kategorie: artikel ×
was sagt mark beneke da bei roche und böhmermann?
also ich bilde mir ja ein, dass mark beneke in der sendung von heute zu charlotte roche „fotze“ sagte. einfach so.
ich habe die sendung gerne geguckt, bin mir aber noch nicht sicher wen ich in dieser sendung besonders doof fand. ich tendiere ausnahmsweise mal dazu diesmal niemanden auszunehmen.
roche und böhmermann vom 9.9.2012 in der 2DF-mediathek.
michael spreng möchte google für etwas bestraft sehen, das er selbst mitverursacht
Und es wäre ein – hoffentlich – abschreckendes Beispiel, wenn neben den Verursachern auch Google zu einem hohen Schadensersatz verurteilt werden würde.
mit „verursachern“ meint michael spreng menschen, die gerüchte in den umlauf gebracht haben, dass bettina wulff eine rotlichtvergangenheit hätte. warum google zu einem hohen schadensersatz verurteilt werden soll ist nicht ganz klar. michael spreng meint, weil eine google suchanfrage nach „bettina wullf“ oder den den drei buchstaben „bet“ bestimmte suchvorschläge macht:

das problem dabei ist, das google genau das gleiche wie michael spreng macht. google zeigt an, dass viele seiten im internet die worte „bettina wulff“ und „prostituierte“ oder „escort“ benutzen. michael spreng macht exakt das gleiche, er schreibt, dass viele seiten im internet diese worte im zusammenhang benutzen (und nennt das, anders als google, „Verleumdungen und üblen Nachreden“). sucht man auf michael sprengs webseite nach den worten „Bettina Wulff Prostituierte“ zeigt google an, dass michael spreng laut google in drei verschiedenen artikeln (und derzeit auf der startseite von sprengsatz.de) die worte „Bettina Wulff“ und „Prostituierte“ benutzt hat.

nach michael sprengs meinung müsste google für ein solches verhalten bestraft werden. nach den gesetzen der logik müsste aber auch michael spreng dafür bestraft werden. michael spreng sagt:
Und williger Helfer ist immmer die Suchmaschine Google, die – völlig neutral natürlich – jedem Verleumder die Plattform verbreitert und die Verleumdung ins Unendliche potenziert.
nun ist michael spreng aber eben einer der „willigen helfer“, der den google-algorithmus davon überzeugt, dass die wortkombination „Bettina Wulff Prostituierte“ derzeit relevant ist. wie hunderte anderer journalisten und blogger: denn der suchwort-vorschlag „Bettina Wulff Prostituierte“ gewinnt derzeit an relevanz, weil leute journalisten wie michael spreng (und ix) in ihrer berichterstattung über bettina wulffs vorgehen gegen google und günter jauch dieser wortkombination relevanz geben.
hinzu kommt, warum möchte michael spreng nur google bestraft sehen? warum nicht auch microsofts suchmaschine bing oder yahoo, die exakt das gleiche machen?


der begriff der neutralität scheint für viele journalisten, verleger und politiker unverständlich zu sein. sie möchten dinge in der öffentlichkeit sagen, regen sich aber furchtbar darüber auf, wenn diese aussagen über suchmaschinen, aggregatoren oder hyperlinks auffindbar und auswertbar gemacht werden. aber vielleicht ist es gar nicht der begriff „neutralität“, mit dem menschen wie michel spreng probleme haben, sondern der begriff der öffentlichkeit.
nur damit keine missverständnisse entstehen. ich kann es gut verstehen und nachvollziehen, gegen die urheber von haltlosen gerüchten vorzugehen. aber gegen die berichterstattung über dieses vorgehen oder die auffindbarkeit dieser berichterstattung vorzugehen geht zwei bis drei schritte zu weit.
für die suchwortkombination „bettina wulff katzenpisse“ findet google übrigens neun resultate. eins davon wurde aus „rechtsgründen“ entfernt.

[nachtrag 09.09.2012, 8:36 uhr]
das mit der neutralität und der autovervollständigenfunktion nimmt google wohl doch nicht so ernst (wie ich anfangs annahm). marcus schwarze macht darauf aufmerksam, dass google für begriffe rund um die menschliche sexualität kaum vervollständigungsvorschläge macht. google selbst sagt dazu:
Warum werden für ein bestimmtes Thema keine Vervollständigungen angezeigt? […] 3. Der Suchbegriff verstößt gegen die Richtlinien der automatischen Vervollständigung. Wir möchten Ihnen möglichst relevante Suchanfragen anbieten, schließen jedoch Begriffe aus, die in engem Zusammenhang mit Pornografie, Gewalt, Hassreden und Urheberrechtsverletzungen stehen.
das hört sich keinesfalls neutral an, sondern danach, als griffe google ohnehin nach gutdünken und eigenem ermessen in den algorithmus ein. je länger ich drüber nachdenke, desto unverständlicher finde ich, dass google hier den prinzipienreiter macht. genauso wie google in deutschland gelegentlich suchergebnisse entfernt, wenn ein anwalt darauf besteht, könnte google doch auch begriffe für die autovervollständigenfunktion auf eine schwarze liste setzen.
in das gleiche horn stösst auf blog.beck.de auch henning ernst müller:
Wenn sich also die Google-Anwälte darauf berufen, das Autocomplete gebe eben nur die häufige Suche nach bestimmten Wortkombinationen objektiv wieder, dann argumentieren sie glatt an der Wahrheit vorbei. Redaktionelle Eingriffe finden statt, Google nimmt Einfluss.
[dank an detlef guertler]
unten, unter „trackbacks“, habe ich links auf seiten gesammelt die sich mit dem thema wulff vs. google beschäftigen.
so erklärt google die autovervollständigenfunktion:
Während Ihrer Eingabe werden mithilfe des Google-Algorithmus basierend auf den Suchaktivitäten anderer Nutzer und auf Inhalten der von Google indexierten Webseiten Suchanfragen vervollständigt und angezeigt. Wenn Sie in Ihrem Google-Konto angemeldet sind und das Webprotokoll aktiviert haben, können Sie auch Suchanfragen von relevanten Suchen sehen, die Sie in der Vergangenheit durchgeführt haben. Darüber hinaus können auch Google+ Profile in der automatischen Vervollständigung erscheinen, wenn Sie nach dem Namen einer Person suchen. Mit Ausnahme der möglicherweise vorgeschlagenen Google+ Profile wurden alle vervollständigten Suchanfragen in der Dropdown-Liste zuvor von Google-Nutzern eingegeben oder erscheinen im Web.
[nachtrag 09.09.2012, 11:33 uhr]
nur mal so zur klarstellung: ich habe michael spreng, wie ich finde zu recht, für sein mangelndes differenzieren angegriffen und dabei selbst ein bisschen zu wenig differenziert. auch weil ich die löchrige, leicht verlogene argumentation von google noch nicht ge- und erkannt hatte. bettina wulffs klageschrift kenne ich nach wie vor nicht, aber wenn es so ist, dass sie tatsächlich lediglich gegen die vorschlagsfunktion von google (und nicht die suchergebnisse) im zusammenhang mit ihrem namen vorgeht, kann ich dafür verständnis aufbringen. für michael sprengs undifferenzierte google-rage kann ich nach wie vor kein verständnis aufbringen.
[nachtrag 12.09.2012]
das hatte ich übersehen, dass ich ein s zuviel in der überschrift hatte. jetzt nicht mehr.
von null auf hundert
USA schüleraustausch, woche 4
seit das kind in amerika ist, sind die beifahrerin und ich zu frühaufstehern geworden um zu sehen ob das kind etwas neues auf facebook gepostet hat. das kind postet tatsächlich relativ oft auf facebook, fasst sich allerdings extrem kurz: ein bild und ein kurzes, maximal zwei worte langes statement. aber es erlaubt uns einen kleinen einblick in das leben des kindes — vor allem die verschiedenen arten von junk food die es konsumiert.

