung“, hat fried­mann ka­rig dann 5 oder 10 mi­nu­ten ge­wid­met. un­ter an­de­rem hat er dann 3 neue (beta) nar­ra­ti­ve prä­sen­tiert.

für mei­nen vor­trag hat­te ich auch ne irre lan­ge ein­lei­tung.

das the­ma der ein­lei­tung war angst. und zwar, dass wir alle angst ha­ben. die re­gie­run­gen vor ter­ror­an­schlä­gen, die si­cher­heits­be­hör­den vor dem er­neu­ten ver­sa­gen und ih­rer ei­ge­nen in­komp­tenz, wir vor dem staat der of­fen­bar die de­mo­kra­tie zer­stö­ren will und es nicht schafft uns zu schüt­zen.

wo­bei wir auch sehr an­spruchs­voll sind:

  • wir wünschen uns sicherheit vor dem staat, also starke grundrechte.
  • wir wünschen uns aber auch einen starken staat mit effektiven ermittlungsbehörden. wenn es zum beispiel um die verhinderung von nazi-aufläufen geht, oder die aufklärung oder verhinderung der taten von nazi-mordbanden geht.
  • bis jetzt waren wir, wie unsere europäischen nachbarn, ganz froh, aussenpolitisch nicht allzu souverän zu sein, neuerdings wünschen wir uns aber ein starkes deutschland, ein deutschland, dass uns sicherheit vor ausländischen geheimen mächten bieten kann.

aber vor al­lem war das the­ma der ein­lei­tung, die ich ges­tern auf an­ra­ten mei­ner frau kom­plett aus dem vor­trag ge­wor­fen habe, dass wir alle kei­ne ah­nung ha­ben.

Wir laufen der Zeit hinterher und wissen überhaupt nicht, wie wir als Gesellschaft mit diesen technologischen Entwicklungen umgehen sollen.
— Juli Zeh

die­ser satz von juli zeh ist üb­ri­gens eine ele­gan­te um­for­mu­lie­rung ei­nes be­kann­ten aus­spruchs un­se­rer bun­des­kanz­le­rin. juli zeh spricht ei­gent­lich von #neu­land.

ich glau­be wir hät­ten die­sem mer­kel-wort nicht mit ar­ro­ganz und in­ter­net­ver­ste­her-ober­che­cker­tum be­geg­nen sol­len. son­dern mit ei­nem ein­ge­ständ­nis:

stimmt. das in­ter­net ist neu­land. auch für uns. wir lau­fen nicht nur den tech­no­lo­gi­schen ent­wick­lun­gen hin­ter­her, son­dern auch den ge­sell­schaft­li­chen — und zwar wir alle, nicht nur die po­li­tik.

.@diplix steckt die #rp14 in Brand - bildlich und verbal! Kudos! pic.twitter.com/vcpt4qtNhS

— Tilman (@twone2) May 8, 2014

wir ste­hen vor ei­nem wald, der in flam­men steht und sind scho­ckiert, dass die­ser wald den wir jah­re­lang ge­hegt und ge­pflegt und ge­liebt ha­ben, plötz­lich li­cher­toh brennt.
wir ste­hen da­vor und fra­gen uns wie das pas­sie­ren konn­te.
ne­ben uns ste­hen men­schen, die tan­zen und sich freu­en, dass nur der wald brennt und nicht ihre hüt­ten am wald­rand.

ir­gend­wo steht sa­scha lobo und schreit:

tut doch was! irgendwas! spendet der feuerwehr geld! los! tut was!

was ich sa­gen will:

  • wir wissen nicht wie es passieren konnte.
  • wir wissen nicht was passiert ist.
  • wir wissen nicht was wir dagegen tun können und vor allem gegen wen oder was wir kämpfen sollen.
  • wir wissen nicht wie wir aus dem schlamassel wieder rauskommen sollen.
  • uns ist — wenn wir ehrlich sind — das lachen über merkels #neuland-spruch im hals stecken geblieben.

des­halb hat frie­de­mann ka­rig 49 mi­nu­ten ge­braucht für sei­ne ein­lei­tung, um am ende drei vor­schlä­ge zu ma­chen, wie wir die ge­fahr um­schrei­ben könn­ten.

des­halb hat sa­scha lobo 2 stun­den ge­braucht, um eine hand­voll vor­schlä­ge zu ma­chen, wie wir die, die für to­tal­über­wa­chung ver­ant­wor­lich sind, künf­tig nen­nen könn­ten.

jetzt hab ich mei­ne ein­lei­tung weg­ge­wor­fen — aber wie fin­de ich jetzt mei­nen ein­stieg?

viel­leicht soll­te ich als ein­stieg ein­fach mal sa­scha lobo wi­der­spre­chen?

sa­scha — und vie­le an­de­ren — mei­nen ja, mann müs­se die re­gie­rung (oder die SPD) über­zeu­gen uns zu schüt­zen. wir soll­ten druck er­zeu­gen, da­mit die po­li­ti­ker ver­ste­hen und un­se­re in­ter­es­sen (und rech­te) schüt­zen.

viel­leicht ist das zu se­man­tisch, aber ers­tens bin ich der über­zeu­gung, dass sog bes­ser wirkt als druck.

zwei­tens: zu ver­lan­gen dass der staat uns vor über­wa­chung schützt, ist ein biss­chen wie das ver­lan­gen, dass der staat uns vor bü­ro­kra­tie be­schüt­zen sol­le.

drit­tens: ich bin nicht si­cher ob die bun­des­re­gie­rung druck braucht. ich glau­be es herrscht durch­aus über­wa­chungs­af­fä­ren­druck in der re­gie­rung. schliess­lich ist nicht nur die re­gie­rung selbst (und wahr­schein­lich ei­ni­ge an­de­re ver­fas­sungs­or­ga­ne) ab­ge­hört wor­den, ich gehe auch da­von aus, dass die wirt­schafts­lob­by kräf­tig druck macht we­gen wirt­schafts­spio­na­ge.

was fehlt ist nicht der druck, son­dern lö­sungs­an­sät­ze.

das sagt sich jetzt ein­fach, aber ha­ben wir uns nicht im­mer selbst als in­ter­net­ver­ste­her dar­ge­stellt?

das olle netz­sper­ren-bei­spiel vor ein paar jah­ren zeigt wie es geht — oder ge­hen könn­te: statt nein, ha­ben wir ir­gend­wann ge­sagt: lö­schen statt sper­ren.
ich glau­be das war ge­nau der punkt, der die wen­de ge­bracht hat. das war prag­ma­tisch und lö­sungs­ori­en­tiert. die­sen dif­fe­ren­zier­ten prag­ma­tis­mus brau­chen wir auch jetzt. nicht nur wut!

druck ha­ben kürz­lich auch 560 schrift­stel­ler ver­sucht auf­zu­bau­en. das wur­de voll­mun­dig im zen­tral­or­gan der schrift­stel­ler und kul­tur­schaf­fen­den, der zeit, an­ge­kün­digt:

über dem ar­ti­kel stand:

  • 560 Autoren wehren sich gegen Massenüberwachung
  • Hunderte Schriftsteller wehren sich gegen die digitale Ausspähung
  • ein Aufruf soll Bürger weltweit aufrütteln

wow, denkt man da. KÄMP­FEN, WEH­REN, AUF­RÜT­TELN!
im ar­ti­kel ist dann al­ler­dings we­ni­ger von „kämp­fern“ die rede, als von „un­ter­zeich­nern“, die „alle Bür­ger auf[ru­fen], ihre Frei­heits­rech­te zu ver­tei­di­gen“.
das hat mich zu ei­ner klei­nen sub­jek­ti­ven aus­wahl von gros­sen mo­men­ten des frei­heits­kamp­fes in­spi­riert:

(CC-BY-SA-3.0-DE, fried­rich gahl­beck)

(CC-BY-SA-3.0, ms­tys­lav cher­nov)


je­den­falls wird juli zeh in die­sem ar­ti­kel so zi­tiert:

Es wird sich langfristig nur etwas ändern, wenn sich auf breitester Basis durchsetzt, dass Überwachung die Demokratie gefährdet. Und wenn wir Intellektuelle jetzt aufstehen und unsere Meinung laut äußern, ermutigt das andere, es auch zu tun.

mit an­de­ren wor­ten, die füh­ren­den in­t­e­lek­tu­el­len der welt ru­fen dazu auf, dass wir un­se­re mei­nung sa­gen?
und? hat der auf­ruf er­folg ge­habt?

(you­tube screen­shot)

naja. ei­ner ist auf­ge­stan­den und sagt jetzt sei­ne mei­nung: akif pi­rin­çci.
der hat zwar nicht die über­wa­chung als ge­fähr­dung der de­mo­kra­tie aus­ge­macht, da­für aber ei­nen „ir­ren Kult um Frau­en, Ho­mo­se­xu­el­le und Zu­wan­de­rer“.

spass (oder zy­nis­mus?) bei­sei­te. was ich sa­gen will ist ernst ge­meint: es gibt vie­le leu­te, die ge­sell­schafts­po­li­tisch völ­lig an­de­re schwer­punk­te set­zen als wir.

oder po­le­misch aus­ge­drückt: so be­scheu­ert wir die the­men und ängs­te von pi­rin­ci und sa­ra­zin fin­den, so be­scheu­ert fin­den mög­li­cher­wei­se auch vie­le un­se­re the­men und be­fürch­tun­gen im zu­sam­men­hang mit der NSA-äf­fä­re. oder zu­min­dest un­se­re prio­ri­tä­ten.

wir über­zeu­gen nie­man­den durch dump­fes wie­der­ho­len un­se­rer ein- und an­sich­ten, so kris­tall­klar sie uns selbst auch er­schei­nen mö­gen.

chris­ti­an stö­cker lässt seit fast ei­nem jahr ei­nen ro­bo­ter die­sen tweet täg­lich wie­der­ho­len, der auf die­sen ar­ti­kel vom 23.6.2013 ver­weist.

Immer noch wahr: http://t.co/F5KTGVzLIs Still true: http://t.co/8sqdHTbnVX #prism #tempora

— Christian Stöcker (@ChrisStoecker) October 19, 2013

mich er­in­nert das ein biss­chen an mus­ta­fa mut­lu der seit zwei­ein­halb jah­ren vor dem aus­wär­ti­ges amt pro­tes­tiert. sein hun­ger­streik ist schon lan­ge be­en­det hat, aber trotz­dem sitzt oder steht er je­den tag mit sei­nem hun­ger­streik-schild vor dem aus­wär­ti­gen amt und pro­tes­tiert. bis heu­te.
zu os­tern war mut­lu üb­ri­gens im ur­laub. auf der bank, auf der sonst sitzt, stand ein schild mit der auf­schrift: fro­he os­tern!

überwachung gefährdet die demokratie

noch­mal zu­rück zu juli zeh. ich glau­be wir sind an ei­nem punkt an­ge­langt, an dem wir uns ein­ge­ste­hen soll­ten, dass kaum je­mand den satz oben noch hö­ren will. egal wie oft wir ihn wie­der­ho­len.
für vie­le scheint die de­mo­kra­tie trotz to­tal­über­wa­chung wei­ter­hin gut zu funk­tio­nie­ren.
oder: de­fi­zi­te der de­mo­kra­tie, wer­den von vie­len an­ders er­klärt.

kaum je­mand will sein ver­hal­ten än­dern oder über sein ver­hal­ten nach­den­ken.
nie­mand über­rascht es zu hö­ren, dass die ame­ri­ka­ner sich nicht an ge­set­ze aus­ser­halb der USA hal­ten — bzw. das die in­ter­es­sen der USA für die USA im­mer an ers­ter stel­le ste­hen.
nie­mand über­rascht es zu hö­ren, dass ame­ri­ka­ni­sche ge­heim­diens­te an der par­la­men­ta­ri­schen kon­trol­le vor­bei ope­rie­ren. ich habe ers­te be­rich­te dar­über ge­se­hen, als ich vor 30 jah­ren an­ge­fan­gen habe ta­ges­schau zu gu­cken.

nie­mand über­rascht es, dass die deut­sche re­gie­rung die ei­ge­nen in­ter­es­sen, de­nen ih­rer in­ter­na­tio­na­len part­ner un­ter­ord­net. (ich glau­be üb­ri­gens, dass das im prin­zip nicht die schlech­tes­te wahl ist und auf eine lan­ge ge­schich­te zu­rück­geht.)

Es lohnt sich, jetzt zu kämpfen, damit die Überwachungsgesellschaft nicht zur akzeptierten Normalität wird.

— sascha lobo

sa­scha lobo hat letz­te wo­che in sei­ner ko­lum­ne und am diens­tag in sei­nem vor­trag da­vor ge­warnt, die nor­ma­li­tät als nor­ma­li­tät an­zu­er­ken­nen. im ernst, ich fra­ge mich: ist die über­wa­chung nicht schon längst ak­zep­tier­te nor­ma­li­tät?

das schliesst nicht aus, dass es sich lohnt wi­der­stand zu leis­ten und ge­gen über­wa­chung zu kämp­fen.

wo­bei sich mir aber meh­re­re fra­gen stel­len:

  • lebten wir nicht schon immer in einer Überwachungsgesellschaft?
  • und hat das internet nicht einfach nur mehr effektivität und eine andere dimension in die Überwachungsgesellschaft gebracht?

oder noch­mal an­ders ge­fragt:

  • ist überwachung vielleicht nur ein symptom, nicht die ursache des problems?
  • ist überwachung quasi dem wesen des internets — zumindest so wie wir es derzeit nutzen und angelegt haben — inhärent, also eingebaut?

sa­scha hat das am diens­tag auch an­ge­deu­tet. mit ei­nem mar­cu­se-zi­tat, der sag­te „herr­schaft“ sei schon in der kon­struk­ti­on von tech­no­lo­gie mit an­ge­legt. ich zei­ge den screen­shot aber nur des­halb, weil auf mei­nem foto sa­scha lobo wie shrek aus­sieht.

ich glau­be si­cher­heits­lü­cken, da­ten­lecks — und eben auch über­wa­chungs­po­ten­zia­le — sind in die DNA des in­ter­nets ge­wo­ben — mur­phy's law, „Al­les, was schief­ge­hen kann, wird auch schief­ge­hen“, gilt auch fürs in­ter­net.

be­vor ich jetzt post­pri­va­cy sage, be­nut­ze ich lie­ber eine wei­te­re ana­lo­gie:

das in­ter­net ist wie der flug­ver­kehr. durch tech­no­lo­gie und be­schleu­ni­gung ver­klei­nert es die welt.
und so wie ma­schi­nen, die man meh­re­re tau­send me­ter über die erd­ober­flä­che be­schleu­nigt, eben auch un­kon­trol­liert zu bo­den kom­men kön­nen, flie­gen uns — mit und ohne si­cher­heits­mass­nah­men — eben auch hin und wie­der mal un­se­re da­ten um die oh­ren. das ri­si­ko für da­ten-GAUs oder flug­zeug­ab­stür­ze lässt sich ein­däm­men, aber nie­mals aus­schlies­sen.

man sagt ja im­mer ana­lo­gien zum ver­kehr, funk­tio­nie­ren beim in­ter­net nicht. aber trotz­dem machts ir­gend­wie je­der:

  • al gore mit seiner datenautobahn
  • ursula von der leyen mit stop-schildern
  • und der verein digitale gesellschaft e.v. mit maut-schildern

ich glau­be, das in­ter­net und über­wa­chung ge­hö­ren zu­sam­men, wie der stras­sen­ver­kehr und ver­kehrs­to­te.
bei­des ist gräss­lich, aber je­weils in­hä­rent. die ri­si­ken las­sen sich re­du­zie­ren, aber nie ganz aus­schlies­sen.

in bei­den bei­spie­len lässt sich das ri­si­ko durch zwei pa­ra­me­ter re­du­zie­ren:

  • durch eine einschränkung von bequemlichkeit oder freiheit
  • und durch verbesserung von technologie

die ent­wick­lung der si­cher­heits­tech­nik beim auto zeigt mei­ner mei­nung nach, dass wir durch­aus zu ei­ner gros­sen por­ti­on zu­kunfts­op­ti­mis­mus oder tech­nik­gläu­big­keit be­rech­tigt sind. die au­tos und stras­sen mö­gen frü­her hüb­scher ge­we­sen sein als heu­te, aber si­che­re­rer wa­ren stras­sen und au­tos frü­her ein­deu­tig nicht.

das was sich in den letz­ten jahr­zehn­ten bei der si­cher­heit von au­tos ge­tan hat ist bei­spiel­los. bei­spiel­haft ist aber die im­ple­men­tie­rung der si­cher­heits­sys­te­me in au­to­mo­bi­le.

  • die systeme sind standardmässig aktiviert. niemand muss irgendwas aktivieren oder konfigurieren
  • die meisten systeme schränken den komfort nur minimal ein
  • sicherheit geht immer vor komfort, schränkt den komfort aber meist nicht ein

so wie wir es jetzt un­glaub­lich fin­den, dass men­schen bis in die 70er jah­re meist ohne si­cher­heits­gurt (oder ohne drei­punkt­gurt) auto ge­fah­ren sind, wer­den wir wahr­schein­lich auch in 40 oder 20 oder 10 jah­ren auf un­se­re netz-nut­zungs-ge­wohn­hei­ten zu­rück­bli­cken und sa­gen:

wie konnten wir uns damals so leichtsinnig sein und unverschlüsselte mails verschicken?
unglaublich: früher haben wir passwörter benutzt?

noch­mal zu­rück zum the­ma des vor­trags. wel­ches the­ma?

das ist ja ei­gent­lich gar nicht das the­ma, son­dern eine an­spie­lung auf ei­nen film­ti­tel.

das the­ma mit dem ich mich ei­gent­lich be­schäf­ti­gen woll­te, lau­tet: kann man den über­wa­chungs­staat ei­gent­lich schla­gen? vor al­lem: wie?

In dem Moment in dem ich meinen Feind verstehe, ihn gut genug verstehe um ihn zu schlagen, in genau diesem Moment liebe ich ihn auch.

— Andrew (Ender) Wiggins

das zi­tat aus en­ders game im­pli­ziert das ver­ständ­nis des geg­ners mit das wich­tigs­te ist.
um den vor­trag vor­zu­be­rei­ten habe ich bei­spie­le ge­sucht, in de­nen der staat durch pro­tes­te zum ein­len­ken ge­zwun­gen wur­de (sie­he: sog statt druck) und wo man es auch ge­gen eine öf­fent­li­che mir-doch-egal-hal­tung schaff­te, eine brei­te öf­fent­li­che wir­kung zu er­zie­len. das fol­gen­de ist jetzt ein kur­zer ex­kurs in die 60er jah­re.

