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push und pull

felix schwenzel in artikel

nicht mal die bei­fah­re­rin liest mei­ne wet­ter-re­zen­sio­nen. ich füh­le mich mit dem ins-netz-schrei­ben wie­der wie vor 20 jah­ren. wie anke grö­ner das seit 100 jah­ren in ih­rem blog­kopf ste­hen hat: „blog like no­bo­dy’s wat­ching“. oder wie ich es sa­gen wür­de: blog­gen als selbst­be­frie­di­gung, schreib­übung und welt- und wahr­neh­mungs-ver­dau­ungs­hil­fe.


mit blog­soft­ware ins in­ter­net zu schrei­ben (blog­gen), wird ja schon lan­ge, im­mer wie­der mit neu­en grün­den, tot­ge­sagt. in den frü­hen zwei­tau­sen­dern war push statt pull das gros­se ding, in den frü­hen zwei­tau­send­zeh­nern wa­ren es die so­zia­len netz­wer­ke (twit­ter, face­book), die dem blog­gen den to­des­stoss ver­lie­hen und heu­te sind news­let­ter der gros­se, heis­se scheiss. kürz­lich wur­de mir, aus grün­den die mir schon wie­der ent­fal­len sind, der news­let­ter von lo­renz ma­roldt emp­foh­len. der ist wirk­lich le­sens­wert und schön rot­zig ge­schrie­ben. so­gar wenn lo­renz ma­roldt von ste­fan ja­cobs ver­tre­ten wird, wie vor drei ta­gen. da fing der news­let­ter so an:

Die Zei­ten wer­den im­mer ver­wir­ren­der: Wird Air Ber­lin ara­bisch oder ita­lie­nisch? Wer­den die Mars-Rie­gel nun zu­rück­ge­ru­fen, weil in ei­nem Kunst­stoff drin war oder weil er in den an­de­ren fehlt? Und ge­lingt mit den Rie­geln die En­er­gie­wen­de oder wer­den sie in je­ner Ge­gend zwi­schen Ber­lin und Böh­men ver­klappt, von der der lo­ka­le CDU-Ge­ne­ral Kret­schmer sagt, das sei „nicht Sach­sen“, und sein MP Til­lich, das sei­en „kei­ne Men­schen“? Das Kar­rie­re­ba­ro­me­ter für Geo­gra­fen, Bio­lo­gen und Le­bens­mit­tel­che­mi­ker steigt. Und der Säxit scheint at­trak­ti­ver denn je.

al­les wun­der­bar, na­he­zu lehr­buch­haft. aber wei­ter­ge­le­sen hab ich dann nicht. mein email-ein­gangs­fach läuft mor­gens über, mit gut ge­mach­ten, mit le­se­stoff und links voll­ge­pack­ten news­let­ter­mails, aber über die ers­te sei­te die­ser mails, kom­me ich mitt­ler­wei­le nur noch sel­ten hin­aus. an­de­rer­seits: auch mein RSS-ree­der quillt der­zeit über, aber im­mer­hin lese ich den im­mer noch in der bahn, vorm ein­schla­fen und vorm auf­ste­hen. kann na­tür­lich auch sein, dass ich ge­ra­de in ei­ner we­nig-lese-pha­se bin, aber news­let­ter sind ge­ra­de echt schwer un­ter­zu­brin­gen in mei­nem le­se­fluss.


wir­res hat üb­ri­gens als news­let­ter an­ge­fan­gen, vor über 14 jah­ren. statt mei­nen freun­den ein­zel­ne mails oder brie­fe zu schrei­ben, hat­te ich mir da­mals™ über­legt, dass so eine sam­mel­mail doch ne su­per idee sei. ich glau­be den meis­ten emp­fän­gern, die dem emp­fang der sam­mel­mail üb­ri­gens nicht ex­pli­zit zu­ge­stimmt hat­ten, ging es da­mals schon so, wie mir jetzt: wer soll das denn (wann) al­les le­sen?

ya­hoo hat­te da­mals ein werk­zeug am start, mit dem die ver­wal­tung der abos, der ver­sand und die ar­chi­vie­rung wirk­lich ein­fach funk­tio­nier­ten. nach ein paar jah­ren wur­de der dienst ein­ge­stellt, ir­gend­wann wur­de er dann wie­der re­ak­ti­viert. je­den­falls sind die samm­e­le­mails alle noch im ar­chiv vor­han­den.


auf eine be­stimm­te art bin ich froh, bei dem was ich hier ma­che, nicht dar­über nach­den­ken zu müs­sen, ob das je­man­dem ge­fällt oder in­ter­es­siert. in der re­gel reicht es, dass es mich in­ter­es­siert oder dass es mir hilft, sa­chen bes­ser zu ver­ste­hen oder im blick zu be­hal­ten, wenn ich sie auf­schrei­be und wich­te.

ich wie­der­ho­le das ge­bets­müh­len­ar­tig seit jah­ren: ich bin froh, nicht von dem le­ben zu müs­sen, was ich ins netz schrei­be. ich muss mei­ne sei­ten­an­sich­ten nicht nach oben jazzen, in­dem ich auf ir­gend­et­was op­ti­miert schrei­be. ich muss kei­ne er­war­tun­gen er­fül­len und tex­te auf kei­ne ziel­grup­pe op­ti­mie­ren. ich mer­ke zwar, dass es im­mer wie­der über­schnei­dun­gen zwi­schen mei­nen in­ter­es­sen und de­nen ei­nes grös­se­ren pu­bli­kums gibt und man­che the­men bes­ser an­kom­men als an­de­re. aber ich muss nichts zu­spit­zen oder ag­gres­siv be­wer­ben, weil ich aus­ser mei­ner le­bens­zeit, kaum kos­ten de­cken muss. wenn ich zu­spit­ze, dann weil ich bock drauf habe oder zu faul zum dif­fe­ren­zie­ren oder zu­en­de-den­ken bin. wenn ich auf­trä­ge für wer­be­ar­ti­kel an­neh­me, ma­che ich das nur, wenn mir das pro­dukt oder das the­ma zu­sagt oder ich glau­be dass es zu mir passt. ich grei­fe die po­si­tio­nen von an­de­ren nicht an, um le­ser­mas­sen zu len­ken oder auf­merk­sam­keit zu er­zeu­gen, son­dern um mir per­sön­li­che sa­tis­fak­ti­on zu ver­schaf­fen.

was mir aber die gröss­te be­frie­di­gung ver­schafft, sind die tech­ni­schen mög­lich­kei­ten, die sich mir hier öff­nen. ich kann mit tech­no­lo­gien ex­pe­ri­men­tie­ren und de­ren aus­wir­kun­gen be­ob­ach­ten. so weiss ich jetzt, dass man ver­öf­fent­lich­te ar­ti­kel in­ner­halb von we­ni­gen mi­nu­ten auf goog­le such­ergeb­nis­sei­ten hie­ven kann. ich weiss wie man struk­tu­rier­te da­ten ein­set­zen kann, um such­ergeb­nis­se bun­ter er­schei­nen zu las­sen oder aus ar­ti­keln über­sichts­land­kar­ten bau­en kann. ich habe ge­lernt, wie man re­ak­tio­nen aus so­zia­len netz­wer­ken ein­fan­gen kann oder wie man aus dem ei­ge­nen blog her­aus bei an­de­ren leu­ten kom­men­tie­ren kann.


die bes­te idee, die ich seit lan­gem hat­te, war alle fern­seh­sen­dun­gen oder fil­me, die ich sehe, mit ein paar ein­drü­cken auf­zu­schrei­ben. das ist mit­un­ter ner­vig und an­stren­gend und in­ter­es­siert eher we­ni­ge, aber es hat mich dar­an er­in­nert, war­um ich über­haupt an­ge­fan­gen habe zu blog­gen: zu ver­su­chen das ei­ge­ne le­ben nicht ein­fach vor­bei­rau­schen zu las­sen, son­dern den ei­nen oder an­de­ren mo­ment fest­hal­ten, dar­an zu knab­bern, ihn aus ver­schie­de­nen per­spek­ti­ven zu be­trach­ten und auf­zu­schrei­ben, fest­zu­hal­ten, zu fo­to­gra­fie­ren oder zu fil­men. dass ge­nau das dazu führt, dass das ei­ge­ne le­ben noch schnel­ler an ei­nem vor­bei­zieht und ich noch we­ni­ger zeit habe, ist ein ne­ben­ef­fekt mit dem ich le­ben kann. auch weil das gan­ze dann doch hin und wie­der den ef­fekt hat, dass es an­de­re in­spi­riert oder an­de­ren hilft oder auf neue sicht­wei­sen bringt. und ne­ben all der selbst­be­frie­di­gung und ver­dau­ungs­hil­fe mit der ich mein „blog like no­bo­dy’s wat­ching“ wei­ter oben ra­tio­na­li­siert habe, sind die­ser ge­le­gent­li­che zu­spruch, feed­back oder über­haupt das an­se­hen mei­ner aus­wür­fe, na­tür­lich auch mo­ti­vie­rend und be­frie­di­gend.


ei­gent­lich hat­te ich die­sen ar­ti­kel an­ge­fan­gen, um über die alte push vs. pull de­bat­te nach­zu­den­ken. das ist mir of­fen­sicht­lich nicht wirk­lich ge­lun­gen. aber seit den frü­hen news­let­ter-ta­gen von wir­res, bin ich ge­gen­über push-mo­del­len skep­tisch. mein vor­herr­schen­des ge­fühl ist: ich will mich ei­gent­lich nicht auf­drän­gen. auch weil ich eben weiss, dass nicht al­les was ich auf­schrei­be, je­den in­ter­es­siert. oder um­ge­kehrt, weil ich mich the­ma­tisch oder kon­zep­tio­nell nicht fest­le­gen möch­te. des­halb wird es auf ab­seh­ba­re zeit auch kei­nen re­gel­mäs­si­gen news­let­ter von mir ge­ben. wer sich für mei­ne the­ma­ti­sche wun­der­tü­te in­ter­es­siert kann mir auf twit­ter oder face­book fol­gen oder mich per RSS abon­nie­ren (zum bei­spiel mit feed­ly) oder von mir aus auch die mi­cro­for­ma­te die­ser sei­te par­sen.

trotz mei­ner re­ser­viert­heit ge­gen­über dem push-kon­zept, habe ich in den letz­ten mo­na­ten ein biss­chen dar­über nach­ge­dacht, wie eine mo­bi­le wir­res.net-app aus­se­hen könn­te. in mei­ner vor­stel­lung müss­te sie ei­gent­lich nur eins kön­nen: den haupt­feed oder ein­zel­ne ka­te­go­rie-feeds abon­nier­bar ma­chen und bei neu­en ar­ti­keln eine be­nach­rich­ti­gung an­zei­gen, bei de­ren aus­wahl man auf dem ar­ti­kel lan­det. na­tür­lich kön­nen das be­reits un­zäh­li­ge RSS-rea­der-apps, aber sie ver­lan­gen im­mer noch ein ge­wis­ses tech­ni­sches grund­ver­ständ­nis, bzw. ein ex­pli­zi­tes abon­nie­ren: down­load und in­stal­lie­rung der app, app star­ten, feed ein­ge­ben oder su­chen, abon­nie­ren. feed­ly hat das be­reits mit links wie die­sem re­la­tiv rei­bungs­los ge­macht, aber auch feed­ly ver­langt vor dem abo zu­erst eine an­mel­dung bei feed­ly, die man dann nach der in­stal­la­ti­on der feed­ly-app auf dem mo­bil­te­le­fon noch­mal durch­füh­ren muss.

ich fand die idee reiz­voll ein­fach ei­nen app-down­load an­bie­ten zu kön­nen, in dem das abon­ne­ment be­reits vor­ein­ge­stellt ist und dass sonst kei­ner­lei klicks oder in­ter­ak­tio­nen mehr nö­tig sind. sub­scri­be by down­load, so­zu­sa­gen.

tech­nisch geht das in der theo­rie al­les pro­blem­los; ein­fach eine app bau­en die RSS par­sen kann, app-icon ein­stel­len, eine be­nach­rich­ti­gungs­funk­ti­on und viel­leicht noch eine lis­te, mit den letz­ten ar­ti­keln. wenn die app pubsub­hub­bub ver­stün­de, könn­te sie auch au­gen­blick­lich be­scheid sa­gen, wenn das abon­ne­ment ak­tua­li­siert wur­de.

es gibt nicht we­ni­ge an­bie­ter, die für so et­was white-la­bel-lö­sun­gen an­bie­ten, bei de­nen man sich qua­si eine app zu­sam­men­kli­cken kann. sol­che apps las­sen sich dann per rss füt­tern und zei­gen eine über­sicht der ver­öf­fent­lich­ten ar­ti­kel an. ich fand die er­geb­nis­se die­ser app-bau­sät­ze aber alle sehr un­be­frie­di­gend. alle, die ich aus­pro­bier­te, hat­ten zu viel vi­su­el­len bal­last und of­fen­sicht­li­che tech­ni­sche schwä­chen.