das kind neigt eben eher zur postkarten-kommunikation. immerhin zwei längere emails hat es schon geschrieben, wir wissen jetzt das es ihm gut geht und das es mit dem football-training begonnen hat. das training wird mit dem schönen euphemismus „daily doubles“ beschrieben, was bedeutet zweimal täglich zwei stunden zu trainieren. der trockene kommentar des kindes: das sei sehr anstrengend.
das football-training habe ich damals verpasst. mein schuljahr in amerika fing zwei wochen verspätet an und ich hatte verpasst mich bereits in den schulferien darum zu kümmern. so kam ich erst 5 wochen nach traingsbeginn dazu den leitenden trainer zu fragen, ob ich mitmachen könne. da war es bereits ein bisschen zu spät. ich entschied mich nach einer probetrainingssession in der an einer tafel strategie besprochen wurde und ich weniger als bahnhof verstand, das mit dem football zu lassen.
klarer punktvorteil beim kind: er es in die football-mannschaft geschafft.
der sport wird an amerikanischen schulen sehr ernst genommen. es gibt zwar auch regulären sportuntericht, die musik spielt aber in den sport-teams ausserhalb des unterichts. das training ist hart, wer sich nicht dem regiment des trainers unterwirft fliegt raus. dafür wird man belohnt mit anerkennung und teamgeist. und zumindest bei den populären sportarten wird man bei wettkämpfen von cheerleadern und meistens der gesamten schule angefeuert.
ich war in meinem USA-schuljahr nur ringer (habe ich vor sieben jahren mal aufgeschrieben) und habe nicht einmal einen cheerleader bei unseren wettkämpfen gesehen. dass nur wenige mitschüler bei unseren kämpfen anwesend waren war mir auch recht, nicht zuletzt wegen der albernen lätzchen die man als ringer tragen muss. aufs mannschaftsfotos im yearbook habe ich es aus unerfindlichen gründen nicht geschafft.
ich war kein besonders guter ringer, nach einem in 12 sekunden gewonnen kampf habe ich nur noch verloren, fand mich aber im teamgeist unserer mannschaft bestens aufgehoben. ich hoffe das kind empfindet das ähnlich. erfolg oder gewinnen ist toll, aber auch das verlieren und scheitern ist teil des ganzen.
so wie im amerikanischen schulsport bin ich nie wieder an meine körperlichen grenzen herangeführt worden. beim leichtathletik-team, in das mich coach hanby nach der ring-saison einlud, kam ich dann aber doch an grenzen die ich nicht überschreiten wollte. offenbar hatte ich mein lauftraining ein bisschen übertrieben und bekam starke schmerzen in den schienenbeinen. der trainer meinte das sei normal und dass es dagegen pillen gäbe. die waren wahrscheinlich harmlos, ich hatte aber keine liust für den sport pillen zu schlucken und verliess die leichtathletik-mannschaft.
ich schreibe das eigentlich auch nur auf und lasse meine erinnerungen um dieses sportthema kreisen, weil mir bei all diesen details wieder auffällt, wie wichtig für mich damals in amerika eine entscheidende kleinigkeit war: in all meinen entscheidungen war ich autonom. natürlich gab es hier oder da druck, erwartungsdruck von den lehrern, den trainern oder mitschülern. aber der druck aus der heimat reichte nicht mehr aus um mich in meiner autonomie oder detailentscheidungen entscheidend zu beeinflussen. das erwartungskorsett aus der heimat wurde durch ein viel bequemeres, weniger regides, brandneues amerikanisches erwartungskorsett ersetzt.
das ringen habe ich trotz schmerzen, schweiss und blut durchgezogen, weil ich spass daran hatte und das training erstaunliche dinge mit meinem körper anstellte. die leichtathletik habe ich aufgegeben weil die nachteile aus meiner sicht die vorteile überwogen. meine entscheidungen, meine konsequenzen — in dieser deutlichkeit das erste mal in meinem leben.
vielleicht bilde ich mir das alles auch nur ein und die erklärung für meine gefühlte autonomie lässt sich dadurch begründen, dass die amerikaner einfach effektivere und komlexere motivationsmechanismen haben. unterm strich glaube ich aber, dass ich das was ich heute an ehrgeiz habe in amerika während meines highschoolaufenthaltes entwickelt habe.
daran, dass ich aus amerika ziemlich viele briefe schrob kann ich mich gut erinnern. dass mein briefeschreiben auch zwanghafte komponenten hatte, fiel mir erst in den letzten wochen auf, auch weil jetzt viele der ollen diskussionen wieder aufbranden, ob das internet dumm oder abhängig mache, ob es die menschen in scheinwelten oder oder vereinsamung treibe. vor allem aber die sorge der beifahrerin, das kind könne zu viel auf facebook rumdaddeln und desahlb zuwenig mit dem kopf in den USA sein, rief mir in erinnerung, wie obsessiv ich damals briefe schrob. ich schrob an meine eltern, meine grosseltern, meine freunde in deutschland, meine freundin nele die auch in den USA war. tagebuch schrob ich — glaube ich — auch. ich schrieb ständig, zuhause, auf kleinen fahrradtouren, in cafés, auf parkbänken. ich hatte grosses interesse daran meine befindlichkeiten aufzuschreiben, aber auch mich in einem guten licht darzustellen. wenn ich die briefe von damals lese, kommen sie mir oft unangenehm prahlerisch vor.
wichtig scheint mir aber in der rückschau, dass ich beim schreiben meine situation reflektierte, dass ich also, obwohl ich mit dem geiste bei meinen deutschen verwandten und freunden war, vor allem das von mir erlebte verarbeitete.
ansätze von einsamkeit, das gefühl des alleinseins kann man auf viele arten versuchen zu zerstreuen. ich entscheid mich wohl, auch aus mangel an alternativen, für das schreiben (und fernsehen, zeitschriften, eine gelegentliche ausgabe des spiegels, der sich damals dick wie ein buch anfühlte). facebook kann alles zusammen sein, fernsehen, ein internationales kiosk, briefkasten, eine art telefon oder tagebuch.
ich mag den gedanken, dass sich auch mit der vernetzten welt ausser ein paar parametern wie geschwindigkeit, zugänglichkeit und wahlmöglichkeiten, nichts entscheidendes an unserer grundsituation geändert hat. wir waren schon immer soziale wesen. heute sind wir soziale wesen auf speed und mit ungleich mehr optionen als früher. aber das bedürfnis, sich mit gleichgesinnten zusammenzuschliessen, auszutauschen und zu kommunizieren ist nicht neu.
letzte woche hat das kind offenbar seinen stundenplan bekommen. das beste: er ist senior, er geht also nach der abgeschlossenen neunten klasse in deutschland, in den USA in die 12te klasse. so kann er am wichtigsten event des schuljahres teilnehmen, der graduation-feier. neben irgendwas mit angewandtem computer-irgendwas hat das kind jeden tag us-amerikanische geschichte, calculus, amerikanische literatur und eine doppelstunde forstwirtschaft. forstwirtschaft! wie abgefahren ist das denn bitte?
mein stundenplan war damals ähnlich. ich hatte auch mathematik, us-amerikanische geschichte. als englischkurs habe ich mich damals für speech and debate entschieden, ein fach das alle vier austauschschüler der schule gewählt hatten und eigenartigerweise auch die klassenbesten waren. darüber habe ich auch schonmal geschrieben, vor zwei jahren. ausser, dass ich noch einen kurs psychologie (in dem ich einen für meine damaligen verhältnisse aufwändig recherchierten und wie ich immer noch finde, erstklassigen 20-seitigen aufsatz schrieb) und eine stunde illustration belegt hatte, erinnere ich mich an keine anderen kurse. eigenartig.
1984 apple store
beim betrachten dieses bildes (aus diesem artikel) fiel mir ein, ich könnte ja nochmal den macintosh-werbespot von 1984 ansehen. das hier war mir bisher gar nicht aufgefallen:

dOCUMENTA (13), tag 2
zwei tage regen waren angesagt, aber am ersten tag regnete es überhaupt nicht und am zweiten nur gegen 16 oder 17 uhr mal kurz. um das fridericianum herum türmten sich zwar die wolken auf, aber passiert ist das bis auf zwei kleine schauer nix.