(bild­quel­le)

bill hud­son nahm die­ses foto am 3. mai 1963 in bir­ming­ham, ala­ba­ma auf.
man sieht auf dem bild ei­nen sehr jun­gen schwar­zen bür­ger­recht­ler, der von ei­nem po­li­zei­hund an­ge­grif­fen wird. vie­le sind der mei­nung, dass die pro­tes­te in bir­ming­ham und vor al­lem die­ses bild die ent­schei­den­de wen­de im kampf ge­gen die ras­sen­tren­nung brach­te.

bir­ming­ham war da­mals eine der am gründ­lichs­ten und ra­di­kals­ten ras­sen­ge­trenn­ten städ­te der USA. die bür­ger­rechts­be­we­gung hat­te jah­re­lang ge­gen ras­sen­tren­nung und be­nach­tei­lun­gung schwar­zer bür­ger ge­kämpft, aber mit die­sem foto schien sich plötz­lich der wind zu dre­hen.
ein jahr nach­dem die­ses foto auf den ti­tel­sei­ten der nyt und vie­ler an­de­rer ta­ges­zei­tun­gen er­schien, ver­ab­schie­de­te der US-kon­gress den ci­vil rights act von 1964. die pro­tes­te in bir­ming­ham gal­ten als der aus­schlag­ge­ben­de grund für die­ses ge­setz.

zu­vor hat­te mar­tin lu­ther king und sei­ne be­we­gung neun mo­na­te ver­geb­lich ver­sucht in al­ba­ny, geor­gia ge­gen die ras­sen­tren­nung zu pro­tes­tie­ren — ohne nen­nens­wer­te er­fol­ge. vor al­lem, weil der po­li­zei­chef lau­rie prit­chett es ver­stand (fo­to­ge­ne) ge­walt beim um­gang mit den pro­tes­tie­ren­den zu ver­mei­den.

in bir­ming­ham wa­ren die bür­ger­recht­ler stän­dig in le­bens­ge­fahr. ei­ner der an­säs­si­gen bür­ger­recht­ler, fred shut­tles­worth, ent­ging knapp ei­nem bom­ben­an­schlag des kkk.

in bir­ming­ham ver­such­ten die bür­ger­recht­ler es mit kon­fron­ta­ti­on (pro­ject c, für con­fron­ta­ti­on). mit dem pro­ject c und den ge­walt­frei­en pro­tes­ten soll­te bun­des­wei­te auf­merk­sam­keit auf die „the big­gest and bad­dest city of the South“ ge­lenkt wer­den. in der ers­ten pha­se setz­ten sich schwar­ze auf für weis­se re­ser­vier­te plät­ze, lies­sen sich mit­un­ter be­spu­cken, fest­neh­men und ver­prü­geln. be­dient wur­den sie nie.

das ziel war, die lo­ka­len ge­fäng­nis­se mit bür­ger­recht­lern zu fül­len. der plan ging nicht auf, da nicht aus­rei­chend vie­le der pro­tes­tie­ren­den fest­ge­nom­men wur­den, um die funk­ti­ons­fä­hig­keit der stadt zu be­ein­träch­ti­gen.

auch die es­ka­la­ti­on durch eine pro­vo­zier­te fest­nah­me von mar­tin lu­ther king brach­te nicht die ge­wünsch­ten er­fol­ge, vor al­lem gab es im­mer we­ni­ger frei­wil­li­ge die be­reit wa­ren sich fest­neh­men zu las­sen.

in ei­ner wei­te­ren es­ka­la­ti­on be­gan­nen die bür­ger­recht­ler kin­der und ju­gend­li­che für die pro­tes­te zu re­kru­tie­ren und zu schu­len. an ei­nem der ers­ten pro­test­ta­ge wur­den 600 schü­ler fest­ge­nom­men, der jüngs­te war 8 jah­re alt. in­ge­samt führ­te die­ser tag zur fest­nah­me von 900 per­so­nen.

weil die ge­fäng­nis­se nach ein paar ta­gen voll wa­ren, ver­such­te der po­li­zei­chef in den fol­gen­den ta­gen die pro­tes­tie­ren­den mit was­ser­wer­fern und hun­den aus den stras­sen zu ver­trei­ben.

das bild vom 3. mai 1963 rief so star­ke re­ak­tio­nen her­vor, dass es nicht nur eine pro­fun­de wir­kung auf die welt aus­ser­halb von bir­ming­ham hat­te, son­dern auch die rei­hen hin­ter mar­tin lu­ther king schloss. des­sen art die pro­tes­te zu pla­nen und zu füh­ren, war zu­vor in der schwar­zen com­mu­ni­ty hef­tig um­strit­ten.

der jun­ge auf dem bild heisst wal­ter gads­den. er war da­mals 15 jah­re alt. sei­ne fa­mi­lie war eher kon­ser­va­tiv und be­sass zwei ta­ges­zei­tun­gen in bir­ming­ham, die king scharf kri­ti­sier­ten. gad­sen kam zu den pro­tes­ten ei­gent­lich nicht als pro­test­ler, son­dern als zu­schau­er.


wes­halb ich das er­zäh­le?
weil ich mir ein­bil­de par­al­le­len von der bür­ger­rechts­be­we­gung der 60er jah­re zur grund­rechts­be­we­gung 2014 zu se­hen.

die bür­ger­rechts­be­we­gung da­mals

  • hatte keinen besonders breiten gesellschaftlichen rückhalt (im gegenteil) und
  • weder der kongress noch das weisse haus hatte interesse an reformen. kennedy sympathisierte zwar mit den zielen der bewegung, sah sich aber wahrscheinlich nicht in der lage reformen durchzusetzen
  • die bürgerrechtler und ihre methoden (vor allem kinder einzusetzen) wurden auch von schwarzen heftig kritisiert
  • die probleme der schwarzen waren vielen amerikanern egal oder es war ihnen unangenehm darüber nachdenken zu müssen (wer nicht schwarz ist, hat auch nichts zu befürchten)

erst jah­re­lan­ger, müh­sa­mer und le­bens­ge­fähr­li­cher pro­test, mit stän­dig ver­fei­ner­ten stra­te­gien, führ­te zu ers­ten re­for­men.

durch die pro­vo­ka­ti­on der staats­macht, ent­stan­den star­ke, sym­bo­li­sche bil­der, die als pro­jekt­ti­ons­flä­che die­nen konn­ten. noch wich­ti­ger. die pro­tes­te zeig­ten, dass man mit ge­ziel­ter pro­vo­ka­ti­on, mut und ge­walt­lo­sig­keit, eine po­si­ti­on der schwä­che in eine po­si­ti­on der stär­ke ver­wan­deln kann.

das bild auf dem gad­sen von po­li­zei­hun­den an­ge­grif­fen wird, kommt üb­ri­gens nicht ohne ei­nen klei­nen ta­schen­spie­ler­trick aus.

wenn man ge­nau hin­sieht, sieht man, dass gad­sen sich nicht wehr­los vom hund an­grei­fen lässt, son­dern dass er sein knie in rich­tung des hun­des be­wegt. es hiess spä­ter im la­ger der pro­tes­tie­ren­den, gad­sen habe dem hund den kie­fer ge­bro­chen.


kön­nen wir da was draus ler­nen? wie kön­nen wir den über­wa­chungs­staat schla­gen?

1 auf­bau­schen
das ers­te pro­blem das ich sehe ist das rhe­to­ri­sche auf­bau­schen. auch, und vor al­lem, von uns.
stän­dig be­schwö­ren wir die de­mo­kra­tie-apo­ka­lyp­se.
die ge­fähr­dun­gen der de­mo­kra­tie die wir an die wand ma­len sind für vie­le nicht nach­voll­zieh­bar
ein biss­chen ha­ben wir das glei­che pro­blem wie die us-re­gie­rung vor ih­rem letz­ten ein­marsch in den irak. für des­sen le­gi­ti­mie­rung wur­de die ge­fahr auf­ge­bauscht.

was josch­ka fi­scher und vie­le deut­sche al­ler­dings nicht über­zeug­te.

wenn wir an­de­re (und uns selbst) über­zeu­gen wol­len, müs­sen wir bes­ser ar­gu­men­tie­ren. we have to make our case. wir müs­sen die rea­len ge­fah­ren bes­ser her­aus­ar­bei­ten. ohne co­lin-powel-ta­schen­spie­ler­tricks.
sa­scha lobo hat „die­se über­wa­chung“ mit ra­dio­ak­ti­vi­tät ver­gli­chen. un­sicht­bar, un­schmeck­bar, vage (aber ge­fähr­lich). ich fra­ge: wo sind die strah­len­op­fer? auch mar­kus be­cke­dahl ver­misst die to­ten rob­ben­ba­bies des über­wa­chungs­skan­dals.

2 ge­gen wen?
wir wis­sen nicht wer un­ser geg­ner ist und wir wis­sen nicht was un­ser ziel ist (aus­ser der ret­tung der de­mo­kra­tie).

sind wir ge­gen die NSA? GHCQ? FSA? BND? BKA? FBI? CIA? den chi­ne­si­schen ge­heim­dienst? die ein­woh­ner­mel­de­äm­ter?

sind wir ge­gen die gros­sen netz­kon­zer­ne? eher ge­gen goog­le oder face­book? ge­gen klei­ne start­ups, die be­son­ders läs­sig mit be­nut­zer­da­ten um­ge­hen?

sind wir ge­gen die bun­des­re­gie­rung? für eine star­ke bun­des­re­gie­rung? für ein no-spy ab­kom­men? für mehr staat­li­che sou­ve­rä­ni­tät, ge­gen un­se­re ver­bün­de­ten?

sind wir ge­gen die da­ten­wei­ter­ga­be zwi­schen „be­freun­de­ten“ ge­heim­diens­ten?
wenn ja, wol­len uns also voll und ganz auf un­se­rer ei­ge­nen diens­te ver­las­sen?
wo­hin de­ren kom­pe­ten­zen füh­ren, hat kürz­lich auch ei­nen un­ter­su­chungs­aus­schuss be­schäf­tigt.

sind für mehr par­la­men­ta­ri­sche kon­trol­len? nur wo dann? erst­mal nur in deutsch­land? was ist mit den USA? in GB? in chi­na?

wol­len wir mehr da­ten­schutz? wenn ja, da­ten­schutz eher in der aus­prä­gung ei­nes thi­lo wei­chert oder ei­nes pe­ter schaar? wäre thi­lo wei­chert ein gu­ter bun­des­kanz­ler?

wenn wir ge­gen vi­deo­über­wa­chung pro­tes­tie­ren, müs­sen wir dann nicht auch ge­gen das in­sta­gram­men von men­schen ohne schrift­li­che ge­neh­mi­gung sein?

ich habe kürz­lich tho­mas gott­schalk am koll­witz-platz ge­se­hen. der hat dort (wahr­schein­lich) mit sei­nen en­keln ge­spielt. mein ers­ter im­puls war: foto! mein zwei­ter: twit­ter! mein drit­ter: wie­so ei­gent­lich?

ich wie­der­ho­le mich, aber ich glau­be es ist nicht über­trie­ben zu be­haup­ten, dass uns nicht mal an­satz­wei­se klar ist

  • gegen was wir kämpfen
  • wer der gegner ist
  • wie lösung aussehen könnten
  • und wie wir diese lösungen erreichen, bzw. erkämpfen wollen

3 sym­bo­le
uns feh­len die nar­ra­ti­ve, oder ge­nau­er, die sym­bo­le. vor al­lem sym­bo­le die zur pro­jek­ti­on ge­eig­net sind.

ge­gen be­stimm­te über­wa­chungs-ver­herr­li­chungs-nar­ra­ti­ve der ame­ri­ka­ner kom­men wir al­ler­dings ganz schwer an.

hier kon­stru­iert die US re­gie­rung ei­nes der mäch­tigs­ten nar­ra­ti­ve zur recht­fer­ti­gung ih­res über­wa­chungs­ap­pa­rats.
das bild was hier kon­stru­iert wird, ist stär­ker als je­des tote rob­ben­ba­by.

ge­gen ein nar­ra­tiv, dass so sim­pel ist, dass man es in den sand zeich­nen könn­te, kommt man schwer an.

wir kämp­fen mit den an­ge­staub­ten be­grif­fen un­se­rer el­tern­ge­nera­ti­on:

  • Datenschutz
  • Privatsphäre
  • Gläserer Bürger

aus der sta­si 1.0-über­wa­chung lies­sen sich wirk­sa­me­re vi­sua­li­sie­run­gen von un­recht kon­stru­ie­ren.
das liegt vor al­lem dar­an, dass die über­wa­chung schreck­li­che, sicht­ba­re fol­gen hat­te. für tau­sen­de men­schen. über jahr­zehn­te hin­weg.
die (kon­kre­ten) op­fer des mo­der­nen über­wa­chungs­staats las­sen sich (zu­min­dest im wes­ten) an ein paar hän­den ab­zäh­len. glaub ich.

was uns bit­ter fehlt, sind bil­der, sym­bo­le die­ser art.

die­ses bild hat sog!

4 um­den­ken
wir müs­sen um­den­ken kön­nen ler­nen.

[Die neuen Herausforderungen] erfordern […] eine veränderte Sichtweise und die radikale Abkehr von bisher für selbstverständlich hingenommenen Denk- und Handelsweisen. Denn eines ist klar: Vieles wird nicht mehr so sein, wie es einmal war.

das hat mar­tin wei­gert 2009 ge­schrie­ben um den wan­del im han­del, kul­tur- und me­di­en­be­reich zu um­schrei­ben.
das ge­sag­te gilt aber ei­gent­lich auch für un­se­re sicht auf pri­vat­sphä­re und frei­heit. die kon­zep­te für pri­vat­sphä­re und frei­heit ha­ben sich in den letz­ten 4000 jah­ren im­mer wie­der ge­wan­delt und den ge­ge­ben­hei­ten an­ge­passt.

die din­ge sind jetzt be­son­ders im wan­del, weil die tech­no­lo­gie das recht vor sich her­treibt. im po­sit­ven wie im ne­ga­ti­ven: tech­no­lo­gie ist dem recht­sys­tem im­mer weit vor­aus.
wie wir die tech­no­lo­gie im recht­sys­tem ver­an­kern wol­len, müs­sen wir dis­ku­tie­ren und neu-den­ken.
wir sind we­der die kro­ne der schöp­fung, noch sind un­se­re der­zei­ti­gen kon­zep­te von pri­vat­sphä­re und frei­heit die kro­nen der phi­lo­so­phie oder so­zio­lo­gie. da ist noch platz nach oben, links und rechts.

Aus Angst vor Veränderungen, die sie nicht kontrollieren können oder die sie dazu zwingen würden, sich selbst zu verändern, wählen [Konservative] die Bequemste aller Lösungen, den Stillstand.

das hat ron­nie grob über kon­ser­va­ti­ve ge­schrie­ben. wenn man das so liest, müss­te uns klar wer­den, dass wir auch sehr, sehr kon­ser­va­tiv sind — zu­min­dest wenn es um un­se­re ei­ge­nen rech­te und pri­vi­le­gi­en geht.

5. stop worry­ing
ich habe das ge­fühl, wir sind die ein­zi­gen sind die wü­tend sind. un­se­re wut ist aber nicht an­ste­ckend. un­se­re wut und un­gläu­big­keit an­ge­sichts der mons­tro­si­tät der to­tal­über­wa­chung macht uns auch blind für das we­sent­li­che.

.

  • wir sollten unsere wut in konstruktive, pragmatische lösungen fliessen lassen
  • wie umgehe ich überwachung? wie kann die sicherheit der kommunikation verbessert werden? wie lassen sich gefährdete menschen schützen?
  • sicherheit muss leichter, integrierter, inhärenter werden.
  • die sicherheitssysteme beim auto sind beispielhaft, vor allem in der bedienung.

wir müs­sen den drei­punkt­gurt neu er­fin­den!

6. play the sys­tem
ich habe im­mer ger­ne ge­glaubt, dass ge­heim­diens­te vor al­lem des­halb im ge­hei­men wer­keln, um ihre in­kom­pe­tenz und un­fä­hig­keit zu ver­ber­gen.
das ist wie mit den schein­rie­sen. wenn sie weit weg sind er­schei­nen sie mons­trös, je nä­her man ih­nen kommt des­to klei­ner er­schei­nen sie.

ge­heim­diens­te sind vor al­lem des­halb ef­fek­tiv, weil sie es schaf­fen, angst und schre­cken zu ver­brei­ten.
wir ha­ben aber dank snow­den neu­er­dings ei­nen ent­schei­den­den stra­te­gi­schen vor­teil: wir wis­sen wie sie ar­bei­ten.
war­um ha­ben wir die­sen vor­teil bis­her so we­nig ge­nutzt?

um star­ke bil­der zu be­kom­men, brau­chen wir pro­vo­ka­ti­on. in die­sem sin­ne ganz fa­mos wäre zum bei­spiel, wenn nach ei­ner snow­den be­fra­gung der NSA-un­ter­su­chungs­aus­schuss ge­schlos­sen in die USA rei­sen wür­de und dort fest­ge­nom­men wür­de. fest­ge­nom­me­ne deut­sche par­la­men­ta­ri­er in gu­an­ta­na­mo bay — was für ein bild! welch ei­nen sog das er­zeu­gen wür­de!
die tä­ter be­nen­nen hat sich sa­scha aus­ge­dacht. fin­de ich su­per.
und wie das mit dem spott aus­se­hen kann, sieht man, wenn man in die­sem vi­deo in dem glenn green­wald mit dem ehe­ma­li­gen NSA chef mi­cha­el hay­den de­bat­tiert (link zum vi­deo, link zu se­kun­de 4364).

die­se art von ge­sich­tern von NSA-ver­ant­wort­li­chen, möch­te ich in der nächs­ten jah­ren ger­ne öf­ter se­hen.

ich könn­te die lis­te noch wei­ter füh­ren. aber jetzt hab ich kei­nen bock mehr.
wich­tig ist: es gibt wege un­se­re schwä­che in stär­ke um­zu­wan­deln.


un­be­ant­wor­tet ist aber im­mer noch die fra­ge, war­um ich denn jetzt die über­wa­chung zu lie­ben ge­lernt habe.
ers­tens: das war ein scherz. eine pro­vo­ka­ti­on. ir­gend­was muss­te ich ja beim call for pa­pers schrei­ben.
zwei­tens: weil ich glau­be, dass man sei­nen arsch nur hoch­be­kommt, wenn man ge­tre­ten wird.
also ich zu­min­dest.
drit­tens: die über­wa­chung hilft uns das ei­gent­li­che pro­blem zu er­ken­nen
und vier­tens: dank to­tal­über­wa­chung er­in­nern wir uns wie­der dar­an, dass frei­heit nicht ge­ge­ben, son­dern ge­nom­men wird.

im prin­zip steht auf die­ser fo­lie üb­ri­gens das glei­che wie von sa­scha lobo kürz­lich in die FAZ ge­schrie­ben:
das in­ter­net ist ka­putt, aber wir kön­nen es re­pa­rie­ren

A very interesting word that has no equivalent in English, but is amazing... pic.twitter.com/qle4SRaTVk

— Jeremy Trevathan (@JezzaTrev) May 6, 2014

die­se scha­le war mal ka­putt. ir­gend­wer hat sie re­pa­riert. die tech­nik heisst kint­su­gi. kint­su­gi ist eine kunst­form die ke­ra­mik mit gold- oder sil­ber-lack re­pa­riert und die an­sicht ver­tritt, dass et­was schö­ner wer­den kann, wenn es vor­her zer­bro­chen war.
die schön­heit des ka­put­ten — oder eben, wenn man so will — in­ter­net­op­ti­mis­mus.

aber es gibt auch ei­nen grund, war­um ich die­se to­tal-über­wa­chungs-scheis­se has­se. der wich­tigs­te grund, et­was ge­gen die to­tal­über­wa­chung der über­wa­chungs­e­so­te­ri­ker zu tun?

wir müs­sen al­les tun, da­mit sa­scha lobo wie­der wit­zig wird!