ich habe mir auch ein paar open­so­ur­ce lö­sungs­an­sät­ze an­ge­se­hen, aber ge­nau das, was ich mir vor­stel­le, hab ich (na­tür­lich) nicht ge­fun­den. aber wäre das nicht toll, wenn es ei­nen ge­ne­ri­schen app-bau­satz gäbe, den man auf sein blog, bzw. sei­nen feed, kon­fi­gu­rie­ren könn­te, kom­pi­lie­ren und im app-store ein­rei­chen könn­te?

ist die app in­stal­liert, macht sie nichts an­de­res als den be­nut­zer zu be­nach­rich­ti­gen, wenn der abon­nier­te feed neue ein­trä­ge auf­weist (ein klick öff­net die sei­te im brow­ser), wenn man den feed, das abon­nier­te blog, nicht mehr le­sen möch­te, löscht man ein­fach die app. kei­ne auf­wän­dig ge­r­en­der­ten ar­ti­kel­über­sich­ten in der app, kei­ne ver­hunz­ten le­se­an­sich­ten, ein­fach nur eine be­scheid-app pro abo oder blog für das man sich in­ter­es­siert. so könn­te ich mich auch mit push an­freun­den.


bet­ter call saul s02e02 (cob­bler)

felix schwenzel in gesehen

ich muss lei­der sa­gen, dass ich saul good­man in brea­king bad nie moch­te. ich war, na­tür­lich, ein mike-fan. die ers­te staf­fel bet­ter call saul hat aber gute ar­beit ge­leis­tet, um jim­my mc­gill in­ter­essanz und mensch­lich­keit zu ver­lei­hen. jetzt mag ich jim­my mc­gill aka saul good­man na­tür­lich (auch) sehr. aber ich bin im­mer noch ein gros­ser mike-ehrm­an­traut-fan. al­lein das stoi­sche ge­sicht von jo­na­than banks kann ich mir stun­den­lang an­se­hen. und in die­ser fol­ge konn­te man wie­der sehr viel von die­sem zer­furch­ten ge­sicht se­hen.

der grund war­um ich so ein gros­ser mike-ehrm­an­traut-fan bin, ist na­tür­lich, dass er, be­reits in brea­king bad, ei­ner der we­ni­gen cha­rak­te­re war, die noch alle bei­sam­men ha­ben und er (fast im­mer) die si­tua­tio­nen, in de­nen er steckt, rich­tig ein­schätzt. und ge­nau da­bei kann man ihn in die­ser (und der letz­ten) fol­ge wie­der be­ob­ach­ten: si­tua­tio­nen rich­tig ein­schät­zen und din­ge in ord­nung brin­gen.

aber auch jim­my mc­gill lief in die­ser fol­ge wie­der zu höchst­form auf und fand ganz of­fen­sicht­lich grös­se­ren ge­fal­len an prak­ti­zier­ter mo­ra­li­scher fle­xi­bi­li­tät, als am drö­gen le­ben als fest­an­ge­stell­ter an­walt. der job in der kanz­lei ödet ihn ganz of­fen­sicht­lich an, auch wenn er erst­mals et­was (fra­gi­le) an­er­ken­nung in sei­nem job als ehr­li­cher an­walt ab­be­kommt.

aber als mike ihn an­ruft um den tol­pat­schi­gen me­di­ka­men­te-dea­ler aus der po­li­zei-fal­le, in die er sich in der letz­ten fol­ge ma­nö­vriert hat, zu be­frei­en, läuft jim­my mc­gill wie­der zu höchst­form auf — und man merkt auch bob oden­kirk an, dass es ihm spass macht je­man­den zu spie­len, der sich spon­tan lus­ti­ge na­men für ab­we­gi­ge und anal fi­xier­te sex­prak­ti­ken aus­denkt. ich bin si­cher, dass der ho­bo­ken squat cob­bler bald auch ein ech­tes ding sein wird, wenn man in zwei bis drei wo­chen noch­mal da­nach goo­gelt. aus­ser­dem ler­nen wir, dass sto­rytel­ling nicht nur im jour­na­lis­mus und beim ver­kau­fen wich­tig ist, son­dern ganz be­son­ders auch im um­gang mit der po­li­zei.

die un­sym­pa­thi­sche und ner­vi­ge sei­te von jim­my mc­gill/saul good­man, die mich in brea­king bad schon nerv­te, schien in die­ser fol­ge aber auch noch­mal durch. den neue (fir­men) wa­gen, muss er sich na­tür­lich vor dem sa­lon über­ge­ben las­sen, in dem er jah­re­lang sein büro im hin­ter­zim­mer hat­te. das ist die kin­di­sche arsch­loch­sei­te von ihm, an der er ganz of­fen­sicht­lich den rest der staf­fel hart wei­ter ar­bei­ten wird und sich mehr und mehr von sei­ner kol­le­gin und lieb­schaft kim wex­ler ent­frem­den wird (ganz zau­ber­haft üb­ri­gens ge­spielt von rhea see­horn). kim ist, wie mike, eine der we­ni­gen per­so­nen in der se­rie, die noch alle bei­sam­men ha­ben und durch und durch ehr­lich, loy­al und zu­ver­läs­sig ist.

je­den­falls hab ich die­se fol­ge wie­der sehr ger­ne ge­se­hen und gebe wie­der vier punk­te. ich bin ziem­lich si­cher es kom­men in die­ser staf­fel noch fol­gen, die fünf punk­te ver­die­nen.

(auf net­flix ge­se­hen)


Machts doch sel­ber! (t3n 43)

felix schwenzel in t3n

Als ich noch re­la­tiv jung war, war ich der fes­ten Über­zeu­gung, dass Alt­sein das Schreck­lichs­te auf der Welt sei. Alte Men­schen schnauz­ten ei­nen im Bus an, wenn man auf den fal­schen Plät­zen saß, vie­le mei­ner Ver­wand­ten, die ich im­mer als sehr alt emp­fand, kri­ti­sier­ten mei­ne Fri­sur, die an­geb­lich zu en­gen Ho­sen, die ich trug oder wie ich be­stimm­te Sa­chen aus­drück­te oder tat („das sagt/tut man nicht!“).

Ich fand die meis­ten al­ten Men­schen in mei­nem Um­feld zwar nett, aber auch — auf eine Art — be­mitt­lei­dens­wert. Die alte Dame, zu der ich bei uns im Haus im­mer zum Fern­se­hen ging (wir hat­ten da­mals kei­nen ei­ge­nen Fern­se­her), war im­mer al­lei­ne, er­zähl­te stän­dig die glei­chen Sa­chen aus ih­rer Ju­gend und schau­te abends Mu­si­kan­ten­stadtl.

Mein Ein­druck vom Al­ter war: wer alt ist, ver­steht die zeit­ge­nös­si­sche Welt nicht mehr und ten­diert zur Un­freund­lich­keit und Bes­ser­wis­se­rei.

Dass ich im Üb­ri­gen auch nichts ver­stand und mein Welt­bild, wie die meis­ten (jun­gen) Men­schen, aus an­ek­do­ti­schem Wis­sen kon­stru­ier­te, merk­te ich ei­nes Abends vor dem (mitt­ler­wei­le ei­ge­nen) Fern­se­her. Dort wur­de ein sehr al­ter Mann por­trai­tiert. Der alte Mann, ich glau­be er war Phi­lo­soph, sag­te vie­le sehr klu­ge Sa­chen, war auf­ge­weckt und schnell, ganz an­ders als die al­ten Men­schen, die ich bis­her kann­te. Zum ers­ten Mal sah ich ei­nen al­ten Men­schen, der im Al­ter of­fen­bar klü­ger und nicht doo­fer ge­wor­den war und ver­lor auf ei­nen Schlag mei­ne ge­ne­ri­sche Angst vor dem Alt­wer­den. Ich ver­stand, dass der Cha­rak­ter und die Fä­hig­kei­ten ei­nes Men­schen nicht pri­mär mit dem Al­ter zu­sam­men­hän­gen.

Bis heu­te glau­be ich, dass ein na­tür­li­ches Ver­hält­nis zu Tech­no­lo­gie, In­no­va­ti­ons­fä­hig­keit oder bren­nen­de Neu­gier kei­ne Fra­ge des Al­ters sind, son­dern der Hal­tung. Oder an­ders ge­sagt: Neu­gier­de und Ri­si­ko­freu­de kom­men bei neu­gie­ri­gen und ri­si­ko­freu­di­gen Men­schen auch im hö­he­ren Al­ter vor. Ab­ge­se­hen da­von: Un­ter ekla­tan­tem Man­gel an Neu­gier, Un­ter­neh­mens­lust, Ri­si­ko­freu­de oder tech­ni­schem Ver­ständ­nis lei­den auch vie­le ju­gend­li­che Men­schen.

Zu­ge­ge­ben, jun­ge Men­schen ler­nen bes­ser und schnel­ler und las­sen sich nicht so sehr von Kon­ven­tio­nen auf­hal­ten — das aber vor al­lem, weil sie die Re­geln noch nicht ge­lernt ha­ben und oft über eine ge­wis­se grö­ßen­wahn­sin­ni­ge Ri­si­ko­be­reit­schaft ver­fü­gen.

Ge­sell­schaft­lich tun wir al­ler­dings al­les, um Men­schen, egal ob jung oder alt, ih­ren Grö­ßen­wahn und ihre Ri­si­ko­freun­de aus­zu­trei­ben. Ge­gen den Strom zu schwim­men, Ri­si­ken ein­zu­ge­hen, Din­ge an­ders zu ma­chen als bis­her, Feh­ler ma­chen, das ist über­all schwer, aber in Deutsch­land ganz be­son­ders; hier lie­ben wir den ge­mein­sa­men Nen­ner und die Ri­si­ko­ab­si­che­rung. Das Schul­sys­tem ist dar­auf aus­ge­rich­tet, der In­dus­trie und dem Mit­tel­stand gut aus­ge­bil­de­ten und an­ge­pass­ten Nach­wuchs zu lie­fern, der sich pro­blem­los in vor­han­de­ne Pro­zes­se in­te­grie­ren lässt. Er­folg mes­sen wir im­mer noch am liebs­ten an der Höhe der Ge­halts­ab­rech­nung und an der Si­cher­heit des Jobs.
Wür­den wir in un­se­rer Ge­sell­schaft das An­ders­ar­ti­ge, das Un­ge­wohn­te oder die Un­an­ge­passt­heit mehr schät­zen und för­dern, müss­ten wir nicht mehr all un­se­re Hoff­nun­gen dar­auf set­zen, dass die auf­be­geh­ren­de Ju­gend es wagt, die Kon­ven­tio­nen zu durch­bre­chen und Neu­es schafft.

Ab­ge­se­hen da­von ha­ben wir durch­aus die Fä­hig­keit, ge­le­gent­lich das An­ders­ar­ti­ge, Un­kon­ven­tio­nel­le oder vom Ge­wohn­ten Ab­wei­chen­de zu schät­zen: so­bald et­was so er­folg­reich ist, dass es im Main­stream an­ge­kom­men ist. Neu­es kann nach die­ser Her­den­lo­gik nur gut sein, wenn es alle in­ter­es­sant oder nütz­lich fin­den oder es alle Kur­ven des Gart­ner Hype-Zy­klus durch­lau­fen hat und in min­des­tens drei Ja­mes Bond-Fil­men pro­dukt­plat­ziert wor­den ist (sie­he auch → Jet­pack).

Wir schät­zen le­dig­lich das Ende des We­ges, ob­wohl wir ge­le­gent­lich auch den Weg selbst wert­schät­zen soll­ten, in­klu­si­ve der un­ver­meid­li­chen Miss­erfol­ge und Fehl­trit­te. Vor al­lem soll­ten wir uns auch hin und wie­der selbst auf die­sen Weg wa­gen. Statt­des­sen pro­ji­zie­ren wir den po­ten­zi­el­len Er­folg auf ein­zel­ne ju­gend­li­che Senk­recht­star­ter oder ver­göt­tern die, die am Ende des We­ges ste­hen.