ich fuhr mit mit festen willen nach kassel, die diesjährige documenta doof zu finden. nach dem was ich vom balkenhol-theater mitbekommen hatte, erwartete ich einiges an langweiligem „theoretische Treiben“ (niklas maak), eine ähnlich verkopfte documenta wie unter catherine david. meine vorstellung von einer optimalen documenta war immer noch geprägt von der bunten wusel-documenta IX von jan hout. die hatte damals kunst so präsentiert wie ich es am liebsten habe, lebendig, mit einer schamlosen portion kommerz, überbordend und unprätentiös bis zum anschlag.
aber diese documenta hat mich dann doch positiv überrascht. aus zwei gründen: wegen der karlsaue und wie die ausstellung wild in der stadt wucherte. bisher haben zwar alle documentas die ich mir ansah etwas in der karlsaue veranstaltet, meistens aber indem dort grössere temporäre und zentrale ausstellungsstrukturen aufgebaut wurden. dieses jahr wurden in der gesamten karlsaue 50 oder 60 künstler verteilt. manche künstler brachten ihre arbeiten in grossen, manche in kleinen holzhütten unter, manche arbeiten waren unter freiem himmel, manche begnügten sich mit dem pflanzen eines apfelbaumes.

die hauptveranstaltungsorte wie das fridericianum oder die neue galerie waren für meinen geschmack zu überlaufen oder zu kleinteilig, zu eng aufgebaut. in manchen räume gab es einlassbeschränkungen indem man zur gleichen zeit nur eine bestimmte anzahl besucher hereinliess. das ist gut für die kunstrezeption, aber ätzend wenn man ständig in fluren oder treppenhäusern warten muss. wenn man mal an den orten in der karlsaue warten musste, fand ich das viel weniger schlimm; man wartete draussen an der frischen luft und die schlangen waren meist überschaubar.
ganz grandios fand ich viele der in der stadt verteilten orte. ganz grossartig, das kaskade-kino in dem am freitag filme mit tanzenden menschen mit down-syndrom gezeigt wurden. oder die halle an der unteren karlsstrasse, die walid raad mit grossartigen arbeiten bespielte.

oder die unauffälligen interventionen von renata lucas, die im fridericianum auf dem weg zum klo gut sichtbar versteckt waren und im untergeschoss des kaufhof auch irgendwie nicht auffielen.



von der arbeit her weniger beeindruckend, aber räumlich und (quasi) auch städtebaulich verblüffend, war der leerstehende trakt im C&A-gebäude, der von cevdet erek als raum der rhythmen gestaltet wurde. der ganze nackte beton-trakt wummerte und tschirrpte und bumste mit bässen und echos und anderen unangenehmen geräuschen. zwischendrinn ein paar mini-installationen mit gefunden objekten, linealen und schallschutzwänden — aber auch vier geöffneten türen zu zwei balkonen, die den blick freigaben auf kasseler hinterhöfe.




meines wissen völlig neu für die documenta war die nutzung es nordflügels des hauptbahnhofs. allein die räume des nordflügels fand ich bereits euphorisier- und inspirierend.

nachdem ich am zweiten tag documenta darauf konditioniert war beim betreten von verdunkelten räumen mit irgendwelchen videoinstallationen oder filmen konfrontiert zu werden, war das betreten des völlig verdunkelten nordflügels am hauptbahnhof umso beeindruckender. als sich meine augen an die dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich in einiger entfernung einen schumrig beleuchteten, riesigen erdhügel von michael portnoy. flickr-benutzer zweiengelundeinbachmann hat das ding ganz schön fotografiert. auch ganz wunderbar in die räume integriert fand ich die kiefernhölzige schneiderei von istván csákány und die beweglichen jalousien von haegue yang.


ich kann mich nur an wenige arbeiten in den eigentlichen ausstellungsgebäuden wie dem fridericianum oder der documenta-halle erinnern, die mich nachhaltig beeindruckt haben. an white-cube-ausstellungsäumen gefällt mir meisten das white-cube-konzept selbst am besten, nicht die kunst dadrin:

das konzept des im park, wald oder der stadt herumirrens und über kunst zu stolpern gefällt mir um ein vielfaches besser. zumal damit auch ein witziges wechselspiel mit den besuchern einhergeht: „ist das jetzt kunst, oder nicht?“




es gab durchaus auch beeindruckende inszenierungen in geschlossenen räumen. die arbeit von jeanno gaussi, die mit den arbeiten einiger afghanischer künstler im ehemailigen elisabeth krankenhaus untergebracht war, zeigte dass ich wahrscheinlich eher auf black-cube, als white-cube räume stehe. jeanno gaussi zeigte bilder von einem kabuler maler von schildern und werbetafeln, dem sie die dreissig familien-bilder gab die ihr blieben, nachdem sie afghanistan verliess. der auftragsmaler erzählt in videos was er aus den bildern herauslas. ich fand die bilder, die erzählungen, videos und messingtafeln unter den bildern sehr eindrucksvoll und auch ein bisschen verstörend inszeniert.

mich erinnert das documenta-konzept in der karlsaue auch an meine ersten positiven erfahrungen mit kunst überhaupt. in aachen hatten meine eltern bekannte die für die ludwig-schokoladen-fabrik arbeiteten und ein wohnhaus direkt am privatpark von peter und irene ludwig hatten. als kinder spielten wir in diesem riesigen park, in dem gelegentlich stahl oder fiberglas-plastiken rumstanden auf denen wir rumkletterten oder tobten. kunst oder künstlerische interventionen über die man im alltag stolpert finde ich um ein vielfaches spannender als kunst in überfüllten räumen. und das hat die documenta in diesem jahr meisterlich hinbekommen.
am südflügel des kasseler hauptbahnhofs, wahrscheinlich bei der einzig wirklich beeindruckenden video-installation der documenta von bani abidi, verlor die beifahrerin ihre zwei-tages-eintrittskarte. an der nachrichtenmeisterei bemerkte sie ihr maleur und nachdem wir alle ihre taschen zwei bis dreimal durchsucht hatten, folgten wir dem tipp der aufsicht beim eingang des südflügels zu fragen, ob jemand die karte gefunden hätte. tatsächlich hatte jemand die karte gefunden. als wir zurück bei der nachrichtenmeisterei waren, erzählte uns der aufseher dort, dass das päärchen, das die karte der beifahrerin gefunden hatte, nun seinerseits seine karten verloren hatte. auf dem rückweg zum südflügel fanden wir dann die karten der beiden und gaben sie bei der freudestrahlenden aufsicht am südflügel ab. ob das alles eine inszenierung oder ein zufall war, möchte ich nicht beurteilen.
sehr prominent auf dem friedrichsplatz hatte sich das occupy-camp eingenistet. auch hier wusste man nicht, ob das zeltlager nun kunst sei oder reiner protest. die übergänge waren fliessend, was mir ausserordentlich gefiel.

occupied wurde auch eine arbeit von pedro reyes. seine arbeit war ein konzeptionell etwas überfrachtetes „sanatorium“, eine „utopische »provisorische Klinik«, die typische Krankheiten von Städtern wie Stress, Einsamkeit oder Angstgefühle behandeln soll. Um das Projekt […] zu erleben, muss man sich als Patienten einweisen lassen.“ nach einem kurzen gespräch mit einem „therapeuten“ erhielte man eine diagnose und bekäme drei von sechzehn möglichen „Therapien“ verschrieben. die „Therapeuten“, offenbar schlecht oder gar nicht bezahlte studenten, hatten nach der abreise des künstlers aber wohl keine lust mehr auf die therapie und streikten kurzerhand. sie beklebten die hütte mit protestplakaten und fingen statt um 10 zu therapieren, um 12 an zu streiken indem sie reyes arbeit besetzten.