Danke für dieses Vortrags-Highlight! @diplix #rp14 pic.twitter.com/otPh087bIk

— Silvia Renauer (@SilviaRenauer) May 8, 2014


ich möch­te vor al­lem dem in­ter­net dan­ken, ohne das ich die­sen vor­trag (über das in­ter­net) nicht hät­te vor­be­rei­ten kön­nen. sehr viel in­spi­ra­ti­on habe ich aus mal­colm glad­well’s buch „Da­vid and Go­li­ath: Un­der­dogs, Mis­fits and the Art of Batt­ling Gi­ants“ ge­zo­gen. vie­le din­ge sind mir wäh­rend der re­cher­che in mei­nem RSS-feed ent­ge­gen ge­flo­gen, ein gros­ser teil über stel­lar.io. ganz wich­tig war das frü­he ge­gen­le­sen von pa­trcia camma­ra­ta und der bei­fah­re­rin. dank der bei­den habe ich den vor­trag ei­ni­ger­mas­sen straf­fen und aufs we­sent­li­che re­du­zie­ren kön­nen. dank geht auch an die re­pu­bli­ca, auf der ich durch ge­sprä­che und vor­trä­ge noch ei­ni­ges an in­put für den vor­trag auf­neh­men konn­te. eine oft un­ter­be­rich­te­te ei­gen­schaft der re­pu­bli­ca ist näm­lich, dass sie sehr, sehr gut zum nach­den­ken an­regt. und vie­len dank an das su­per freund­li­che und po­si­ti­ve pu­bli­kum, das ein­zi­ge pu­bli­kum der welt, dass über key­note-ef­fek­te la­chen kann.


hier noch­mal die vi­deo-auf­zeich­nung ein­ge­bet­tet:

youtube-video laden, info, direktlink

rp14, mein plan für tag eins

felix schwenzel

beim ta­ges­spie­gel-in­ter­view hat­te ich mei­ne ses­si­on-pla­nung na­tür­lich noch nicht ge­macht und des­halb le­dig­lich die rede zur lage der na­ti­on emp­foh­len. heu­te sieht mein plan für die re­pu­bli­ca so aus:


reeder vs. unread

felix schwenzel

ich bin ein gros­ser fan der RSS-le­se­app ree­der. ich syn­chro­ni­sie­re sie seit ein paar jah­ren mit mei­ner fe­ver-in­stal­la­ti­on. mor­gens und abends im bett, so­wie auf dem weg zur und von der ar­beit ver­brin­ge ich täg­lich ein paar stun­den mit der ree­der-app. ich kann nicht sa­gen dass ich un­zu­frie­den bin, die app funk­tio­niert her­vor­ra­gend off­line, also in den ber­li­ner u-bahn schäch­ten, die eine no-go-area für das in­ter­net von o₂ zu sein schei­nen. ree­der spei­chert die meis­ten bei­trags­bil­der für off­line-zu­griff und vor al­lem funk­tio­niert auch das ab­spei­chern von pin­board- oder in­sta­pa­per­links in der u-bahn zu­ver­läs­sig (in­dem die links an die je­wei­li­gen ser­ver über­tra­gen wer­den, wenn wie­der netz ver­füg­bar ist).

an­sons­ten mag ich es sehr, dass ich mit dem ree­der ei­ner­seits an­ge­nehm le­sen kann und an­de­rer­seits wirk­lich schnell durch die feeds hu­schen kann.

es gibt aber auch ein paar sa­chen die mich am ree­der ner­ven.

  • er stürzt er zu oft ab. aus meiner sicht grundlos, meistens wenn ich ein bookmark speichern möchte
  • wenn ich den reeder aus dem hintergrund zurückhole zeigt er mir meistens den letzten offenen artikel an (leider oft nicht an der letzten leseposition). manchmal tauscht er diesen offenen artikel dann aber während des synchronisierens im hintergrund aus unerfindlichen gründen mit einer weissen seite aus.
  • ein bookmark zu speichern benötigt mindestens 3 klicks (noch mehr, wenn der reeder abstürzt): klick auf das sharing-symbol, klick auf das pinboard-symbol, klick auf das ok-speichern-symbol. zudem sind die beiden ersten symbole im unteren bildschirmbereich, das OK-symbol aber ganz oben rechts. das überfordert leider meistens meinen daumen und erfordert ein umgreifen.
  • der entwickler silvio rizzi hat die app schon seit monaten nicht mehr aktualisiert was ich angesichts der offensichtlichen bugs ein bisschen enttäusched finde.

we­gen die­ser pro­blem­chen war ich of­fen den RSS-le­ser un­read aus­zu­pro­bie­ren, von dem ich ges­tern erst­mals hör­te. tat­säch­lich macht die­se app ei­ni­ges bes­ser. bei der ein­rich­tung der ac­counts (bei mir fe­ver und pin­board) bie­tet die app ei­nen link zur 1pass­word-app, zum nach­se­hen des pass­worts. sehr prak­ti­sches de­tail. das spei­chern ei­nes links bei pin­board er­for­dert nur noch zwei klicks ohne dau­men­ver­ren­kung — und ei­nen wisch. die ar­ti­kel las­sen sich auf dem ge­sam­ten ipho­ne-bild­schirm le­sen, über­flüs­si­ge be­dien­ele­men­te sind kom­plett aus­ge­blen­det.

durch den (zeit­wei­li­gen) wech­sel der app sind mir aber auch gleich wie­der die sa­chen auf­ge­fal­len die ich am ree­der sehr zu schät­zen ge­lernt habe:

  • im reeder kann ich bilder mit einer (pinch-) handbewegung vergrössern (sehe gerade, in unread gehts per klick und pinch)
  • im reeder gibt es eine readability-funktion mit der ich (solange ich online bin) gekürzte RSS-feed-artikel nach einem klick im volltext lesen kann
  • unread scheint pinboard links die ich abspeichere während ich u-bahn offline bin nach einem vergeblichen versuch und einem hinweis zu verwerfen. das ist leider ein K.O-kriterium. explizit gespeicherte informationen dürfen beim heutigen stand der technik nicht einfach verloren gehen. da nützt auch eine hochglanzoberfläche nichts, wenn dahinter scherben liegen. beim reeder ist mir bisher, trotz vieler abstürze, noch nichts verlorenen gegangen.
  • uninteressante artikel kann ich im reeder mit einem button überspringen. in unread muss ich sie wegwischen, bei langen artikel unter umständen sehr weit.
  • reeder aktualisiert sich nicht von alleine im hintergrund. unread schon. das heisst wenn ich morgens oder abends in die u-bahn gehe und vergessen habe den reeder vorher 3 minuten laufen zu lassen, sitz ich mit stunden- oder tage-alten artikeln in der u-bahn.

un­read ist su­per de­tail­ver­liebt und am­bi­tio­niert. eine wun­der­ba­re app. ich glau­be, ich könn­te mich an die mi­ni­ma­lis­ti­sche art zu le­sen ge­wöh­nen. ree­der scheint ge­ra­de nicht be­son­ders viel auf­merk­sam­keit vom ent­wick­ler zu be­kom­men — ob­wohl ich fin­de dass er die­se auf­merk­sam­keit gut ge­brau­chen könn­te, wenn er die bes­te RSS-le­se­app blei­ben will. denn un­read ist ihm dicht auf den fer­sen, spä­tes­tens wenn un­read kei­ne da­ten mehr ver­liert, dro­he ich um­zu­stei­gen.


heinsberg

felix schwenzel

zu os­tern sind wir wie­der zu den schwie­ger­el­tern der bei­fah­re­rin ge­fah­ren. über car­del­mar habe ich bei eu­rop­car ein auto für 153 euro vom kar­frei­tag bis zum diens­tag nach os­tern ge­mie­tet. die miet­wa­gen­qua­li­fi­zie­rung war CDMR, was laut miet­wa­gen-talk.de be­deu­tet, dass das auto c-om­pact sei, 4 d-üren hat, m-anu­ell ge­schal­tet wird und kli­ma­ti­siert sei. bei eu­rop­car be­kä­me man da­für ein auto wie den sko­da yeti, ei­nen opel me­ri­va oder ei­nen golf 1.6 TDI. aus­ge­hän­digt wurd mir dann aber ein golf GTI. die bei­fah­re­rin sag­te, als sie das auto sah, nur ein wort: „spoi­ler!“.

mich hats ge­freut, weil an dem auto fast al­les au­to­ma­tisch ist. die tem­pe­ra­tur im in­nen­raum, die schei­ben­wi­scher, die aus­sen­be­leuch­tung, stau­an­zei­ge und um­fah­rung — aus­ser gas ge­ben, ei­nen der 7 gän­ge ein­schal­ten und brem­sen muss man fast nichts tun. man kommt auch sehr schnell vor­an, bis die bei­fah­re­rin ei­nen an­schreit, man sol­le jetzt bit­te sprit spa­ren.

je­den­falls stand ich mit dem golf GTI und der bei­fah­re­rin auf der rück­bank ges­tern vor ei­ner fi­lia­le der kreis­spar­kas­se heins­berg. wir war­te­ten auf mei­nen va­ter, der sich ge­ra­de am geld­au­to­ma­ten bar­geld kauf­te. in der spar­kas­se sprach ihn eine frau an, die sich sor­gen über den golf GTI vor der tür mach­te. sie mein­te zu mei­nem va­ter, dass der wa­gen aus ham­burg sei und der fah­rer „ei­gen­ar­tig“ aus­sä­he.

die dame mach­te sich sor­gen, über­fal­len zu wer­den. da die leu­te in heins­berg mei­nem va­ter zu ver­trau­en schei­nen, konn­te er sie mit dem hin­weis be­ru­hi­gen, dass der ei­gen­ar­ti­ge typ draus­sen im golf sein sohn sei.

in­ter­es­sant fin­de ich je­den­falls, dass es tat­säch­lich leu­te gibt, die golf GTI ernst neh­men.


the barn

felix schwenzel

din­ge die in the barn ver­bo­ten oder un­gern ge­se­hen sind:

  • kinderwagen
  • laptops
  • hunde
  • aufs klo gehen (es gibt kein klo)
  • milch und zucker im filterkaffee
  • kaffee vor 8:30 uhr
  • reservierungen

wenn auch nicht ex­pli­zit aus­ge­schlos­sen wie die oben ge­nann­ten punk­te, ver­mu­te ich, dass in the barn auch weis­se so­cken, san­da­len, shorts, bas­ball­schlä­ger, clowns­kos­tü­me und mo­tor­sä­gen un­gern ge­se­hen sind. gern ge­se­hen schei­nen je­doch voll­bär­te und di­cke bril­len­glä­ser, base­ball­kap­pen und woll­müt­zen zu sein.

wit­zi­ger­wei­se, auch wenn der ers­te teil die­ses tex­tes so in­ter­pre­tiert wer­den könn­te, stö­ren mich die vor­schrif­ten der barn-be­trei­ber nicht im ge­rings­ten. im ge­gen­teil. mich er­in­nert der be­such in the barn ein biss­chen an ei­nen be­such in ei­nem re­stau­rant im new yor­ker chi­na town vor ein paar jahr­zehn­ten. dort sprach nie­mand eng­lisch (oder alle ta­ten so), die spei­se­kar­te war aus­schliess­lich chi­ne­sisch und nie­mand mach­te sich die mühe auf mei­ne ge­wohn­hei­ten ein­zu­ge­hen. wenn ich mich recht er­in­ne­re such­te ich mir zwei sa­chen von der kar­te nach preis aus und liess mich über­ra­schen.

der deal lau­te­te: euer la­den, eure re­geln, ich las­se mich da heu­te ger­ne drauf ein und wenn ich glück habe, er­le­be oder schme­cke ich et­was, was ich vor­her noch nie ge­schmeckt habe. ei­gent­lich ist das bei fast je­dem re­stau­rant­be­such (nicht nur im aus­land) so und an­de­rer­seits na­tür­lich auch der grund, war­um mc­do­nalds und sub­way (oder star­bucks) in­ter­na­tio­nal so er­folg­reich sind: das ri­si­ko des un­be­kann­ten und neu­en will nicht je­der stän­dig ein­ge­hen. weil ex­pe­ri­men­te oder sich auf frem­de oder neue ge­schmä­cker und ge­wohn­hei­ten ein­zu­las­sen auch schief­ge­hen und im ekel en­den kann.

soll mir also recht sein, wenn man in the barn sagt:

Our handbrewed coffees have a spectacular range of notes and flavours. They are roasted lightly and with great care to bring out the individual characteristics of a bean. We only serve these coffees without milk or sugar to showcase those fantastic flavours.

am sams­tag hab ich mir dort dann also (auf emp­feh­lung von bosch) ei­nen kaf­fee aus der aero­press be­stellt. der wur­de mit er­staun­lich we­nig kaf­fee­pul­ver und er­staun­lich viel was­ser zu­be­rei­tet, so dass ich am ende ein känn­chen duf­te­nen fil­ter­kaf­fee hat­te. die ba­ris­ta mein­te, als sie ihre nase über das fer­ti­ge pro­dukt hielt, dass der kaf­fee nach sher­ry rö­che. auf mei­ne fra­ge, ob das was gu­tes sei, nick­te sie.

wie ich das be­reits von mei­nen ei­ge­nen aero­press-ex­pe­ri­men­ten ken­ne fehl­te dem kaf­fee jede bit­ter­keit. er hat­te in der tat ei­ni­ges an aro­men zu bie­ten, aber lei­der auch ein paar sau­re no­ten. nicht un­an­ge­nehm, im ge­gen­teil, aber merk­lich. in der asia­ti­schen kü­che kon­tert man die sau­ren no­ten mit süs­se, aber das ist bei den fil­ter­kaf­fees in the barn, wie ge­sagt, ver­bo­ten:

We do advise not to use sugar for various reasons but mainly because it distracts from wonderful coffee flavours. However, if you must we offer Whole Cane Sugar from dried unrefined natural sugarcane juice.

weil zu­cker vom ge­schmack ab­lenkt, bie­tet man also zur not eine zu­cker­art an, die ei­nen sehr star­ken (ka­ra­mel­li­gen) ei­gen­ge­schmack hat. ich be­nut­ze auch seit jah­ren fast aus­schliess­lich voll­rohr­zu­cker im kaf­fee, aber das mit der lo­gik ist bei the barn wohl eher zweit­ran­gig.

wie ge­sagt, ich mag das kon­zept der barn: ei­nen la­den um ein gu­tes pro­dukt her­um auf­bau­en und das so pur wie mög­lich zu ver­kau­fen, auch auf die ge­fahr hin da­mit be­vor­mun­dend oder eli­tär zu wir­ken. trotz­dem wer­de ich wohl nicht zum stamm­kun­den dort wer­den. ei­ner­seits weil ich mir mitt­ler­wei­le zu­hau­se nicht nur gu­ten kaf­fee ma­chen kann, son­dern auch, weil ich den dann auch so trin­ken kann wie ich es mag: vor ei­nem lap­top, vorm fern­se­her, mit zu­cker, ohne zu­cker, mit milch, ohne milch, mit bier oder ohne bier. und nach dem kaf­fee aufs klo ge­hen ist auch was tol­les.

ob­wohl ei­nen flat white, ich glau­be das ist ein kaf­fee mit de­me­ter-milch­schaum, wer­de ich dort ir­gend­wann noch­mal pro­bie­ren.


übersetzungslücken

felix schwenzel

  • original: „Now, if you’ll excuse me, I have to go grind a gap in my front teeth.“
  • übersetzung von faz-redakteur michael hanfeld: „Wenn Sie mich nun entschuldigen, ich muss die Lücke zwischen meinen Vorderzähnen schließen.“
  • übersetzung google translate: „Nun, wenn Sie mich entschuldigen, 1 müssen an Dann gehen die von der Lücke in der My vorderen Zähne.“
  • übersetzung vom bing-übersetzer: „Jetzt, wenn Sie mich entschuldigen, ich muss gehen, eine Lücke in meine Vorderzähne zu mahlen.“
  • meine übersetzung: „wenn Sie mich nun entschuldigen würden, ich muss mir eine lücke zwischen die vorderzähne schleifen“
  • übersetzung der serienjunkies: „Nun entschuldigt mich bitte, ich muss mir eine Zahnlücke in meine Schneidezähne scharben.“

(al­ter­na­tiv gin­ge na­tür­lich auch ein deng­li­scher gag: „ich muss mir ei­nen brief­schlitz in die vor­der­zäh­ne schlei­fen“)

ich hab mir kürz­lich üb­ri­gens auch eine zahn­lü­cke ge­schlif­fen, aus grün­den.


wettbewerberverzerrung in der faz

felix schwenzel

ro­bert m. mai­er, der grün­der ei­nes shop­ping-por­tals, dass mitt­ler­wei­le zu axel-sprin­ger ge­hört, durf­te im feuil­le­ton der faz ei­nen text ver­öf­fent­li­chen, der of­fen­bar von nie­man­dem ge­gen­ge­le­sen wur­de (wie bei mir üb­ri­gens auch).

man kann goog­le von sehr vie­len sei­ten aus kri­ti­sie­ren, aber aus der ecke ei­nes sich be­nach­tei­lig­ten füh­len­den, di­rek­ten wett­be­wer­bers ver­liert kri­tik sehr schnell an über­zeu­gungs­kraft. erst recht wenn die kri­tik so un­präz­sise, un­struk­tu­riert und arm an ar­gu­men­ten ver­fasst wird, wie in die­sem fall. an­bei ein paar stel­len, die mir beim le­sen be­son­ders ins auge fie­len.

Google baut auf den Suchergebnisseiten immer mehr und immer prominenter Werbung für eine Produkte ein (Google AdWords, Google Shopping).

das mag schon stim­men, aber was sind „eine Pro­duk­te“?

So zahlt Google an die Herstellerfirma des wichtigen Ad-Blockers Eyoe, damit diese bestimmte Werbungen nicht mehr blockt. Das ist sicherlich nicht zum Wohle aller Nutzer.

die fir­ma heisst eyeo, der ad­blo­cker ad­block plus und wenn man sich die mühe macht an ad­block plus rum­zu­kon­fi­gu­rie­ren, kann man „die­se be­stimm­ten Wer­bun­gen“ durch­aus blo­cken. be­ein­dru­ckend fin­de ich je­den­falls, dass ro­bert m. mai­er ad­blo­cker in der faz als weg zum be­nut­zer­wohl be­zeich­net und ihm fir­men, die ge­gen ad­blo­cker vor­ge­hen, angst ma­chen.

am ran­de be­merkt, faz.net macht so­wohl wer­bung für ad­blo­cker („Fa­zit: Ad­block IE ist eine ge­lun­ge­ne Ant­wort auf Dau­er­wer­bung im Netz“), als auch da­ge­gen.

Über die Einhaltung der Google Guidelines scheint hingegen Google ganz allein zu entscheiden, wie es aussieht, hinter verschlossenen Türen, ohne anderen Website-Betreibern die Chance zu geben, sich zu verteidigen. Was für ein Satz: sich vor Google verteidigen!

fin­de ich gut, wenn man sich über sei­ne ei­ge­nen for­mu­lie­run­gen freu­en kann. ich fra­ge mich nur, wie sich das mit den jour­na­lis­ti­schen qua­li­täts­stan­dards der faz ver­ein­ba­ren lässt, über die so­weit ich weiss auch hin­ter ver­schlos­se­nen tü­ren ent­schie­den wird. aber viel­leicht gel­ten die stan­dards bei wer­be­bei­trä­gen von un­ter­neh­mern in ei­ge­ner sa­che nicht. auch be­zahl­te wer­bung re­di­giert die faz ja nicht, war­um soll­te sie dann un­be­zahl­te wer­bung re­di­gie­ren?