Nicht der Weg ist das Ziel, son­dern die Auf­bruchs­freu­de.


black mir­ror s01e01 (the na­tio­nal an­them)

felix schwenzel in gesehen

black mir­ror ist eine bri­ti­sche sci­ence-fic­tion-se­rie, die im de­zem­ber 2011 erst­mals in gross­bri­ta­ni­en aus­ge­strahlt wur­de. al­ler­dings spielt die ers­te fol­ge nicht wirk­lich in der zu­kunft, son­dern im jetzt. das „ver­damm­te“ in­ter­net (zi­tat des fik­ti­ven bri­ti­schen pre­mier­mi­nis­ters mi­cha­el cal­low) funk­tio­niert in der ers­ten fol­ge be­reits so wie heu­te, näm­lich als hoch­ef­fek­ti­ve brut­zel­le von kon­troll­ver­lust. die­se fol­ge, de­ren ge­schich­te nach 43 mi­nu­ten spiel­zeit ei­nen ab­schluss fin­det, zeigt ei­nen mög­li­chen um­gang mit die­sem kon­troll­ver­lust. zu­min­dest ist das eine in­ter­pre­ta­ti­ons­wei­se.

ohne zu viel über die ers­te fol­ge zu ver­ra­ten, kann man die ge­schich­te kurz mit den wor­ten der wi­ki­pe­dia zu­sam­men­fas­sen (den wi­ki­pe­dia-link nicht kli­cken, dort herrscht spoi­ler-alarm):

Der Pre­mier­mi­nis­ter Groß­bri­tan­ni­ens, Mi­cha­el Cal­low, [ge­rät in ein Di­le­ma], als die Prin­zes­sin Su­san­nah […], ent­führt wird. Als Be­din­gung für die Frei­las­sung, wird vom Pre­mier­mi­nis­ter Sex mit ei­nem Schwein im na­tio­na­len Fern­se­hen ge­for­dert.

was die­se ers­te fol­ge wirk­lich gut hin­be­kommt, vor al­lem wenn man be­denkt, dass sie be­reits vier jah­re alt ist, ist ein­dring­lich zu zei­gen, wel­che fol­gen das in­ter­net auf macht­me­cha­nis­men hat. durch die gren­zen­lo­sig­keit und re­la­ti­ve un­kon­trol­lier­bar­keit des in­ter­nets — und folg­lich auch der me­di­en, die in den sog des net­zes ge­ra­ten — en­ste­hen nicht nur macht­ver­schie­bun­gen, son­dern auch neue (an­de­re) öf­fent­lich­kei­ten und mei­nungs­bil­dungs­struk­tu­ren, die mit her­kömm­li­chen in­stru­men­ta­ri­en nicht mehr ein­fach zu kon­trol­lie­ren sind. aber mit an­ge­pass­ten werk­zeu­gen dann eben doch, auch wenn das mit­un­ter mit ho­hen kos­ten ver­bun­den ist.

die­se fol­ge von black mir­ror ist ein wirk­lich in­ter­es­san­tes, her­vor­ra­gend dar­ge­stell­tes ge­dan­ken­ex­pe­ri­ment, das mich sehr zum nach­den­ken an­reg­te. ganz be­son­ders in­ter­es­sant sind die be­zü­ge zur me­di­en- und wahr­neh­mungs­kri­se, von der zur zeit ja so vie­le re­den. auch wenn es über­in­ter­pre­tiert er­schei­nen mag, gibt es auch ei­nen (in­di­rek­ten) be­zug zu do­nald trump, für den ich ein biss­chen aus­ho­len muss. ge­ra­de heu­te habe ich näm­lich die­ses vi­deo von ezra klein ge­se­hen (bei ste­fan nig­ge­mei­er ge­fun­den), in dem er un­ter an­de­rem sagt, dass do­nald trump je­der sinn für scham fehlt:

et­was aus­führ­li­cher hat ezra klein dazu auf vox ge­schrie­ben:

Trump’s other gift — the one that gets less at­ten­ti­on but is per­haps more im­portant — is his com­ple­te lack of shame. It’s easy to un­de­re­sti­ma­te how im­portant shame is in Ame­ri­can po­li­tics. But shame is our most powerful res­traint on po­li­ti­ci­ans who would find suc­cess th­rough dem­ago­guery. Most peo­p­le feel shame when they’re ex­po­sed as li­ars, when they’re seen as un­in­for­med, when their be­ha­vi­or is thought cruel, when re­spec­ted fi­gu­res in their par­ty con­demn their ac­tions, when ex­perts dis­miss their pro­po­sals, when they are mo­cked and bo­oed and pro­tes­ted.

Trump doesn’t. He has the rea­li­ty te­le­vi­si­on star’s abili­ty to ope­ra­te en­ti­re­ly wi­t­hout shame, and that per­mits him to ope­ra­te en­ti­re­ly wi­t­hout res­traint. It is the sin­gle sca­riest fa­cet of his per­so­na­li­ty. It is the one that al­lows him to go whe­re others won’t, to say what others can’t, to do what others wouldn’t.

wie ge­sagt, der ver­gleich zur ers­ten fol­ge black mir­ror ist mög­li­cher­wei­se et­was weit her­ge­holt, aber in die­ser fol­ge geht es eben auch ums the­ma scham und dass die über­win­dung von scham ei­nes der werk­zeu­ge ist, mit dem mäch­ti­ge, trotz kon­troll­ver­lust, ihre macht aus­bau­en oder fes­ti­gen kön­nen.

die er­zähl­wei­se und in­sze­nie­rung von black mir­ror ist nicht be­son­ders fes­selnd. ich habe nach zwan­zig mi­nu­ten eine kur­ze pau­se ein­ge­legt, um un­se­ren neu­en dru­cker zu in­stal­lie­ren und kon­fi­gu­rie­ren*, aber so­bald die ge­schich­te zu­en­de er­zählt war, schlug sie wie eine bom­be in mei­nem kopf ein. nicht die in­sze­nie­rung ist krass, son­dern die ge­schich­te. das ist sehr viel­ver­spre­chend für die künf­ti­gen fol­gen, auf die ich jetzt, nach die­ser er­öff­nung, wirk­lich ge­spannt bin. vom hö­ren­sa­gen weiss ich, dass die­se ers­te fol­ge eine der schwä­che­ren der se­rie sein soll — auch das er­scheint mir sehr viel­ver­spre­chend.

die in­sze­nie­rung der ge­schich­te er­in­ner­te mich üb­ri­gens in wei­ten tei­len an ma­rio six­tus’ ope­ra­ti­on na­ked, auch wenn six­tus’ film for­mal sehr viel kon­se­quen­ter war. auch black mir­ror (zu­min­dest die­se fol­ge) wird zum gros­sen teil von nach­rich­ten­men­schen er­zählt, auch black mir­ror zeigt er­eig­nis­se, die der­zeit so­wohl un­vor­stell­bar, als auch vor­stell­bar sind.

ich gebe 5 ster­ne, weil mich die­se fol­ge sehr be­ein­druckt hat, trotz ei­ni­ger, klei­ne­rer in­sze­na­to­ri­scher schwä­chen und ge­le­gent­li­cher un­er­träg­lich­keit. und ich bin ge­spannt auf die wei­te­ren fol­gen und hof­fent­lich ge­nau­so klug er­zähl­ten ge­schich­ten.

(un­ter an­de­rem auf net­flix deutsch­land zu se­hen, trai­ler der ers­ten staf­fel)


*) er­staun­lich was dru­cker für 140 euro kauf­preis heut­zu­ta­ge al­les kön­nen. und da­mit mei­ne ich noch nicht­mal die fä­hig­keit dop­pel­sei­tig zu dru­cken, scan­vor­la­gen selbst­tä­tig ein­zu­zie­hen und druck­auf­trä­ge von han­dies an­zu­neh­men, be­son­ders be­ein­druckt bin ich von der fä­hig­keit des neu­en dru­ckers, scans di­rekt (als PDF) auf ein netz­werk­lauf­werk zu spei­chern.


al­te na­tio­nal­ga­le­rie

felix schwenzel in artikel

heu­te woll­ten wir ei­gent­lich mal wie­der wan­dern ge­hen, aber weil es den gan­zen tag reg­nen soll­te, ha­ben wir uns ent­schie­den in die alte na­tio­nal­ga­le­rie zu ge­hen. dort gibt es ge­tra­de zwei re­stau­rier­te bil­der von cas­par da­vid fried­rich zu se­hen. im blog „der staat­li­chen mu­se­en zu ber­lin“ gibt es dazu ei­nen sehr in­for­ma­ti­ven ar­ti­kel: „In neu­em Glanz: Cas­par Da­vid Fried­rich kehrt zu­rück in die Alte Na­tio­nal­ga­le­rie

die aus­stel­lung der bei­den bil­der war bei­spiel­haft. auf ei­ner sei­te die bei­den auf­ge­frisch­ten bil­der, auf der an­de­ren sei­te fo­tos in ori­gi­nal­grös­se vom vor­he­ri­gen zu­stand. lei­der muss ich sa­gen, dass mir die ab­tei im eich­wald im ver­gilb­ten, et­was ver­blass­ten zu­stand bes­ser ge­fal­len hat. die re­stau­rier­te fas­sung hat sehr viel stär­ke­re kon­tras­te an stel­len, an de­nen kon­tras­te nicht be­son­ders gut wir­ken. der mönch am meer hin­ge­gen hat deut­lich hin­zu­ge­won­nen, vor al­lem an far­ben. ich fand die an­de­ren bil­der von cas­par da­vid fried­rich, die im sel­ben raum hin­gen, teil­wei­se viel in­ter­es­san­ter.

an die­sem bild konn­te man bei­spiels­wei­se se­hen, dass cas­par da­vid fried­rich zwar kein schlech­ter ma­ler war, es mit den kon­tras­ten aber manch­mal über­trieb.

der baum auf die­sem bild sticht ein­fach ein paar ta­cken zu doll raus. in­so­fern, ist die re­stau­rie­rung ab­tei im eich­wald si­cher­lich werk­treu und kommt dem ur­sprüng­li­chen zu­stand des bil­des si­cher nä­her als vor­her.

na­he­zu per­fekt fin­de ich die gross­flä­chi­gen land­schafts­bil­der von cas­par da­vid fried­rich. die far­ben sind toll und man kann sich in die­se bli­cke aufs land vor­treff­lich fal­len las­sen. die bei­fah­re­rin er­klär­te mir, dass die ne­bel-il­lu­si­on mit zu­mi­schung von blei­weiss mit dünn auf­ge­tra­ge­nen schich­ten von blei­weiss ge­macht wur­de, dass es mit­ler­wei­le lei­der nicht mehr le­gal in deutsch­land zu er­wer­ben gäbe, aber in­ter­es­san­te deck­ei­gen­schaf­ten hät­te.

die far­ben sind wirk­lich sehr bein­dru­ckend, auf fast al­len bil­dern.


wir sind dann noch ein biss­chen her­um­ge­lau­fen und ha­ben uns die bil­der der an­de­ren män­ner an­ge­se­hen. die bei­fah­re­rin hat es ge­schafft tat­säch­lich ein bild ei­ner frau zu fin­den, aber im be­sitz der na­tio­nal­ga­le­rie be­fin­den sich eh nur bil­der von zwan­zig ma­le­rin­nen die die meis­te zeit wohl im de­pot ver­brin­gen. dem ste­hen 780 männ­li­che ma­ler ge­gen­über. ei­ner da­von ist jo­hann pe­ter ha­sen­cle­ver, der 1843 die­ses bild ge­malt hat:

jo­hann pe­ter ha­sen­cle­ver, das le­se­ka­bi­nett, 1843

mein foto ist na­tür­lich ein rie­sen­gros­ser scheiss, glück­li­cher­wei­se kön­nen an­de­re sol­che bil­der viel bes­ser ma­chen, was man auf den sei­ten des kul­tur­in­sti­tuts von goog­le se­hen kann. ei­gent­lich ist das le­se­ka­bi­nett eine er­gän­zung zu pe­der se­ve­rin krøy­ers fa­mi­li­en­por­trait der hirsch­sprung fa­mi­lie, mit dem er die fra­ge be­ant­wor­te­te, wie sich die men­schen vor der er­fin­dung des smart­fo­nes igno­rier­ten. ha­sen­cle­vers bild be­ant­wor­tet ja im prin­zip die glei­che fra­ge. und ist das links ein 13" ipad pro?


sehr fas­zi­nie­rend fand ich ei­ni­ge bil­der von karl fried­rich schin­kel. ins­be­son­de­re die­ses hier, von ei­nem gothi­schen dom am was­ser (1813). das hier ist ein bild­aus­schnitt, das gan­ze bild lässt sich in der al­ten na­tio­nal­ga­le­rie be­trach­ten oder goo­geln.

karl fried­rich schin­kel, gothi­scher dom am was­ser, 1813

beim goog­le kul­tur­in­sti­tut gibt’s auch ein paar schin­kel­bil­der, aber nicht den dom am was­ser.

der vor­früh­ling im wie­ner wald von fer­di­nand ge­org wald­mül­ler hat­te et­was fo­to­rea­list­sches. die far­ben und das licht der bäu­me wa­ren der ab­so­lu­te ham­mer:

fer­di­nand ge­org wald­mül­ler, vor­früh­ling im wie­ner wald, 1864

das in­ter­net meme hun­de mit würs­ten auf der nase be­gann of­fen­bar schon im jahr 1877:

wil­helm trüb­ner, ave cae­sar, mo­ri­tu­ri te sa­lu­tant, 1877

das ge­bäu­de der na­tio­nal­ga­le­rie ge­fällt mir üb­ri­gens auch sehr gut. ich glau­be es ist klas­si­zis­mus zu­zu­ord­nen und sehr streng ge­glie­dert. das er­gibt tol­le ge­le­gen­hei­ten flucht­punk­te zu fo­to­gra­fie­ren.