- mein erster tag auf der documenta
- richard gleim und nina lagrande scheinen auch auf der documenta gewesen zu sein.
dOCUMENTA (13), tag 1




















ein paar tausend links
domains auf die ich seit dem 21.06.2011 gelinkt habe (plätze 1 bis 20) (vor drei monaten versprochen) (es sind eigentlich 660 domains, bei ca. 480 hört die liste aber auf, hier die komplette liste):
spiegel.de: 66
zeit.de: 56
boingboing.net: 47
faz.net: 38
kottke.org: 32
stefan-niggemeier.de: 27
wired.com: 27
neunetz.com: 23
crackajack.de: 21
blogs.taz.de: 20
dasnuf.de: 20
netzpolitik.org: 20
heise.de: 19
lawblog.de: 19
techdirt.com: 19
tagesspiegel.de: 18
taz.de: 18
spreeblick.com: 17
daringfireball.net: 16
faz-community.faz.net: 16
→ weiterlesen„Oh noes!“
kooperationsanfrage
wenn ich das recht verstehe, sucht groupon blogger, die keine ahnung haben. aber vielleicht versteh ich das auch nicht. von unten nach oben lesen.

penis riot
kurzkritik „the fades“

die sechs folgen der ersten staffel the fades habe ich ziemlich schnell weggeguckt. empfohlen hatte man mir die serie als „horror“ mit fleischfressenden zombie-engeln was nur so halb stimmt. blutrünstiger oder ekliger als true-blood oder breaking bad ist die BBC-produktion jedenfalls nicht.
was mich aber positiv an breaking bad erinnerte war die detailliebe mit der die charaktere in ihrer normalität dargestellt werden. nerdige, langweilige menschen wie du und ich, in deren 08/15 leben plötzlich mord und totschlag und absurde situationen einschlagen sind im fernsehen sehr viel fesselnder als muskelgestählte und zahnkronenbewehrte hollywood schauspielmaschinen.
die handlung ist ein bisschen vorhersehbar, spielt aber tapfer gegen die genreregeln an und erschafft sich eigene handlungsspielräume, die eben nicht nach schema-f ablaufen. sehr schön wird auch einer meiner lieblingsgedanken beleuchtet, dass es sich lohnen könnte beim kampf für die die angeblich gute sache auch auf menschlichkeit und mitgefühl zu setzen — und wie scheisse es sein kann, wenn man für die gute sache kämpfend allen anstand und menschlichkeit fallen lässt.
im zuge von sparmassnahmen hat die BBC keine zweite staffel in auftrag gegeben, was am ende zu einem kleinen cliffhanger führt der unaufgelöst bleibt, was schade, aber nicht weiter schlimm ist.
die the fades DVD kann man bei amazon.co.uk ungefähr 15 euro billiger erwerben, als bei amazon.de.
wenn ix sternchen vergeben könnte würde ich 5 von 5 sternchen vergeben.
hamburg cruise days

seit gestern abend laufen am hamburger hafen die hamburg cruise days. das soll eine elegante veranstaltung sein, sagte katia derow in einem interview mit dem fernsehsender hamburg1. für die cruise days habe man all das vom kreuzfahrtschiff an land geholt was man dort erlebe: essen und trinken, kunst und kultur, entertainment, show und kinderwelt. in der praxis und vom pr-sprech befreit bedeutet das natürlich saufen, saufen, saufen, fressen und viel krach. und feuerwerk. und santiano. santiano steht nach eigener auskunft für „Songs berstend vor Lebenslust und Seemanns Gefühl, voller Träume und Sehnsucht“, für mein dafürhalten eher für schreckliche qualen. denn santiano spielt auf den hamburg cruise days jeden tag ungefähr achtmal die beiden songs ihres repertoires. sehr laut, mehr oder weniger direkt vor unserer tür. der eine song heisst „santanio“, der andere „frei wie der wind“. immer wieder.
ich bin mir relativ sicher santiano wäre auch für die folter von guantanamo-gefangenen.
als katja derow im fernsehen von themeninseln und „kunst und kultur“ sprach habe ich mal nachgesehen was das bedeutet: „themeninseln“. da gibts also das „Cruise Village“, „Spa & Sports“, eine „Wein-Lounge“, „Tüdel un Tampen“, „Käpt’n Knopfs Kinderwelt“, „Shopping an der Flutschutzmauer“, „Show auf der NDR Bühne am Hafentor“ („Hier gibt’s was auf die Ohren“), „Captain’s Dinner auf dem Landungsbrückenvorplatz“, „Fernweh am vorgelagerten Fischmarkt“ („Hier präsentieren sich verschiedene Länder und Nationen kulinarisch und künstlerisch, musikalisch und unterhaltsam“), „Globetrotter Kreuzfahrten Messe“ und dann tatsächlich: „Kunst & Kultur im Holzhafen Altona“. kunst und kultur bedeuteten für die veranstalter folgendes:
Holz – das wird auch ein Thema im Holzhafen, der Themeninsel Kunst & Kultur zwischen Fährterminal und Fischmarkt. An allen drei Tagen können Sie hier Holzkunstausstellungen und eine Installation der Hochschule für bildende Künste Hamburg erleben, hochwertiges Design und Kunsthandwerk erwerben oder das Tanzbein schwingen: Die Hamburger Tanzschulen und -clubs „Universo Tango“, „SwingSpirit“ und das „Flamenco Tanzstudio Iris Caracol“ bieten Tango, Swing und Flamenco zum Zuschauen und Mitmachen an.
Gastgeber am Holzhafen ist unser offizieller Partner für Kunst & Kultur, die B&L Gruppe – einer der renommiertesten deutschen Projektentwickler für Büro- und Shoppingimmobilien.
eine installation der kunsthochschule und kunsthandwerk und übelste lokaljournalistische phrasendrescherei („das tanzbein schwingen“ — OMG). kunst und kultur in der hand von einem der renommiertesten deutschen projektentwickler für büro und shoppingimmobilien.
das ist mal eine kulturpolitik.
oder wie der geschäftsführer der hamburg marketing gmbh das in bullshitbingo ausdrückt:
Heute Abend VIP-Empfang zu #Hamburg #Cruise #Days mit TOP-Entscheidern der #Kreuzfahrt. Standort profiliert sich mit Inszenierung von Events
about 1 hour ago via Twitter for iPhone Reply Retweet Favorite
@ThorstenKausch Thorsten Kausch
heute und morgen gibts dann wieder feuerwerk — wie übrigens am hafen alle 1-2 wochen, wenn ein schiff einfährt und der standort sich profiliert.
nachrichten sind flüsse, keine seen

ich bilde mir gerade ein, einen bauplan der zukunft des publizierens vor augen zu haben. an erster stelle steht die erkenntinis, dass das publizieren — oder genauer das lesen — sich bereits jetzt zum grossen teil in strömen, flüssen oder streams abspielt. richard macmanus schreibt:
2. The Web Is Moving From Pages to Streams
[…] Web pages and blog posts are still being published, but this new wave of tools is looking for ways to deliver content in a more flexible way.
er verweist auf anil dash, der schrob „Stop Publishing Web Pages“:
Most users on the web spend most of their time in apps. The most popular of those apps, like Facebook, Twitter, Gmail, Tumblr and others, are primarily focused on a single, simple stream that offers a river of news which users can easily scroll through, skim over, and click on to read in more depth.
Most media companies on the web spend all of their effort putting content into content management systems which publish pages. These pages work essentially the same way that pages have worked since the beginning of the web, with a single article or post living at a particular address, and then tons of navigation and cruft (and, usually, advertisements) surrounding that article.
Users have decided they want streams, but most media companies are insisting on publishing more and more pages. And the systems which publish the web are designed to keep making pages, not to make customized streams.
It's time to stop publishing web pages.
da ist was dran, ich konsumiere mein medienmenü in der tat vornehmlich in strömen: im google reader rauschen hunderte artikel aus derzeit 1069 abonnements an mir vorbei, die ich anders auch gar nicht verarbeiten könnte als in einem langen endlosen strom, dessen inhalt ich mit j/k-tastennavigation lese, oder überspringe. artikel die ich nicht gleich lesen möchte packe ich in meinen instapaper-strom, artikel die ich verarbeiten oder verlinken möchte in meinen pinboard-strom. manchmal lese ich in meinem quote.fm-strom, auf dem handy laufen meine twitter-, facebook- und google-reader-ströme in flipboard, wo ich sie ebenfalls in fliessender form konsumiere: beinahe alle inhalte die ich wahrnehme, konsumiere ich in irgendwelchen anwendungen die als unendlicher strom organisiert sind.
und ich glaube das ist die form, in der die meisten menschen online artikel oder neuigkeiten konsumieren werden — auch weil es dem althergebrachten medienkosum gar nicht so unähnlich ist; ist eine zeitschrift nicht auch ein langer fluss von artikeln, den wir am stück oder mit pausen oder mit sprüngen verarbeiten?
allerdings stimme ich anil dashs schlussfolgerung, keine webseiten mehr zu publizieren, nicht zu. was man nicht mehr tun sollte, ist webseiten zu veröffentlichen, die nicht mit modernen nachrichtenstromanwendungen kompatibel sind. und das fängt damit an, dass websites die keinen volltext-RSS-feed anbieten und damit mehr oder weniger inkompatibel zu den modernen lesegewohnheiten sind, einfach keine aufmerksamkeit mehr bekommen — oder mit gewalt in die leserströme gequetscht werden, beispielsweise mit anwendungen wie instapaper, pocket, read it later oder anderen scrapern, die die inhalte einfach von den webseiten abziehen.
so könnte man statt „It's time to stop publishing web pages“ vielleicht besser sagen „stop fighting the streams“. warum die neuen nachrichtenkonsumformen bekämpfen, wenn man sie zu seinem eignen vorteil nutzen kann?
„ja aber!“ höre ich aus den reihen der verleger und RSS-feed-kürzer rufen. ja aber was ist mit unserer werbung? wir brauchen pageviews! wir wollen dass unsere inhalte nach unseren regeln, nicht nach den benutzerwünschen konsumiert werden!
das mit den eigenen regeln sollte man auf dauer lernen zu vergessen und das mit den pageviews auch. und zur werbung: was spricht denn dagegen werbung in den inhalten einzubetten? ein bild, ein bisschen text, einen link — jeder VHS-HTML-kurs-absolvent kann das in einen RSS-artikel einbetten. wahrscheinlich sogar meine oma.
ein RSS-volltext-feed bietet bereits alle technischen möglichkeiten die für die zukunft des publizierens nötig ist. ich kenne auch jemanden der das seit jahren ziemlich erfolgreich macht: peter turi2.