Und wenn sich jemand im Google-Kalender einen Termin mit mir einträgt, kann es wissen, wen ich wann wo treffe, ohne dass ich den Google-Kalender nutzen muss. Damit wird das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausgehebelt.

das ist har­ter to­bak, scharf an den gren­zen mensch­li­cher und ju­ris­ti­scher lo­gik. denn die „in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung“ wür­de nach die­ser lo­gik mög­li­cher­wei­se auch ver­letzt, wenn „je­mand“ ei­nen ter­min mit ro­bert m. mai­er in sein icloud-syn­chro­ni­sier­tes ipho­ne oder out­look oder eine klo­wand ein­trägt. so ge­se­hen sind adress­bü­cher und ka­len­der wohl un­ver­ein­bar mit der in­for­ma­tio­nel­len selbst­be­stim­mung.

er­staun­lich je­den­falls, eine so fun­da­men­ta­lis­ti­sche da­ten­schutz­an­sicht in ei­nem blatt zu le­sen, dass ganz gut vom adress­han­del lebt und da­für kräf­tig mit­lob­by­iert hat.

Die Steuern, die Google gegenüber seinen deutschen und europäischen Wettbewerben spart, nutzt es, um in mehr Mitarbeiter, mehr Forschung und Entwicklung sowie mehr Unternehmenszukäufe zu investieren. Dies schwächt die europäischen Firmen, Staaten und letzten Endes Bürger.

mehr mit­ar­bei­ter, mehr for­schung, ent­wick­lung und un­ter­neh­mens­zu­käu­fe schwä­chen eu­ro­pa? ich ver­mu­te der im­pli­zi­te vor­wurf von ro­bert m. mai­er ist hier, dass goog­le le­ga­le steu­er­spar­tricks aus den such­ergeb­nis­sen fil­tert um die wett­be­wer­ber, eu­ro­pa und die bür­ger zu schwä­chen.


nur mal so aus in­ter­es­se und apro­pos ver­schlos­se­ne tü­ren. kennt je­mand die qua­li­täts­stan­dards der frank­fur­ter all­ge­mei­nen zei­tung? sei es beim raus­re­di­gie­ren von feh­lern oder dem strei­chen von sät­zen, die so tun als ent­hiel­ten sie ar­gu­men­te. und kann neu­er­dings tat­säch­lich je­der un­ter­neh­mer ei­nen un­re­di­gier­ten text in der faz un­ter­brin­gen, wenn er grob in die po­li­ti­sche agen­da der her­aus­ge­ber­schaft passt?


nach­trag:

@wirresnet Mich hat geärgert, dass vor dem (Online-)Leser versteckt wurde, wer denn Herr Maier eigentlich ist. https://t.co/ssE0NXpqIR

— Public (@publictorsten) April 11, 2014

an­geb­lich ist das eine ant­wort auf ro­bert m. mai­ers ar­ti­kel von eric schmidt („Der Goog­le-Ver­wal­tungs­rats­chef ant­wor­tet auf alle Kri­ti­ker.“): „Die Chan­cen des Wachs­tums


kurzkritik the machine (und smaugs einöde)

felix schwenzel

the ma­chi­ne: lei­der ziem­lich gu­ter film. itu­nes fasst ihn so zu­sam­men:

With an impoverished world plunged into a Cold War with a new enemy, Britain’s Ministry of Defense is on the brink of developing a game-changing weapon. Lead scientist Vincent McCarthy (Toby Stephens) provides the answer with his creation, ‘The Machine’- an android with unrivalled physical and processing skills. When a programming glitch causes an early prototype to destroy his lab, McCarthy enlists artificial intelligence expert Ava (Caity Lotz) to help him harness the full potential of a truly conscious fighting machine.

die ge­schich­te (im film, nicht in der kurz­be­schrei­bung) ist über­aschend ge­wen­det, zu­min­dest ge­gen­über den nor­ma­len gen­re-fil­men. auch er­hol­sam: aus­nahm­wei­se er­zählt der trai­ler mal nicht die hal­be ge­schich­te, son­dern führt auf fal­sche fähr­ten. was mir be­son­ders gut ge­fiel war, dass die mu­sik ein­deu­tig be­zug auf frü­he 70er und 80er-jah­re fil­me nahm. die­se art syn­the­si­zer-sounds habe ich schon lan­ge nicht mehr in ei­nem film ge­hört. auch die an­spie­lun­gen an west-world, den ich mir vor kur­zem ex­tra noch­mal an­ge­se­hen habe, er­freu­ten mich. ich war von west­world zwar mit­tel­schwer ent­täuscht, was aber an ver­än­der­ten seh­ge­wohn­hei­ten lag, zu­min­dest mei­nen. die ha­ben sich in den letz­ten 41 jah­ren doch sehr ver­än­dert. das 2DF hat also, auf ne art, voll recht.

the ma­chi­ne wur­de mei­nen seh­ge­wohn­hei­ten von 2014 sehr ge­recht. das ende vom ende ist zwar ein biss­chen über­pa­the­ti­siert, aber der film ist al­les an­de­re als doof ge­schrie­ben und ein gros­ses, re­la­tiv kur­zes ver­gnü­gen.

wo ich ge­ra­de da­bei bin, apro­pos doof ge­schrie­ben. der hob­bit teil 2 (sm­augs ein­öde) war ja ganz un­ter­halt­sam und tech­nisch ma­kel­los. aber ei­nen sol­chen be­scheu­er­ten quatsch hab ich mir schon lan­ge nicht mehr von ei­nem film er­zäh­len las­sen. dut­zen­de ge­ne­tisch mo­di­fi­zier­te kampf­ma­schi­nen, ein dra­chen und dut­zen­de an­de­re geg­ner wer­fen sich teil­wei­se schwer be­waff­net auf ei­nen hau­fen zwer­ge und ei­nen hob­bit und de­nen ist am ende des fil­mes nicht ein haar ge­krümmt? un­ver­wund­ba­rer ist in der film­ge­schich­te ei­gent­lich nur ein film­held: ja­mes bond. der ist auch seit fast 50 jah­ren jung und sport­lich wie eh und je.

aber im ernst; der hob­bit wäre viel­leicht et­was über­zeu­gen­der ge­we­sen, wenn die zwer­ge und der hob­bit ihre stär­ke aus es­prit und geis­ti­ger be­weg­lich­keit ge­zo­gen hät­ten und der film sich nicht auf gi­gan­to­ma­ni­sche bond-spie­le­rei­en und un­glaub­wür­di­ge tech­nik­spie­le­rei­en ver­las­sen hät­te, um die haa­re sei­ner hel­den zu scho­nen. die tech­nik­gläu­big­keit im hob­bit nahm so ab­sur­de for­men an, dass ich mehr­fach bei­na­he ge­nervt weg­ge­schal­tet und ge­kotzt hät­te.

kurz: the ma­chi­ne ist kurz­wei­li­ger, in­tel­li­gen­ter quark, sm­augs ein­öde eine zu­mu­tung für den ge­sun­den men­schen­ver­stand.


brand eins eifert schlecky silberstein nach

felix schwenzel

heu­te auf face­book die­sen ein­trag im brand-eins-face­book-strom ge­se­hen. ein ziem­lich wit­zi­ges vi­deo von ei­nem men­schen der sagt, dass ihn vie­le leu­te fra­gen wür­den, wie es sei ein sex­sym­bol zu sein und dann voll auf die fres­se fällt.

(func­tion(d, s, id) { var js, fjs = d.ge­t­Ele­ments­By­Tag­Na­me(s)[0]; if (d.ge­t­Ele­ment­By­Id(id)) re­turn; js = d.crea­te­Ele­ment(s); js.id = id; js.src = "//con­nect.face­book.net/en_US/all.js#xfbml=1"; fjs.par­ent­Node.in­sert­Be­fo­re(js, fjs); }(do­cu­ment, 'scrip­t', 'face­book-jssdk'));


ich fin­de das von der brand eins ein­ge­bet­te­te vi­deo sehr, sehr wit­zig und mei­ne ers­te re­ak­ti­on war: „das muss ich auch üben!“ in al­ler be­schei­den­heit habe ich kürz­lich auch so et­was in der art ver­sucht. lei­der sehr viel unüber­zeu­gen­der:

die brand eins schreibt auf face­book:

Wir waren uns uneinig, ob das unter unserem Niveau ist. Wahrscheinlich schon, aber lustig ist es trotzdem.

selbst auf schle­cky­sil­ber­stein.de be­kommt man als le­ser ei­nen ta­cken mehr in­for­ma­ti­on ge­lie­fert, näm­lich, dass es sich im vi­deo „um Schau­spie­ler und Mo­del Taye Diggs“ han­delt.

was mich aber är­gert wun­dert: nie­mand macht sich die mühe nach dem ori­gi­nal und dem kon­text die­ses vi­de­os zu su­chen, das, wie man auf den ers­ten blick er­kennt, bril­li­ant in­sze­niert ist.

nach 2 mi­nu­ten goog­le-bil­der­su­che und ein biss­chen kli­cki-kli­cki fin­det man das ori­gi­nal vine-vi­deo:

spä­tes­tens wenn man sich ein vi­deo in der vine-zeit­leis­te von taye diggs wei­ter zu­rück be­wegt, wird auch dem letz­ten horst klar, dass der um­fall im vi­deo in­sze­niert war:


die ent­schei­den­de fra­ge ist aber: war­um macht sich nie­mand die mühe die quel­le zu fin­den und zu nen­nen und pos­tet/shared statt­des­sen wie ein kopf­lo­ser teen­ager al­les stumpf ins face­book oder sei­ne word­press-in­stal­la­ti­on rein? dass die hohl­bir­nen von schle­cky sil­ber­stein chris­ti­an bran­des statt 3 mi­nu­ten lang das ori­gi­nal zu su­chen, lie­ber den von ei­nem tritt­brett­fah­rer auf you­tube hoch­ge­la­de­nen ab­zug pos­tet ist klar. aber die brand eins?

nicht der witz, der hu­mor oder die po­ten­zi­ell er­zeug­te (fal­sche) scha­den­freu­de des vi­de­os ist un­ter dem ni­veau der brand eins, son­dern die man­geln­de jour­na­lis­ti­sche neu­gier und der man­geln­de jour­na­lis­ti­sche ehr­geiz. wer ist das auf dem vi­deo? was macht der da? war­um macht er das? fake oder echt? hat der typ noch an­de­re wit­zi­ge sa­chen im peto? statt­des­sen: „ha­r­ha­r­har! guckt mal! ha­r­ha­r­har.“ — das ist ge­nau das was ich von der brand eins nicht le­sen und hö­ren will, ge­nau das ge­gen­teil des­sen, was ich an der brand eins schät­ze.

prat über­setzt leo.org üb­ri­gens mit „trot­tel“.


doppelt zahlen im aldi

felix schwenzel

es gibt freund­li­che und un­freund­li­che al­dis. ges­tern wa­ren wir mal wie­der im un­freund­li­chen aldi ein­kau­fen. dort fiel ir­gend­wann ei­ner äl­te­ren dame ein glas in­stant-kaf­fee auf den bo­den, das zer­brach und ein biss­chen kaf­fee­duft im aldi ver­teil­te. sie sag­te auch gleich dem per­so­nal be­scheid, dass die res­te be­sei­tig­te und sich für ihre ehr­lich­keit da­mit be­dank­te, ihr an der kas­se zwei glä­ser in­stant­kaf­fee zu be­rech­nen: ein­mal für das ka­put­te glas und ein­mal für das glas, was sie dann tat­säch­lich mit­nahm.

die äl­te­re dame fand dann, dass es eine gute idee sei, das zer­bro­che­ne glas mit­zu­neh­men, um es „zu re­kla­mie­ren“. sie woll­te zwar nicht sa­gen wo sie es re­kla­mie­ren wür­de oder war­um es für die re­kla­ma­ti­on nö­tig sei im be­sitz von scher­ben zu sein, aber die kas­sie­rin­nen woll­ten ihr das zer­bro­che­ne glas so oder so nicht ge­ben.

was mich aber wun­der­te, war die er­klä­rung der kas­sie­re­rin, war­um die kun­din den zer­bro­che­nen kaf­fee wür­de zah­len müs­sen: weil kun­den an­ge­hal­ten sei­en ein­kaufs­wa­gen zu nut­zen, müss­ten kun­den die kei­nen ein­kaufs­wa­gen nut­zen din­ge die ih­nen run­ter­fal­len eben zah­len. rein recht­lich hat­te die kas­sie­re­rin wohl recht. der ju­rist pe­ter der­le­der meint, dass es kei­nen „Rechts­grund­satz“ gäbe, nach dem man wa­ren die ei­nem im su­per­markt ka­putt­ge­hen vor der be­zah­lung auch nicht zah­len müs­se.

trotz­dem scheint es sehr vie­le su­per­märk­te zu ge­ben, auch aldi-fi­lia­len, die das ku­lan­ter hand­ha­ben und mehr wert auf wie­der­keh­ren­de kun­den le­gen, als auf erb­sen­zäh­le­rei und recht­ha­be­rei. manch ein su­per­markt­be­sit­zer er­setzt so­gar ge­le­gent­lich ka­put­te wa­ren aus an­de­ren ge­schäf­ten.


ganz an­de­res the­ma. in­ter­es­sant wie sprin­ger-me­di­en mit­un­ter ar­bei­ten, leis­tungs­schutz­recht hin oder her. das in­ter­view mit dem ju­ris­ten pe­ter der­le­der er­schien am 29.03.2005 auf test.de (und wahr­schein­lich auch in der zeit­schrift der stif­tung wa­ren­test). am 7. april er­schien die­se zu­sam­men­fas­sung des in­ter­views in der bz-ber­lin.de. ab­ge­se­hen da­von, dass die aus­sa­ge von pe­ter der­le­der hier als aus­sa­ge der stif­tung wa­ren­test aus­ge­legt wird, fügt der ar­ti­kel dem ori­gi­nal nicht das ge­rings­te hin­zu. aus der in­ter­view­ant­wort

Eltern müssen ihre Kinder aber auch belehren. In jedem Fall ist eine Haftpflichtversicherung sinnvoll.

macht die bz ei­nen ge­fet­te­ten ab­satz:

Experten-Tip: In jedem Fall ist eine Haftpflichtversicherung sinnvoll.

aber eins muss man sprin­ger las­sen: kür­zen, fet­ten und such­ma­schi­nen­op­ti­miert schrei­ben kön­nen sie.


vergangenheit als attitüde

felix schwenzel

heu­te habe ich die­sen text von tho­mas hoof ge­le­sen, dem grün­der von ma­nu­fac­tum und ver­le­ger von akif pi­rin­çcis „Deutsch­land von Sin­nen“. da­nach gin­gen mir in etwa die­se ge­dan­ken durch den kopf:

das neue ber­li­ner schloss, ma­nu­fac­tum und akif pi­rin­çcis ti­ra­den ba­sie­ren alle auf dem glei­chen sen­ti­men­ta­len fehl­schluss: frü­her sah al­les bes­ser aus.

weil der zu­cker­bä­cker­stil des 15. jahr­hun­derts man­chen so viel bes­ser ge­fällt als zeit­ge­mäs­se ar­chi­tek­tur, wird jetzt mit­ten in ber­lin ein hy­per-mo­der­ner, ef­fi­zi­en­ter bau er­stellt, der am ende mit der fas­sa­de von vor ein paar hun­dert jah­ren be­klebt wird. war ja frü­her al­les bes­ser — bis auf die en­er­gie­ef­fi­zi­enz, die haus- und kli­ma­tech­nik, die si­cher­heits­tech­nik, die fens­ter, die put­ze und wand­far­ben, die mö­bel und die scheiss­häu­ser.

ma­nu­fac­tum ver­zich­tet bei der her­stel­lung und den ver­trieb der „gu­ten al­ten din­ge“ na­tür­lich nicht auf mo­derns­te lo­gis­tik, ver­pa­ckungs­tech­nik und mar­ke­ting, in­klu­si­ve ver­trieb und mar­ke­ting im in­ter­net; die­ses ding, das vie­le, nicht nur ma­nu­fac­tum-mar­ke­ting-op­fer, als gar nicht mal so gut und alt be­fin­den. ein mo­der­nes un­ter­neh­men, das men­schen, die die vor­zü­ge der mo­der­nen welt ge­nies­sen, et­was glo­ri­fi­zier­te-alte-welt-make-up zum ab­de­cken der über­kom­ple­xen rea­li­tät ver­kauft.

und jetzt be­män­gelt tho­mas hoff, der her­aus­ge­ber von akif pi­rin­çci, dass vie­le buch­händ­ler sich so wie in der an­geb­lich so gu­ten al­ten zeit ver­hal­ten; ein biss­chen be­tu­lich, sehr vor­sich­tig und sich auf das bauch­ge­fühl — nicht al­go­rith­men — ver­las­send. sol­len sie doch ster­ben und vom mo­der­nen, fort­schritt­li­chen, al­go­rith­mus-ge­trie­be­nen ama­zon in den ab­grund trei­ben las­sen, sagt er. denn ama­zon ver­kau­fe das werk aus hoffs ver­lag, dass die an­geb­lich gute alte zeit, das „alte Deutsch­land“ wie­der zu­rück­wü­ten will, wie war­me sem­meln. die gu­ten al­ten buch­häd­ler (es gibt sie noch), ver­hal­ten sich an­ge­sichts des blöd­sinns den hoof un­ter die leu­te brin­gen will, et­was zu­rück­hal­ten­der.

die zeit die sich pi­rin­çci und vie­le an­de­re zu­rück­wün­schen ist eine, in der es in deutsch­land noch kei­ne um­welt­pro­ble­me gab (weil noch nie­mand drü­ber sprach), kaum min­der­wer­tig­keits­kom­ple­xe gab (es gab stolz und sta­tus) und vor al­lem kei­ne gleich­be­rech­ti­gungs­pro­ble­me gab (es gab kla­re hier­ar­chien). über­ag­gres­si­ve, tes­tes­te­r­on-ver­sprit­zen­de weich­ei­er wie pi­rin­çci muss­ten da­mals™ ihre al­pha­tier­rol­le we­der mit hengst­bis­sig­keit, noch mit ar­gu­men­ten ver­tei­di­gen, son­dern be­ka­men sie dank ih­res ge­schlechts ein­fach auf le­bens­zeit ver­lie­hen.

das ist die wi­der­sprüch­lich­keit der schloss­bau­er, der hoofs und pi­rin­çcis: sie wol­len alle nicht auf die vor­zü­ge der mo­der­nen welt ver­zich­ten — aber sie wün­schen sich nichts sehn­li­cher als dass die­se mo­der­ne welt so wie frü­her™ aus­sieht und sich auch ein biss­chen so an­fühlt. sie ha­ben alle nichts ge­gen den fort­schritt, man soll ihn nur nicht se­hen, kei­ne kon­se­quen­zen aus ihm zie­hen und vor al­lem nicht dar­über re­den! so wie frü­her eben, als die welt noch über­sicht­lich, still und ge­ord­net zu sein schien.


laterpay kurztest

felix schwenzel

ri­chard gut­jahr vor zwei wo­chen:

Dank LaterPay habt Ihr jetzt zusätzlich die Möglichkeit, mich für den einen oder anderen Inhalt zu bezahlen. Mit nur 2 Klicks (!) könnt Ihr weiterführende Informationen, Grafiken oder Videos abrufen. Eine Art „In-App-Purchase“, wie man das aus der Games-Welt kennt – nur eben übertragen auf den Journalismus.