zu­rück bin ich dann zu fuss nach­hau­se ge­lau­fen, also fast, bis zum s-bahn-ring, da­nach hat­te ich kei­nen bock mehr. un­ter­wegs habe ich ei­nen ziem­lich sau­ren fro­zen yo­gurt bei yoli ge­ges­sen und ge­lernt, dass pösch­ke-li­kö­re eine mar­ke für ken­ner ist (oder war).


vi­nyl s01e01 (pi­lot)

felix schwenzel in gesehen

ich fands gräss­lich. der pi­lot ist spiel­film-lang (zwei stun­den) und nach un­ge­fähr ei­ner stun­de hab ich den scheiss nicht mehr aus­ge­hal­ten. mir macht es in der re­gel nicht viel aus, wenn ich der ge­schich­te ei­ner se­rie nicht fol­gen kann, aber bei vi­nyl konn­te ich nicht nur der ge­schich­te nicht fol­gen, ich hat­te auch den ein­druck, dass gar kei­ne ge­schich­te er­zählt wird, son­dern nur eine stim­mung eta­bliert wer­den soll­te. vi­su­ell klapp­te das ganz gut, die sieb­zi­ger jah­re, mit all ih­ren grau­sa­men kla­mot­ten, fri­su­ren und ko­te­let­ten le­ben in der se­rie in al­ler bru­ta­li­tät wie­der auf, auch wenn die ku­lis­sen mich ziem­lich oft an die se­sam­stras­se er­in­nert ha­ben.

in vi­nyl ist al­les hoch­emo­tio­nal. schon in der ers­ten sze­ne stöhnt und ächzt bob­by canna­va­le (als ri­chie fi­ne­s­tra), aus kei­nem er­sicht­li­chen grund, 15 mi­nu­ten in sei­nem in der se­sam­stras­se ge­park­ten auto. ir­gend­wann hebt er den te­le­fon­hö­rer sei­nes wähl­schei­ben­au­to­te­le­fons ab und fängt an noch stär­ker zu äch­zen und zu stöh­nen. die rest­li­che drei­vier­tel stun­de habe ich mir gräss­lich an­ge­zo­ge­ne und fri­ser­te men­schen an­ge­se­hen, die ent­we­der sin­gen, schrei­en, fi­cken, kok­sen, kif­fen oder — das ist ein durch­gän­gi­ges mo­tiv der se­rie — grab­schen und tät­scheln. es ver­ge­hen kei­ne 5 mi­nu­ten der se­rie, in de­nen nicht ein mann ir­gend­wel­che als un­ter­wür­fig und blöd dar­ge­stell­ten frau­en an­grab­scht oder an­bag­gert.

es gibt zwar auch eine (mit­tel) star­ke frau­en­rol­le (ziem­lich gut: juno temp­le als ja­mie vine), die im lau­fe der se­rie si­cher­lich noch zu ei­nem zen­tra­len cha­rak­ter auf­ge­baut wer­den wird, aber in die­ser fol­ge ein­fach „das sand­wich-girl“ ge­nannt wird. viel­leicht war das grab­schen und kon­se­quen­te se­xua­li­sie­ren und obe­jk­ti­fi­zie­ren von frau­en in den 70ern noch gang und gäbe, aber die kon­zen­tra­ti­on der se­rie dar­auf nervt tie­risch.

apro­pos ner­ven. ich habe in den vie­len jah­ren mei­nes me­di­en­kon­sums ge­lernt, dass man um fil­me oder se­ri­en, in de­nen zeit­lu­pen zur be­to­nung und emo­tio­na­li­sie­rung der hand­lung ex­zes­siv ein­ge­setzt wer­den, ei­nen gros­sen bo­gen ma­chen soll­te. in die­ser hin­sicht schrill­ten bei vi­nyl stän­dig mei­ne alarm­glo­cken.

schau­spie­le­risch ist vi­nyl teil­wei­se ziem­lich gut ge­ra­ten. wie oben er­wähnt, ge­fällt mir das bei­läu­fi­ge und wa­che spiel von juno temp­le sehr, ja­mes jag­ger, der sohn von mick jag­ger, spielt auch gut, aber ein paar ne­ben­rol­len, und lei­der auch bob­by canna­va­le, tra­gen et­was dick auf.

am an­fang der fol­ge trat eine band auf, de­ren sän­ger dem jun­gen mick jag­ger er­staun­lich ähn­lich sah, vor al­lem we­gen dem et­was ir­ri­tie­ren­dem rie­si­gen jag­ger-mund und schlab­ber­lip­pen. das war aber je­mand an­ders.

ich kann mir gut vor­stel­len, dass es ei­ni­ge gibt, de­nen die­se se­rie ge­fal­len könn­te. ich kann da­mit nichts an­fan­gen. das the­ma in­ter­es­siert mich nicht, die um­set­zung über­zeugt mich nicht und ich ver­ste­he die mo­ti­va­ti­on kei­ner ein­zi­gen der auf­ge­tre­te­nen fi­gu­ren. die er­zähl­wei­se er­scheint irre be­lie­big, zwi­schen den will­kür­lich aus­ge­such­ten sze­nen, sind hin und wie­der mu­sik­stü­cke wie wer­be­clips ein­ge­floch­ten — ohne er­kenn­ba­ren be­zug zur hand­lung. wie ge­sagt, knapp 60 mi­nu­ten habe ich un­ter schmer­zen durch­ge­hal­ten, dann muss­te ich ab­schal­ten. ich hat­te da schon so ne ah­nung.


jo­han­nes kuhn hat die se­rie ge­fal­len (er hat auch den trai­ler ein­ge­bun­den), an­dri­an kreye hats auch nicht ge­fal­len, er hat aber hoff­nung, dass sich die se­rie nach dem pi­lo­ten noch fängt. ich nicht. die zwei­te staf­fel ist üb­ri­gens schon ge­setzt.


ver­dich­tung der fi­scher­insel

felix schwenzel in artikel

auf der fi­scher­insel soll ein wei­te­rer wohn­turm ge­baut wer­den. mir fiel das ges­tern auf, weil an ei­ner ecke, wo bis­her ein park war, plöt­zöich die bäu­me fehl­ten.

als bild­un­ter­schrift woll­te ich un­ter die­ses bild schrei­ben: „bäu­me wei­chen, da­mit wir end­lich mehr bü­ro­räu­me oder das dr­ölf­schril­li­ons­te ho­tel in mit­te be­kom­men.“ eine kur­ze re­cher­che zeigt, es gibt an­geb­lich „wü­ten­de Pro­tes­te“ ge­gen die be­bau­ung, schreibt zu­min­dest ul­rich paul in der ber­li­ner zei­tung:

Der ge­plan­te Bau ei­nes 19-stö­cki­gen Hoch­hau­ses in Ber­lins Mit­te stößt auf Pro­test. Die Pla­nun­gen der sieb­zi­ger Jah­re wür­den da­mit fort­ge­setzt, kri­ti­siert der frü­he­re Se­nats­bau­di­rek­tor Hans Stim­mann.

al­ler­dings ist das 19-stö­cki­ge hoch­haus kein büro oder ge­schäfts­bau, son­dern ein „Wohn­turm“. dort sol­len woh­nun­gen ent­ste­hen, auch vom land ber­lin ge­för­der­te preis­wer­te woh­nun­gen. das was die spre­che­rin der stadt­ent­wick­lungs­ver­wal­tung pe­tra roh­land sagt, er­gibt in mei­nen au­gen durch­aus sinn:

Das Hoch­haus ist das Er­geb­nis ei­nes in­ter­na­tio­na­len Ar­chi­tek­tur­wett­be­wer­bes. Es ord­net sich durch­aus in das Hoch­haus­ensem­ble auf der Fi­scher­insel ein und ent­spricht ei­ner ge­woll­ten Ver­dich­tung, um be­zahl­ba­ren Wohn­raum zu schaf­fen – auch in his­to­risch be­deu­ten­der, zen­tra­ler In­nen­stadt-Lage.

was soll man ge­gen sol­che plä­ne ha­ben? der his­to­ri­ker be­ne­dikt goe­bel hat ei­nen gu­ten grund:

Ein Hoch­haus habe dort nichts zu su­chen.

hm, war­um nicht? weil dort be­reits hoch­häu­ser ste­hen? ja, weil die hoch­häu­ser die dort ste­hen „feh­ler“ ge­we­sen sei­en (sagt die vor­sit­zen­de des ver­eins ber­li­ner his­to­ri­sche mit­te, an­net­te ahme) oder der ehe­ma­li­ge se­nats­bau­di­rek­tor hans stim­mann:

Ich hal­te die ge­plan­te Be­bau­ung der so­ge­nann­ten Fi­scher­insel mit ei­nem wei­te­ren Wohn­hoch­haus für falsch. Da­mit wer­den die Pla­nun­gen der 70er-Jah­re für ein so­zia­lis­ti­sches Stadt­zen­trum mit Woh­nen in Hoch­häu­sern wei­ter­ge­führt als exis­tie­re die DDR noch.

ich fin­de ver­dich­tung in der stadt gut. auf der sei­te der ar­chi­tek­ten kann man ein paar vi­sua­li­sie­run­gen der ge­plan­ten be­bau­ung se­hen und er­ken­nen, dass das hoch­haus kein ge­stal­te­ri­scher hö­hen­flug ist, sich aber sehr gut ins stadt­bild ein­fügt. und vor al­lem: es ist wohn­raum.

es gibt zwar men­schen wie da­ni­el fuhr­hop, die mei­nen, man soll­te das (neu) bau­en ganz ver­bie­ten:

In mei­ner Streit­schrift „Ver­bie­tet das Bau­en!“ füh­re ich 50 Werk­zeu­ge auf, die Neu­bau­ten über­flüs­sig ma­chen: von Alt­bau­sa­nie­rung bis Leer­stand-Ma­nage­ment, von Image­kam­pa­gnen für schein­bar rand­stän­di­ge Wohn­or­te ("aus Duis­burg wird Düs­sel­dorf-Nord") bis hin zu ganz neu­en For­men der Wohn­raum­nut­zung.

Be­son­ders wert­voll sind die­se Werk­zeu­ge an­ge­sichts des Zu­zugs der Flücht­lin­ge: Die be­nö­ti­gen näm­lich so­fort neu­en Wohn­raum und nicht erst in ei­nem Jahr. Dar­um brau­chen wir für sie kei­nen Neu­bau, son­dern wir soll­ten vor­han­de­ne Räu­me nut­zen und Leer­stand be­sei­ti­gen. So ste­hen al­lein in den 19 größ­ten deut­schen Bü­ro­stand­or­ten acht Mil­lio­nen Qua­drat­me­ter Bü­ros leer, hin­zu kom­men eine Mil­li­on un­ge­nutz­ter Woh­nun­gen und dar­über hin­aus Hun­der­te Fa­brik­hal­len und Ka­ser­nen - ge­nug für meh­re­re Mil­lio­nen Flücht­lin­ge.

die zu­sam­men­fas­sung sei­ner streit­schrift-the­sen in der geo ist je­den­falls le­sens­wert und ich glau­be dass da ei­ni­ge gute ideen drin ste­cken. trotz­dem ist ge­ra­de ber­lin eine stadt die wei­ter wie wild wächst. die gan­zen be­schis­se­nen und teil­wei­se lieb­los in mit­te hin­ge­schis­se­nen ho­tels schei­nen gut be­legt zu sein, der zu­zug nach ber­lin scheint, wenn man sich die miet­pries­ent­wick­lun­gen in den zen­tra­le­ren be­zir­ken an­sieht, un­ge­bro­chen. ich glau­be, dass ver­dich­tung in ber­lin nach wie vor sinn macht. selbst am reiss­brett ent­wor­fe­ne ge­bie­te wie der sehr ver­dich­te­te pots­da­mer platz, funk­tio­nie­ren in ber­lin.

städ­te­bau hat mich im stu­di­um im­mer ein biss­chen ge­lang­weilt. nicht weil es an sich lang­wei­lig war, son­dern weil es so kom­plex und un­kon­kret war. stadt­pla­nung und stadt­plan­um­set­zung zieht sich oft über jahr­zehn­te, wenn nicht gar jahr­hun­der­te hin. es sind un­fass­bar vie­le aspek­te zu be­ach­ten, öko­lo­gi­sche, ver­kehrs­pla­ne­ri­sche, so­zia­le, so­zio­lo­gi­sche und sehr viel un­plan­ba­res. was mir aber sehr gros­sen spass macht, ist städ­te­bau in der pra­xis zu be­ob­ach­ten. ber­lin da­bei be­oab­ch­ten, wie es sich ver­dich­tet, neue stadt­tei­le ent­ste­hen und sich be­le­ben, wie neue stadt­tei­le durch öf­fent­li­chen nah­ver­kehr er­schlos­sen wer­den und auf­blü­hen. al­lein des­halb kann ich schon nicht wü­tend wer­den, wenn hier hin und wie­der eine wei­te­re frei­flä­che be­to­niert und hoch­ver­dich­tet wird. um die­se wut zu ent­wi­ckeln, muss man wohl hys­te­ri­ker his­to­ri­ker sein.