seine news-häppchen kommen bei mir im RSS-strom mit eingebetteter werbung an. so ein RSS-element beinhaltet alles wichtige: den autor, das veröffentlichungsdatum, einen link zur originalquelle, das gesamte HTML des artikels — lediglich das nutzlose drumherum wie die seitennavigation, der seitenleistentand und das widget-gedöns fehlt. theoretisch könnte der artikel auch noch mit einem ivw- oder vg-wort-pixel ausgestattet werden um die page-views artikel-ansichten zu erfassen und den scheiss zu vermarkten.
meine praxis sieht seit vielen jahren so aus: ich lese auf irgendeinem gerät in irgendwelchen streams, bevorzugt und meisten google-reader-basiert, und wenn ich etwas über den kontext des artikels erfahren möchte, besuche ich die originalseite: dort finde ich kommentare, im besten falle backlinks oder reaktionen ähnlich wie bei rivva.
mir ist tatsächlich egal ob mein artikel im google reader, auf flipboard oder sonstwo gelesen wird. ich hätte auch nichts dagegen, wenn meine artikel im volltext auf facebook oder twitter oder eben da eingebettet würden, wo sie sich optimal lesen lassen und zum leser kommen, statt vom leser zu verlangen, dass er zu einem kommt. solange alle basisinformationen wie mein name, ein link zum original, das veröffentlichungsdatum bestehen bleiben und der volltext und die anhänge korrekt dargestellt werden. gut wäre auch, wenn sich änderunegn am original auch am eingebetteten text auswirken würden. mit RSS funktioniert das ja seit jahren prima. aber vielleicht kann das auch noch besser funktionieren?
dave winer geht das natürlich wieder mal aus der technischen perspektive an und plädiert für die interoperabilität von content management systemen:
Let me enter the URL of something I write in my own space, and have it appear here as a first class citizen. Indistinguishable to readers from something written here.
And of course vice versa. Let me take this piece, published here, and turn it into a URL that returns the source code for the document. No formatting. Just text with a little structure and metadata.
wenn wir alles was wir schreiben mit ein paar API-aufrufen oder einem knopfdruck oder vollautomatisch mit autodiscovery mit allen wesentlichen metadaten einbettbar machen können, würde ein traum von mir wahr. meins bleibt meins, aber es ist beweglich. technisch wäre das am ehesten mit RSS auf artikel- oder objekt-basis vergleichbar. das format, ob RSS, XML, JSON oder OPML hinter diesem mechanismus steckt, ist egal; hauptsache das protokoll ist offen und idiotensicher. soweit ich sehe, gibts im prinzip auch schon ein format dafür: oEmbed.
technisch würde ich eine lösung bevorzugen, mit der ich weiterhin auf meiner website, die ich unter kontrolle habe, schreibe aber deren inhalte beliebig in die informationsflüsse dritter einzubetten sind. so wie bisher mit RSS — und darüber hinaus. der anreiz die quelle, meine seite, zu besuchen, ist der kontext der meldung. optimalerweise ziehe ich per API die links, die erwähnungen, tweets, retweets, embeds oder diskussionen übersichtlich an einer stelle zusammen, ein kleines artikel-rivva. ansatzweise probiere ich das bereits jetzt, indem ich unter einem artikel alle tweets und blogartikel mit links auf den artikel einbette, die anzahl der likes, plusse oder quotes anzeige, ebenso, wenn vorhanden, einen link zur rivva-seite des artikels. den artikel und die optimalerweise eingebettete (und zurückhaltende) werbung gibts überall, den kontext und aggregierten reaktionen nur an der quelle.
jeff jarvis hat noch einen punkt der auch nicht unwichtig für die idee der informationsflüsse:
Creators don’t need protection from copying. That’s futile. Copying can’t be stopped. Thus copying is no longer a way to exploit the value of creation.
So what do creators need protected? What are their interests?
I’m thinking they need credit for their creations so they can build reputation or relationships they can exploit through many means: speaking for money, for example, or gaining social credit.
wir möchten, dass unsere gedanken, unsere ideen unsere worte möglichst weit getragen werden, empfohlen, kommentiert, geliked oder kritisiert werden. aber wir möchten auch, dass unsere ideen zu uns zurückverfolgbar bleiben — unseren namen und einen link auf die quelle mit sich tragen auf ihrem weg durch die welt. das ist nicht nur eine frage der technik, sondern vor allem auch eine frage des anstands, der konvention. die zuschreibung, die autorenzeile, der backlink ist neben dem applaus das brot des autoren. und das honorar? jarvis meint das ginge, wenn man sich einen ruf erschrieben hat mit veranstaltungen, direkten verkäufen (kindle single, ebooks), spenden (kickstarter, flattr) und eben eingebetteten anzeigen, die auch durchaus mit einbettbaren inhalten funktionierten (siehe turi2 oder repost.us, die genau das machen: artikel mit den refenrenzen zum original und eingelagerter werbung per nachrichtenstrom verteilen).
jarvis fasst das nochmal so zusammen:
Under creditright [as opposed to copyright], piracy is also redefined. The crime is not copying and sharing someone’s work, the crime is violating the means that creators provide — a la Creative Commons or Repost.US — for its use. This also infers that creators who do not provide those means — who do not make their content spreadable and embeddable — are just plain fools.
neu ist das alles freilich nicht. schon 2007 schrieb doc searls:
News is a river, not a lake.
artikellinks und quellen:
- scripting.com: We could make history
- dashes.com: Stop Publishing Web Pages
- readwriteweb.com: 5 Reasons Why Web Publishing is Changing (Again)
- blogs.law.harvard.edu: Future to Newspapers: Jump in the river
nachträge:
- zeit.de: Vom Rechnernetz zum EinHirn /via und von @ChristophKappes
- pandodaily.com: Ideas for How to Monetize the Future of Magazines
- hackr.de: Leftovers 2011 (Stream Edition)
das internet geht nicht mehr weg
ich mag es gerne, wenn ben_ laut über das internet nachdenkt, zumal er ja, wie ix, ein guter internetkritiker werden wollte. aus seinem text vom 6. august scheint jedoch, finde ix, mehr pessimismus als kritik durch:
Das Netz ist Geld. Mehr Geld als sich das Fernsehen auch nur erträumen konnte. Denn wir selber sind das Netz. Und nichts ist mehr Wert als die Menschen. Google, Amazon, Facebook, Ebay, Microsoft und Twitter haben uns bereits eingekapselt und verdrahtet zu ziehen einen Strom von Geld aus uns heraus. Der Rest ist die Matrix: Ein Illusion von Freiheit und ein Traum von einer digitalen ‘Revolution’, weil es sich davon so schön träumt.
er formuliert eine interessante, leicht verdrehte, interpretation meines republica-2012-vortrags:
