richard gutjahr wollte ein thema „ins Licht der Öffentlichkeit rücken“, das, wie er sagt, „über die letzten Jahre während der ganzen Internet-Hysterie in den Medien und in der Politik komplett ausgeblendet wurde.“
nein, nicht das schicksal der nacktmulle das seit mindestens fünf jahren aus den augen der (netz)öffentlichkeit verschwunden ist, sondern die sache mit dem adresshandel. ich finde zwar nicht, dass das thema „komplett ausgeblendet“ wurde, wenn selbst ich in den letzten zwei jahren zweimal drüber schrob, muss das als thema irgendwo anderes eingeblendet gewesen sein, damit ich überhaupt drauf komme.
trotzdem ist das thema natürlich interessant, weil es die bigotterie — oder besser zerissenheit — von uns allen zeigt, nicht nur die der medienkonzerne, auf die richard gutjahr nicht ganz zu unrecht und drastisch hinweist:
Neben käuflicher Liebe und Waffenexporten dürfte das Geschäft mit Kundendaten zu den verschwiegensten Branchen überhaupt gehören. Mindestens einmal im Jahr klärt uns der Spiegel über das Böse im Netz auf. Wann aber haben wir zum letzten mal eine Spiegel-Titelstory zum Thema Adresshandel Deutscher Firmen gelesen? Warum bringen deutsche Medien Artikel zu diesem Thema – wenn überhaupt – unter ferner liefen?
Die Antwort ist so primitiv wie einfach: Weil die deutschen Medienhäuser selbst Teil dieses Systems sind. Das Kundenregister des größten Datenhändlers des Landes liest sich wie das Who-is-Who der deutschen Medienszene: Axel Springer, Frankfurter Allgemeine, Financial Times, Gruner und Jahr, Gong Verlag, Handelsblatt, Manager Magazin, Readers Digest, Ringier Verlag, Süddeutsche Zeitung, sky, Der Spiegel, Weltbild. Als (freier) Mitarbeiter des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks möchte ich hierbei ausdrücklich betonen: Auch die GEZ arbeitet mit gehandelten Adressdateien.
in den kommentaren unter richard gutjahrs artikel wird schön herausgearbeitet wo das eigentlich problem liegt könnte. nämlich dass vielleicht nicht die gesammelten und gehandelten daten das problem darstellen, sondern unsere völlige unentschlossenheit was jetzt gutes datensammeln und was schlechtes datensammeln sein könnte. mal lassen wir uns aufs datensammeln ein, sehen es als faires geschäft, wenn unsere daten genutzt, gesammelt und aggregiert werden, verteidigen die datensammler sogar, wenn sie von politik und medien angegriffen werden, mal empören wir uns darüber.
einerseits geben wir irgendwelchen webapplikationen vollen zugriff auf unser facebook-konto, regen uns aber auf, wenn eine webaplikation unser adressbuch mit facebook abgleicht. oder auch nicht. ich habe mich auch schon am briefkasten „informationelle selbstbestimmung“ schreien gehört, wenn mir jemand, den ich nicht kenne einen brief schreibt.
wenn man richard gutjahrs artikels liest regt man sich dann erstmal über „die adresshändler“, „die politik“ und „die medien“ auf, weil die händler mit unseren daten geld verdienen, die medien schweigen und uns aussaugen auch mit unseren daten handeln und die politiker unter lobbydruck listenprivilegien nicht abschaffen mögen.
vermutlich spiegeln die politik und medien aber nur unsere eigene schizophrenie beim thema datenschutz wieder. wir sind einerseits ein volk von datenschutz-hysterikern (siehe zum beispiel google streetview) und gleichzeitig als datenschutz-phlegmatiker bald mehrheitlich bei facebook, twitter und payback. rabattkarten sind super, abowerbung aber scheisse? die facebook-timeline ist schlimm, bei groupon gibts aber super deals?
ich glaube wenn man 3 deutsche zum thema datenschutz befragt, bekommt man 12 diametral entgegengesetzte antworten:
„man muss die leute doch vor sich selbst schützen!“
„wir wollen nicht bemuttert werden.“
„[D]ie Gesetze müssen auch dringend geändert werden.“ (richard gutjahr)
„keine neuen gesetze, keine lex google, keine regulierung des internets.“
ich glaube jeff jarvis nennt das das deutsche paradoxon. ich würde dafür den doppelten pseudo-plural wählen: deutsche datenschutz paradox-paradoxien.
richard gutjahrs artikel löst wie die meisten seiner artikel emotionale reaktionen aus. bei mir schafft das fast immer starke aversionen, ich mag das manipulative element von gutjahrs schreibe nicht. dieses mal hat er mich aber gepackt, weil ich mich auch immer irre über leute aufrege, die sich meine adresse besorgen und sich dann an mich ranwanzen*.
was ich aber sagen wollte, man sollte diesen artikel von richard gutjahr aufmerksam und mit ein bisschen skepsis lesen (nicht die kommentare vergessen) und gut drüber nachdenken (ohne das differenzieren zu vergessen). ein paar dinge sind wirklich bedenkenswert.
*) ich ärgere mich auch über darüber wenn die FAZ mich für blöd verkaufen will und meint ich würde mich von ihren verkackten täuschungsversuchen einlullen lassen, oder der FTD-chefredakteur steffen klusmann mir ohne rot zu werden einen vom pferd erzählt um mir ein abo zu verticken.
ehrlichgesagt ist adresshandel aber immer noch vor allem komisch. ein paar business-kasper oder chefredakteure laden schrotgewehre mit glaskugeln, schiessen damit durch die gegend und freuen sich wenn sie nach 2000 schuss drei deppen gefunden haben die fragen „boah, ham se noch mehr von den glasperlen?“.
[an die feedleser: das ist ein mittelmässiger witz, der nicht im feedreader funktioniert. auf iphones handys und ipads tablets übrigens auch nicht.]
kürzlich hat sich thomas knüwer „geärgert“. weil jemand gesagt hat, knüwer hätte etwas gesagt, was er aber so gar nicht gesagt habe. sein zitat wurde gekürzt und damit sinnentstellt — oder wie knüwer es unvergleichlich ausdrückt: „Das ist mal geschmeidig die ganz andere Richtung. Und deshalb habe ich mich geärgert.“
sinnentstellend zitieren scheint aber auch ein hobby von thomas knüwer zu sein. aus diesen sätzen von joachim gauck
Das weltweite Internet bietet alle Voraussetzungen, um die in den ersten zehn Artikeln unserer Verfassung verankerten Grundrechte aller Bürger in diesem Land auszuhöhlen. Dies gilt insbesondere für das Recht auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit in Artikel Fünf – eine wesentliche Grundlage unserer funktionierenden Demokratie – und es gilt letztlich auch für den Kernsatz unserer Verfassung, den Artikel Eins des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Um solche Gefahren für unser aller Freiheit künftig richtig einschätzen und Vertrauen in das Medium fördern zu können, müssen wir dem Internet und seinen Nutzern mehr Sensibilität, mehr Aufmerksamkeit und Forschung widmen. Dazu verhilft uns eine Institution wie das „Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet“ – und deshalb unterstütze ich die Arbeit dieses Instituts.*
die er im vorwort irgendeiner veröffentlichung (PDF-kurzversion) von irgendwem gefunden hat, klöppelte er diese überschrift:
hm. trägt das was gauck gesagt hat knüwers überschrift? so wie ich gauck verstehe, sagt gauck, dass das internet das potenzial in sich trägt unser grundgesetz auszuhölen — und nicht, dass es das tue. das hört sich an wie haarspalterei, ist es aber nicht. der unterschied zwischen dem bestehen einer gefahr und dem eintreten einer gefahr ist eminent.