bild­quel­le, vi­sua­li­sie­rung: fi­nest-images


pim­melfech­ten an der mül­lerstras­se

felix schwenzel in artikel

ges­tern, auf dem weg nach­hau­se, an der kreu­zung mül­ler- und see­stras­se. zwei fuss­gän­ger, jung, männ­lich, breit­bei­nig, ge­hen bei knapp rot über die am­pel und füh­len sich beim über­que­ren der stras­se of­fen­sicht­lich von ei­nem klein­bus be­hin­dert, der sie zwingt ei­nen klei­nen schlen­ker zu ma­chen.

als zei­chen des un­wil­lens schlägt ei­ner der breit­bei­ni­gen mit sei­ner (plas­tik-) co­la­fla­sche (leicht) ge­gen die schie­be­tür des klein­bus. kei­ne zwei se­kun­den spä­ter geht die schie­be­tür auf und, wie im kino, quel­len drei bis vier an­de­re jun­ge, breit­bei­ni­ge män­ner aus dem bus und be­we­gen sich zu­sam­men mit dem fah­rer dro­hend auf den ty­pen mit der cola-fla­sche zu (der er­staun­li­cher­wei­se kei­ne an­stal­ten zur flucht un­ter­nahm).

wäh­rend des (ver­ba­len) pim­melfech­tens, blo­ckiert der klein­bus den ge­sam­ten ver­kehr auf der see­stras­se. man muss ja prio­ri­tä­ten set­zen als ad­re­na­lin-schwan­ge­rer. der ver­ba­le schlag­ab­tausch dau­ert et­was län­ger als zwei am­pel­pha­sen. glück­li­cher­wei­se schlägt nie­mand der am wei­ter­fah­ren oder wei­ter­ge­hen ge­hin­der­ten mit ge­gen­stän­den auf den klein­bus ein, alle be­tei­lig­ten be­schrän­ken sich glück­li­cher­wei­se aufs hu­pen.

ich er­in­ne­re mich, wie ich vor ein paar mo­na­ten an der fried­richs­stras­se da­bei war die stras­se zu über­que­ren und noch ein taxi vor­bei­fah­ren las­sen woll­te. das taxi fuhr aber nicht vor­bei, son­dern hielt ge­nau vor mir an, um den fahr­gast aus­stei­gen zu las­sen. ich stand di­rekt vor der b-säu­le des ta­xis und muss­te um das taxi her­um­lau­fen, um die stras­se zu über­que­ren.

aus är­ger schlug ich beim vor­bei­ge­hen mit der fla­chen hand auf den kof­fer­raum des ta­xis, was nach­voll­zieh­bar ist, aber auch strunk­s­dumm. denn ei­gent­lich habe ich das schon vor 30 jah­ren ge­lernt: pe­nis­stolz, ei­tel­kei­ten und emo­tio­na­le re­ak­tio­nen im stras­sen­ver­kehr, sind un­ter al­len um­stän­den zu ver­mei­den. ernst­haft.


bet­ter call saul s02e01 (switch)

felix schwenzel in gesehen

eine gan­ze fol­ge in der fast nichts pas­siert und trotz­dem habe ich mich kei­ne se­kun­de ge­lan­ge­weilt. ich habe mich eben, als ich die ers­te fol­ge bet­ter call saul der zwei­ten staf­fel ge­se­hen habe, da­bei be­ob­ach­tet, dass ich ver­su­che auf je­des noch so klei­ne de­tail zu ach­ten. jah­res­lan­ges an­se­hen von vin­ce-gil­ligan-se­ri­en hat mich of­fen­sicht­lich dar­auf trai­nert, das ge­nau so zu ma­chen. das span­nen­de an die­ser er­zähl­wei­se ist, dass die ein­füh­rung in die hand­lung mehr fra­gen auf­wirft, als sie be­ant­wor­tet. nor­ma­ler­wei­se ist das an­ders­rum: am an­fang von se­ri­en wer­den die fi­gu­ren vor­ge­stellt, und spä­tes­tens am ende der ers­ten fol­ge, hat man eine vor­stel­lung da­von, was in ih­rem köp­fen vor­geht, wie sie ti­cken, was sie im rah­men der se­rie (oder des films) für zie­le ver­fol­gen und wer ihr geg­ner sein wird.

nach 47 mi­nu­ten bet­ter call saul hat man nichts als ah­nun­gen was pas­sie­ren könn­te oder wem et­was zu­stos­sen könn­te — mehr nicht.

es ist of­fen­sicht­lich, dass jim­my mc­gill (ali­as saul good­man) in der ge­gen­wart, die aus­schliess­lich schwarz/weiss ge­zeich­net ist, vor ir­gend­et­was oder ir­gend­wem auf der flucht ist — aber das wur­de auch schon in der ers­ten fol­ge der ers­ten staf­fel an­ge­deu­tet — und dann die gan­ze staf­fel über nicht mehr the­ma­ti­siert. ge­nau­so of­fen­sicht­lich ist es, dass jim­my mc­gill die fä­hig­keit hat, leu­te zu über­ra­schen und stän­dig schwer nach­voll­zieh­ba­re ent­schei­dun­gen zu tref­fen. im lau­fe der fol­ge konn­te man dem ge­sicht von jim­my mc­gill mehr­fach ent­neh­men, dass er ei­nen ein­schnei­den­den ein­fall hat­te, der sein le­ben ver­än­dern wür­de — aber ge­nau­so oft konn­te man sei­nem ge­sicht dann we­ni­ger spä­ter wie­der die to­ta­le rat­lo­sig­keit an­se­hen, mit der er sich in der welt be­wegt. ganz be­son­ders schön wur­de die­se plan­lo­sig­keit am ende der fol­ge il­lus­triert, als jim­my mc­gill sich nicht da­von ab­brin­gen konn­te ei­nen schal­ter, auf dem stand „do not turn off“, aus­zu­schal­ten. die­ser licht­schal­ter sym­bo­li­siert — ganz of­fen­sicht­lich — jim­my mc­gills her­an­ge­hens­wei­se ans le­ben.

das kann man al­les furcht­bar lang­wei­lig fin­den oder, auf eine sehr spe­zi­el­le art, span­nend. ich wür­de sa­gar so weit ge­hen und be­haup­ten, dass gil­ligan das pu­bli­kum mit sei­ner ex­trem ru­hi­gen er­zähl­art vor sich her treibt. mich zu­min­dest. die klei­ne mi­nia­tur am an­fang der fol­ge, die vor-blen­de in die ge­gen­wart, zeigt das ex­em­pla­risch. es pas­siert ge­ra­de so viel, dass die hand­lung ei­gent­lich in ei­nen tweet pas­sen wür­de — und doch er­zählt die fast sechs mi­nu­ten lan­ge sze­ne viel mehr. in­ter­es­san­ter­wei­se fand die bei­fah­re­rin die­se ers­te sze­ne „ge­ni­al“, den rest hin­ge­gen lang­wei­lig. da­bei ist die gan­ze fol­ge ex­akt wie die­se ers­te sze­ne ge­strickt: wir se­hen aus­schnit­te aus ei­ner hand­lung, die sich in den nächs­ten paar fol­gen (wahr­schein­lich) zu ei­ner grös­se­ren ge­schich­te zu­sam­men­set­zen wer­den — aber wir se­hen nie das gan­ze bild. wir wis­sen nie wo wir dran sind, die ge­zeig­ten frag­men­te sind (noch) un­durch­schau­bar. und weil das so wun­der­bar ru­hig und de­tail­iert er­zählt wird, schaue ich es mir völ­lig un­ge­lang­weilt und be­geis­tert an.

ich gehe da­von aus, dass das tem­po in den nächs­ten fol­gen an­zie­hen wird, aber wenn das tem­po ge­nau so bleibt, wäre ich auch zu­frie­den.

(auf net­flix ge­se­hen)


alle wei­te­ren be­spre­chun­gen der fol­gen der zwei­ten staf­fel von bet­ter call saul:


ich weiss wer du bist

felix schwenzel in gesehen

ich weiss wer du bist ist das nicht-fik­tio­na­le ge­gen­stück zu ma­rio six­tus fern­seh­spiel ope­ra­ti­on na­ked. in die­ser re­por­ta­ge ver­sucht ma­rio six­tus der fra­ge auf den grund zu ge­hen, ob das, was er in sei­nem fern­seh­spiel fik­tio­nal, und teil­wei­se et­was arg zu­ge­spitzt, ge­zeigt hat, auch in der rea­li­ti­ät, bzw. der ge­gen­wart mög­lich ist. die ant­wort lau­tet na­tür­lich ja. ge­sichts­er­ken­nung, aug­men­tier­te wirk­lich­keit und mi­kro-klei­ne, leis­tungs­fä­hi­ge re­chen­ein­hei­ten sind schon lan­ge aus la­bor­sta­di­um her­aus, wer­den aber gröss­ten­teils (noch) aus dem mas­sen­markt her­aus­ge­hal­ten.

ich fand auch hier das for­mat der do­ku­men­ta­ti­on ge­lun­gen. zum bei­spiel stört mich vie­les, was mich bei den meis­ten fern­seh­na­sen in den wahn­sinn treibt, bei ma­rio six­tus über­haupt nicht. er hat näm­lich die sel­te­ne gabe, gleich­zei­tig ernst, als auch iro­nisch durch­tränkt zu wir­ken. ma­rio six­tus selbst ist in sei­ne doku wirk­lich sehr, sehr viel zu se­hen, aber ich muss­te auch mehr­fach sehr la­chen. eine der bes­ten sze­nen fand ich, als ma­rio six­tus dem pro­jekt­lei­ter des goog­le-glass-pro­jekts, se­bas­ti­an th­run, in ei­ner (of­fen­sicht­lich) selbst ge­bas­tel­ten papp­daten­bril­le ge­gen­über tritt — wäh­rend th­run stolz sei­ne goog­le-glass-bril­le trägt. six­tus trägt sei­ne papp­daten­bril­le eben­so stolz und selbst­ver­ständ­lich, wäh­rend die bei­den small­tal­ken.

was mir im fern­seh­film an dif­fe­ren­zie­rung ge­fehlt hat, holt six­tus in sei­ner doku nach. er ist nicht nur sehr viel durch die welt ge­gurkt um die doku zu dre­hen, son­dern hat sich auch sehr gute, teil­wei­se ex­klu­si­ve ge­sprächs­part­ner vor die ka­me­ra ge­holt. man sieht üb­ri­gens auch in die­ser re­por­ta­ge, dass das licht in ka­li­for­ni­en wirk­lich das bes­te licht der welt für bild­auf­nah­men ist.

es gibt wit­zi­ger­wei­se eine par­al­le­le zwi­schen ich weiss wer du bist und dem ak­tu­el­len star-wars-film: ich bin auch bei der vor­füh­rung von ich weiss wer du bist zwei­mal weg­ge­razt. al­ler­dings, ge­nau wie bei star wars, nicht we­gen lan­ge­wei­le, son­dern we­gen mü­dig­keit.


trai­ler und sen­dungs­in­fo bei arte und bei der ARD , bild­quel­le


ope­ra­ti­on na­ked

felix schwenzel in gesehen

ma­rio six­tus, der elek­tri­sche re­por­ter, hat ei­nen film ge­macht. kei­ne re­por­ta­ge, son­dern ei­nen fern­seh­film, un­ter an­de­rem zu­sam­men mit der re­dak­ti­on des klei­nen fern­seh­spiels des ZDF. am mitt­woch abend habe ich mir den film vor­ab an­ge­se­hen, re­gu­lär läuft er 22. fe­bru­ar um kurz vor mit­ter­nacht im ZDF (wei­te­re sen­de­ter­mi­ne).

den film fand ich nicht schlecht, die er­zähl­te ge­schich­te OK und die schau­spie­le­rei ge­ra­de noch er­träg­lich. was ich aber sen­sa­tio­nell fand, wa­ren die er­in­ne­run­gen die der film in mir wach rief. die er­in­ne­rung an die­sen fern­seh­sen­der mit der be­son­de­ren fä­hig­keit, fast al­les was er sen­det, pie­fig er­schei­nen zu las­sen. ich habe seit be­stimmt 10 jah­ren kein re­gu­lä­res ZDF-pro­gramm mehr ge­se­hen, frü­her hin­ge­gen gar nicht mal so sel­ten. der film von ma­rio six­tus war eine er­in­ne­rung dar­an, dass die ent­schei­dung, kaum noch ZDF zu gu­cken, ganz gut war. man sieht in die­sem film wirk­lich viel ZDF. ma­rio six­tus hat lässt mehr oder we­ni­ger den gan­zen film in ge­stell­ten re­por­ta­ge-, nach­rich­ten- oder talk­send­unegn er­zäh­len. das ZDF als er­zäh­ler.