Ich glaube langsam aber sicher wird immer deutlicher, was da eigentlich passiert und Felix hatte das auf der Republika schon mal schön gesagt: Soylent Green is People: Das Produkt sind die Kunden, die Waren. Wir sind die Rohstoffe dieser neuen Konzerne. Ich muss dabei immer öfter an das Bild aus dem ersten Teil Matrix denken, wo man die riesigen Türme sieht, in denen die Menschen gehalten werden, um aus Strom zu machen.
so habe ich das freilich nicht gemeint und auch nicht übertitelt. mein vortragsthema lautete: „soylent green, äh, the internet is people!“ ich habe diese offensichtliche selbstverständlichkeit das im positiven sinne gemeint, weil sie nämlich keinesfalls selbstverständlich ist. so schrieb robert basic kürzlich:
Es gibt nur einen Weg: Das Internet von heute muss so schnell wie nur möglich verschrottet und auf der Müllhalde der Geschichte entsorgt werden. Wir sind weder HTML-Wesen noch in Dosen gepresste, geladene Elektronenfragmente, die auf einem simplen Bildschirm wieder zusammengesetzt werden. […]
Wir können uns nicht mit dieser archaischen “Verbrennungsmaschine namens Internet, die Feuer im Hohlraum erzeugt, um ein Metallgestänge in Bewegung zu versetzen” zufrieden geben. Wir dürfen es nicht als die Krone der menschlichen Erfindungsgabe betrachten. Es ist nur ein kleinster Anfang, der uns in 100 Jahren wie die Erfindung des Feuers mittels kohlenstoffhaltigen Rohstoffen (“Holz und Kohle”) lächerlich erscheinen wird.
Es muss durch eine Version ersetzt werden, die den Menschen in ungeahnter Komplettheit übertragen, vermitteln und verstehen lassen kann. Ohne elektronischen Verkürzungen und Modulationen, die wir populär Timeline, Blogposting und YouTube-Videos nennen.
Wenn wir das nicht tun, werden wir uns den Maschinen und ihren schrecklichen Vereinfachungen anpassen.
robert basic übersieht vor lauter HTML, technik, maschinen und internetfeuer, dass das internet eben nicht aus HTML, technik und maschinen besteht, sondern aus dem was menschen damit machen — und das geht über die technik dahinter weit hinaus. das was robert basic da in seiner rhabarbersprache sagt, ist als wenn man kunst und literatur ablehnen würde, weil wir menschen nunmal nicht keine marmor-, ölfarben- oder grammatik- und buchstaben-wesen seien. malerei, bildhauerei, sprache, tanz, mimik, gestik, bloggen, twittern, facebooken (und so weiter) sind (unvollkommene) werkzeuge, die wir benutzen um unsere persönlichkeit und menschlichkeut auszudrücken. aber wir sollten uns davor hüten uns und unser „wesen“ mit den werkzeugen die wir benutzen gleichzusetzen.
dazu kommt: welcher vernunftbegabte mensch betrachtet das internet als die „Krone der menschlichen Erfindungsgabe“? oder wem erscheint die nutzbarmachung des feuers durch die menschen als „lächerlich“? das gegenteil ist der fall, das feuer wird allgemein als der anfang der menschlichen zivilisation gesehen, das streiten noch nicht mal die kreationisten ab. und die letzte frage die ich mir nach der lektüre von basics auswurf stelle: wann und wo und wie kann man menschen in ihrer „ungeahnten Komplettheit“ erfahren, „vermitteln und verstehen“? als ich robert basic mal auf der republica getroffen habe, habe ich einige fragmente seiner persönlichkeit erfahren und er ein paar von mir, selbst meine besten freunde die ich regelmässig treffe, kenne ich nur fragmentarisch. meine frau und mich selbst kann ich nichtmal ansatzweise komplett erfassen — ich (und meine frau) überraschen mich immer wieder mit neuen persönlichkeitsaspekten und -eigenschaften.
menschen sind zu vielschichtig um sie komplett zu erfassen, egal auf welchem weg, egal mit welcher (kultur-) technik.
zugegeben, viel zeit mit jemandem in körperlicher nähe zu verbringen, erleichtert die erfassung der persönlichkeit ungemein. aber genau hier hilft auch das internet, als werkzeug: es hilft mir persönlichkeitsfragmente von fremden und weit entfernten menschen zu erfassen, etwas das ohne internet und schrift eher schwierig war.
aber zurück zum pessimismus von ben_. selbst wenn das internet, wie ben_ postuliert, bereits vom kommerz und der vergoldung von menschlichen aktivitäten beherrscht sein sollte („das Netz ist Geld“), heisst das noch lange nicht, dass freiheit, anarchie, subversivität oder hemmungslose kreativität im netz nicht mehr möglich seien. auch das umwälzungspotenzial und die kraft der disruption von althergebrachtem werden dadurch nicht gebrochen. auch das liegt, verkürzt gesagt, daran, dass das internet aus menschen besteht. der freiheitsdrang, die kreativität von menschen lässt sich zeitweilig vielleicht unterdrücken, aber nie auf dauer. das zeigen der arabische frühling, das aufbrechen des eisernen vorhangs und meinetwegen auch die französische und amerikanische revolution. und star trek.
stellen wir uns das internet als eine stadt oder viele städte vor. gerade in durchkommerzialisierten und -korrumpierten städten wie new york oder moskau bilden sich zwangsläufig nischen und gegenbewegungen — im schatten des kommerzes. zwangsläufig auch deshalb, weil jede aktion eine gegenreaktion auslöst, nicht nur in der physik, sondern vor allem in der menschlichen psyche. allein das revolutionäre potenzial von musik! wie der algerische rapper hamada ben amor sagte:
die musik, die stimme schlägt immer die waffen. das habe ich schon oft gesagt. selbst wenn die regierung über waffen und militär verfügt, die stimme und der wille siegen immer. die revolutionäre kann man töten, die revolution kaum.
soylent green mag es im sinne von ben_ wieder geben („Wir sind die Rohstoffe dieser neuen Konzerne.“), aber es ist ungefährlich, weil wir es wissen. weil wir vernetzt sind und das internet und unsere stimmen zur kommunikation nutzen können. deshalb ist es richtig und gut soylent green die durchkommerzialisierung und ausbeutung der menschen pointiert zu kritisieren, aber es gibt meiner ansicht nach keinen grund pessimistisch zu werden. mehr noch, das netz, gibt in all seiner unvollkommenheit eben nicht nur den geldstrotzenden giganten werkzeuge an die hand, sondern auch dir und mir. und mich zumindest stimmt das optimistisch.
wir stehen alle auf irgendwelchen schultern
kirby ferguson, der die grossartige vierteilige serie everything is a remix gemacht hat, hat jetzt auch einen ted-vortrag über das gleiche thema gehalten. die vier filme quasi auf neun minuten eingedampft.
im ted-blog hat liz jacobs noch 14 zitate zum thema remixing gesammelt und diesen wunderbaren vortrag („steal like an artist“) von austin kleon eingebettet:
mein lieblingszitat aus dem vortrag von austin kleon:
you are a mashup of what you let into your life.
„rebel yell“