man kann zum beispiel durchaus behaupten, dass die vorratsdatenspeicherung die voraussetzungen für eine umfassende und anlasslose überwachung aller bürger schaffe (und damit eine potenzielle gefahr beschreiben). wenn knüwer dann aber schröbe
deutschland ist ein überwachungsstaat, glaubt irgendjemand
dann ist das genauso verdreht und unredlich wie das was thomas knüwer hier macht.
ich finde den oben zitierten absatz von joachim gaucks vorwort unnötig. denn genau betrachtet ist das was er schrob einer aufgeblasene selbstverständlichkeit. ja, die welt, die politik, die wirtschaft, die menschen, das internet sind potenziell gefährlich, unberechenbar, egoistisch, gierig oder gemein — und deshalb ist es ganz gut, in einer demokratisch legitimierten form des rechtsstaats zu leben, der diese gefahren abfedert, denen uns die welt aussetzt. und dieser rechtsstaat muss sich selbstverstädnlich neuen gefahren und bedrohungen stellen und ja, es lohnt sich ihn verteidigen. das war aber bereits vor dem internet genauso. deshalb gibt es das grundgesetz und den rechtsstaat — um uns grundrechte zu garantieren und uns vor den gefahren der welt zu schützen — so gut es geht. und die gefahr, dass diese rechte ausgehöhlt werden ist nun wirklich nichts neues oder speziell internettiges.
kurz: das internet ist scheisse, weil die welt scheisse ist (nicht etwa umgekehrt). und wenn man dieser logik folgend gaucks zitat einmal ändert und die Worte „Internet“ und „Welt“ tauscht, erkennt man einerseits die harmlosigkeit und andererseits auch die platitüdenhaftigkeit seines vorwortes:
Die weltweite Welt bietet alle Voraussetzungen, um die in den ersten zehn Artikeln unserer Verfassung verankerten Grundrechte aller Bürger in diesem Land auszuhöhlen. Dies gilt insbesondere für das Recht auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit in Artikel Fünf – eine wesentliche Grundlage unserer funktionierenden Demokratie – und es gilt letztlich auch für den Kernsatz unserer Verfassung, den Artikel Eins des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Um solche Gefahren für unser aller Freiheit künftig richtig einschätzen und Vertrauen in die Welt fördern zu können, müssen wir der Welt und ihren Nutzern mehr Sensibilität, mehr Aufmerksamkeit und Forschung widmen. Dazu verhilft uns eine Institution wie das „Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit in die Welt“ – und deshalb unterstütze ich die Arbeit dieses Instituts.
OK, das wirkt jetzt albern.
aber die gefahren die in dieser welt und gerade in deutschland zum beispiel für die menschenwürde lauern, sind nicht zu übersehen. wenn beispielsweise menschen die hier aufgewachsen sind, einfach in ihre angeblichen heimatländer „abgeschoben“ werden können, wenn man mal mit harz IV-empfängern über ihre erfahrungen mit den arbeitsagenturen redet oder mal den fernseher anmacht, dann wäre mein erster impuls jetzt nicht darüber nachzudenken wie man im internet die menschenwürde schützt, sondern wie man sie überall schützt.
dass auch im internet gefahren lauern, weiss, zumindest im internet, jeder: apps die persönliche adressbücher nach hause schicken, suchmaschinen die nutzerdaten aggregiert auswerten, porno- und webseiten die nutzerdaten nicht ordentlich schützen, monopolgefahren im ebooksektor, bombig gut ausgebildete verfassungsschützer die emails mitlesen, kommunikationsplattformen und computerhersteller die keine tittenbilder auf ihren plattformen sehen wollen — die gefahren — oder besser probleme — die joachim gauck beschreibt sind doch vorhanden? wir beschäftigen und diskutieren sie täglich.
aber wenn ein technisch etwas hilflos wirkender, alter mann auf diese gefahren hinweist, dann findet thomas knüwer das „unfassbar“ und „zum kotzen“? thomas knüwer:
Ich halte Gaucks Aussagen für unfassbar, erst recht, weil es nicht irgendwelche frei gesprochenen Aussagen sind – sie sind schriftlich festgehalten. Verzeihen Sie die Formulierung: Ich finde diese Sätze zum kotzen.
weil thomas knüwer ja ganz gerne austeilt, bei kritik an ihm selbst aber leicht in den empörten mimosen-modus schaltet, beschimpfe ich thomas knüwer heute mal, auch wenn das etwas unentspannt wirkt, in seinen eigenen worten:
Ich halte Knüwers Blogartikel für unfassbar, erst recht, weil es nicht irgendwelche frei gesprochenen Aussagen sind – sie sind schriftlich festgehalten. Verzeihen Sie die Formulierung: Ich finde diesen Artikel zum kotzen.
oder um es (dann doch lieber) in meinen worten zu sagen: ich finde es schade, dass thimas knüwer lieber kotzt, als argumentiert oder streitet. ich ahne aber woran das liegt, knüwer deutet es bereits selbst an. er findet die aussagen gaucks „unfassbar“. mit anderen worten: er versteht sie nicht.
auch diese worte von joachim gauck wirken auf mich wie platitüden, ich schaffe es aber auch mit gewalt nicht, mich drüber aufzuregen, drüber zu „kotzen“ oder belege dafür zu finden, dass gauck fände, dass das internet die vertfassung aushöhle.