(her­vor­he­bung von mir)

seit ein paar ta­gen kann man jetzt tat­säch­li­chen ei­nen (!) ar­ti­kel bei ri­chard gut­jahr kau­fen, die „Über­set­zung des In­ter­views mit dem Ex-NSA-Mit­ar­bei­ter Wil­liam Bin­ney“ das es auch kos­ten­los auf eng­lisch gibt.

mein ers­ter ver­such war nur so halb von er­folg ge­krönt, nach dem kauf habe ich erst­mal ei­nen ei­gen­ar­ti­gen dar­stel­lungs­feh­ler be­kom­men, der aber auch mit der ak­tu­el­len chro­me ver­si­on zu­sam­men­hän­gen kann die ich ge­ra­de be­nut­ze.

so sieht paid content aus /cc @gutjahr #laterpay #laterfunzt 29 cent bezahlt und this is what i got: pic.twitter.com/PqLL38oX9h

— felix schwenzel (@diplix) April 2, 2014

die be­haup­tung mit den zwei klicks ist al­ler­dings ge­wagt. wenn ich mich erst­mal auf der ar­ti­kel­sei­te be­fin­de, was von der gut­jahr.biz-start­sei­te schon­mal min­des­tens zwei klicks ent­fernt ist, öff­net der ers­te klick erst­mal ein la­ter­pay-fens­ter. der kauf lässt sich erst durch den zwei­ten klick tä­ti­gen, wenn man die AGB zur kennt­nis ge­nom­men hat (le­sen: 1 klick, be­stä­ti­gen: 1 klick). ich zäh­le da 4 klicks. mög­li­cher­wei­se muss ich beim nächs­ten kauf auf mei­nem lap­top nicht mehr die AGB le­sen und die kennt­nis­nah­me be­stä­ti­gen (und kom­me so dann tat­säch­lich auf 2 klicks), aber aus­pro­bie­ren kann ich das nicht, weil es aus­ser diesm ei­nen ar­ti­kel noch nichts per la­ter­pay zu kau­fen gibt. spä­tes­tens wenn ich auf ei­nem an­de­ren ge­rät et­was mit la­ter­pay kau­fen will, wer­de ich aber wohl wie­der auf vier klicks kom­men.

also bin ich mit dem ipho­ne auf den ar­ti­kel na­vi­giert (ge­fühl­te 5 klicks) und habe to­des­mu­tig er­neut für 29 cent den ar­ti­kel kau­fen wol­len. ri­chard gut­jahrs blog ist zwar re­spon­si­ve, also auf die be­trach­tung mit mo­bi­len ge­rä­ten op­ti­miert, aber lei­der das auf­pop­pen­de la­ter­pay-fens­ter nicht.

#laterpay auf dem iphone: kann den bezahlen-button nicht anscrollen, mir aber eine tolle CSS-animation ansehen („Über LaterPay“). respekt.

— felix schwenzel (@diplix) April 2, 2014

unscrollbares laterpay-fenster auf dem iphone

das fens­ter lässt sich we­der scrol­len noch kleinska­lie­ren, was sehr be­dau­er­lich ist, weil es so un­nö­ti­ger­wei­se die nut­zung mit ei­nem ipho­ne 4 un­ter­bin­det. ich habe es eben mit ei­nem kind­le fire aus­pro­biert und tat­säch­lich klapp­te der kauf da­mit (mit 4 klicks). was auch klapp­te war mei­nen ver­meint­li­chen dop­pel­kauf durch an­mel­den im kind­le bei la­ter­pay zu stor­nie­ren, bzw. die käu­fe zu­sam­men­zu­le­gen, so dass ich nur ein­mal 29 cent zah­len wer­de müs­sen. ich glau­be zu­min­dest dass das funk­tio­niert, denn das was mir das sys­tem ge­sagt hat, habe ich nur so halb ver­stan­den.

im prin­zip hält la­ter­pay also was es ver­spricht: ein­fa­che, re­la­tiv un­bü­ro­kra­ti­sche ab­wick­lung von kleinst­käu­fen, auch über ge­rä­te­gren­zen hin­weg (wenn man sich sei­ne zu­gangs­da­ten mer­ken kann). was ein biss­chen ir­ri­tiert ist die et­was lieb­lo­se um­set­zung des über­la­ger­ten fens­ters, das nicht mit dem the­me von gut­jahr.biz zu­sam­men­spielt. die la­ter­pay-api scheint auch noch sehr beta zu sein, eben habe ich mehr­fach fol­gen­de feh­ler­mel­dung zu ge­sicht zu be­kom­men:

laterpay-API-fehler auf gutjahr.biz

an­sons­ten könn­te das aber was wer­den, mit la­ter­pay. wenn das dann mal ir­gend­wann funk­tio­niert und zu­gäng­lich ist.


apro­pos feh­ler:

@diplix #laterplay unter Android: ein Tipp auf "Team" lässt Chrome abstürzen. pic.twitter.com/iiwsgTQ7ck

— Denny (@diskostu_muc) April 2, 2014


organic future

felix schwenzel

ans­gar hat heu­te aus ir­gend­ei­nem an­lass ein post auf face­book ver­öf­fent­licht, das auch auf mei­ner time­line er­schien.

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die ar­beit ist das sinn­bild un­se­res di­plom­pro­jekts or­ga­nic fu­ture. ans­gar hat dan­kens­wer­ter­wei­se ein paar fil­me und ideen von da­mals do­ku­men­tiert. dort sind auch ei­ni­ge un­se­rer da­ma­li­gen fil­me ein­ge­bet­tet, die man sich alle an­se­hen kann, so­bald sich die GEMA und goog­le ge­ei­nigt ha­ben. es gibt auch ein or­ga­nic-fu­ture-you­tube-kon­to mit den fil­men.

die­se do­ku­men­ta­ti­ons­sei­ten hat ans­gar schon ne wei­le on­line (auf die bil­der kann man kli­cken):

 
 


vor neun jah­ren habe ich ei­nen text über un­ser stu­di­um und ge­mein­sa­mes pro­jekt, dass in­sti­tut für pa­ra­ar­chi­tek­to­ni­sche phä­no­me­ne und die „kal­te plat­te“ ge­schrie­ben.


kaffee-werbung

felix schwenzel

ja­son kott­ke hat vor ein paar ta­gen ei­nen kaf­fee-kult-wut­aus­bruch von khoi vinh ver­linkt. ich bin beim le­sen im­mer wie­der ge­dank­lich ab­ge­drif­tet, was mir bei zu kom­pli­ziert ge­schrie­be­nen wut­aus­brü­chen im­mer wie­der pas­siert. des­halb neh­me ich mal das zi­tat das auch ja­son kott­kes zur zu­sam­men­fas­sung aus­ge­wählt hat:

In the West, and particularly in urban centers of the United States, we've turned coffee into not just a daily habit, but a totem of conspicuous consumption. They are "rituals of self-congratulation" (a choice phrase I believe I read from Sam Sifton, but which I can't seem to source) wherein we continually obsess over certain coffee purveyors or certain methods of brewing coffee - each new one more complex, more Rube Goldbergian and more comically self-involved than the previous brewing fad.

die ri­tua­li­sie­rung und die kul­ti­sche er­hö­hung von mensch­li­chen tä­tig­kei­ten er­streckt sich wirk­lich auf alle le­bens­be­rei­che. von der nah­rungs­auf­nah­me zum stuhl­gang (schon­mal mo­der­ne ja­pa­ni­sche toi­let­ten ge­se­hen?), von der wahl der fort­be­we­gungs­mit­tel zur wahl der kör­per- und fuss­be­de­ckung hin zur fra­ge ob man knob­lauch bes­ser quetscht, wür­felt, in schei­ben oder mit oder ohne keim ver­ar­bei­tet. über jede, wirk­lich jede ent­schei­dung kön­nen sich men­schen aus­gie­big strei­ten, sei es die wahl des rich­ti­gen te­le­fons, des rich­ti­gen com­pu­ter­be­triebs­sys­tems oder der rich­ti­gen be­lich­tungs­zeit und blen­de bei gän­se­blüm­chen­fo­to­gra­phie. war­um soll­te das ge­ra­de bei kaf­fee an­ders sein?

ich glau­be, man nennt die ri­tua­le der selbst­be­glück­wün­schung von de­nen mög­li­cher­wei­se sam sif­ton oder sonst­wer re­det, in an­de­ren zu­sam­men­hän­gen auch ein­fach kul­tur. wie wir nah­rungs­mit­tel zu uns neh­men, dro­gen, ge­nuss­mit­tel, wie wir uns klei­den oder fort­be­we­gen und uns ge­gen­über an­de­ren ver­hal­ten, die sich eben­falls fort­be­we­gen oder et­was zu sich neh­men oder klei­den, all das kul­ti­vie­ren und re­geln wir im lau­fe von jah­ren, manch­mal de­ka­den oder jahr­hun­der­ten. und nen­nen es dann kul­tur, kon­sum, aus­ge­hen, ge­nuss oder wie auch im­mer.

es gibt nicht we­ni­ge men­schen die sich selbst für sehr kul­ti­viert hal­ten und de­ren re­ga­le sich vor lau­ter ge­sam­mel­ten kul­tur­gü­tern bie­gen, die aber die nase über kul­tu­ren rümp­fen die ent­we­der zu pri­mi­tiv, zu aus­ge­feilt, zu fremd, zu spies­sig, zu hipp, zu un­hipp, zu neu oder ein­fach zu an­ders zu dem was in ih­ren re­ga­len oder schrän­ken steht sind. es gibt men­schen die nen­nen es „spass“, wenn sie mit 200 auf ei­nem zwei­rad durch die ge­gend ra­sen, aber de­ka­dent, wenn man sich kaf­fee aus alum­ni­ni­um­kap­seln zu­be­rei­tet. de­kan­dent und ob­ses­siv sind im­mer die an­de­ren. das was wir selbst tun, nen­nen wir lie­ber „ein biss­chen spass“ oder „ge­nuss“.

man kann sich wirk­lich über alle mög­li­chen ob­ses­sio­nen lus­tig ma­chen; über die ja­pa­ner, wie sie zwang­haft an je­dem deko-de­tail je­des bis­sens ar­bei­ten, über die deut­schen, die ma­yo­nai­se auf al­les kip­pen, fleisch über stun­den hin­weg weich­ko­chen und kaf­fee aus tropf­brüh­au­to­ma­ten trin­ken, über ita­lie­ner die der mei­nung sind es­pres­so schme­cke bes­ser, wenn er in heis­se tas­sen ge­füllt wird und im ste­hen ge­trun­ken wird oder über fran­zo­sen, die dün­nen kaf­fee in ho­möo­pa­thi­scher do­sis in zu heis­se milch kip­pen.

ich mach mich heu­te mal über nichts lus­tig, son­dern ver­su­che mich zu er­in­nern wie sich mein kaf­fee­kon­sum über die jah­re hin­weg ver­än­dert hat.


an mei­ne ers­te tas­se kaf­fee kann ich mich lei­der nicht er­in­nern. ich bin aber si­cher, dass es klas­si­scher deut­scher fil­ter­kaf­fee war, mit milch und zu­cker. wor­an ich mich al­ler­dings in mei­ner ju­gend er­in­ne­re, war das auf­kom­men von kaf­fee­ver­kaufs­stel­len bei bä­ckern und den duft den das kaf­fee­mah­len ver­ström­te. die­ser duft macht wo­mög­lich ab­hän­gi­ger als das kof­fe­in im kaf­fee. als ich mit 15 oder 16 re­gel­mäs­si­ger gast im aa­che­ner dom­kel­ler wur­de, wur­de ich auch re­gel­mäs­si­ger kon­su­ment des dort ge­reich­ten „milch­kaf­fee“. der wur­de dort mit viel milch und ein biss­chen dün­nen kaf­fee aus so­was wie ei­ner sieb­trä­ger-es­pres­so­ma­schi­ne ser­viert. schmeck­te wie das zeug, was man in frank­reich als café au lait ser­viert be­kommt.

hin und wie­der, wenn ich mit mei­nen el­tern mal es­sen ging, gabs zum ab­schluss ei­nen es­pres­so. die­se abend­li­chen es­pres­si knall­ten wit­zi­ger­wei­se im­mer ge­nau­so so, wie man sich wünscht, dass der mor­gen­tli­che kaf­fee knal­len wür­de, aber fast nie tut. bis zu mei­nem un­ge­fähr sieb­zehn­ten le­bens­jahr habe ich mehr oder we­ni­ger nur fil­ter­kaf­fee ge­trun­ken, mit ge­le­gent­li­chen es­pres­so-zwi­schen­fäl­len. ein ein­zi­ges mal habe ich in aa­chen im café van den dae­le ei­nen kaf­fee ge­trun­ken, der di­rekt in die tas­se ge­brüht wur­de, mit so ei­nem edel­stahl­auf­satz, in dem das kaf­fee­pul­ver war und aus dem un­ten dann der kaf­fee in die tas­se tropf­te. bis auf die ap­pa­ra­tur, fand ich den kaf­fee nicht be­son­ders be­ein­dru­ckend.

ich kann mich an kei­nen ein­zi­gen kaf­fee er­in­nern, den ich in mei­nem aus­tausch­jahr in den USA ge­trun­ken habe. gut mög­lich, dass ich mei­nen kof­fe­in­be­darf aus­schliess­lich mit soft­drinks ge­stillt habe — oder ein­fach kei­nen be­darf hat­te. ein paar jah­re nach mei­ner rück­kehr hielt bei uns eine die­ser auf-den-herd-stell-es­pres­so-kan­nen ein­zug. ich fand den kaf­fee im­mer ein biss­chen bäh, im­mer ent­we­der zu sau­er, zu schwach oder zu stark und oft mein­te ich gum­mi­dich­tungs­ge­schmack wahr­zu­neh­men.

nach mei­ner aus­bil­dung fuhr ich er­neut für ein paar wo­chen in die USA, 2 wo­chen new york und 2 wo­chen se­at­tle, bzw. wa­shing­ton sta­te. in new york früh­stück­te ich meist in ei­nem di­ner an der co­lum­bus ave­nue. dort liess ich mir acht bis 10 tas­sen kos­ten­los nach­fül­len, bis sich ein biss­chen kof­fe­in-krib­beln be­merk­bar mach­te. ge­schmack­lich konn­te ich der ame­ri­ka­ni­schen kaf­fee­plör­re durch­aus et­was ab­ge­win­nen, der deut­sche fil­ter­kaf­fee war mir jah­re­lang zu bit­ter. der ame­ri­ka­ni­sche kaf­fee ver­ur­sach­te aber auch ei­ni­ges mehr an harn­drang als ich ge­wohnt war. aber da es in new york an fast je­der ecke ein mc­do­nalds gibt, war das auch kein pro­blem.

in den zwei wo­chen be­merk­te ich new york erst­mal auch eine neue art café. es gab qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge back­wa­ren, kek­se, ku­chen und eben auch cefé lat­te und son ge­döns — in papp­be­chern. ich habe in der zeit hin und wie­der sol­che lä­den auf­ge­sucht, al­ler­dings (in mei­ner er­in­ne­rung) we­ni­ger we­gen des kaf­fees (den ich le­cker fand), son­dern we­gen der sitz­plät­ze di­rekt im fens­ter. ich fand es gab nichts gross­ar­ti­ge­res als in new york an ei­ner be­leb­ten stras­se in ei­nem fens­ter zu sit­zen und auf die stras­se zu se­hen. und viel­leicht zu le­sen. spä­ter in se­at­tle habe ich auch zum ers­ten mal die mar­ke star­bucks wahr­ge­nom­men. das muss al­les so ge­gen 1993/94 ge­we­sen sein.

zu­rück in deutsch­land gab es dann durchs stu­di­um hin­durch fast aus­schliess­lich fil­ter­kaf­fee. viel fil­ter­kaf­fee. ge­le­gent­li­che es­pres­si nach dem es­sen oder bei ita­li­en-rei­sen wa­ren si­cher­lich da­bei, aber fil­ter­kaf­fee war ne­ben lei­tungs­was­ser und bier eins mei­ner grund­nah­rungs­mit­tel. bis ich zum ende des stu­di­ums um­zog und das her­bertz in der im­menho­fer stras­se ent­deck­te. über min­des­tens zwei jah­re bin ich dort je­den mor­gen hin­ge­gan­gen und habe eine oder zwei oder drei „me­lan­ge“ ge­trun­ken (was, zu­min­dest aus her­bert oko­low­skis hand, eine art sehr star­ker café lat­te war) und ein lau­gen­bröt­chen mit sa­la­mi und käse ge­ges­sen. der kaf­fee-ge­schmack im her­bertz war lei­der sehr prä­gend für mich — zu­min­dest für das, was ich als wirk­lich gu­ten kaf­fee emp­fin­de. mich hielt und hält die­se mess­lat­te nicht da­von ab, an­de­re ar­ten kaf­fee zu trin­ken und zu schät­zen, aber wirk­lich gu­ter kaf­fee muss seit dem her­bertz wirk­lich stark sein, ohne bit­ter­stof­fe, mit meh­re­ren mil­li­me­tern cre­ma. bes­te er­in­ne­run­gen habe ich auch an das klei­ne steh­ca­fé im oder am tag­blatt­turm. dort gab es ert­klas­si­gen illy-es­pres­so, der mir da­mals in der kom­bi­na­ti­on mit ei­nem fei­er­abend­bier be­son­ders gut schmeck­te.

die letz­ten jah­re in stutt­gart, aber auch die ers­ten jah­re in ber­lin hat­te ich de-fak­to kein zu­hau­se. ich habe in mei­ner woh­nung le­dig­lich über­nach­tet und ge­duscht, ge­ges­sen, kaf­fee ge­trun­ken, ge­ar­bei­tet und ge­bloggt habe ich mehr oder we­ni­ger in wech­seln­den bü­ros und wech­seln­der gas­tro­no­mie. in den ers­ten 5 jah­ren ber­lin (min­des­tens), bin ich je­den mor­gen ins cof­fee­ma­mas ge­gan­gen und habe dort zwei bis drei kaf­fee lat­te ge­trun­ken. ne­ben dem über­ra­gend le­cke­ren, selbst ge­rös­te­ten kaf­fee moch­te ich dort ins­be­son­de­re, wie da­mals in new york, das im fens­ter ste­hen und die men­schen be­ob­ach­ten. ir­gend­wann öff­ne­te in ber­lin auch ein star­bucks, in den sel­te­nen fäl­len in de­nen ich dort hin ging, trank ich fil­ter­kaf­fee mit milch­schaum, der war der güns­tigs­te und schmeck­te nicht übel. scher­zahft nann­te ich star­bucks da­mals auch im­mer wu­cher­pfen­nig. eben­falls sehr gu­ten kaf­fee gabs im ca­ras, da bin ich im­mer hin, wenn das cof­fee­ma­mas zu hat­te oder noch nicht of­fen weil die be­die­nung ver­schla­fen hat­te. zum star­bucks bin ich al­ler­dings im­mer ger­ne aufs klo ge­ge­gan­gen — was ich da­mals auch aus­gie­big im in­ter­net do­ku­men­tier­te. lang­jäh­ri­ge le­ser wer­den sich er­in­nern.

2007 pas­sier­te et­was un­ge­heu­er­li­ches und mir bis da­hin un­vor­stell­ba­res. wir schaff­ten uns eine nes­pres­so-ma­schi­ne an, ob­wohl ich sol­chen über­teu­er­ten sys­tem­kaf­fee bis da­hin für völ­lig blöd­sin­nig hielt. nach­dem wir den kaf­fee ein paar mal aus so ei­ner ma­schi­ne bei mei­ner schwes­ter pro­biert hat­ten, liess ich all mei­ne be­den­ken fah­ren. der haupt­grund war in mei­ner er­in­ne­rung, dass wir bei­de die schnau­ze voll hat­ten von den auf-den-herd-stell-es­pres­so­känn­chen. die din­ger führ­ten re­gel­mäs­sig zu sprit­zen­dem kaf­fee, ver­brann­ten fin­gern und scheuss­li­chem kaf­feee. für mich war der nes­pres­so-kaf­fee, wenn ich in ham­burg war, eine ech­te al­ter­na­ti­ve zum café-aus­ge­hen. auch preis­lich er­schei­nem ei­nem 30-40 cent im ver­gleich zu 3-4 euro nicht so doll. die nes­pres­so-ma­schi­ne hat mich in den letz­ten jah­ren auch fast voll­kom­men vom mor­gend­li­chen café-be­su­chen ab­ge­hal­ten.