ich hat­te das ge­fühl, dass wirk­lich jede ZDF-sen­dung im film vor­kam (laut pres­se­ma­te­ri­al wa­ren es 15 ZDF-„for­ma­te“): das mor­gen­ma­ga­zin, das heu­te jour­nal, lanz, böh­mer­mann, die heu­te show, pe­ter hah­ne — al­les da­bei ge­we­sen. die­se idee, ei­nen film aus ge­stell­ten sze­nen mit den ori­gi­nal mo­de­ra­to­ren, in ech­ten ku­lis­sen zu dre­hen, muss ein or­ga­ni­sa­to­ri­scher höl­len­ritt ge­we­sen sein. aber gleich­zei­tig ist das auch das ers­te mal, dass ich so et­was so kon­se­quent um­ge­setzt ge­se­hen habe. in all mei­ner ah­nungs­lo­sig­keit bin ich ge­neigt, die ge­burt ei­nes neu­en gen­res aus­ru­fen zu wol­len. apro­pos ru­fen. niels ruf war auch da­bei, al­ler­dings nicht als ech­ter mo­de­ra­tor, son­dern als mo­de­ra­tor ei­ner aus­ge­dach­ten sen­dung.

was ich er­staun­lich fand: wie über­zeu­gend und ma­kel­los die pro­fes­sio­nel­len mo­de­ra­to­ren ihre rol­len spiel­ten, bzw. ma­rio six­tus’ tex­te vor­tru­gen. na­tür­lich fällt in ei­ner so ho­hen do­sie­rung auf, dass die mo­de­ra­to­ren alle eine kunst­spra­che spre­chen, mit ex­tra viel be­to­nung, mo­du­la­ti­on und dra­ma­tik. aber ge­nau­so fällt auf, dass wir uns als zu­schau­er dar­an ge­wöhnt ha­ben und ge­nau die­sen ton­fall von pro­fes­sio­nel­len mo­de­ra­to­ren er­war­ten. als ma­rio six­tus vor vie­len jah­ren als elek­tri­scher re­por­ter an­fing, habe ich mich über sei­nen iro­nisch über­trie­be­ne pe­ter von zahn stimm­la­ge und in­to­na­ti­on köst­lich amü­siert. mitt­ler­wei­le kommt mir die­se art zu spre­chen fast na­tür­lich vor.

je­den­falls ma­chen die mo­de­ra­to­ren in ope­ra­ti­on na­ked das was sie im­mer ma­chen und wir­ken er­staun­lich na­tür­lich und so wie wir sie ken­nen. das na­tür­lich-wir­ken fiel den schau­spie­lern deut­lich schwe­rer. sie re­de­ten alle wie klaus kin­sky in ei­ner talk­show, wenn er ent­spannt wir­ken woll­te. sie im­mi­tie­ren un­si­cher­hei­ten beim for­mu­lie­ren, set­zen nach­denk­pau­sen beim spre­chen, zö­gern manch­mal beim ant­wor­ten — wir­ken da­bei aber fast nie un­ge­küns­telt.

so sehr mir das for­mat des films ge­fiel, hat­te ich an­fangs pro­ble­me mit der ge­schich­te die der film auf­spannt. der film er­zählt im prin­zip die ge­schich­te ei­ner aug­men­ted rea­li­ty da­ten­bril­le und des ge­sell­schaft­li­chen und po­li­ti­schen ge­zer­res um sie. mir war das teil­wei­se zu re­du­ziert, ste­reo­typ und auf eine be­stimm­te art zu un­dif­fe­ren­ziert. mein pro­blem mit der ge­schich­te lös­te sich aber, als mir klar wur­de, dass ma­rio six­tus kei­ne sei­te ein­nimmt. er macht sich in ge­wis­ser wei­se über alle sei­ten der me­dail­le lus­tig, über die glass­ho­les, die post-pri­va­cy-ad­vo­ka­ten, die da­ten­schüt­zer oder die street­view-fas­sa­den­schüt­zer.

ma­rio six­tus hält die ge­schich­te am­bi­va­lent, er löst nicht auf — auch wenn er die er­zäh­lung mehr oder we­ni­ger ver­söh­lich en­den lässt und am ende mit ei­nem ins­zi­na­to­ri­schem ta­schen­spie­ler­trick auf eine me­ta­ebe­ne hebt.

ich gebe vier ster­ne, weil ich den film trotz ei­ni­ger schwä­chen im schau­spie­le­ri­schen und in der um­set­zung für ge­lun­gen hal­te. al­lei­ne um die vie­len, zum teil stark ge­al­ter­ten, ZDF-na­sen in ih­ren fern­seh-ha­bi­ta­ten zu se­hen, hat sich der film schon ge­lohnt. es war auch lus­tig zu se­hen, wie pe­ter hah­ne sich um kopf und kra­gen re­det, ohne dass er merkt, was ei­gent­lich los ist. wo­bei das wahr­schein­lich bei je­der sei­ner sen­dun­gen der fall ist. ich bin aber auch be­fan­gen, weil an dem film sehr vie­len men­schen mit­ge­macht ha­ben, die ich ger­ne mag. ich bin auch ein biss­chen ein ma­rio-six­tus-fan­boy, was ope­ra­ti­on na­ked mög­lich­wei­se ei­nen ex­tra punkt be­schert ha­ben könn­te. ma­rio six­tus hat bei die­sem film üb­ri­gens fast al­les ge­macht, nicht nur das dreh­buch, die pro­duk­ti­on und die re­gie, so­gar die mu­sik stammt von ihm. und na­tür­lich spielt er auch mit — als elek­tri­scher re­por­ter.


im prin­zip ge­hört zu die­sem fern­seh­film auch die do­ku­men­ta­ti­on ich weiss wer du bist, in der er der fra­ge nach­geht, ob das, was er in sei­nem fern­seh­spiel fik­tio­nal zeigt, auch in der rea­li­ti­ät mög­lich ist.


trai­ler , ope­ra­ti­on­na­ked.org , pro­gramm­da­ten


[nach­trag 15.02.2016]
der film ist jetzt in der zdf-me­dia­thek zu se­hen .


[Wer­bung] Dong Xu­an Cen­ter

felix schwenzel in artikel

Seit letz­ter Wo­che gibt’s die GEO Spe­cial Ber­lin im Han­del. Gru­ner + Jahr hat mir ein Heft über­las­sen, um dar­in in­ter­es­san­te Orte zu fin­den, die ich noch nicht ken­ne oder noch nicht als be­su­chen­swert er­kannt habe und dar­über zu schrei­ben. Für die­sen Ar­ti­kel be­kom­me ich ein Ho­no­rar von Geo, des­halb ver­su­che ich auch auf Gross- und Klein­schrei­bung zu ach­ten.

In der GEO Spe­cial habe ich tat­säch­lich ein paar Orte ge­fun­den, die ich noch nicht kann­te und un­be­dingt be­su­chen möch­te. Bei uns um die Ecke, zum Bei­spiel, gibt es die Preu­ßi­sche Spi­ri­tuo­sen Ma­nu­fac­tur (See­stras­se 13, psmber­lin.de), die un­ter an­de­rem Kräu­ter­li­kö­re her­stellt. Sehr ein­la­dend sieht auch das Kaf­fee­haus Grozs in Char­lot­ten­burg aus (Kur­fürs­ten­damm 193/194), wo ich dem­nächst mal ei­nen Kaf­fee trin­ken möch­te.

Ich habe mich aber ent­schie­den das Dong Xuan Cen­ter am Sonn­tag an­zu­se­hen. Laut des Tipps der „Ber­li­ner Krea­ti­ven“ Carl Ja­kob Haupt und Da­vid Kurt Karl Roth (bei­de, laut Bild­un­ter­schrift, 31 Jah­re alt) auf Sei­te 101 der Geo Spe­cial, ist das Dong Xuan Cen­ter ein „Litt­le Ha­noi“, in dem „Viet­na­me­sen al­les von Klei­dung bis zur bes­ten Pho-Sup­pe“ ver­kau­fen. Sonn­tags gehe ich im­mer ger­ne spa­zie­ren, also bin ich aus dem Wed­ding dort­hin ge­lau­fen. Goog­le Maps gibt eine Lauf­zeit von zwei­ein­halb Stun­den an, ge­dau­ert hat es dann aber drei­ein­halb — auch weil ich noch ein paar klei­ne Um­we­ge und Pau­sen ge­macht habe.

Ei­gent­lich woll­te ich mir näm­lich, ob­wohl er Sonn­tags ge­schlos­sen ist, den Show­room Gey­ers­bach an­se­hen (Ko­pen­ha­ge­ner Stras­se 17, gey­ers­bach.com), in dem Ulf Gey­ers­bach Alt­holz zu neu­en Mö­beln tisch­lert und die Er­geb­nis­se dort zeigt. Eine Fehl­be­die­nung mei­nes Na­vi­ga­ti­ons­sys­tems führ­te mich aber auf eine fal­sche Fähr­te, was ich erst an der Schön­hau­ser Al­lee, Ecke Ebers­wal­der Stras­se merk­te.

Das war aber auch OK, weil dort, wie im Heft be­schrie­ben, ein Stras­sen­mu­si­ker stand und mu­si­zier­te, auch wenn es nicht der im Heft por­trai­tier­te Ge­or­die Litt­le war. Ich mag die Ecke aber so oder so, weil dort wirk­lich im­mer sehr viel Le­ben herrscht, weil es an der Ecke gu­ten Kaf­fee gibt (Im­pa­la), ich hier in der Nähe die Bei­fah­re­rin ken­nen­ge­lernt habe (An ei­nem Sonn­tag im Au­gust) und man hier gut weg­kommt.

Wei­ter also durch und dann raus aus dem Prenz­lau­er Berg, die Dan­zi­ger Stras­se ent­lang, de­ren Schau­fens­ter­aus­la­gen et­was we­ni­ger hip, als die im Prenz­lau­er Berg sind.

Vor­bei am Ve­lo­drom, und dann durch Fennpfuhl, eine ziem­lich gros­se Plat­ten­bau­sied­lung aus der DDR-Zeit, durch die ich ei­gent­lich ganz ger­ne lau­fe, auch weil es dort schö­ne Park­an­la­gen und Ge­wäs­ser gibt und die Plat­ten­bau­ten sehr wohn­lich aus­se­hen. Eine Stras­sen­bahn (M8) fährt auch mit­ten durch die Sied­lung, teil­wei­se auf be­grün­ten Glei­sen.

Nach Fennpfuhl wan­delt sich das Stadt­bild in sa­nie­rungs­be­dürf­ti­ges Ge­wer­be­ge­biet. Die­ses Ge­bäu­de ist be­reits auf dem Ge­län­de des Dong Xuan Cen­ter.

Der ei­gent­li­che Ein­gang, bzw. die Ein­fahrt liegt aber noch ein paar hun­dert Me­ter wei­ter.

Das Dong Xuan Cen­ter be­steht aus 6 Markt­hal­len, drei gros­sen und meh­re­ren klei­ne­ren. Die drei grös­se­ren sieht man oben auf dem Bild. Das Cen­ter ist je­den Tag of­fen, aus­ser Diens­tags, da ist Ru­he­tag. In den Hal­len fühlt man sich ein biss­chen wie in Chi­na-Town in New York, sehr vie­le frem­de Ge­rü­che und ir­ri­tie­ren­de Enge. Al­les ist ein biss­chen schä­big, aber auf eine un­hip­pe, sym­pa­thi­sche Art.

In den Hal­len gibt es meh­re­re Le­bens­mit­tel­lä­den, sehr vie­le Fri­seu­re, ei­ni­ge Lä­den mit Aus­stat­tun­gen für Na­gel­stu­di­os, aber auch ein paar Lä­den in de­nen man nicht nur die Aus­stat­tung kau­fen kann, son­dern sich auch gleich die Nä­gel ma­chen las­sen kann. Es gibt auch ei­nen Plas­tik­blu­men-La­den und un­zäh­li­ge Lä­den mit ana­lo­gem Plas­tik­tand oder elek­tri­schem Tand.




An den Ein­gän­gen der Hal­len steht zwar über­all Gross­han­del, aber so­weit ich se­hen konn­te, las­sen sich auch pro­blem­los klei­ne­re Men­gen kau­fen, teil­wei­se, so scheint es mir, recht güns­tig.

Was ich wit­zig fand, wa­ren die Hin­weis­schil­der in den Gän­gen, auf de­nen die Haus­ver­wal­tung ein­dring­lich auf das stren­ge Rauch­ver­bot hin­weist:

Da Ver­wal­tung, Haus­meis­ter und der Si­cher­heits­dienst schon mehr­fach auf das Rauch­ver­bot in den Hal­len­gän­gen hin­ge­wie­sen ha­ben und sich trotz­dem kei­ner dar­an hält, wird mit so­for­ti­ger Wir­kung eine Stra­fe von 50 Euro bei Miss­ach­tung des Rauch­ver­bots ein­ge­zo­gen.

Die Ver­wal­tung, die Haus­meis­ter und der Si­cher­heits­dienst ha­ben das gut be­ob­ach­tet: in den Gän­gen wur­de hem­mungs­los von den Händ­lern ge­quarzt.