*) der zweite absatz steht in gaucks vorwort, wurde aber nicht direkt von knüwer zitiert. ich fand ihn aber wichtig um den zusammenhang zu erkennen.
vor ein paar acht jahren hatte ich schonmal etwas weit ausholend über den film „die kalte platte“ geschrieben. jetzt seit acht monaten ist der film nicht nur auf DVD zu gucken, sondern auch auf vimeo.
ich hab gerade nichts zu tun und hab mir die breitband-sendung angesehen und angehört in der sich philip banse, johnny haeusler und wolfgang michal über irgendwas mit medien unterhalten. ziemlich unerträglich weil alle 3 minuten eine werbespot eingeblendet wird. früher war das im nachtfernsehen anders, da lief nachts mitunter eine ganze sendung frasier im privatfernsehen ohne einen einzigen werbeclip durch.
mir fiel auf jedenfall auf, dass die haltung von philip banse mich an jemanden erinnerte.
faszinierend der bild-zeitung quasi live beim faktendrehen und (harmlosen) rumdenunzieren zuzusehen. bei einer veranstaltung dabei sein (war ix) und danach darüber in der bild-zeitung zu lesen (hab ix), lässt durchaus den schluss auf eine art parallel-universum zu. in diesem universum herrschen immerhin kurze sätze vor. aber es scheint dort auch ziemlich trübe zu sein.
beim GAL-chef von hamburg-mitte, michael osterburg, bin ich mir noch nicht ganz sicher was ich von ihm halten soll. es ist ja durchaus legitim für ein bauprojekt zu sein und fest auf der seite eines investors zu stehen, vor allem wenn dabei ein paar sozialwohnungen für den bezirk abfallen. aber deshalb auf extrem sachliche kritik von anwohnern pampig reagieren, lässt mich dann schon stark an der eignung als volksvertreter zweifeln. sind die grünen in hamburg alle so abgehoben?
2. „Diesen Kuss der ganzen Welt“
(perlentaucher.de, Thierry Chervel)
Thierry Chervel zeigt auf, wie die deutschen Verlage den Begriff „geistiges Eigentum“ deuten und nutzen. „Eigentum bezeichnet die Verfügungsgewalt über eine Sache, also eigentlich das Recht, sie zu zerstören. Den Stuhl, den ich besitze, kann ich auch zerhacken und verheizen. Nicht einmal der Urheber eines Werkes aber hat diese Gewaltoption und dieses Recht, zumindest wenn das Werk veröffentlicht ist. Ist ein Werk in der Welt, gehört es ihr auch. Thomas Mann kann nicht in die Nationalbibliothek gehen und auf die Herausgabe des 'Zauberbergs' drängen, weil er den Schluss überarbeiten will.“
jetzt wo joachim gauck bundespräsident werden soll, habe ih meinem artikel vom juni vorletzten jahres eigentlich nichst hinzuzufügen. hier sind noch ein paar weitere artikel die ich 2010 zu joachim gauck schrob.
na gut. zwei kleinigkeiten möchte ich doch noch hinzufügen. den witz den joachim hauck in der pressekonferenz eben mit merkel, rösler und gabriel machte, dass er ein bisschen verwirrt und noch nichtmal gewaschen sei war nicht nur witzig, sondern zeigt welches verständnis joachim gauck von würde hat: nämlich nicht das gespreizte, etwas steife und inszenierte von christian wulff, sondern eines das sich aus selbstbewusstsein und entspanntheit zusammensetzt. und was mir auch auffiel: gauck höre ich, auch wenn er ein bisschen pastoral klingt, gerne zu. er betont die worte so, dass man ihm gerne zuhört und nicht beim zuhören stolpert, wie es passieren konnte, wenn christian wulff sprach.
ich glaube joachim gauck wird ein guter präsident, der keine unschuldvermutungen für sich in anspruch nehmen werden muss.
[nachtrag 20.02.2012]
da es in den kommentaren und anderswo ein thema ist, kopiere ich mal einen kommentar von mir weiter unten hierein: ob man aus ein paar aus dem zusammenhang gerissenen zitaten (aber sie standen doch inner zeitung!) auf gaucks charakter schliessen kann weiss ich nicht. ich habe aber das gefühl eher nicht.
die idee von eli parisers filterblasen-problem habe ich bisher immer intuitiv abgelehnt, obwohl ich bisher nichts von pariser gelesen habe oder ihn selbst über seine idee habe reden hören (andere schon). heute floss mir dieses bookmark von der technikabteilung des guardians in den RSS-reader*. das bookmark verlinkte auf einen kurzen vortrag von eli pariser auf einer TED-konferenz im frühjahr 2011. hier die youtube-version:
guardiantech war von dem vortrag ziemlich begeistert:
Stunning talk, just nine minutes long, whose key message is embodied by comparing two peoples' searches on one word: Egypt. [The best use you'll make of nine minutes today.]
mich hat das nicht wirklich überzeugen können. ich glaube es geht wie immer um die wahl der werkzeuge und um kompetenz im umgang mit diesen werkzeugen. wenn ich eine zeitung als werkzeug um an informationen zu kommen ansehe, dann brauche ich bestimmte fähighkeiten um das sinnvoll zu nutzen: ich muss lesen können, ich sollte ungefähr wissen wie die artikel entstehen (recherchiert und redigiert von menschen die irren können oder auch mal irren wollen), ich sollte immer eine kritische distanz wahren und dinge die ich lese in frage stellen oder mit anderen quellen vergleichen. das gleiche gilt für modernere werkzeuge wie suchmaschinen, soziale netzwerke oder online publikationen. will ich mir eine autonome meinung bilden, sollte ich immer versuchen zu verstehen wie das was ich konsumiere entsteht, es hinterfragen, vergleichen und prüfen.
faulheit oder inkompentenz im umgang mit werkzeugen führt in zu abhängigkeit und eingeschränkter wahrnehmung. das war schon immer so. wer nur die bild-zeitung liest, weiss über die welt nur das, was die bildzeitung ihm über die welt erzählt oder erzählen will. das muss nicht zwangsläufig schlecht sein, es könnte ja sein, dass die macher der bildzeitung den anspruch verfolgen ihren lesern ein ausgewogenes und faires bild von ereignissen in der welt zu vermitteln (schon klar, dass das nicht so doll der fall ist). aber der ausweg aus einer bildzeitungs-blase (und jeder anderen medienblase) ist eigentlich ganz einfach: neben der bild auch andere zeitungen zu lesen. oder walraff lesen. bücher lesen. reisen. studieren.
es gibt sechs schrillionen auswege aus filterblasen. aber sie haben alle eine entscheidende eigenschaft: man muss aktiv etwas dagegen tun. da der erste schritt um etwas zu unternehmen natürlich ein gewisses bewusstsein voraussetzt, ist das was eli pariser tut eine gute sache: er zeigt die potenziellen probleme die uns in filterblasen führen könnnen auf.
was pariser allerdings nicht deutlich genug macht: wir selbst müssen den arsch hochkriegen.
ich glaube auch nicht, dass die problematischsten filterblasen durch medienkonsum oder mangelnde medienkompetenz entstehen. sie entstehen durch unsere lebensweise. der mensch lebt nunmal gerne in bestimmten sozialen verbänden. man kann nicht teil jeder (gesellschaftlichen) gruppe sein. man sucht sich meistens eine aus und diese gruppenzugehörigkeit bestimmt dann auch zu grossen teilen die wahrnehmung.
ich habe das als besonders krass empfunden, als ich nach meinem abitur erst zivildienst und dann eine ausbildung gemacht habe. obwohl ich in den ersten 18 jahren meines lebens nicht wenig gelesen und gesehen habe, war mein weltbild doch sehr stark gefiltert. seit dem querlesen von diversen philosophen wusste ich zwar auch, dass ich nichts weiss und auch unmöglich die welt so erkennen kann wie sie ist, das hinderte mich aber nicht daran auch ein überzeugter klugscheisser zu sein (bis heute).