2008 bin ich mit der bei­fah­rein und dem kind wie­der in und durch die USA ge­reist. un­ter an­de­rem, um in las ve­gas zu hei­ra­ten. auf un­se­rer hoch­zeits­rei­se durch den wes­ten der USA sind wir lei­der zu re­gel­mäs­si­gen star­bucks­gäs­ten ge­wor­den. ein­fach weil es dort für ame­ri­ka­ni­sche ver­hält­nis­se den bes­ten kaf­fee gab. zu­min­dest auf dem fla­chen land. und aus fla­chem land be­stehen die USA nun­mal zum gros­sen teil. be­vor die bei­fah­re­rin vor un­ge­fähr zwei jah­ren nach ber­lin zog, bin ich im­mer noch re­gel­mäs­sig zum früh­stü­cken in ber­lin in ca­fés ge­gan­gen. meis­tens das bal­zac an der schön­hau­ser al­lee. spä­tes­tens als der la­den auf der ekel­lis­te des ord­nungs­amt pan­kow auf­tauch­te, trin­ke ich den kaf­fee in sol­chen lä­den im­mer im papp­be­cher. aber wahr­schein­lich ist das nur eine USA-an­ge­wohn­heit die ich mir als tick zu­ge­legt habe.

vor ein paar wo­chen las ich mal wie­der über die aero­press-kaf­fee­ma­schi­ne (vor­her wie­der­holt bei cory doc­to­row) und ent­schied mich, das ding mal aus­zu­pro­bie­ren. [ama­zon-wer­be­link] für knapp 25 euro kann man da ja nicht viel falsch ma­chen, dach­te ich. zu­hau­se hat­ten wir noch ein pa­ket dall­mayr pro­do­mo mit ei­ner ge­schenk­schlei­fe im schrank ste­hen. muss ir­gend­wann mal je­mand mit­ge­bracht ha­ben. der ers­te kaf­fee den ich mit der aero­press aus dem dall­mayr pro­do­mo press­te, knall­te wie ein abend­li­cher re­stau­rant-es­pres­so. der ge­schmack war stark, ohne ech­ten es­pres­so-ge­schmack, aber auch völ­lig ohne bit­ter­stof­fe — al­ler­dings auch ohne cre­ma. zu mei­nem ge­burts­tag be­kam ich von der bei­fah­re­rin und dem kind eine elek­tri­sche kaf­fee­müh­le und ein kilo fai­re bio-kaf­fee­boh­nen aus gua­te­ma­la ge­schenkt. wenn ich die­se boh­nen ganz fein mah­le, bil­de ich mir ein, dass der kaf­fee aus der aero­press eine leich­te ka­kao-note be­kommt. er ist wei­ter­hin stark und nicht bit­ter und ohne das ty­pi­sche es­pres­so-röst­aro­ma. aber köst­lich. die zu­be­rei­tung ist et­was kom­ple­xer als mit der nes­pres­so-ma­schi­ne, aber ich trin­ke ihn ähn­lich: eine tas­se, die mit ⅔ milch ge­füllt ist, er­wär­me ich 30 se­kun­den in der mi­kro­wel­le und kip­pe dann die hälf­te des kaf­fee­ex­trakts, dass aus zwei­ein­halb gros­sen kaf­fee­löf­feln kaf­fee­pul­ver und ca. 100 mil­li­li­ter was­ser be­steht, dazu.

bei der aero­press kann man an vie­len va­ria­blen dre­hen: der was­ser­tem­pe­ra­tur, dem mahl­grad, der län­ge des rühr­vor­gangs, des press­vor­gangs und der kaf­fee­sor­te. auf die­se va­ria­blen habe ich mit be­dacht jah­re­lang dan­kend ver­zich­tet und ehr­lich­ge­sagt ist das der ent­schei­den­de punkt bei nes­pres­so: der kaf­fee ist nah­zu im­mer gleich­blei­bend gut (für man­che auch gleich­blei­bend schlecht). die ein­zi­ge va­ria­ble die man ver­stel­len kann ist die art der kap­sel. da das was aus der aero­press her­aus­kommt bis­her auch mit ver­schie­de­nen va­ria­blen köst­lich war, freue ich mich dar­auf wie­der an den stell­schrau­ben dre­hen zu kön­nen oder ver­schie­de­ne re­zep­te aus­zu­pro­bie­ren. da­von scheints reich­lich zu ge­ben.


[Wer­bung]

Ich habe auf Ebay eine Kol­lek­ti­on an­ge­legt, in der ich die Ma­schi­nen und Zu­ta­ten, mit de­nen ich in den letz­ten paar Jah­ren Zu­hau­se und im Büro Kaf­fee ge­macht habe, auf­lis­te. Mehr oder we­ni­ger al­les in die­ser Kol­lek­ti­on be­sit­ze oder nut­ze ich und kann ich aus vol­lem Her­zen emp­feh­len.

[Für die Er­stel­lung und Be­wer­bung von ein paar Ebay-Kol­lek­tio­nen habe ich ein (pau­schal) Ho­no­rar be­kom­men. Et­was mehr zu den Ebay-Kol­lek­tio­nen habe ich hier ge­schrie­ben.]


faire nutzung

felix schwenzel

die schwei­zer zei­tung der bund, schreibt in ei­nem info-kas­ten zu die­sem ar­ti­kel un­ter an­de­rem:

Aufgrund der unklaren Rechtslage ist es in der Medienbranche jedoch Standard, dass Fotografen für ihre Bilder entschädigt werden, unabhängig davon, ob ein urheberrechtlich geschütztes Werk vorliegt oder nicht.

von der über­schrift des ar­ti­kels, „SVP kämpft mit ge­stoh­le­nem Bild ge­gen Chao­ten“, könn­te man auch dar­auf schlies­sen, dass ein teil der re­dak­ti­on des bun­des der mei­nung ist, dass die un­li­zen­sier­te nut­zung ei­nes bil­des dieb­stahl ist. ich sehe das aus ver­schie­de­nen grün­den an­ders und hal­te be­grif­fe wie dieb­stahl oder ei­gen­tum im zu­sam­men­hang mit im­ma­te­ri­el­len gü­tern für kampf­be­grif­fe (mehr dazu wei­ter un­ten).

trotz­dem fin­de ich, soll­te man sich an sei­nen ei­ge­nen wor­ten mes­sen las­sen.

die­se mes­sung fiel beim bund sehr ent­täu­schend aus.

vor vier wo­chen ent­deck­te die bei­fah­rein auf ei­ner sei­te des bund ein foto das sie vor 5 jah­ren auf­ge­nom­men und ver­öf­fent­licht hat­te. das foto war we­der mit ei­nem hin­weis auf die ur­he­be­rin, noch mit ei­nem link auf die quel­le ver­öf­fent­lich wor­den. aus­ser­dem wur­de in das bild noch das logo des fuss­ball­blogs der zei­tung mon­tiert.

weil ich neu­gie­rig war, wie der bund die­se bild­nut­zung mit den stan­dards der me­di­en­bran­che, von de­nen er sei­ne re­dak­teu­re schwa­dro­nie­ren lässt, in ein­klang brin­gen möch­te, schrieb ich ei­nen mit­tel­freund­li­chen brief:

Von: felix schwenzel
Gesendet: Montag, 17. Februar 2014 23:08
An: Redaktion
Cc: Katia Kelm
Betreff: ungefragte bildnutzung und gratismenatlität beim „zum runden leder“

hallo,

auf einem ihrer blogs nutzen sie ein bild meiner frau katia kelm zur illustration eines ihrer beiträge http://blog.derbund.ch/zumrundenleder/blog/2011/10/03/bedenkliche-blogger/
http://katiakelm.de/blog/2009/06/14/arbeitsplatzinferno/

das bild wurde beim „zumrundenleder“ ungefragt, ohne quellenhinweis und ohne link zur quelle seit 2011 genutzt. zudem wurde das logo des fussballblogs hineinegphotoshopped. irritierenderweise steht unter dem artikel vollmundig: „© Tamedia AG 2010 Alle Rechte vorbehalten“

ich wollte mal fragen ob das in ihrem haus üblich ist, fotos aus dem internet einfach zu nutzen, ohne den urheber davon in kenntnis zu setzen und das eigene copyright drunter zu flanschen oder ob sie sich an die standards der medienbranche halten, von denen sie in einem ihrer artikel schwadronieren:

http://www.derbund.ch/bern/nachrichten/SVP-kaempft-mit-gestohlenem-Bild-gegen-Chaoten/story/24431630

Aufgrund der unklaren Rechtslage ist es in der Medienbranche jedoch Standard, dass Fotografen für ihre Bilder entschädigt werden, unabhängig davon, ob ein urheberrechtlich geschütztes Werk vorliegt oder nicht.

im impressum der seite seite meiner frau stehen die nutzungsbedingungen eigentlich unmissverständlich:

http://katiakelm.de/impressum/

Die Fotos sind von verschiedenen Leuten gemacht worden. Von wem steht in den jeweiligen Einträgen. Für die meisten bin ich Inhaberin des Urheberrechts, für diese gilt: bei Namensnennung und Verlinkung meiner Seite dürfen sie die Bilder gerne kopieren und verbreiten. Es darf sich dabei allerdings nicht um einen kommerziellen Zweck handeln und die Bilder dürfen nicht verändert werden.
Bilder deren Urheberrecht ich nicht habe sind im Text gekennzeichnet. Die dürfen sie nicht kopieren.

soweit ich erkennen kann, verfolgt ihr verlag durchaus kommerzielle ziele, sie verstossen also eindeutig gegen die eigentlich recht liberalen nutzungsbedingungen die meine frau für ihre bilder vergibt.

wir würden uns sehr darüber freuen, wenn sie uns die frage beantworten würden, ob sie sich an die standards der medienbranche halten wollen, oder ausnahmen davon machen, wenn keine gegenwehr zu erwarten ist.

ich bin kein freund davon, die unberechtigte nutzung von urheberrechtlich geschützten werken als „diebstahl“ zu bezeichnen, aber witzigerweise sehen sie oder teile ihrer redaktion das offenbar anders, wie sie hier nachlesen können:
http://www.derbund.ch/bern/nachrichten/SVP-kaempft-mit-gestohlenem-Bild-gegen-Chaoten/story/24431630

gruss, felix schwenzel und katia kelm

in­ter­es­sant fand ich, dass in der ant­wort, die ei­nen tag spä­ter an­kam, nicht mit ei­nem wort auf das voll­mun­di­ge ver­spre­chen ein­ge­gan­gen wur­de, dass fo­to­gra­fen von ver­la­gen die sich an me­di­en­stan­dards hal­ten stets „für ihre Bil­der ent­schä­digt“ wür­den:

Sehr geehrter Herr Schwenzel,

Besten Dank für Ihr Mail. Ich möchte mich bei Ihnen und bei Ihrer Frau für die Urheberrechtsverletzung entschuldigen, die so natürlich nie hätte stattfinden dürfen. Dieses Vorgehen ist in unserem Medienhaus selbstverständlich nicht üblich, und ich werde alles veranlassen, damit dies auch in unseren Blogs, die zum grossen Teil auf freiwilliger Basis geschrieben werden, so gehandhabt wird.

Gerne werde ich die Löschung des Beitragbildes veranlassen, und möchte mich noch einmal nachdrücklich bei Ihnen entschuldigen.

auch heu­te, knapp vier wo­chen nach der an­kün­di­gung al­les mög­li­che zu ver­an­las­sen, ist das bild noch on­line. mir und der bei­fah­re­rin ist das ei­gent­lich ziem­lich egal, aber es zeigt doch ziem­lich deut­lich, was man von den äus­se­run­gen, be­teue­run­gen und he­ren grund­sät­zen von re­dak­tio­nen, re­dak­teu­ren und ver­la­gen hal­ten kann: zum gros­sen teil sind das lee­re, be­deu­tungs­lo­se wort­hül­sen, die kläg­lich am all­tag schei­tern.


es ist na­tür­lich kom­pli­ziert. im in­ter­net kann ei­nen nicht nur die nicht li­zen­sier­te bild­nut­zung, son­dern theo­re­tisch auch schon das ein­bet­ten von you­tube-vi­de­os, tweets oder an­de­ren in­hal­ten in ur­he­ber­rechts­fal­len tap­pen las­sen. das pos­ten von links auf face­book führt fast im­mer dazu, dass sich face­book ein vor­schau­bild von der ver­link­ten sei­te holt und mal klein, mal grös­ser auf der ei­ge­nen face­book­sei­te an­zeigt. selbst ein so ele­men­ta­rer be­stand­teil des di­gi­ta­len le­bens wie das ver­lin­ken von web­sei­ten, liegt in ei­nem für lai­en völ­lig un­durch­schau­ba­ren rechts­ge­strüpp. noch kom­pli­zier­ter wirds wenn man die­se vor­schau­bil­der selbst, von apps oder an­de­ren web­diens­ten aus­wer­ten lässt. nur ein bei­spiel: die ak­tu­el­le top­mel­dung auf spie­gel.de zeigt ein bild der DPA. die­ses bild wird im quell­text der sei­te auch als open graph bild an­ge­bo­ten:

da­mit bie­tet spie­gel.de das bild der DPA ex­pli­zit für die ver­wen­dung in so­zia­len netz­wer­ken an. diens­te wie twit­ter, pi­ne­rest, goog­le-plus und ei­ni­ge an­de­re wer­ten die­se in­for­ma­ti­on teil­wei­se eben­falls aus und nut­zen die­se vor­schau­bil­der. die rechts­la­ge da­für ist völ­lig un­ge­klärt, wie man auch beim bei­spiel spie­gel sieht. ei­ner­seits sagt spie­gel on­line „nehmt die­ses vor­schau­bild!“, an­de­rer­seits sagt spie­gel on­line klipp und klar:

SPIEGEL ONLINE arbeitet mit den allgemeinen Bildagenturen zusammen und kauft Bilder nur für das eigene Angebot. Die Rechte der Fotos bleiben bei den Bildagenturen und können nicht an Dritte übertragen werden. Bitte wenden Sie sich an die entsprechende Presse- oder Bildagentur, die unten rechts in der Ecke des Fotos genannt wird.

das in­ter­net ist ein ur­he­ber­recht­li­ches mi­nen­feld. mein per­sön­li­cher weg da­durch ist zu­min­dest zu ver­su­chen fair zu sein. schon klar, das ist ein sehr dehn­ba­rer be­griff. ei­ner­seits kann je­der mei­ne bil­der und tex­te nut­zen und än­dern, auch kom­mer­zi­ell, wenn er mei­nen na­men nennt und das neue werk un­ter der glei­chen li­zenz ver­öf­fent­licht (li­zenz ist im fuss der sei­te ver­linkt). an­de­rer­seits ver­su­che ich bei nut­zung frem­der wer­ke bild­quel­len im­mer zu nen­nen und, wo nö­tig, die li­zenz an­zu­ge­ben. bei ur­he­bern (fo­to­gra­fen, zeich­nern) ver­su­che ich mög­lichst im­mer di­rekt nach­zu­fra­gen ob ich das bild nut­zen darf (bis­her ist die­se fra­ge nie mit nein be­ant­wor­tet wor­den). wenn ich mir un­klar über die li­zenz oder den ur­he­ber bin, ver­su­che ich ei­nen teaser zu bau­en, der nicht das gan­ze bild zeigt und aufs ori­gi­nal ver­weist.

aber so­gar selbst fo­to­gra­fier­te bil­der ber­gen ur­he­ber­recht­li­che pro­ble­me: ein foto kann kunst ent­hal­ten, für de­ren ab­bil­dung man der vg bild-kunst ge­büh­ren zah­len müss­te. per­so­nen ab­zu­bil­den birgt noch mehr po­ten­zi­el­le pro­ble­me.

ja, es ist kom­pli­ziert, aber ich glau­be (ich wie­der­ho­le mich, ich weiss) ent­schei­dend ist im­mer ab­zu­wä­gen und zu ver­su­chen sich fair zu ver­hal­ten. wie heisst fair ei­gent­lich auf schwei­ze­risch?


[nach­trag 17.03.2014, 15:50 h]
die drei sei­ten mit dem blog­bei­trag (eins, zwei, drei) mit dem ent­spre­chen­den bild sind jetzt ge­löscht, bzw. 404. vom ver­lag oder dem ent­schul­di­gungs­re­dak­teur ha­ben wir bis jetzt nichts neu­es ge­hört.


[Werbung] Ebay-Kollektionen

felix schwenzel

Ebay hat vor ein paar Ta­gen in Deutsch­land mit ei­ni­gem Pres­se­rum­mel be­nut­zer­ge­ne­rier­te Kol­lek­tio­nen vor­ge­stellt. Wie Ebay sich das die­ses Kol­lek­tio­nen­dings ge­nau vor­stellt, sieht man auf der Landing­pa­ge die Ebay da­für ge­baut hat. Auch die re­gu­lä­re Ebay-Start­sei­te wur­de um­ge­krem­pelt und sieht jetzt, zu­min­dest bei mir, aus wie ein mit Zet­teln voll­ge­kleb­ter Kühl­schrank.

Auf Ebay kann sich jetzt je­der sol­che Kol­lek­tio­nen aus Ebay-Ar­ti­keln zu­sam­men­kli­cken; Samm­lun­gen mit Ar­ti­keln die man an­de­ren emp­feh­len möch­te oder, wie Mo­de­blog­ger das ger­ne tun, Ar­ti­kel die farb­lich gut zu­sam­men pas­sen.

Zum Start der Kol­lek­tio­nen hat Ebay ei­nen Hau­fen „Ex­per­ten und Trend­set­ter“ [sic] ein­ge­la­den um die ers­ten paar hun­dert Kol­lek­tio­nen zu­sam­men­zu­stel­len. Ei­ner da­von bin ich. Weil Ebay mir für die Er­stel­lung von ein paar Kol­lek­tio­nen und da­für, dass ix die­ses Kol­lek­tio­nen­dings hier und an­ders­wo spo­ra­disch er­wäh­ne, ein Ho­no­rar ge­zahlt hat, steht über die­sem Ar­ti­kel fol­ge­rich­tig „Wer­bung“. Aus­ser­dem schrei­be ich zur ein­deu­ti­gen Kenn­zeich­nung mal mit Groß­buch­sta­ben.

Ebay hat mich in mei­ner Spe­zi­al­dis­zi­plin „Life­style“ ein­sor­tiert, zu­sam­men mit an­de­ren Wer­be­fach­leu­ten wie Spree­blick, Nerd­core, Herms­farm oder Herrn Win­kel.