In’s Dong Xuan Cen­ter bin ich na­tür­lich auch we­gen des Es­sens ge­gan­gen. In Ber­lin gibt es sehr vie­le sehr gute viet­na­mie­si­sche Re­stau­rants und ich war sehr ge­spannt, ob sich hier et­was bes­se­res fin­den lies­se. Lei­der war die Aus­wahl ziem­lich schwer. Alle Re­stau­rants wa­ren auch noch am Nach­mit­tag gut be­sucht, alle sa­hen eher nach ge­ho­be­ner, un­am­bi­tio­nier­ter Stras­sen­kü­che aus und in den meis­ten wur­de auch be­dient. Ich ent­scheid mich für die ein­fachs­te Wahl, das Viet Phô, das vor­ne in Hal­le 2 liegt, mit Blick auf den Ein­gang und das ei­nen ein­la­den­den Ein­druck mach­te. Die Spei­se­kar­te war un­fass­bar lang und ich ent­scheid mich nach et­was in­ne­rem hin und her für die Num­mer 40, Phở bò áp chảo nước, Reis­band­nu­del­sup­pe mit ge­bra­te­nem Rind­fleisch und viet­na­me­si­schem Ge­mü­se für 7 Euro. Dazu gabs ein köst­li­ches Man­go-Las­si.

Die Sup­pe war OK, hat mich aber nicht um­ge­hau­en. So­wohl die Brü­he, als auch das Fleisch wa­ren sehr aro­ma­tisch, die Pak Choi wa­ren kna­ckig, un­ten schwamm schön viel Knob­lauch und Ing­wer und die Sup­pe hat satt ge­macht. Beim nächs­ten mal pro­bier ich das Re­stau­rant hin­ten rechts in Hal­le 3 aus. Nächs­tes mal neh­me ich dann auch die Bei­fah­re­rin mit, die geht näm­lich auch sehr ger­ne in Ge­wer­be­ge­bie­ten spa­zie­ren.

Dong Xuan GmbH
Herz­berg­str. 128-139
10365 Ber­lin
Täg­lich: 10:00 - 20:00 Uhr - Diens­tag ist Ru­he­tag
(+49) 30 – 55 15 20 38
don­gxu­an-ber­lin.de


star wars — the force awa­kens

felix schwenzel in gesehen

ich hab mir alle star-wars-fil­me an­ge­se­hen, aber das hier ist, nach lan­ger zeit, der ers­te ge­we­sen, bei dem ich mich wie­der gut amü­siert habe. nach all den über­kom­ple­xen fern­seh­se­ri­en mit x par­al­le­len hand­lungs­strän­gen, die ich mir in den letz­ten jah­ren rein­ge­zo­gen habe, war the force awa­kens auch im ver­gleich ent­span­nend un­kom­plex. eine ein­fa­che co­ming of age (oder co­ming of force?) ge­schich­te, mit ei­ner gran­di­os be­setz­ten, kom­ple­xen, star­ken, weib­li­chen haupt­rol­le, bei der ich mich nicht eine mi­nu­te ge­lang­weilt habe. ich bin aber trotz­dem, ge­gen ende des films, zwei­mal kurz weg­ge­ratzt, aber nicht aus lan­ge­wei­le, son­dern aus mü­dig­keit.

ich glau­be über the force awa­kens ist schon so viel, aus so vie­len per­spek­ti­ven ge­schrie­ben wor­den, dass ich jetzt nicht auch noch die drei­hun­der­sechs­tau­sends­te re­zen­si­on ver­fas­sen muss. ein paar mei­ner ein­drü­cke möch­te ich aber doch fest­hal­ten.

ich fin­de die (kei­nes­falls neue) idee sehr reiz­voll, dass es men­schen gibt, die be­stimm­te an­dro­iden oder we­sen ver­ste­hen und an­de­re nicht. das the­ma zog sich durch den gan­zen film und wur­de sehr sorg­fäl­tig auf po­ten­zi­ell ver­wend­ba­re wit­ze ab­ge­klopft. über­haupt fand ich es sehr an­ge­nehm, wie vie­le sub­ti­le wit­ze und an­spie­lun­gen in dem film un­ter­ge­bracht wa­ren. ich habe be­stimmt nicht alle an­spie­lun­gen und gags mit­be­kom­men oder ver­stan­den, aber ein paar doch — und den ei­nen oder end­e­ren mög­li­cher­wei­se so­gar als ein­zi­ger im kino. kann na­tür­lich auch sein, dass der IMAX-sound im­mer ge­nau dann zu laut war, wenn an­de­re mal mit mir mit­ge­lacht ha­ben.

der reich­lich vor­han­de­ne hu­mor, wur­de zwar im­mer wie­der­mal mit beis­sen­dem pa­thos ge­kon­tert, aber auch das war gut aus­zu­hal­ten und nicht so platt wie in den letz­ten fil­men.

ich weiss nicht was mich mehr in den bann ge­zo­gen hat, die gu­ten schau­pie­le­ri­schen leis­tun­gen, oder die wirk­lich run­de in­sze­nie­rung und ge­schich­ten­ent­wick­lung. ich ten­die­re dazu, den gross­teil mei­nes gros­sen ver­gnü­gens beim zu­schau­en j.j. abrams an­zu­las­ten. die schau­spie­ler wa­ren ja ei­gent­lich auch schon in den vor­gän­ger­fil­men durch­weg sehr gut, aber wie sich die ge­schich­te von the force awa­kens ent­wi­ckel­te, fand ich sehr rund und an­ge­nehm — trotz ge­le­gent­li­cher ab­sur­di­tä­ten oder phy­si­ka­li­schem un­sinn.

ich habe star wars im­mer ger­ne ge­se­hen, wür­de mich aber nicht als fan be­zeich­nen. aber ich glau­be ich könn­te mich als j.j.-abrams-fan be­zeich­nen. ich kann mich an nichts er­in­nern, das er als re­gis­seur um­ge­setzt hat, was ich be­son­ders doof ge­fun­den hät­te.

harr­sison ford ist sehr sehr alt ge­wor­den, vor al­lem so aus der nähe be­trach­tet. wir (das kind und ich) wa­ren ja heu­te im IMAX am pots­da­mer platz, mit 3D und in ori­gi­nal­ver­si­on. und bei die­sem IMAX- oder 3D-ge­döns, kommt man den schau­spie­lern schon ganz schön nahe. er­staun­li­cher­wei­se hat mich das 3D-ge­döns die­ses mal auch gar nicht ge­nervt. auch 3D scheint eine kunst­fer­tig­keit zu sein, die eben nicht je­der be­herrscht, bzw. mit der man of­fen­bar jah­re­lang ex­pe­ri­men­tie­ren muss, um zu an­ge­neh­men er­geb­nis­sen zu kom­men. tat­säch­lich wa­ren ei­ni­ge sze­nen so im­mersiv, dass ich mich stel­len­wei­se bei mei­nen vor­der­leu­ten be­schwe­ren woll­te, dass sie sich jetzt doch bit­te wie­der hin­set­zen sol­len, da­bei wa­ren es drei­di­men­sio­n­ele schein­ob­jek­te, die sich in mein sicht­feld scho­ben. ich bil­de mir auch ein, dass ru­hi­ge sze­nen, also sze­nen in de­nen sich die ka­me­ra nicht all­zu viel be­wegt, oft ganz be­son­ders be­ein­dru­ckend sind. oder um­ge­kehrt: zu schnell be­weg­te sze­nen ver­schmie­ren oft oder schei­nen selt­sam ver­wa­ckelt.

in ei­ner sze­ne sieht man den bug ei­nes gi­gan­ti­schen ster­nen­kreu­zers, in ei­ner re­la­tiv lan­gen und sehr ru­hi­gen ein­stel­lung. da­bei fiel mir auf, wel­che de­tail­tie­fe das mo­dell be­sass — und vor al­lem wel­che de­tail­tie­fe aus dem ki­no­ses­sel er­kenn­bar war. sehr schön an­zu­se­hen fand ich auch den ab­spann in 3D; ein gros­ser, wei­ter, ru­hi­ger ster­nen­him­mel, qua­si hin­ter der lein­wand auf­ge­spannt und auf der lein­wand, schein­bar im lee­ren raum, roll­ten die buch­sta­ben nach oben.

der bes­te 3D-ef­fekt war al­ler­dings vor dem film zu se­hen. da stell­te sony die vor­zü­ge der IMAX-tech­nik und des IMAX-ki­nos, in dem wir sas­sen, stolz vor. je­des de­tail wur­de mit sehr vie­len ad­jek­ti­ven er­klärt. zwi­schen­durch wur­de die schall­tech­nik er­klärt und das licht hin­ter der lein­wand an­ge­knipst. dort konn­te man ein gi­gan­ti­sches ge­rüst se­hen, in dem sehr vie­le laut­spre­cher hin­gen. die­ser 3D-ef­fekt funk­tio­nier­te auch gut ohne 3D-bril­le.

ich bin mitt­ler­wei­le kein gros­ser kino-fan mehr, ich gu­cke mir fil­me auch ger­ne auf dem han­dy oder mei­nem 13" re­ti­na-bild­chirm an. nur bei the force awa­kens müss­te ich da­mit wohl bis mit­te april war­ten, bis der film in an­ge­mes­se­ner qua­li­tät ir­gend­wo le­gal er­scheint. des­halb habe ich mich dann doch ent­schie­den ins kino zu ge­hen — und dann auch gleich rich­tig und or­dent­lich. tat­säch­lich kann ich nichts schlech­tes über das IMAX- und 3D-zeug sa­gen. ich bin sehr tief im film ver­sun­ken und fühl­te mich den fi­gu­ren teil­wei­se po­ren­tief nah.

ich gebe dem film 5 ster­ne, die vol­le punkt­zahl, weil ich nichts am film aus­zu­set­zen habe. mei­ne er­war­tun­gen wa­ren nicht be­son­ders hoch: ich woll­te un­ter­hal­ten wer­den und wenn mög­lich in eine an­de­re welt ein­tau­chen, und mich je­den­falls we­der lang­wei­len noch über all­zu­gros­se ab­sur­di­tä­ten är­gern. die­se er­war­tun­gen hat der film voll und ganz er­füllt und teil­wei­se über­trof­fen. selbst der un­ver­meid­li­che cliff­han­ger am ende des films, war wohl tem­pe­riert.


angst schü­ren

felix schwenzel in artikel

sa­scha lobo schreibt auf spie­gel.de über das irr­sin­ni­ge vor­ha­ben, bar­geld­zah­lun­gen über 5000 euro zu ver­bie­ten. er schreibt in die­ser ko­lum­ne, wie im­mer, vie­le rich­ti­ge sa­chen. vor al­lem be­schreibt er (wie­der) eine po­li­ti­sche idee, eine ideo­lo­gie, die glaubt, im­mer mehr über­wa­chung, wür­de zu mehr si­cher­heit und bes­se­re er­kennt­nis­se über be­dro­hungs­la­gen füh­ren. in ei­ner frü­he­ren ko­lum­ne hat er das sehr schön als „ge­fühl­te Ra­tio­na­li­tät“, bzw. als „Schein­ra­tio­na­li­tät“ be­zeich­net.

Wenn also die­se Da­ten of­fen­sicht­lich nicht aus­rei­chen, um ei­nen An­schlag zu ver­hin­dern - wel­che Da­ten um al­les in der Welt hofft man dann per Ge­ne­ral­über­wa­chung zu be­kom­men? Die ra­tio­na­le Her­an­ge­hens­wei­se wäre das Ein­ge­ständ­nis, dass es nicht dar­um geht, neue Da­ten zu be­kom­men, son­dern die längst vor­han­de­nen bes­ser aus­zu­wer­ten. Die schein­ra­tio­na­le Her­an­ge­hens­wei­se aber wird sich durch­set­zen: mehr Über­wa­chung. Mehr Da­ten. Die Ir­ra­tio­na­li­tät da­hin­ter lau­tet: Wir fin­den die Na­del im Heu­hau­fen nicht, also brau­chen wir mehr Heu.

in die­ser ko­lum­ne va­riert er den ge­dan­ken:

Das Ziel der Ab­schaf­fung des Bar­gelds ist die tau­sends­te Va­ri­an­te der Über­zeu­gung, dass man alle Men­schen eng­ma­schig und au­to­ma­ti­siert kon­trol­lie­ren müs­se, um Si­cher­heit ge­währ­leis­ten zu kön­nen. Die­se au­to­ri­tä­re Ideo­lo­gie, Kon­trol­le durch flä­chen­de­cken­de Über­wa­chung, steht hin­ter der Ra­di­ka­li­tät von BND und NSA eben­so wie hin­ter der Vor­rats­da­ten­spei­che­rung. Es geht um eine ver­stö­ren­de und für eine auf­ge­klär­te, of­fe­ne Ge­sell­schaft un­wür­di­ge Hal­tung. Wer nicht lau­fend aufs Neue be­weist, dass er un­schul­dig ist, muss als ver­däch­tig, also po­ten­zi­ell schul­dig gel­ten.

so­weit so rich­tig und so be­un­ru­hi­gend. denn die­se me­cha­nik, im­mer mehr kon­trol­le, im­mer mehr über­wa­chung, ist nicht nur ei­ner auf­ge­klär­ten, of­fe­nen ge­sell­schaft un­wür­dig, son­dern vor al­lem, nach al­lem was wir wis­sen, mehr oder we­ni­ger nicht der de­mo­kra­ti­schen kon­trol­le un­ter­wor­fen. die ge­wal­ten­tei­lung, die checks and ba­lan­ces, das zen­trals­te ele­ment ei­ner funk­tio­nie­ren­den de­mo­kra­tie, wird durch die wach­sen­den frei­räu­me für ge­heim­diens­te und si­cher­heits­be­hör­den un­ter­wan­dert.

cory doc­to­row hat das in ei­nem sehr lan­gem es­say kürz­lich sehr pas­send be­schrie­ben:

The se­cu­ri­ty ser­vices are a sys­tem with a powerful ac­ce­le­ra­tor and ina­de­qua­te bra­kes. They’ve re­bran­ded “ter­ro­rism” as an exis­ten­ti­al risk to ci­vi­liza­ti­on (ra­ther than a lu­rid type of crime). The War on Ter­ror is a lock that opens all doors. As in­nu­me­ra­ble DEA agents have dis­co­ver­ed, the hint that the drug-run­ner you’re cha­sing may be fun­ding ter­ror is a ta­lis­man that cle­ars away red-tape, checks and ba­lan­ces, and over­sight.