während meines zivildienstes und meiner ausbildung empfand ich es als ausgesprochen überraschend zu erfahren welche lebensweisen, ansichten und probleme ausserhalb eines gymnasiums und eines mittelklassehaushalts existieren. ich erkannte in meiner zivildienst- und ausbildungsfilterblase, dass ich die letzten 18 jahre in einer gymnasiums- und mittelklassefamilienblase lebte.
ich erkannte aber auch, dass der bevorzugte lebensraum der menschen blasen sind. und der einzige weg aus einer blase besteht darin, in andere blasen zu steigen. die werkzeuge, um möglichst viele blasen zu betreten liegen auf der hand: reisen, lesen, neugierde, experimentierfreude, lernen, kommunizieren und lesen, lesen und lesen.
aber das wichtigste werkzeug ist und bleibt das ständig aufgefrischte bewusstsein, dass wir nunmal in blasen leben und dass es werkzeuge dagegen gibt, die wir immer wieder aktiv nutzen müssen.
*) auf pinboard kann man anderen nutzern folgen, den RSS-feed all der pinboard-accounts denen ich folge, habe ich abonniert, was dazu führt, dass ich ziemlich viele bookmarks in meinen RSS-feed gespült bekomme.
als ich heute früh diese pressemitteilung der „deutschen content allianz“ (warum eigentlich nicht „german inhalte alliance“?) überflog, blieb ich an diesen andertalb sätzen hängen:
Es seien jetzt eindeutige Signale notwendig, die Reform anpacken und durchsetzen zu wollen, da sonst die Gefahr einer Kluft zwischen der deutschen Kreativwirtschaft und den Gruppen unserer Gesellschaft, die den Schutz des geistigen Eigentums als einen Angriff auf die Freiheit im Internet diskreditierten, bestehe. Diese Freiheit sei ein hohes, unbestrittenes Gut, solange sie nicht als Rechtlosigkeit interpretiert werde.
freiheit ist eine interpretationssache? oder wer seine rechte nicht anspruch nimmt, verwandelt seine freiheit in ein bestreitbares gut? natürlich meint der 13jährige schülerpraktikant der diese pressemitteilung verfasst hat, dass man seine freiheit verlieren kann, wenn man recht und gesetz nicht respektiert. oder vielleicht auch (aber das weiss man halt wegen der ungelenken sprache nicht so genau), dass man seine freiheit verlieren sollte, wenn man gegen nutzungs-lizenzen verstösst.
das waren nur so andertalb gedanken, die mir beim ersten überfliegen in den sinn kamen. dann bin ich zu ikea und aldi gefahren und hab vergessen mich über die pressemitteilung aufzuregen. stefan niggemeier hat sich aber j sei dank so über den text aufgeregt, dass er ihn nach allen regeln der kunst zerlegt hat.
der text von stefan niggemeier ist übrigens ein exemplarisches beispiel dafür, was man machen muss, um in diesem internet lawinenartig verlinkt zu werden:
am anfang ein twitterbares kurzzitat zur einleitung:
In der »Deutschen Content Allianz« haben sich die Dieter Gornys dieses Landes zusammengeschlossen. Sie versuchen, sich vor dem Ertrinken zu bewahren, indem sie sich gegenseitig umklammern und das Wasser beschimpfen.
am ende ein absatz, den blogger zitieren können, wenn sie den artikel verlinken:
Diese Erklärung ist ein aufschlussreiches Dokument. Es macht anschaulich, in welchem Maße ein Verein, der behauptet, für die Existenz hochwertiger Inhalte zu stehen, nicht einmal in der Lage ist, selbst einen Inhalt zu formulieren, der verständlich, sprachlich richtig und inhaltlich korrekt ist. Die Presseerklärung ist mit all ihrem Sprachmüll und ihrer Gedankenlosigkeit ein Dokument der Hilflosigkeit.
einen gegner, der sich selbst als „content-irgendwas“ bezeichnet
ein zitat von sascha lobo:
Inhalte nennt man in Deutschland immer dann ›Content‹, wenn jemand damit Geld verdienen will.
wer sich für den newsletter des quartiersmanagers eingetragen hatte bekam die einladung zum workshop per mail. im vorfeld hiess es zwar, dass wurfzettel verteilt werden sollten, in unserem haus wurden jedoch keine wurfzettel verteilt. auch in anderen häusern am kuhberg und eichholz nicht.
ein paar tage vor dem workshop wurden immerhin zwei aufsteller auf der strasse angebracht – dumm nur, dass die ausstellung der entwürfe, die ebenfalls auf den aufstellern beworben wurde, bereits am wochenende zuvor stattgefunden hatte.
dafür war der workshop immer noch recht gut besucht. für einen „workshop“ fast etwas zu gut, aber es war ja auch kein workshop mehr: bei der unter ausschluss der öffentlichkeit stattgefundenen sondersitzung des stadtplanungsausschusses wurde er umbenannt in „werkstattgespräch“.
das „werkstattgespräch“ war dann auch eher eine informationsveranstaltung, bei der im anschluss fragen gestellt werden konnten. frontal zum publikum sassen die initiatoren (für die firma euroland die herren horx und rocholl, sowie herr dinse von dinse feest zurl), dahinter eine leinwand für die powerpointpräsentation. ausserdem gab es einen moderator, der die wortmeldungen moderierte.
an der hinteren wand waren auch ein paar stuhl-halbkreise um improvisierte flip-charts aufgebaut, da aber das interesse des publikums gar nicht darin lag, sich irgendetwas nettes für das erdgeschoss auszudenken oder etwa die fassadenfarbe zu bestimmen sondern einzig, zu erreichen, dass das ding nicht so unproportional und hoch gebaut wird, erübrigten sich die stuhlkreise.
es gab kaffee und brötchen, stellwände mit entwürfen, visualisierungen und verschattungsstudien sowie ein stadtteil-modell. es liess sich jedoch (abgesehen von den brötchen) nichts entdecken, was nicht schon bekannt gewesen wäre.
neubau im alten hafenviertel hamburg (das ding was ein wenig an ein brötchen mit verrutschtem belag erinnert)
3 stunden waren eingeplant. gut das erste drittel ging für vorträge der investoren und des architekten drauf, danach war zeit für fragen aus dem publikum bzw. eine diskussion. als der moderator nach der ersten hälfte darauf hinwies, dass nun eine mittagspause auf dem programm stünde, lehnten die anwohner mehrheitlich dankend ab.
euroland schien sich das mit der bürgerbeteiligung irgendwie anders vorgestellt zu haben. einfacher vielleicht. zumindest entstand unter den anwohnern während der veranstaltung keine allzugrosse begeisterung für das projekt. der architekt und die investoren waren nach wie vor ziemlich begeistert von ihrem projekt, allerdings weniger angetan von der immer wieder artikulierten forderung der anwohner nach einer geringeren bauhöhe.