Ich habe kei­ne Ah­nung nach wel­chen Al­go­rith­mus Ebay die Kol­lek­ti­ons­start­sei­te sor­tiert. An­geb­lich funk­tio­niert das nach Ak­tua­li­tät und Be­liebt­heit. Der­zeit taucht erst an hun­dert­acht­zehn­ter Stel­le eine Kol­lek­ti­on von mir auf (die­se Toi­let­ten­schil­der­samm­lung). Kei­ne Ah­nung ob das funk­tio­niert, aber was René Wal­ter kann, kann ich schon lan­ge: hier­mit rufe ich ein­fach mal dazu auf, die­se bei­den, bis­her un­ter­be­auf­merks­am­ten Kol­lek­tio­nen von mir zu kli­cken und zu fol­gen:


markus pöhler

felix schwenzel

mar­kus, oder den pöh­ler, wie ihn alle nann­ten, habe ich zu­letzt auf ne­les be­er­di­gung ge­se­hen. das ist jetzt un­ge­fähr zwan­zig jah­re her. seit­dem habe ich ihn nicht mehr ge­se­hen und auch nichts von ihm ge­hört. im au­gust des letz­ten jah­res ist mar­kus ge­stor­ben, sei­ne to­des­an­zei­ge und eine „ge­denk­sei­te“ habe ich heu­te per goog­le ge­fun­den.


mar­kus war vor 30 jah­ren mein bes­ter freund. als ich ihn ken­nen­lern­te war ich 14 oder 15. wir ha­ben zu­sam­men das ge­tan, was 15 jäh­ri­ge in den 80ern eben so mach­ten: ge­raucht, ge­trun­ken, ge­kifft, mu­sik ge­hört, com­pu­ter­spie­le ge­spielt, mi­cha­el gross mit­ten in der nacht beim schwim­men in los an­ge­les zu­ge­guckt (bei ei­nem der ren­nen schlug mar­kus vor auf­re­gung eine schei­be ein). ich glau­be wir ha­ben aus­ser der olym­pia­de in LA nie ge­mein­sam fern­se­hen ge­guckt, da­für sind wir aber mal mit 15 ge­mein­sam ins por­no­ki­no ge­gan­gen. als es noch kein in­ter­net gab, muss­te man für so nen scheiss noch män­tel mit ho­hen kra­gen an­zie­hen und in die in­nen­stadt fah­ren. an den wo­chen­en­den sind wir in di­ver­se aa­che­ner clubs ge­gan­gen, die man da­mals noch dis­ko­the­ken oder knei­pen nann­te. er­schüt­tern­der­wei­se sind mir aus­ser dem me­tro­pol in der blon­del­stras­se alle na­men von die­sen da­mals bei­na­he ma­gi­schen or­ten ent­fal­len. wir fühl­ten uns da­mals ziem­lich er­wach­sen — und dach­ten auch dass wir so aus­se­hen. welch ein irr­tum.

nele, pöhler, ix

wir ha­ben in der zeit auch ziem­lich oft mäd­chen auf­ge­sucht und un­ter an­de­rem auch an­ge­fan­gen stark par­fü­mier­te tees zu trin­ken. und das nicht nur ge­mein­sam mit den mäd­chen die wir auf­such­ten. bei mo­ni­ka sind wir mal abends über den gar­ten in die ers­te eta­ge in ihr zim­mer ge­klet­tert. mög­li­cher­wei­se zum tee­trin­ken. beim ein­stei­gen ins fens­ter schlug mein fuss ge­gen die ja­lou­sie des wohn­zim­mers, in dem mo­ni­kas el­tern ge­ra­de fern­se­hen guck­ten. wir wa­ren even­tu­ell schon ein biss­chen an­ge­trun­ken, weil wir vor­her auf dem spiel­platz 40pro­zen­ti­gen rum ge­trun­ken hat­ten. wir dach­ten da­mals, dass das ge­gen die bit­te­re käl­te hel­fen wür­de. bei mo­ni­ka hör­ten wir, glau­be ich, wham! auf ei­nem plat­ten­spie­ler mit tan­ge­ti­al­arm (!), ein teil mit fern­be­die­nung, mit dem man lie­der über­sprin­gen konn­te. ei­gen­ar­tig was man sich so al­les merkt und was man ver­gisst. mo­ni­kas el­tern ha­ben üb­ri­gens nicht be­merkt, dass mo­ni­ka her­ren­be­such hat­te und beim aus­stei­gen wa­ren wir of­fen­bar vor­sich­ti­ger.

nie ver­ges­sen wer­de ich den abend an dem ich mar­kus be­such­te und gleich bei ihm im zim­mer ver­schwand, ohne sei­nen el­tern, die zwei zim­mer wei­ter fern sa­hen, hal­lo zu sa­gen. bei uns gab es sonn­tags fast im­mer lamm­bra­ten mit knob­lauch­sos­se (viel jo­gurt, ein biss­chen ma­yo­nai­se, ket­chup, salz, zu­cker und sehr, sehr viel ge­quetsch­ter knob­lauch). nach 20 mi­nu­ten rie­fen mar­kus el­tern laut aus dem wohn­zim­mer rü­ber: „mar­kus? ist fe­lix da? es riecht nach knob­lauch!“


im som­mer 1984 oder 85 sind wir zu­sam­men mit dirk mit der mit­fahr­zen­tra­le nach la­ca­n­au oce­an in frank­reich ge­fah­ren. eine er­fah­rung die wir dort mach­ten hat sich mir sehr ein­ge­prägt: den bil­li­gen land­wein (zwei li­ter fla­sche) aus dem cam­ping­platz-la­den konn­te man mit 10 wür­feln zu­cker ei­ni­ger­mas­sen ge­niess­bar ma­chen. ich glau­be wir wa­ren 2 oder drei wo­chen dort, eine zeit in der un­se­re el­tern nicht wuss­ten ob es uns gut geht — un­ter an­de­rem, weil wir gar nicht auf die idee ka­men, zu­hau­se an­zu­ru­fen. als die fe­ri­en sich dem ende zu­neig­ten, ka­men wir al­ler­dings auf die idee, un­se­re mit­fahr­ge­le­gen­heit an­zu­ru­fen, die ver­spro­chen hat­te uns auch wie­der mit­zu­neh­men. der mann war al­ler­dings nicht zu er­rei­chen. wir fuh­ren mit un­se­rem letz­ten geld mit dem zug zu­rück nach aa­chen. das geld war dann am kai­ser­platz alle, so dass wir uns we­gen mei­ner schwarz­fahr­pho­bie ent­schlos­sen vom kai­ser­platz nach kor­neli­müns­ter zu lau­fen oder zu tram­pen.

was mich im nach­in­ein wun­dert ist, dass wir es über den ur­laub hin­weg ge­schafft ha­ben so mit dem geld zu haus­hal­ten, dass wir es tat­säch­lich zu­rück­ge­schafft ha­ben und dass un­se­re el­tern nicht vor angst um uns wahn­sin­nig ge­wor­den sind (oder wenn sie es wa­ren, es sich nicht ha­ben an­mer­ken las­sen).


der tod schien uns da­mals sehr zu fas­zi­nie­ren. so­wohl tags­über, als auch abends tra­fen wir uns oft auf dem fried­hof an der berg­kir­che in kor­neli­müns­ter. oft auch mit nele. ir­gend­wann hat­ten wir uns vor­ge­nom­men auf dem fried­hof mal zu über­nach­ten, eine mut­pro­be, die wir dann doch nie um­ge­setzt ha­ben. bei ne­les trau­er­fei­er, die in der berg­kir­che statt­fand, frag­te ich mar­kus, ob er sich er­in­nern wür­de, wie wir da­mals oft mit nele auf der freid­hofs­mau­er ge­ses­sen hät­ten. mar­kus ant­wor­te­te da­mals ja, wenn ich mir die­se fra­ge heu­te selbst stel­le, fällt mir auf, dass ich mich nur noch dar­an er­in­ne­re dass wir oft dort sas­sen (und wahr­schein­lich wie die schlo­te rauch­ten), aber nicht an kon­kre­te si­tua­tio­nen mit den bei­den dort am fried­hof. das ein­zi­ge bild das mir ins ge­däch­nis kommt ist, wie ich dort al­lei­ne in der son­ne sit­ze, auf den vom son­nen­licht ge­wärm­ten al­ten, flech­ten­über­sää­ten stei­nen, und von oben auf kor­neli­müns­ter bli­cke.


mar­kus und ich ha­ben uns nie ge­strit­ten, aber dann doch ir­gend­wann aus­ein­an­der­ge­lebt. vor al­lem geo­gra­phisch, als ich 1986 für ein jahr in die USA ging und da­nach nicht nach aa­chen zu­rück­kehr­te, son­dern nach heins­berg zog. aus­ser von ein biss­chen hö­ren­sa­gen, weiss ich nicht was für ein le­ben mar­kus seit dem führ­te und wes­halb er ge­stor­ben ist. auf sei­ner ge­denk­sei­te er­kennt man aber, dass er of­fen­bar ein kind und eine frau hat­te. mir tut das sehr leid und ich bin si­cher, dass er ein sehr gu­ter va­ter und mann war.


lieblos gegen amazon

felix schwenzel

nach et­was über zwei jah­ren, ist der bum­per mei­nes ipho­ne 4s ka­putt ge­gan­gen. mein ipho­ne ohne bum­per fühl­te sich zwar wie ein neu­es te­le­fon an, aber ohne bum­per kam es mir ex­trem fra­gil und ver­letz­lich vor. ich trau­te mich kaum es auf der stras­se zu be­nut­zen, aus furcht es kön­ne zer­schel­len, fie­le es mir aus der hand. das te­le­fon ist mir zwar noch nie hin­ge­fal­len, aber ohne bum­per mach­te mich un­ge­pols­ter­ter bo­den un­ter mei­nen füs­sen ner­vös.

die ap­ple ori­gi­nal-bum­per kos­ten 29 euro. ein stol­zer preis für ei­nen ar­ti­kel der in der her­stel­lung wahr­schein­liuch we­ni­ge cent kos­tet. ei­gent­lich eine un­ver­schämt­heit. trotz­dem, im­mer­hin hat­te das ding fast 30 mo­na­te ge­hal­ten, ent­schied ich mich ei­nen neu­en zu kau­fen. wie­der von ap­ple. letz­te wo­che bin ich in den cy­ber­port store in der fried­rich­stras­se ge­gan­gen um viel­leicht doch noch al­ter­na­ti­ven aus­zu­pro­bie­ren.

weil der la­den erst um 10 uhr auf­macht und ich et­was frü­her da war, konn­te ich mir noch das schau­fens­ter ein biss­chen an­se­hen. er­staun­li­che sa­chen ver­kauft man dort; ei­nen dru­cker mit in­te­grier­tem 27 zoll mo­ni­tor?

in­ter­es­sant. als der la­den dann end­lich um zehn nach zehn öff­ne­te, war ich ein we­nig ent­täuscht. auch die ipho­ne-hül­len-aus­wahl war ein biss­chen lieb­los. es gab nicht ein ein­zi­ges co­ver ohne ver­pa­ckung, dass man hät­te an­fas­sen kön­nen. und auch die aus­wahl war enorm klein. für das ipho­ne 4 gab es ge­ra­de mal 5 oder sechs mo­del­le zur aus­wahl, für das 5er ein biss­chen mehr.

aber das bes­te: für die ori­gi­nal ap­ple bum­per woll­te cy­ber­port noch­mal 5 euro mehr als app­les 29 euro. das war dann selbst mir zu­viel.

bei ama­zon fand ich dann spä­ter eine rie­si­ge aus­wahl, recht aus­sa­ge­kräf­ti­ge kun­den­be­wer­tun­gen, bes­se­re und mehr fo­tos als im cy­ber­s­to­re auf den ver­pa­ckun­gen und vor al­lem bes­se­re prei­se. am ende ent­schied ich mich für ein set mit 6 bum­pern für 10 euro, die de­nen von ap­ple nach­ge­bil­det wa­ren und ganz OK be­wer­tet wa­ren. zwei tage spä­ter wa­ren sie im brief­kas­ten. die din­ger sit­zen gut, nur der ein/aus-knopf ist et­was klem­mig zu be­die­nen.

theo­re­tisch habe ich jetzt 194 euro ge­spart. und prak­tisch habe ich er­fah­ren, war­um der sta­tio­nä­re han­del in deutsch­land vor die hun­de ge­hen wird.


ignoring lewitscharoff

felix schwenzel

von den of­fen­sicht­lich von ideo­lo­gie, aber­glau­ben und tie­fen men­schen­hass ge­trie­be­nen äus­se­run­gen von si­byl­le le­witschar­off habe ich zu­erst bei ste­fan nig­ge­mei­er ge­le­sen. da­nach ha­ben vie­le klu­ge men­schen et­was dazu ge­schrie­ben, ge­org diez, jo lend­le, mal­te wel­ding, so­pran oder jour­nel­le, um nur ein paar zu nen­nen.

der chef­dra­ma­turg des schau­spiel­hau­ses dres­den, ro­bert ko­all, des­sen text ste­fan nig­ge­mei­er ver­öf­fent­lich­te sag­te in sei­nem of­fe­nen brief an si­byl­le le­witschar­off un­ter an­de­rem, dass die rede le­witschar­offs ge­fähr­lich sei:

Man könnte aber auch sagen, dass man es leid ist, dass immer wieder so getan wird, als würden Worte nichts bedeuten. Es gibt einen Punkt, der die Dresdner Rede vom 2. März gefährlich macht. Das ist das Tendenziöse, die Stimmungsmache, das tropfenweise verabreichte Gift.

ich fand den of­fe­nen brief von ro­bert ko­all wun­der­bar, dif­fe­ren­ziert und auf den punkt. trotz­dem fra­ge ich mich, ob es stimmt, dass sol­che re­den „ge­fähr­lich“ sind. zu­min­dest hat die re­ak­ti­on auf die rede von si­byl­le le­witschar­off nicht we­ni­ge bril­li­an­te, per­sön­li­che oder über­zeu­gen­de tex­te her­vor­ge­bracht, die sonst viel­leicht nicht das licht der welt er­blickt hät­ten.

mir, und wahr­schein­lich vie­len an­de­ren, war nicht klar, dass es noch men­schen mit ei­nem IQ von über 40 gibt, die sol­chem men­schen­feind­li­chen und ideo­lo­gi­schem aber­glau­ben re­li­giö­ser fun­da­men­ta­lis­ten aus den ver­gan­ge­nen jahr­hun­der­ten auch heut­zu­ta­ge noch an­hän­gen. mir war nicht klar, dass man auch heut­zu­ta­ge noch für die un­an­tast­bar­keit der men­schen­wür­de und das recht auf selbst­be­stim­mung ar­gu­men­tie­ren muss.

viel­leicht soll­ten wir si­byl­le le­witschar­off des­halb auch ein biss­chen dank­bar sein, dass sie uns dar­an er­in­nert hat, dass frei­heit, selbst­be­stim­mung und men­schen­freund­lich­keit kei­ne selbst­ver­ständ­lich­kei­ten sind, son­dern je­den tag neu ver­tei­digt wer­den müs­sen. nicht si­byl­le le­witschar­offs hass­re­de ist ge­fähr­lich, son­dern un­se­re träg­heit, un­ser un­wil­len für un­se­re (und an­de­rer) frei­heit und selbst­be­stim­mung ein­zu­tre­ten und zu strei­ten.

re­den wie die von si­byl­le le­witschar­off sind mög­li­cher­wei­se nicht die ur­sa­che für ein von man­chen wet­ter­füh­li­gen men­schen ge­fühl­tes re­ak­tio­nä­res kli­ma, son­dern nur ein sym­tom. die ur­sa­che ist un­se­re be­quem­lich­keit.

oder um ein bild zu be­nut­zen, wir soll­ten uns nicht über die sar­ra­zins, le­witschar­offs oder ma­tus­seks be­kla­gen, die mit bren­nen­den streich­höl­zern durch den wald lau­fen, son­dern im­mer da­für sor­gen, dass der wald nicht aus­dörrt, son­dern spriesst, grünt und vor le­ben dampft. die streich­holz­trä­ger su­chen sich na­tür­lich im­mer die aus­ge­dörr­ten stel­len, weil das feu­er dort schnel­ler zu ent­fa­chen ist. aber das soll­te um so mehr ein grund sein, uns be­son­ders um die aus­ge­dorr­ten stel­len zu küm­mern.


ich las­se mich von arsch­lö­chern nicht be­lei­di­gen. das habe ich mir zu­min­dest vor­ge­nom­men — und meis­tens klappt das auch. war­um soll­te ich bei leu­ten de­ren an­sich­ten ich nicht tei­le, ge­ra­de die an­sicht die sie mir ge­gen­über äus­sern ak­zep­tie­ren? das sagt sich na­tür­lich leicht, vor al­lem wenn leu­te von po­di­en an­de­re leu­te als ei­nen selbst krän­ken oder de­mü­ti­gen. aber auch hier ist es wich­tig, sich nicht auf die tä­ter, also auf die arsch­lö­cher, zu kon­zen­trie­ren und sie mit auf­merk­sam­keit zu adeln, son­dern auf die op­fer. den op­fern soll­te man auf­merk­sam­keit wid­men, ih­nen so­li­da­ri­tät und sym­pa­thie zu­kom­men zu las­sen und sie ent­schlos­sen ver­tei­di­gen. (ver­ba­le) an­grif­fe auf die tä­ter hel­fen nicht den op­fern, son­dern den tä­tern, die sich dann selbst als op­fer dar­stel­len kön­nen.


wenn man ge­gen künst­li­che be­fruch­tung oder ge­gen ona­nie ist, ist man dann ei­gent­lich auch ge­gen pflas­ter oder blind­darm-ope­ra­tio­nen? ist es nach den ge­set­zen der kle­ri­ker nicht auch ein ein­griff in din­ge die nur gott ent­schei­den soll, wenn man sich dem schick­sal ent­ge­gen­stellt und eine fleisch­wun­de des­in­in­fi­ziert, näht und ver­bin­det — wo­mög­lich auch noch mit den ei­ge­nen hän­den? wo ist da der un­ter­schied zur ona­nie?

wo fängt die „selbst­er­mäch­ti­gung“ an, die le­witschar­off im faz in­ter­view als ka­ta­stro­pha­le ent­wick­lung an­pran­gert? beim zahn­ersatz? beim by­pass? bei der krebs­the­ra­pie? oder bei der in­se­mi­na­ti­on? beim hör­ge­rät, der bril­le oder beim kon­dom? ist hor­mon­the­ra­pie ge­gen os­teo­po­ro­se oder wech­sel­jahr­be­schwer­den ok, ge­gen un­ge­woll­te schwan­ger­schaf­ten aber nicht?

ich ver­steh die­se ideo­lo­gien wahr­schein­lich ein­fach nicht.