arte hat mir zwei folgen der doku „rebel yell“ auf DVD geschickt und ich habe sie mir gestern abend angesehen. die beiden sendungen sollen die „aktuelle protestkultur“ dokumentieren und lassen zwischen anonymous, occupy, wikileaks, pussy riot, london riots, arabischem frühling, rage against the machine, nadine lantzsch und hausbesetzern wirklich nichts aus — ausser gegenstimmen.
jeder der schonmal gegen etwas protestiert hat darf ein paar o-töne abgeben und die protestform an der er oder sie gerade teilnimmt in einem positiven licht darstellen. das ist alles so wohlwollend und, wie der tagesspiegel schreibt, „hip“ abgefilmt, dass man die sendungen statt dokumentation auch getrost protest-selbstportraits hätte nennen können. ich hab niemanden gesehen der die proteste aus eine neutralen, aussenstehenden oder distanzierten perspektive kommentiert hat. es fiel in den 2wei mal 52 minuten protest-doku kein einziges kritisches wort, keine aussage wurde hinterfragt, keine selbstdarstellung wurde mit tageslicht beleuchtet.
die fehlende distanz der sendungen oder die abwesenheit von gegen- oder neutralstimmen ist nichts über das man sich echauffieren müsste — aber es macht die sendungen ziemlich langweilig und uninspirierend. interessierte sich meine oma für die „aktuelle protestkultur“, rebel yell würde ihr einen prima überblick verschaffen, welches selbstbild die verschiedenen protestkulturen haben.
am ende der zweiten folge sagt tom morello von rage against the machine:
mit der richtigen kombination aus rhytmus, melodie und bedeutung kann man wahrheit in einer einzigartigen form wiedergeben. das kann nur musik.
dokumentationen und journalismus können das leider nicht. da ist das mit der wahrheit etwas komplizierter.
so versucht rebel yell dem zuschauer immer wieder den eindruck zu vermitteln, dass die occupy-bewegung blühe. einmal sagt die off-stimme:
die bewegung breitet sich aus. überall kehrt der protest zurück in die öffentlichkeit.
occupytanten erzählen, der off-kommentar schwärmt und der zuschauer erinnert sich, dass das occupy frankfurt camp gerade geschlossen wurde (und 30 meter weiter zog) und das occupy london camp am 14. juni geschlossen wurde.
ich habe mir bei der ersten folge nach ca. 30 minuten sehnlich gewünscht, dass die sendung sich langsam dem ende zuneigen würde. tat sie aber erst nach 50 minuten. trotzdem fand ich die doppelfolge nicht schlecht.
denn wenn man hinter dem mond lebt, bekommt man einen ganz guten eindruck wer wo und wie gegen was ist und wie die verschiedenen modernen protestformen aussehen. wenn man nicht hinter dem mond lebt, bekommt man eine menge o-töne und bilder und musikschnipsel mit, die sich in dieser konzentration nicht einfach auf zeitungs- oder webseiten klemmen lassen. einige protest-protagonisten, die in meiner wahrnehmungsblase bisher nicht vorkamen habe ich jetzt auch mal kennengelernt.
hamada ben amor aka el général, zum beispiel, der in algerien mit seiner musik die revolution mitangefacht hat. leider kann ich mit dieser form yo-macho-hip-hop nicht viel anfangen, aber kraftvoll, wütend und authentisch wirkte das schon. hamada ben amor sagte dann auch sehr schön:
die musik, die stimme schlägt immer die waffen. das habe ich schon oft gesagt. selbst wenn die regierung über waffen und militär verfügt, die stimme und der wille siegen immer. die revolutionäre kann man töten, die revolution kaum.
mir fiel auf, dass musik auf eine angenehme, beinahe subtile, wenig aggressive art wütend machen kann. sehr schön zeigte das auch ein kleines segment, in dem rage against the machine in der wall street ihren song sehr laut spielten und sich dabei von michael moore filmen liessen (video). die idee: rage against the machine spielen, die polizei kommt, nimmt sie fest, die kamera hält drauf, fertig ist das wut-video. was aber auch passierte: nicht nur die polizei kam, sondern auch einige anzugträger aus den banken, bzw. der börse. die wippten sich dann auch in wut und skandierten: „suits for rage“.
die verbindung von wut und musik zeigt die doku eindrücklich. in mir kam beim zusehen der wunsch nach mehr wut allgemein und mehr wut von künstlern auf. nicht die regener art von ich-ich-ich- und business-wut, sondern wut wegen ungerechtigkeit, diskriminierung, gier, abbau von bürgerrechten und mangelndem gemeinsinn. wie das gehen kann und wer sowas macht, zeigt rebel yell ganz gut.
die erste folge rebel yell läuft heute abend um 22:30 uhr auf arte, die zweite folge läuft am 18. august. (vielleicht läuft die erste folge aber auch heute um 21:50 und die zweite am 18. august um 21:30. die arte webseite ist sich da nicht ganz sicher.)
[nachtrag 12.08.2012]
die erste folge von „rebel yell“ ist jetzt in der arte mediathek.
bei der mädchenmanschaft gibts eine mittelmässig interessante diskussion zwischen dem produzenten des films christian bettges, nadide lantzsch und einiges anderen kommentatoren.
reden vs. schreiben vs. linken
am dienstag war ich bei mspro und max zum reden. wir haben ungefähr drei stunden geredet, davon wurden zweieinhalb stunden augezeichnet und zum aus der konserve anhören ins netz gestellt (mp3). das war sehr nett, wobei ich mich ständig gefragt habe, wer hört sich das geplauder von drei typen so lange an?
nach der aufzeichnung haben wir noch ein bisschen in den livestream geplaudert und mspro fragte mich, warum ich eigentlich nicht podcastete. ich glaube ich antwortete, dass ich mich schon gerne zu podcasts einladen lassen würde und auch durchaus eine gewisse faszination am podcasten nachvollziehen kann, aber selber weder podcasts höre, noch auf die idee käme, selber welche zu machen.
auch wenn man das nicht immer merkt, ich mag es ganz gerne, eine idee die ich habe so gut wie möglich auf den punkt zu bringen. das auf den punkt bringen ist audio- oder visuell, finde ich, viel anstrengender als in schriftform. ich hab ja mal für ne weile regelmässig videopodcasts gemacht, was einerseits spass gemacht hat, andererseits irre viel arbeit war — obwohl ich hilfe hatte (aufzeichnung, schnitt, encoding). und ich fand das was hinten rauskam auch nicht immer so befriedigend, woraus ix schliessen könnte, dass ich entweder mehr arbeit reinstecken sollte oder es eben zu lassen. in den letzten jahren liess ich es einfach. dazu kommt, dass ich mit dem ins internet schreiben eigentlich ganz gut bedient bin.
apropos geschriebenes wort. ich glaube mspro sagte in #wmr47, dass ich in letzter zeit ja kaum noch bloggen würde. worauf ich fast ein bisschen empört reagierte und meinte, dass ich im gegenteil nicht nur ziemlich regelmässig und bereits über ein jahr kommentierte links auf wirres.net posten würde, sondern auch gar nicht so selten artikel schröbe.
findet mspro, dass links-posten kein bloggen sei? wenn ich drüber nachdenke, ist da natürlich was dran. denn auch wenn das linken arbeit macht und mühe kostet, bei nährem hinsehen, bestehen meine links zu 80 prozent aus zitaten oder zusammenfassungen und manchmal, tatsächlich eher selten, einer einschätzung oder einem kommentar von mir.
das was ix mit den links mache, ist am ehesten mit dem vergleichbar, was ich früher mit dem sharing-feature im google reader getan habe: die leute in meiner blase auf aus meiner sicht lesenswerte artikel hinweisen und manchmal zu erklären warum ich das tue — und manchmal eben nicht. dabei scheint gewissermassen auch ein bisschen faulheit vor dem pointierten kommentieren und bewerten durch.
marcelo somers nannte linkbloggen vorgestern „The Linkblog Cancer“:
Our job as independent writers isn’t to be first or even to get the most pageviews. It’s to answer the question of “so what?”. Taken as a whole, our sites should tell a unique story that no one else can, with storylines that develop over time that help bring order to the chaos of what we cover.
einerseits ist das völlig übertrieben, andererseits stimmt es natürlich schon, dass die eigene stimme und interessen im eigenen blog klar und deutlich durchscheinen sollten. aber ich finde das muss nicht immer in der gleichen stärke sein. und zum ordnung schaffen bin ich eh nicht da. ich stosse lieber an, als (ein) zu ordnen.
mir fiel dann noch ein, ich könnte ja nochmal nachdenken und -suchen, bei wem ich schon so alles gepodcastet habe. entgegen der oft geäusserten schwachsinns-these, dass das internet nie vergesse, sind ein paar dieser spuren in den letzten 6 jahren bereits wieder verschwunden oder funktionieren nicht mehr richtig. das ist die liste der podcasts bei denen ich mal zu gast war, die mir noch einfielen oder googlebar¹ waren:
2006 mit johnny in irgendeiner eckkneipe, 2006 mit johnny bei radio-fritz trackback (aus dem netz verschwunden), auch 2006 bei 4 nasen tanken super auf dem medienforum NRW (verschwunden), 2007 4 nasen auf der republica, auf der republica 2010 mit frédéric valin, 2010 beim medienradio mit philip banse und jana wuttke, 2010 beim wort zum sonntag mit bosch und mathias richel und jetzt bei wir müssen reden.
1) ich google mit duckduckgo .
USA schüleraustausch
ich weiss gar nicht mehr, wie ich vor 26 oder 27 jahren darauf gekommen bin ein jahr als austauschschüler nach amerika zu fahren. ich glaube es war nele, die sich irgendwann entschloss das austauschjahr zu machen und sich bei YFU dafür bewarb. als ich mich entschied, war die bewerbungsfrist bei YFU bereits abgelaufen. bei iST konnte ich mich aber noch bewerben. an weitere organisatorischen details kann ich mich nicht mehr erinnnern. woran ich mich aber noch erinnern kann, war meine vorfreude. deutschland, aachen, die schule, mein alltag langweilten mich. ich fand deutschland nach 17 jahren aufenthalt furchtbar. helmut kohl war bundeskanzler, alles war so klein und provinziell. aachen war OK zum aufwachsen, aber den rest meines lebens wollte ich dort nicht verbringen. ich scherzte schon damals, dass aachen ein super alterswohnsitz sei, aber nix zum leben.
ich hatte das gefühl, dass mein leben sich in einer trüben blase abspielte, ich fürchtete in aachen zu verwelken oder im domkeller zum alkoholiker zu werden. ich wollte an der welt schnuppern.
ein paar monate vor meiner abreise hatte ich mich zwar gerade überwinden können gita, in die ich schon ewig verknallt war, zu küssen. wir waren abends mit ein paar freunden im „hauptquartier“, einer aachener kneipe in der promenadenstrasse die es tatsächlich noch gibt. damals war das aber definitiv nicht „aachens schrägste kneipe“, sondern ein dunkles punkschmuddelloch. ich glaube die musik war dort aus prinzip scheisse, das war an dem abend aber auch egal, ich war ja am knutschen. plötzlich waren meine lieblingsfreundin und ich ein paar. witzigerweise langweilte uns das paar-sein nach ein paar wochen beide so sehr, dass wir uns entschieden zum ursprünglichen zustand zurückzukehren: beste freunde. zwei wochen vor meiner abreise machten wir auf der treppe vorm domkeller einvernehmlich und erleichtert schluss.
in der schule hatte ich mein erstes einigermassen erfolgreiches jahr hinter mir. die ersten jahre im gymnasium war ich ein so schechter schüler, dass mein deutschlehrer mir empfahl doch ein handwerk zu erlernen und den hauptschulabschluss zu machen. darauf folgten drei jahre in denen ich die befürchtungen meines deutschlehrers bestätigte und dreimal in folge sitzenblieb. zweimal schaffte ich in französisch die nachprüfung, bei der versetzung in die zehnte klasse hatte ich dann zuviele sechsen für eine nachprüfung. in der zehnten klasse machte mir die schule plötzlich sogar spass. am meisten spass bereitete mir das lesen; ich verschlang hoimar von ditfurts bücher, las douglas adams im original, erich fromms „die kunst des liebens“ und fast alle bücher von hermann hesse.
schreiben konnte ich allerdings nicht. meine bewerbung, bzw. selbstbeschreibung für die gastelternsuche schrob ich in krakeliger pseudo-schreibschrift, die sätze waren unbeholfen formuliert. auf den fotos mit denen ich meine familie vorstellte, sah man meinen vater mit einem glas feierabendwein, ich lächelte auf keinem der fotos, auf dem familienportrait sah niemand in die kamera; die familie sass am frühstückstisch, mein vater verdeckt von blumen, meine mutter war lediglich als blauer blop mit roten haaren zu erkennen.