die euroland-vertreter bemühten sich nach kräften, ihr projekt ins beste mögliche licht zu rücken. auch der achitekt plauderte munter drauflos, wie er extra auf den kichtturm gekraxelt sei, um die situation mal von dort oben zu betrachten, und wie er sich darum kümmern wolle, dass das gebäude auf der gegenüberliegenden strassenseite auch noch ein geschoss obendrauf bekommt und damit gleich hoch sei.
in diesem zusammenhang wurden wieder dieselben visualisierungen gezeigt, die in den vergangenen monaten schon öfter moniert wurden. zuletzt sogar von mitgliedern der stapla-sitzung im oktober. weitere visualisierungen, auch aus anwohnerperspektive, würden nachgereicht, hiess es damals. neu war nun lediglich eine 3D-animation, die aber ebenfalls fast ausschliesslich ansichten aus „touristenperspektive“ umfasste.
euroland beklagte, dass das projekt in verschiedenen berichten falsch dargestellt wurde. so sei zum beispiel von eigentumswohnungen nie die rede gewesen, man sei sogar bereit, dies vertraglich zuzusichern. daraufhin erklärte ein anwohner, dass es für die meisten bürger überhaupt keine rolle spiele, ob dort nun eigentumswohnungen oder wohnungen zu hochpreismieten entstünden.
ein weiterer aspekt, mit dem euroland zu punkten versuchte, war der „biosupermarkt“. im laufe der veranstaltung wurde der „biosupermarkt“ fast zu einer art running gag.
bei der stadtteilkonferenz im september hatte ein anwohner als spontane idee für die erdgeschossnutzung des neubaus einen biosupermarkt vorgeschlagen und daraus machte euroland nun gewissermassen das hauptglied ihrer argumentationskette: sie wollten einen biosupermarkt, wir setzen das für sie um – wie sie sehen, hören wir auf sie, also was wollen sie denn jetzt noch?!
es seien sogar bereits gespräche mit potenziellen betreibern geführt worden und sei zu dem schluss gekommen, dass man an diesem ort so etwas profitabel betreiben könne.
doch so aufmerksam euroland auf einen einzelnen einwurf wie „biosupermarkt“ hörte, so taub gab man sich auf mehrfach geäusserte aussagen wie „zu hoch“ oder „zu klotzig“.
fast jede anwohner-wortmeldung forderte einen verzicht auf ein bis zwei stockwerke. ohnehin schon schmale strassen würden verengt, gegenüber liegende gebäude verschattet, vorhandene grünfläche überbaut und verschiedene blickachse zum hafen verstellt.
aber nichtmal das nutzungskonzept schaffe für die bewohner des viertels einen erkennbaren mehrwert. weder inhaltlich noch formal nehme der geplante neubau einen echten bezug auf das viertel und die interessen der anwohner.
wenn euroland tatsächlich, wie es vorgibt, an einem guten auskommen mit den bewohnern des viertels gelegen ist, sollte es den bewohnern ein stück weit entgegenkommen und zwei oder mindestens ein geschoss niedriger zu bauen.
auf die frage „ist es denn für sie denkbar, ein geschoss weniger zu bauen?“ hiess es, die planung sei schon zu weit fortgeschritten, man müsse dann ja alles nochmal überarbeiten, das sei schlecht möglich. einen alternativ-entwurf gebe es leider auch nicht. ausserdem könne man schliesslich auch nicht jeden einzelfall berücksichtigen (bloss weil einzelne ihre schöne aussicht verlieren, könne man ja nicht ein derart komplextes projekt einfach umwerfen).
die bitte einer anwohnerin, die mehrheitliche kritik an der höhe des geplanten neubaus doch ernst zu nehmen und nicht als „einzelfälle“ kleinzureden, führte in der antwort von karsten horx auf direktem wege wieder zurück zum biosupermarkt.
ein weiteres argument der euroland-vertreter gegen eine niedrigere kubatur war die finanzierbarkeit. dies wurde bereits bei der stadtteilkonferenz diskutiert, als sich euroland um verständnis dafür bemüht hatte, dass eine gewisse größe und höhe unumgänglich sei. man habe das grundstück zu einem sehr hohen preis erworben und irgendwie müsse das geld schliesslich auch wieder reinkommen.
was bei dem „werkstattgespräch“ allerdings ans licht kam war die nicht ganz nebensächliche information, dass euroland noch gar nicht die gesamte fläche gehört, auf der sie zu bauen planen. um so bauen zu können wie geplant, muss euroland noch grund und boden von der stadt hinzu kaufen und ist darauf angewiesen, dass die stadt ihr dabei preislich entgegen kommt. tut die stadt dies nicht würde das projekt möglicherweise scheitern.
mit 50% gefördertem wohnraum und der wohnraum-für-menschen-mit-behinderung-trumpfkarte hofft euroland nun die stadt in eine lage zu bringen, in der sie ihnen entgegen kommen muss.
vor diesem hintergrund erschien die diskussion um die höhe in korrelation zur finanzierbarkeit natürlich in einem ganz neuen licht. ein anwohner meldete sich zu wort und fragte, wieso es eigentlich die bürger ausbaden müssten, wenn ein investor zuviel geld für ein grundstück ausgegeben habe. es sei doch bedenklich, dass selbst wenn die stadt den investoren entgegen käme, indem sie den hinzukauf von billigem grund ermögliche, eine optimale geschossflächennutzung trotzdem nur durch eine maximal hohe bebauung erzielt werden kann. eine bauhöhe, die in dieser höhe im viertel bisher noch gar nicht möglich war und nur durch änderung der bebauungspläne (derzeit ausgewiesen als grünfläche) möglich würde.
im laufe der diskussion wurde die befürchtung geäussert, dass sich möglicherweise niemand „traue“ ein projekt, das günstigen wohnraum für „behinderte“ schaffe, zu kritisieren. sogesehen sei ein wohnkonzept für menschen mit behinderung und ältere mitbürger auch als eine form von erpressung wahrnehmbar.
an die anwesenden politiker wurde der vorwurf gerichtet, dass die stadt bisher kaum ernsthaft an der förderung solchen wohnraums für menschen mit behinderung interessiert gewesen sei, da die potenziale für solche projekte in der nahegelegenen hafencity noch nicht mal ansatzweise ausgeschöpft wurden. auch in der „neuen mitte“ von altona sei bisher von solchem geförderten wohnraum nichts zu erkennen.
nichts spreche gegen die vergabe von 50% der §5-schein-wohnungen an einen behindertenverband, aber der bedarf des hafenviertels könnte diesen geförderten anteil des neubaus ebenfalls problemlos füllen. schliesslich benötigen nicht nur die allerärmsten in unserer gesellschaft hilfe, sondern auch die "ein-bisschen-armen" oder kinderreiche familien.