(bild von fer­di­nand pi­lo­ty, bild­quel­le)


[nach­trag 09.03.2014]
ant­je schrupp dif­fe­ren­ziert sehr schön (und im ge­gen­teil zu mir ohne pa­thos):

Sibylle Lewitscharoff hat also Recht, wenn sie eine „Selbstermächtigung der Frauen“ diagnostiziert. Aber diese Selbstermächtigung bezieht sich nicht darauf, einem technologischen Machbarkeitswahn zu frönen und dabei die Bedingtheit und Begrenztheit der Welt zu missachten (wie Lewitscharoff es ihnen vorwirft). Um es in Lewitscharoffs religiösem Bezugsrahmen auszudrücken, den sie ja ausdrücklich zu ihrer Rechtfertigung ins Feld führt: Frauen setzten sich mit ihrer Selbstermächtigung keineswegs selbst an die Stelle Gottes, sie lassen bloß nicht mehr zu, dass Männer sich (ihnen und ihren Kindern gegenüber) an die Stelle Gottes setzen.


reclaim social media — FAQ

felix schwenzel

ges­tern schrieb ich ein paar zei­len über die ent­ste­hung von re­cla­im so­cial me­dia und das ak­tu­el­le test-re­lease auf git­hub. auch wenn es ei­gent­lich noch nicht all­zu vie­le fre­quent­ly as­ked ques­ti­on gibt, be­ant­wor­te ich im fol­gen­den mal ein paar fra­gen die mög­li­cher­wei­se dem­nächst öf­ter ge­stellt wer­den könn­ten.

was ist reclaim social media?

kurz ge­sagt kann man da­mit sei­ne ei­ge­nen in­hal­te, die man auf so­cial-me­dia- oder an­de­ren web­sei­ten hin­ter­las­sen hat, in ein selbst­ge­hos­te­tes word­press-blog zie­hen. man kann sich da­mit also sei­ne ei­ge­nen da­ten in eine da­ten­bank zie­hen, die man selbst kon­trol­liert. pro­fa­ner for­mu­liert nennt man das ko­pie­ren, auf deng­lisch re­clai­men.

das ist alles?

im prin­zip ja. re­cla­im ist eine ein­bahn­stras­se: aus dem silo raus, auf die ei­ge­ne web­site. fer­tig.
in­die­web-an­sät­ze wie POS­SE mit dem man ei­ge­ne in­hal­te auf der ei­ge­nen sei­te pos­tet und in die si­los rein­agg­re­giert fin­de ich fas­zi­nie­rend, sind aber nicht das was re­cla­im kann oder kön­nen soll. ich den­ke, vie­le in­hal­te sind in den si­los von face­book oder twit­ter oder in­sta­gram oder flickr gut auf­ge­ho­ben und ent­wi­ckeln dort mit­un­ter auch ein in­ter­es­san­tes ei­gen­le­ben und ei­ge­ne dy­na­mik. das ist ja auch der grund, war­um es sie gibt und das was sie gut kön­nen: das er­stel­len und ver­tei­len von in­hal­ten ein­fach und ef­fek­tiv ma­chen.

was mich im­mer ge­stört hat ist, dass es mit­un­ter schwer ist die in­hal­te dort hin­aus zu ho­len, und sei es nur als über­schrift mit link aufs ori­gi­nal im silo. so wie ich das seit vie­len jah­ren auf mei­ner rück­sei­te ma­che.

wo ich mir noch nicht ganz si­cher bin: soll re­cla­im auch die kom­men­ta­re un­ter ei­ge­nen in­hal­ten ko­pie­ren? für twit­ter und face­book funk­tio­niert das an­satz­wei­se, wenn der so­cial plug­in von alex king in­stal­liert und kon­fi­gu­riert ist. re­cla­im gau­ckelt so­cial dann vor, dass (bei­spiels­wei­se) die von re­cla­im ko­pier­ten face­book-ar­ti­kel von so­cial zu face­book ge­pusht sei­en und syn­chro­niert so die kom­men­ta­re un­ter dem ar­ti­kel. so sieht das dann aus.

von wo kann ich denn jetzt inhalte „reclaimen“?

der­zeit gibt es mo­du­le für

  • bookmarks (pinboard, delicious, import per RSS)
  • facebook (alle status-mitteilungen und shares, import per API)
  • flickr (kopiert alle bilder per API auf den eigenen server, inklusive den meisten metadaten)
  • foursquare (kopiert checkins per API, inklusive geodaten und eventuell vorhandenem checkin-bild)
  • github (zeigt die eigenen commits)
  • goodreads (importiert alle bücher auf der gelesen-liste, derzeit nur per RSS)
  • google plus (alle status-mitteilungen und shares, import per API)
  • instagram (kopiert alle bilder per API auf den eigenen server, inklusive den meisten metadaten, optional auch favoriten)
  • moves (zieht per API die aktivitäten des letzten tages und baut eine zusammenfassung mit visualisierung)
  • twitter (kopiert alle eigenen tweets per API, optional auch favs, derzeit keine retweets)
  • vine (kopiert alle eigenen vines, bzw. deren embed code, inklusive revines; wirklich kopiert wird nur das video-titelbild)
  • youtube (wie bei vine wird hier nicht die eigentliche filmdatei kopiert, sondern nur der embedcode und das video-titelbild.optional auch die favoriten)

ge­plant habe ich auch ein ge­ne­ri­sches RSS mo­dul, mit dem man dann zum bei­spiel ei­ge­ne blog­ar­ti­kel ko­pie­ren kann, wie gast­ar­ti­kel auf frem­den blogs, die ei­nen au­toren-RSS-feed an­bie­ten. das könn­te man jetzt schon mit ei­nem wei­te­ren plug­in ma­chen, mit feed­word­press, aber der ist fast noch kom­pli­zier­ter als re­cla­im zu kon­fi­gu­rie­ren. aus­ser­dem möch­te ich bald ein tumb­lr-mo­dul, ein vi­meo-mo­dul, ein twit­lon­ger-mo­dul, ein ei­ge­nes pin­board-mo­dul das die API statt den RSS-feed ab­fragt und even­tu­ell ein qu­o­ra- und ein yelp-mo­dul bau­en.

yelp? die yelp-API bietet so eine möglichkeit doch gar nicht

ja, hab ich auch ge­le­sen. aus ge­nau die­sem grund fin­de ich die idee von re­cla­im so span­nend. da ist ein dienst, der da­von lebt, dass be­nut­zer ihn mit er­fah­run­gen, be­wer­tun­gen, kri­ti­ken, fo­tos fül­len und was gibt der dienst sei­nen be­nut­zern an die hand um ihre ei­ge­nen da­ten an­ders­wo zu be­nut­zen?

ei­nen mi­k­ri­gen RSS-feed mit den letz­ten 10 yelp-emp­feh­lun­gen, ohne bil­der und mit ge­kürz­tem text. yelp ist ein ego­is­ti­sches da­ten­si­lo par ex­cel­lence. re­cla­im soll ge­nau für sol­che welt­ab­ge­wand­ten diens­te werk­zeu­ge an­bie­ten. ein yelp-mo­dul wür­de ich wie folgt bau­en:

  • RSS-feed einlesen
  • titel, link, geokoordinaten und erstellungsdatum speichern
  • IDs der empfehlungen extrahieren und per simple_html_dom den volltext (und wenn möglich auch die eigenen bilder) von der yelp-seite scrapen
  • artikel bauen

hört sich kompliziert an. apropos kompliziert. warum muss ich für für so viele module API-schlüssel beantragen und eintragen bevor ich reclaim die daten kopieren lassen kann?

tech­nisch wäre es kein pro­blem ei­nen zen­tra­le au­then­ti­fi­zie­rungs­ser­ver, bei­spiels­wei­se auf re­cla­im.fm auf­zu­set­zen, der als app-pro­xy funk­tio­niert. dann wäre die au­then­ti­fi­zie­rung eine sa­che von ei­nem oder zwei klicks. so wie man das von vie­len web­sei­ten kennt (an­mel­den mit twit­ter, an­mel­den mit face­book, klick, klick). nur wäre es ei­ner­seits für die dienst­an­bie­ter wie twit­ter und face­book ein ein­fa­ches so eine zen­tra­le app, bzw. de­ren schlüs­sel zu sper­ren, wenn es ih­nen nicht passt, was wir da­mit ma­chen. an­de­rer­seits be­stün­de die (theo­re­ti­sche) mög­lich­keit, an die­sem pro­xy be­nut­zer­da­ten, bzw. die zu­gangs­schlüs­sel zu spei­chern oder ab­zu­grei­fen.

ich fin­de den de­zen­tra­len an­satz kon­zep­tio­nell bes­ser. je­der be­trei­ber ei­nes re­cla­im blogs mel­det eine ei­ge­ne app bei den je­wei­li­gen si­los an und re­gelt die an­mel­dung ohne ei­nen drit­ten mit dem dienst­an­bie­ter selbst. wenn bei­spiels­wei­se twit­ter fün­de, dass die­ses re­cla­im ge­gen de­ren nut­zungs­be­din­gun­gen ver­stös­se, müs­sen sie sich mit je­dem ein­zel­nen be­nut­zer der sei­ne ei­ge­nen da­ten ko­pie­ren möch­te aus­ein­an­der­set­zen. ei­ge­ne app- und ent­wick­ler-schlüs­sel zu be­an­tra­gen ist zu­erst ein biss­chen müh­sam, aber so be­hält man al­les in der ei­ge­nen, de­zen­tra­len hand. und: an die­se API-schlüs­sel zu kom­men ist meis­tens nicht be­son­ders schwer und (ei­ni­ger­mas­sen) gut do­ku­men­tiert und goo­g­le­bar.

kann ich den reclaim-plugin einfach in meinem bestehenden wordpress-blog installieren?

im jetz­ti­gen test-sta­di­um wür­de ich das nicht emp­feh­len. aber auch wenn wir ei­nen sta­bi­len stand er­reicht ha­ben, fin­de ich eine mi­schung aus nor­ma­len in­hal­ten und ko­pier­ten, re­claim­ten in­hal­ten nicht op­ti­mal. man könn­te zwar auf word­press­ba­sis gut fil­ter im­ple­men­tie­ren und so die in­hal­te tren­nen, ich fin­de aber, dass es aus meh­re­ren grün­den sinn macht, die ko­pier­ten, agg­re­gier­ten da­ten se­pa­rat zu hal­ten:

  • aus der eigenen reclaim-instanz lassen sich die daten leicht reaggregieren, auf RSS-basis, per json, in widget-form, etc. die möglichkeiten von wordpress sind hier ziemlich gross.
  • noch gibt es kein auf reclaim abgestimmtes wordpress theme, aber ich denke die darstellung der kopierten inhalte muss nicht unbedingt den blog-gewohnheiten folgen. ich denke eine angemessene darstellungsform ist die von saschas reclaim-prototypen. reclaim blogs können, müssen aber nicht wie normale wordpress-blogs aussehen.

wann ist reclaim denn fertig?

pfft. ich kann mir vor­stel­len auf ers­tes rich­ti­ges re­lease mit dem der­zei­ti­gen fea­ture-stand hin­zu­ar­bei­ten. ein wei­te­rer gros­ser mei­len­stein wäre das gan­ze mul­ti­user- und mul­ti-ac­count fä­hig zu ma­chen. also so, dass man bei­spiels­wei­se mehr als ein twit­ter-kon­to ein­le­sen kann oder eben meh­re­re be­nut­zer ihre ein­stel­lun­gen se­pa­rat ver­wal­ten kön­nen. ein noch grös­se­rer schritt wäre die um­set­zung ei­ner ver­net­zungs­funk­ti­on. also dass man an­de­re re­cla­im-blogs abon­nie­ren kann und de­ren in­hal­te fri­end­feed- oder face­book-mäs­sig in sei­nem ei­ge­nen re­cla­im-blog an sich vor­bei­rau­schen las­sen könn­te. pro­to­ty­pisch ist das be­reits hier um­ge­setzt.

wei­te­re fra­gen be­ant­wor­te ich ger­ne, auch wenn sie nicht oft, son­dern nur ein­mal ge­stellt wer­den.


reclaim social media — testversion 4

felix schwenzel

vor ein paar mo­na­ten (so um die 9) sind sa­scha lobo und ich am kuh­damm zu be­such bei der di­gi­ta­len hei­mat ge­we­sen. vor der re­pu­bli­ca letz­ten jah­res habe ich mit sacha lobo ein paar php-scrip­te und pro­xy-scrip­te zu­sam­men­ge­stöp­selt, mit de­nen man sei­ne in­hal­te von face­book, twit­ter, you­tube und ein paar an­de­ren diens­ten in ein word­press-blog zie­hen konn­te. wir er­zähl­ten chris­ti­an fen­ner und re­mi­gi illi von un­ser idee, weil sie in­ter­es­se und et­was zeit und et­was mehr word­press-know-how hat­ten als ich.

zwei mo­na­te spä­ter hat­te remi eine frü­he al­pha ei­nes word­press-plug­in fer­tig, der in etwa das glei­che tat wie mei­ne pro­xy-scrip­te. der plug­in war mo­du­lar auf­ge­baut, mit mo­du­len für face­book, goog­le-plus, twit­ter und you­tube. aus ver­schie­de­nen grün­den, die auch mit man­gen­der zeit und kön­nen zu tun hat­ten, dau­er­te es noch­mal ein paar mo­na­te bis ich es end­lich schaff­te, die vor­ar­beit von re­mi­gi illi auf git­hub zu stel­len.

ein biss­chen half da­bei, dass mein ar­beit­ge­ber es­pres­to, bzw. mei­ne chefs und ein paar ent­wick­ler auch in­ter­es­se an re­cla­im so­cial me­dia hat­ten und mir er­laub­ten, auch wäh­rend mei­ner ar­beits­zeit an dem pro­jekt zu ar­bei­ten.

vor ver­si­ons­kon­troll­sys­te­men stand ich im­mer ein biss­chen wie der ochs vorm ber­ge. ich glau­be ei­ner der grün­de war, dass mir das vor­stel­lungs­ver­mö­gen fehl­te die­se sys­te­me zu ver­ste­hen, die ja fast im­mer über die kom­man­do­zei­le be­dient wer­den. git­hub und vor al­lem der idio­ten­si­che­re os x cli­ent ha­ben es mir aber re­la­tiv leicht ge­macht das nicht nur zu ver­ste­hen, son­dern auch in­ten­siv zu nut­zen. ei­gent­lich ist das nicht viel kom­pli­zier­ter als FTP, was ich über die kom­man­do­zei­le al­ler­dings auch nicht nut­zen kann — mir fehlt da­für ein­fach das abs­trak­ti­ons­ver­mö­gen.

zu­sam­men mit mei­nem kol­le­gen sa­scha kranz habe ich mich dann an die ar­beit ge­macht. ein biss­chen ge­plant, ein biss­chen do­ku­men­tiert und ein biss­chen den code auf­ge­räumt und er­wei­tert und an­ge­passt. es ist re­la­tiv fas­zi­nie­rend zu se­hen, was pas­siert, wenn man halb­öf­fent­lich zu meh­re­ren an ei­ner ge­mein­sa­men code­ba­sis ar­beit. es spornt an und in­spi­riert. ich wur­de fast ein biss­chen ma­nisch. das fas­zi­nie­ren­de am pro­gram­mie­ren ist ja, dass man ver­sucht pro­ble­me zu lö­sen, eins nach dem an­de­ren — und dann oft auch tat­säch­lich löst. lei­der bin ich re­la­tiv schlecht dar­in, pro­ble­me lie­gen zu las­sen — zu­min­dest pro­ble­me die mich in­ter­es­sie­ren. pro­ble­me wie ma­tus­sek oder sar­ra­zin kann ich re­la­tiv gut igno­rie­ren. pro­ble­me wie oAuth-au­then­ti­fi­zie­rung oder mul­ti­di­men­sio­na­le ar­rays, kann ich aber sehr schwer igno­rie­ren, un­ter an­de­rem weil de­ren lö­sung (und ver­ständ­nis) tü­ren öff­net. tü­ren zu bei­na­he un­end­li­chen mög­lich­kei­ten — und wei­te­ren pro­ble­men.

ir­gend­wann im de­zem­ber frag­te so­gar die bei­fah­re­rin, wann ich denn wie­der auf­hö­ren wür­de zu pro­gram­mie­ren und zu ei­nen nor­ma­len schlaf- und all­tags­rhyt­mus zu­rück­keh­ren wür­de. tat­säch­lich war ge­nau das auch ei­ner der grün­de, war­um ich die kon­kre­te ar­beit an dem pro­jekt im letz­ten jahr ein biss­chen vor mir her­ge­scho­ben habe; weil ich wuss­te, dass es mich schlaf und frei­zeit kos­ten wür­de und vor al­lem, mich vor fas­zi­nie­ren­de pro­ble­me stel­len wür­de, von de­nen ich so­gar träu­men soll­te.

mit­te ja­nu­ar ka­men plötz­lich, aus hei­te­rem him­mel, pull re­quests, also neu­er code von chris­ti­an muehl­haeu­ser (chris.de) in das pro­jekt. um das noch­mal zu wie­der­hol­den: ich fin­de das wirk­lich be­ein­dru­ckend, dass man an ei­nem pro­jekt halb­öf­fent­lich ar­bei­tet und plötz­lich ma­chen ei­nem vor­her un­be­kann­te leu­te ein­fach mit. chris­ti­an muehl­haeu­sers in­put hat sehr ge­hol­fen, das pro­jekt vor­an­zu­brin­gen. er hat die idee vor­an­ge­trie­ben, dass die ein­zel­nen klas­sen nicht nur die letz­ten 20 oder 50 oder 100 ein­trä­ge per API ab­ho­len, son­dern die gan­ze time­line, bei­spiels­wei­se von twit­ter. er hat den code auf­ge­räumt und zu­sam­men mit sa­scha kranz die klas­sen in­stan­zi­iert — et­was von dem ich mir noch im­mer nicht si­cher bin wie man es schreibt, aber im­mer­hin an­satz­wei­se er­ken­ne wie nütz­lich es sein kann.

ein pro­blem ha­ben wir al­ler­dings noch ge­habt, denn ein paar tau­send tweets oder face­book ein­trä­ge ab­zu­ho­len, zu be­ar­bei­ten und in word­press zu spei­chern dau­ert ein paar mi­nu­ten. und nach ein paar mi­nu­ten, meis­tens we­ni­ger, be­en­den null­acht­fünf­zehn ser­ver die man als nor­ma­ler blog­ger so zum blog­gen mie­tet, die im­port­scrip­te. man müss­te ei­nen weg fin­den, den im­port ir­gend­wie auf­zu­tei­len um den ser­ver zu scho­nen.

aus dem blau­en lös­te ein wei­te­rer frem­der die­ses pro­blem: cars­ten senf (csenf.de). sei­ne lö­sung fand ich zu­erst to­tal un­wahr­schein­lich: ajax. der im­port wird ein­fach vom brow­ser ge­steu­ert, lässt sich un­ter­bre­chen und wie­der­ho­len. das funk­tio­niert so gut, dass ich seit kur­zem ein gros­ser ajax-fan bin.

aus dem blau­en kam auch da­ni­el nix (nxd4n.nixe­kin­der.be). er hat vie­le blö­de feh­ler ge­fun­den, gute fra­gen ge­stellt und den plug­in auf fran­zö­sisch über­setzt.


ich schrei­be das al­les auf, weil ich heu­te ei­nen zwi­schen­stand vom pro­jekt ver­öf­fent­lich habe, von dem ich glau­be, dass es frust­stra­ti­ons­to­le­ran­te und word­press­af­fi­ne in­ter­es­sier­te tes­ten könn­ten. das kann man zwar je­der­zeit, der code ist ja of­fen (und GPL li­zen­siert), aber wenn man noch nie et­was vom com­po­ser ge­hört hat (wie ich noch vor ein mo­na­ten), ist die in­stal­la­ti­on nicht ganz tri­vi­al. mit dem re­lease ist das ein­fa­cher: run­ter­la­den, aus­pa­cken, den ord­ner in wp-con­tent/plug­ins wer­fen, ak­ti­vie­ren, kon­fi­gu­rie­ren, fer­tig.

es gibt noch vie­le of­fe­ne punk­te, aber die­se re­cla­im-ver­si­on soll­te be­reits ganz gut funk­tio­nie­ren. vie­le der of­fe­nen punk­te sind in form von is­sues im git­hub-pro­jekt an­ge­legt. wer sich am pro­jekt be­tei­li­gen will, soll­te sich auf der git­hub-pro­jekt­sei­te zu­recht­fin­den. wer den plug­in tes­ten möch­te, soll­te das auf ei­ner fri­schen word­press-in­stal­la­ti­on tun — zu­min­dest nicht auf ei­ner in­stal­la­ti­on, auf der wich­ti­ge da­ten lie­gen.

ich und die an­de­ren am pro­jekt be­tei­lig­ten freu­en uns sehr über feed­back oder hil­fe. in den nächs­ten ta­gen schrei­be ich et­was mehr über den plug­in selbst, was er kann, was er (noch) nicht kann und wie er funk­tio­niert und funk­tio­nie­ren soll. mei­ne test­in­stal­la­ti­on läuft auf wir­res.net/re­cla­im.