erwartungen an meinen aufenthalt in amerika hatte ich keine, nur vorfreude auf das neue und auf das weit-weg-sein. ich fühlte mich wie ein pilgervater. ich hatte die chance komplett zu verschwinden und alles neu anzufangen, alle zwänge denen ich mich ausgeliefert fühlte könnte ich hinter mir lassen. was für eine grossartige erfindung dieses amerika war.
in zwei wochen reist das kind für ein jahr nach amerika, in eine kleinstadt in der nähe von portland, in oregon — kaum 200 kilometer entfernt von tacoma, wo ich mein jahr verbracht habe. die gasteltern sind seit ein paar wochen auf facebook mit uns, den grosseltern und dem kind befreundet. das kind ist bereits mit der halben stadt und fast allen künftigen gastschülern dort befreundet und hat schon ein paarmal mit seinen gasteltern videotelefoniert. alles scheint so nah, viel näher als damals bei mir. statt luftpostbriefen auf extra dünnem papier schreibt man facebook-nachrichten, man kann kostenlos dort anrufen, der lehrplan der schule und profile von allen lehrern stehen im internet. wir und das kind haben bereits die halbe stadt mit streetview und google maps erkundet, wir haben hunderte fotos der stadt, der gasteltern und der gastelternenkelkinder gesehen.
die beifahrerin ist definitiv aufgeregter als das kind. ich glaube das kind wäre nur aufgeregt, wenn es in amerika kein facebook, kein youtube oder ein playstationverbot gäbe. das äusserste an aufregung brach letzte woche kurz aus dem kind heraus, als es sagte: „oh, nur noch zwei wochen, dann fliege ich.“
ich glaube, dem kind ein austauschjahr in amerika schmackhaft zu machen und die finanzierung mit tatkräftiger unterstützung von fast allen familienzweigen zu organisieren, war die beste entscheidung, zu der uns das kind je gedrängt hat.
ich habe in den letzten 26 jahren ziemlich viel von meinem amerika-aufenthalt vergessen. viele erinnerungen kommen jetzt wieder hoch. erstaunlich finde ich aber vor allem, wie sich die umstände so einer reise in den letzten jahren geändert haben. die distanz nach amerika ist dank des internets enorm geschrumpft, wir können dem kind dank facebook, digitalphotographie und dem direkten draht zu den gasteltern wie bisher auf die pelle rücken.
musste man früher mehr oder weniger alle verbindungen in die alte heimat kappen, nimmt man sie heute mit dem netz in echtzeit mit bis in die letzte ecke der welt. andererseits könnte man sich der neugier der eltern und anderen zurückgebliebenen auch einigermassen mit netz-abstinenz und -ignoranz entziehen. ich habe das damals nach ein paar monaten gemacht, indem ich ankündigte, dass ich jetzt aufhöre briefe zu schreiben. erst als ich geld brauchte, fing ich wieder an zu schreiben.
wie sich so ein schüleraustausch aus deutschland anfühlt, was wir vom kind so alles mitbekommen und ob der austausch bei mir die eine oder andere erinnerung wachruft, schreibe ich hier in den nächsten 10 monaten unregmässig auf.
nike werbung
ich mag den spot, trotz oder gerade wegen des pathos. aber auf jeden fall wegen des minimalismus. / via boingboing.net , wo xeni jardin aus einem businessinsider-artikel über den 12 jährigen darsteller zitiert, dass er während der dreharbeiten in einen graben gekotzt hätte. er hätte eine stunde vor den dreharbeiten mittag gegessen. das ist die gute nachricht. die schlechte nachricht: der junge will demnächst mit seiner mutter den jojo-effekt durchspielen:
Nike has further plans for Sorrell. He and his mom, Monica, are now trying to lose weight. If they make it, Nike will return to shoot another spot.