nicht ganz so klug wie die diskussionsbeiträge aus dem publikum waren die des GAL-fraktionsvorsitzenden michael osterburg. dieser schien auch ausgesprochen verständnislos für die mehrheitliche ablehnung der 7 geschosse und machte aus seiner begeisterung für das projekt und die firma euroland keinen hehl.
einzelnen gespächsbeiträgen aus dem publikum zu folgen ist sicher auch nicht so einfach, wenn man während der gesamten diskussion an seinem i-phone und i-pad rumdaddelt oder kaffee holen ist, dass der GAL-mann sich aber nichtmal die mühe machte, aufzuschauen, als ein teilnehmer der veranstaltung die anwesenden politiker direkt ansprach, war schon etwas irritierend.
die herablassung mit der er das anwesende publikum zurecht wies: „sie wollen keinen biosupermarkt, keine landkarten, keine gastronomie – langsam müssen sie sich aber schon mal überlegen, was sie eigentlich wollen!“ war ebenfalls erstaunlich.
immerhin sorgte er auch für einen guten lacher als er das publikum belehrte, dass man sich doch freuen könne, wenn auf diese weise auch mal menschen mit behinderung einen elbblick bekämen.
was herr osterburg hierbei übersah war, dass sich der geförderte wohnraum nur über die unteren stockwerke erstrecken soll, während der elbblick nur menschen mit entsprechendem einkommen vorbehalten sein wird. andererseits gibt es natürlich auch menschen mit behinderung und vermögen, vielleicht meinte er ja die.
osterburg schien die interessen der anwohner vor allem lächerlich, egoistisch und allgemein ignorierenswert zu halten. man fragte sich, ob osterburg hinter irgendeiner unsichtbaren karotte herrennt, die ihm euroland vor die nase hält, ob er euroland einfach so knorke findet oder ob ihm bürgerbeteiligung einfach grundsätzlich zuwider ist.
euroland dagegen meint es tatsächlich ernst mit der bürgerbeteiligung. man will auf jeden fall den eindruck vermeiden, dass man an den interessen der bürger vorbei agiere. allerdings ist die vorstellung von bürgerbeteiligung bei euroland eine etwas andere als bei den betroffenen: euroland möchte die bürger von ihren plänen überzeugen, die bürger möchten die pläne ändern und die negativen auswirkungen auf das viertel möglichst gering halten.
der anschein von bürgerbeteiligung und akzeptanz ist natürlich auch enorm wichtig für die weiteren verhandlungen von euroland mit der stadt und der verwaltung. er ist neben den 50% geförderten wohnraum und der (angeblichen) verbesserung der s-bahn-eingangssituation das pfund mit dem euroland in den verhandlungen zu wuchern gedenkt.
es bleibt zu hoffen, dass zumindest ein paar der anwesenden vertreter der verwaltung und der politik anders gestrickt sind als michael osterburg und das, was die anwohner erstaunlich sachlich vorgetragen haben, ernstnehmen und mit in die weiteren verhandlungen mit euroland einbringen. schenkt man den worten des SPD-vertreters arik willner und des leiters des zuständigen stadtplanungsamts michael mathe glauben, könnten die verhandlungen für euroland komplizierter als erwartet verlaufen.
crosspost von katiakelm.de. dort bitte auch kommentieren, falls nötig.
letzte woche dienstag fand das zweite von mir besuchte und von der telekom organsierte „telegraphen lunch“ statt. das angekündigte thema lautete: „Scheuklappen im Netz – Übernehmen Algorithmen die Kontrolle über unser Wissen?“
das tatsächlich diskutierte thema war dann suchmaschinen-regulierung, ja oder nein. die beiden diskutanten, oder „impulsgeber“, wie die telekom das nennt, waren der google-lobbyist max senges, der auf seinem blog schwierigkeiten zeigt, zwischen den worten „disclaimer“ und „disclosure“ zu unterscheiden und als impuls eine von ihm erstellte mindmap besprach, und der die-welt-journalist ulrich clauß.
bei seinem vortrag erwähnte senges eine menge wohl-formulierte selbstverständlichkeiten und dinge die man eben von jemandem der für google arbeitet erwartet. filter und gatekeeper habe es schon immer gegeben, monopolisierung sei kein problem, da die nächste suchmaschine oder der bessere suchalgoritmus immer nur einen klick weit entfernt sei und die von eli pariser befürchtete „filter-bubble“ sei nicht zu befürchten, weil die suchalgoritmen irre komplex und selbstlernend seien.
max senges schien mir, obwohl ich dazu neigte ihm in fast jedem einzelnen punkt zuzustimmen, eine spur zu defensiv und argumentativ flach. argumentativ holte ulrich clauß ganz weit aus, leider so weit, dass ihm kaum noch jemand folgen konnte, wie spätere nachfragen aus dem publikum zeigten. er verbrachte grosse teile seines impulsvortrags damit, die filter-bubble-theorie von pariser noch weiter zu intellektualisiern, was bei mir zeitweise zu schlaf-impulsen führte.
trotzdem hatte er ein paar argumente im gepäck, die nicht ganz von der hand zu weisen sind. eines lautete, dass neue, freie und unregulierte märkte fast immer zu monopolen führten — was im fall von google, facebook und dem springer-verlag nicht ganz von der hand zu weisen ist. deshalb, so forderte er, solle der suchmaschinenmarkt, genau wie jeder andere medienmarkt reguliert werden, um konzentration zu verhindern und konkurenz zuzulassen. nein, man müsse die algoritmen die bei google oder anderen suchmaschinen, medien oder gatekeepern arbeiteten nicht verstehen oder gar offenlegen — aber man müsse den wettbewerb dieser algoritmen ermöglichen. ich fand das einleuchtend, bekomme aber ganz schnell kalte füsse, wenn ich mir auch nur ansatzweise vorstelle, wie eine solche regulierung aussehen soll — und wer diese regularien formulieren soll. unser politisches system scheint mir dafür extrem ungeeignet.
im laufe der diskussion und auf antwort auf einen längeren als frage getarnten redebeitrag vom stellvertretenden vorsitzenden der internet enquete-kommission gerold reichenbach, sagte ulrich clauß (sinngemäss), dass zu jeder form von kreativität und innovation auch dazugehöre, keine ahnung von dem was man mache zu haben. was, je länger ich drüber nachdenke, auch nicht unbedingt für regulierung und bürokratisierung von suchmaschinen oder webdiensten spricht.
ich glaube künftig sollten die veranstalter sich entscheiden, ob sie „impulse“, sprich kurzvorträge oder diskussionen haben wollen. beides zusammen in diesem zeitlich etwas engen rahmen geht meiner meinung nach nicht. es würde auch nichts schaden die themen etwas schärfer oder kontroverser zu formulieren, so dass sich die diskutanten ordentlich streiten können, statt rumzuparlieren. mehr kontroverse debatte als thesenabladung mit periphärer moderatoren-anbindung.
gerettet hat die veranstaltung (natürlich) das essen und die gelegenheit 10 minuten mit kathrin passig zu plaudern.
hier ist ein blogeintrag zur veranstaltung auf dem telekom-blog, der auch mit dem folgenden filmchen verziert wurde:
Our system of law doesn't acknowledge the derivative nature of creativity. Instead, ideas are regarded as property, as unique and original lots with distinct boundaries. But ideas aren't so tidy. They're layered, they’re interwoven, they're tangled. And when the system conflicts with the reality... the system starts to fail.
die (fast) täglichen links hab ich heute beim bildblog, bzw. bei 6vor9 gepostet. das mach ich morgen auch nochmal.
von gestern mittag bis heute mittag lief wirres.net gar nicht bis holprig. mein server-vermieter (kein eigentum, kein haus, nur ne kleine wohnung in einem mehrfamilienhaus) hat den server auf dem ich mich seit fast 10 jahren eingemietet habe auf neue hardware umgezogen. das hatte auch zur folge, dass die lange angedrohte umstellung auf php5 und apache2 erfolgte. das hat leider alles nicht so toll geklappt, einerseits weil der apache auf einige alte einträge in der .htaccess-datei zickig reagierte und andererseits weil ein paar einstellungen nicht vom alten zum neuen server mitgezogen wurden. jetzt sollte alles wieder funktionieren.
theoretisch sollte jetzt auch alles etwas schneller funktionieren. ob der server allerdings so stabil ist, dass er eine erwähnung in einem tweet von @timpritlove oder @sixtus verkraftet, glaub ich noch nicht so ganz. mal schauen. vielelicht schreib ich ja mal was ausreichend interessantes um das zu testen.
Markus Rindermann hat das viel gelobte Layout der deutschen WIRED entwickelt. Er wird die Optik des Magazins auch weiterhin als Art Director verantworten.
echt? „viel gelobte Layout“? ich hatte das gefühl, die rezensionen der ersten deutschen wired ausgabe einigermassen verfolgt zu haben. im gedächnis blieb zumindest mir wenig lob für das design. was mir im gedächnis blieb war massive kritik am design, durch das der redaktionelle und der werbeteil mitunter nicht voneinander unterscheiden zu waren. ich hab also nochmal nachgesehen. eine suchanfrage nach „deutsche wired design“ ergab nicht allzuviele treffer.
Das Design stört allerorten meinen Lesefluss und beschießt mit penetrantem Aktionismus den Sinn der Texte, als hätte man Dutzenden von Freelancern gesagt: Los, macht es schön. Und schön ist es dann auch geworden. Menschen mit Sinn fürs Detail sollten einmal jeden Pfeil verfolgen und versuchen, seine Bedeutung einem Gegenüber in einer Kommunikationsform auszudrücken, die vor Internet, Buchdruck und Schrift prägend war.
viel mehr hab ich auf den ersten paar trefferseiten von duckduckgo oder google nicht finden können. also hab ich mal auf die ersten „medienreaktionen“ geschaut, die thomas knüwer damals im wired.de-blog gesammelt hat: nichts zum design bei etwas lob off the record:
Denn spätestens ab der Mitte des Heftes gewinnen Layout und Illustrationen eine gewisse Leichtigkeit, Verspieltheit und auch Übersichtlichkeit und Zugänglichkeit.
Da setzt das Heft wirklich optische Akzente. Dazwischen wunderbare Bildideen, Fotostrecken und kleine, feine inhaltliche Sprengsel […].
ein bisschen, etwas zurückhaltendes lob bei dradio wissen von thomas knüwer himselbst, nichts über design oder gestaltung in einer weiteren blattkritik bei der wuv.
stefan winterbauer meckert (zu recht) im interview mit moritz von laffert auf meedia, dass die gestaltung „die Grenzen zwischen Redaktion und Werbung“ verwische. die blattkritik von stefan winterbauer auf meedia sagt auch nichts zur gestaltung oder dem design ausser:
Man hat aber offensichtlich die Strecken so gestaltet, dass sie exakt so aussehen, wie der redaktionelle Teil.
gestalterisch trägt das heft für meinen geschmack ein bisschen zuviel ornament. möglicherweise wurde aus dem guten vorsatz opulenz im eifer des gefechts schnörkel.
die verschnörkelte heftgestaltung ist gleichzeitig irre trend-fixiert. das führt bedauerlicherweise dazu, dass zum beispiel die aktuelle lenovo-kampagne die gleiche visuelle sprache spricht, wie viele redaktionelle seiten. durch das ganze heft hinweg sind werbung und inhalt kaum voneinander zu unterscheiden.
hört sich auch nicht nach lob an. unter meiner blattkritik hab ich ein paar andere blattkritiken verlinkt. mal sehen ob da das viele lob zu finden ist. christian stöcker:
"Wired" ist auf mattes, handschmeichelndes Papier gedruckt. Man fasst das Heft gerne an.
und
Das Layout ist verspielt bis chaotisch, und wenn es auf Papier schon nicht blinken und flackern kann, dann kann man doch wenigstens an jeder zweiten Ecke noch ein kleines grafisches Element plazieren, typografische Spielereien à la M.C. Escher einbauen. Das Heft quillt über vor Fotos und teils zauberhaften Illustrationen, die Aufmachung wechselt häufig von einer Seite zur nächsten.
Das Layout hingegen ist, welch Glück, nur leicht ans Original angelehnt, nicht so zerfasert-fusselig, sondern aufgeräumt im besten Sinne, mit wohldosiertem Weißraum und einleuchtender Leserführung.
Beim ersten Blättern fallen mir – neben der guten Gestaltung – zwei Dinge negativ auf: Das Heft hat wenig Rhythmus, zu viele kleine Geschichten und letztlich keine große Geschichte, die bei mir hängenbleibt.
Der erste Teil bestehe hauptsächlich aus kleineren Elementen und Gadgets. Im zweiten Teil wirkten die deutschen Artikel eher wie in einer klassischen Zeitschrift, etwas länger als sonst bei "Wired" üblich und das Design der Seiten ist "etwas konventioneller". Wobei Engel dies begrüßt: "Denn zu viel Design macht das Magazin unübersichtlich."
möglicherweise bin ich nicht so klug, aufmerksam und belesen wie alexander von streit. aber viel mehr von dem vielen lob für das design der deutschen wired konnte ich nicht finden. vielleicht kann mir ja jemand helfen?
[nachtrag, 22:32h]
ich habe dem text noch lob hinzugefügt, das ich beim ersten durchscannen in einigen der verlinkten artikel übersehen hatte. aber viel oder gar viel uneingeschränktes lob konnte ich nicht finden. oder bin ix zu negativ?
benjamin stuckrad barre hat möglicherweise probleme von seinen honoraren zu leben. diesen eindruck kann man bekommen, wenn man beobachtet wie er mit satire und witzen die sich gegen ihn richten umgeht: indem er die hand aufhält.
im jahr 2000 klagte er (laut wikipedia und sz) vom internetportal thema1 die einen witz über ihn gemacht hatten ein „schmerzensgeld“ von 30000 DM ein. 2001 klagte er gegen die titanic, die gefakte anzeigen für die lesereise stuckrad barres mit bildern von den mördern stefan jahn und timothy mcveigh illustriert hatte (wegen der „frappierenden Frisurenähnlichkeit“).
ich habe benjamin von stuckrad barre übrigens nie „arschloch“ genannt. aber ich versteh das was ich mache und nicht mache auch nicht immer.
was ich aber auch nicht verstehe: bvsb lebt davon sich über andere leute lustig zu machen. zuletzt über jürgen fliege. warum hält er das selbst nicht aus?
abgesehen von der blödsinnigen frage und der frage warum sich fernsehsender und fernsehköche unbedingt als losverkäufer betätigen müssen (jaja, schon klar, wegen des geldes), frage ich mich ob diese preisangabe für anrufe aus dem mobilfunknetz witzig oder arschig ist.
ich poste zwar fast nie videos, aber wenn ich mal welche poste mache ich das jetzt mit einem HTML5-videoplayer. dem projekktor. das klappt in alten artikeln mit verlinkten mp4-dateien, oder per CMS eingebetteten youtube-videos. youtube-videos bei denen ich den html-einbettcode benutzt habe bleiben natürlich wie sie sind, was auch nicht schlimm ist, da sie einerseits dank eines kleinenhacks auch reaktionsfähig (responsive) sind, also immer maximal so breit wie die seite. aber die HTML5-videos sind natürlich auch responsive und per CSS-gestaltbar. das ergibt ne wunderschöne fehlermeldung, falls das eingebettete video nicht mehr da ist, zum beispiel weil watchberlin zu gemacht hat.
und zum testen, wie das beispielsweise im RSS-reader aussieht, hier ein aktueller sendung mit der maus .mp4-clip im projekktor:
und mein lieblings youtube-video:
[nachtrag 05.02.2012, 23:20]
beim eingebetteten maus-.mp4 hatte ich wohl nen fehler gemacht: das poster, also das bild das vor dem play angezeigt wird war falsch (ohne domain) referenziert. so gehts jetzt ohne auto-play. beim einbetten von youtube videos geh ix glaub ich zurück zum youtube-iframe-einbett-code. der spielt auch auf iOS-gedöns und im feed, glaub ich. oder ich bette es ohne controller-option ein, dann wird nur das poster angezeigt und drunter ist der youtube-link. ach, was weiss ich, vielleicht poste ich einfach keine videos mehr — und wenn doch hinter dem sprung, dann wirds nicht im feed angezeigt.
[nachtrag 18.02.2012]
ich habe nochmal was geändert: sowohl youtube-videos, als auch die von vimeo und die die ich per projekktor abspiele zeigen jetzt standardmässig nur das „poster“-bild an. als einfaches bild. in browsern die javascript aktiviert haben, lade ich per jquery den einbettcode nach und das video speilt per autoplay ab. browser ohne javascript werden einfach zur video-quelle weitergeleitet. das hat zwi vorteile: im RSS feed oder altertümlichen browsern wird ein bild angezeigt (das können alle browser und feedreader), alle anderen sehen das eingebettete video. der andere vorteil ist, dass die einbettcodes oder der flash-player erst separat aktiviert werden, also nicht beim pageload laden. damit telefoniert der browser des besuchers nicht unaufgefordert zu youtube, vimeo oder sonstwem.
auch das poster bild wird nicht direkt bei youtube oder vimeo abgeholt, sondern bei mir zwischengespeichert und mit einem play-button versehen. ich finde die lösung jetzt beinahe optimal.
wir haben jetzt einen dörrautomaten. darin kann man einen sack in geschälte und in scheiben geschnittene äpfel legen, 8 stunden laufen lassen und danach eine tupperschüssel getrocknete apfelschiben rausholen. lässt man sie 12 stunden drin, hat man apfelchips. 24 stunden bei 500 watt kosten ca. einen euro strom, das kommt am ende billiger als trockenobst im laden zu kaufen. und dörren kann man wirklich alles: tomaten, fruchtmus (ergibt fruchtgummi), ananas — und alles ist lecker. die anschaffung des jahres.
ich weiss nicht, bin ich zu doof zum iphone-twittern oder ist das ein bedienungsfreundlichkeitsproblem? wahrscehinlich beides. wieder einen tweet ins falsche account abgesetzt und ausserdem vertippt. also den witz nochmal hier, korrekt verdingst:
winter ist die zeit im jahr, wo man das bier in den kühlschrank tut, ums warm zu halten.
kürzlich lief das kind an der bullerei, dem restaurant von tim mälzer vorbei. tim mälzer stand draussen. das kind rief ihm zu, dass sein stiefvater hin und wieder nach seinen rezpten koche und das das sehr lecker sei. das kind meinte, dass mälzer eher genervt reagiert hat: „er hat nur irgendwas unfreundliches gegrummelt. jaja, oder so. vielleicht hat er gemerkt, dass ich ein bisschen betrunken war.“
aber recht hat das kind. fats alles was ix von mälzer nachkoche schmeckt. ausser wenn kein fleisch, zuviel gemüse oder tofu im essen sind. wenn ich mal was koche was nicht schmeckt, sagt die beifahrerin jetzt immer: „nicht von mälzer, oder?“
ich habe bei typekit mal ein account angelegt und dort die brevia von hannes von döhren ausgewählt/abonniert. die schrift ist schon etwas kompakter als die helvetica neue die ich zuerst als brotschrift ausgewählt hatte, ich hab sie aber noch einen ticken kleiner gemacht. auch die überschriften sind jetzt statt futura in brevia semibold gesetzt.
zuerst war ich kurz davor die ganze site mit der futura zu setzen. ich mag die futura ja sehr gerne, aber ich glaube dann hätte ich mir einiges von wegen lesabrkeit und so anhören können:
ein auge hatte ich auch auf die camingodos von jan fromm geworfen. sie ist der brevia gar nicht mal so unähnlich, hat aber weniger auffälligkeiten. die beifahrerin fand sie auf den ersten blick „zu glatt“. die brevia hat ein abgefahrenes, irritierendes kleines k, das g mag ich auch, auch wenn es unterstrichen nicht so super aussieht. auch die brevia-zahlen mag ich lieber. in der engeren auswahl war auch die gesta von rui abreu. der setzt sie auch auf seiner website als brotschrift ein und ich mag vor allem die buchstaben die unten rausragen (j, y, p und g).
jetzt bin ich mal gespannt, ob die brevia mich irgendwann anfängt zu nerven und vor allem wie das mit typekit funktioniert. typekit liefert die fonts von deren server, angeblich für alle betriebsysteme und browser. zumindest auf iOS funktioniert das ganz gut.
[die schrift und die grösse für die kommentare wird von echo festgelegt. ich habe eben mal probiert sie mit der brevia auszutauschen, das sah aber nicht so toll aus. deshalb lasse ich die kommentar-schrift auf der standard-einstellung, auch wenn das im gegenteil zu den anderen schriften etwas mikrig aussieht.]