The sto­ry of ter­ro­rism is that it must be stop­ped at all cos­ts, that the­re are no li­mits when it co­mes to the cap­tu­re and pu­nish­ment of ter­ro­rists.

über­wa­chung gilt als all­heil­mit­tel und ge­heim­hal­tung und das fern­hal­ten von de­mo­kra­ti­schen, kon­trol­lie­ren­den pro­zes­sen ist der schutz­man­tel. das wort ter­ro­ris­mus wirkt wie ein zau­ber­spruch, um läs­ti­ge de­mo­kra­ti­sche und rechts­staat­li­che me­cha­nis­men aus­ser kraft zu set­zen. eine wei­te­re schutz- und wachs­tums­schicht, für die frei­räu­me der über­wa­chungs­ap­pa­ra­te, ist na­tür­lich die angst, angst vor an­schlä­gen, angst vor man­geln­der si­cher­heit:

Je­der neue An­schlag und auch jede neue (egal wie fal­sche) Ge­schich­te über die Ter­ror­ge­fahr durch man­geln­de Über­wa­chung sät Angst und macht die Be­völ­ke­rung emp­fäng­li­cher für tech­nik­gläu­bi­ge Heils­ver­spre­chen.

ängs­te stra­te­gisch zu nut­zen, um po­li­ti­sche vor­ha­ben um­zu­set­zen, ist ein klas­si­sches po­pu­lis­ti­sches in­stru­ment. wir kön­nen die­ser stra­te­gie der­zeit in ver­schie­de­nen wahl­kämp­fen, vor un­se­rer haus­tür, aber auch in über­see, qua­si live zu­schau­en. wer die ge­füh­le der be­völ­ke­rung ge­schickt an­spricht, kann sich zu­min­dest ganz or­dent­li­cher um­fra­ge­wer­te si­cher sein. und na­tür­lich sind wir uns alle ei­nig, dass das hin­ter­lis­ti­ge han­tie­ren mit ängs­ten, rea­lis­ti­schen oder ein­ge­bil­de­ten ängs­ten, ei­ner auf­ge­klär­ten, of­fe­nen ge­sell­schaft un­wür­dig ist.

nach neun ab­sät­zen über­legt sich sa­scha lobo dann, das mit den ängs­ten auch mal aus­zu­pro­bie­ren und kommt auf das be­lieb­te to­ta­li­ta­ris­mus-ar­gu­ment:

Was wür­de eine to­ta­li­tä­re Re­gie­rung mit den Geld­da­ten ma­chen?
[…]
[M]it je­der neu­en Tech­no­lo­gie, die neue, ver­hal­tens­be­schrei­ben­de Da­ten­strö­me her­vor­bringt, wird zu­nächst die Mög­lich­keit der ge­sell­schaft­li­chen Kon­trol­le ge­schaf­fen. Im Hin­ter­grund im­mer dro­hend die Fra­ge: Was wür­de eine an die Macht ge­ra­te­ne rechts­po­pu­lis­ti­sche Par­tei mit den Da­ten­strö­men tun, die durch die Über­wa­chung al­ler Geld­flüs­se ent­stün­de?

ich habe mich sehr ge­är­gert, über die­ses stroh­mann-ar­gu­ment. ei­ner­seits weil es mit un­se­ren ängs­ten spielt und auf mich wie aus dem po­pu­lis­mus-bau­kas­ten ge­nom­men wirkt. an­de­rer­seits, weil es so ab­surd ist: wenn wir uns auf die­sem ni­veau ge­dan­ken über die zu­kunft un­se­rer ge­sell­schaft ma­chen, müss­ten wir auch über die ab­schaf­fung der po­li­zei und des mi­li­tärs nach­den­ken?

denn wel­che schlim­men din­ge könn­te eine „to­ta­li­tä­re Re­gie­rung“ mit die­sen in­stru­men­ten um­set­zen? wir müss­ten prä­ven­tiv un­se­re elek­tro­ni­sche in­fra­struk­tur zu­rück­bau­en, und die deut­sche waf­fen­in­dus­trie ab­wra­cken, für den fall der fäl­le, dass plötz­lich to­ta­li­ta­ris­mus oder rechts­po­pu­lis­ten in deutsch­land herrsch­ten.

die ab­sur­di­tät des ge­dan­kens, dass bar­geld ein wich­ti­ges werk­zeug ge­gen to­ta­li­ta­ris­mus sei, wird aber spä­tes­tens klar, wenn man sich vor­stellt, was eine to­ta­li­tä­re re­gie­rung wohl ma­chen wür­de, wenn sie an die macht käme. sie könn­te zum bei­spiel, in ei­nem to­ta­li­tä­ren hand­streich, das ver­blie­be­ne bar­geld ab­schaf­fen. dann hät­ten wir, in un­zäh­li­gen ko­lum­nen und blog­ein­trä­gen, ver­fasst un­ter ei­ner noch nicht to­ta­li­tä­ren re­gie­rung, ganz um­sonst für des­sen bei­be­hal­tung ge­kämpft.

ich bin auch ge­gen die ab­schaf­fung von bar­geld. aber das pro­blem ist nicht das bar­geld, oder die über­wa­chung an sich, son­dern dass die ba­lan­ce des po­li­ti­schen sys­tems aus den fu­gen ge­ra­ten ist; die ge­wal­ten­tei­lung funk­tio­niert nicht mehr und ein ver­fas­sungs­or­gan, die exe­ku­ti­ve, hat ei­nen ap­pa­rat ge­schaf­fen, der ganz of­fen­sicht­lich nicht mehr wirk­sam von den an­de­ren ver­fas­sungs­or­ga­nen kon­trol­liert und ein­ge­schränkt wer­den kann. noch­mal aus der wi­ki­pe­dia über checks and ba­lan­ces:

Checks and Ba­lan­ces ist eine Be­zeich­nung für die ge­gen­sei­ti­ge Kon­trol­le, die Macht­hemm­nis (eng­lisch checks) von Ver­fas­sungs­or­ga­nen ei­nes Staa­tes, zur Her­stel­lung ei­nes dem Er­folg des Gan­zen för­der­li­chen Sys­tems par­ti­el­ler Gleich­ge­wich­te (engl. ba­lan­ces), zu­nächst im We­sent­li­chen, um ei­ner Dik­ta­tur vor­zu­beu­gen.

wir soll­ten nicht den to­ta­li­ta­ris­mus an die wand ma­len, son­dern für or­dent­li­che „Macht­hemm­nis­se“ sor­gen. und vor al­lem soll­ten wir ver­su­chen, den po­pu­lis­mus und die an­geb­lich ein­fa­chen lö­sun­gen, nicht mit po­pu­lis­mus zu be­kämp­fen — son­dern mit va­li­den ar­gu­men­ten. so wie sa­scha lobo das üb­li­cher­wei­se tut. wenn er es un­ter­lässt, schmerzt es mich.


bild­quel­le, ac­tio und re­ac­tio.


[nach­trag 06.02.2016]

sa­scha lobo hat auf face­book ge­ant­wor­tet (auch hier hin syn­di­ziert). lei­der hat er in al­len punk­ten, die er in sei­ner ant­wort er­wähnt, recht. ich hat­te es oh­ne­hin ge­ahnt: so­bald er mir ant­wor­tet, wür­de ich ihm wie­der in al­len punk­ten zu­stim­men müs­sen, ob­wohl ich ihm ger­ne wei­ter wi­der­spre­chen wür­de. da­für müss­te ich aber so viel nach­den­ken und dif­fe­ren­zie­ren, dass ein or­dent­li­cher wi­der­spruch wahr­schein­lich erst zur re­pu­bli­ca fer­tig wäre.


off­side, wed­ding

felix schwenzel

das off­side nennt sich selbst eine „pub & whis­ky bar“ und hat, in der tat, die bes­te whis­ky-aus­wahl, die ich je­mals ir­gend­wo ge­se­hen habe. da ich al­ler­dings noch nicht vie­le whis­ky-bars von in­nen ge­se­hen habe, möch­te ich nicht aus­schlies­sen, dass es an­ders­wo eine noch bes­se­re aus­wahl gibt. wenn man sich je­doch die whis­ky-kar­te an­sieht, ist es schwer vor­stell­bar, dass es ir­gend­wo eine bes­se­re aus­wahl gibt. selbst aus der mitt­ler­wei­le ge­schlos­se­nen caper­do­nich de­stil­lery, von der ich zu weih­nach­ten eine 19jäh­ri­ge fass­ab­fül­lung pro­biert habe, hat das off­side eine rei­che aus­wahl.

ich habe zu­erst den 16 jah­re al­ten lag­avu­lin pro­biert, der, glau­be ich, als ein klas­si­scher, rau­chi­ger is­lay-whis­ky gilt. mein ers­ter ge­dan­ke war: „aha, le­cker u-boot-treib­stoff“ was dar­an lie­gen kann dass es ein­fach der ers­te whis­ky-schluck des ta­ges war, oder weil er tat­säch­lich leich­te spi­ri­tus-no­ten hat. die fol­gen­den schlü­cke zeig­ten dann aber ein sehr aus­ge­gli­che­nes, har­mo­ni­sches ge­schmacks­bild, ohne aus­ge­präg­te ei­ge­ne cha­rak­te­ris­tik. bei is­lay-whis­kys blei­ben mei­ne sym­pa­thien vor­erst wohl bei laphro­aig und bun­na­hab­hain.

den bun­na­hab­hain hat­te ich ja vor ei­ner wei­le in ei­ner ho­tel­bar in der pro­vinz ent­deckt und woll­te im off­side über­prü­fen, ob mei­ne be­geis­te­rung von da­mals be­rech­tigt war. war sie. die kom­ple­xi­tät und die sub­ti­len frucht­no­ten des 18 jäh­ri­gen bun­na­hab­hain ha­ben mich wie­der sehr be­geis­tert.

eben­falls aus er­in­ne­rungs­grün­den nahm ich da­nach ein glas des 10 jäh­ri­gen ta­lis­ker. kein ta­lis­ker sky, kein storm, den ganz nor­ma­len, der den ruf hat, sehr tee­ri­ge no­ten zu ha­ben. der 10 jäh­ri­ge ta­lis­ker war der ers­te whis­ky den ich auf un­se­rer schott­land­rei­se vor 5 mo­na­ten pro­biert hat­te (auf skye). die teer-no­ten sind un­ver­kenn­bar, wir­ken aber erst im ab­gang und ges­tern fand ich sie sehr sub­til und an­ge­nehm. aus den storm- und sky-va­ri­an­ten ist der teer ja ganz gut weg­ge­mixt und auch wenn ich den ta­lis­ker storm für ei­nen gu­ten whis­ky hal­te, wird die nächs­te fla­sche ta­lis­ker de­fi­ni­tiv wie­der ein 10 jäh­ri­ger sein. ob­wohl ich vor dem nächs­ten ta­lis­ker-kauf viel­leicht noch­mal den 18 jäh­ri­gen oder den ta­lis­ker dark storm pro­bie­re.

zum ab­schluss woll­te ich ger­ne den glen mo­ray noch­mal pro­bie­ren, den ich bei un­se­rem be­such dort mal pro­biert hat­te. es gab dort eine be­son­ders stark ge­torf­te spe­zi­al-edi­ti­on, die an­geb­lich auch nur in schott­land ver­trie­ben wür­de. da­mals habe ich nur ei­nen kit­ze­klei­nen schluck da­von pro­biert, weil ich noch fah­ren muss­te, aber er war mir stark in er­in­ne­rung ge­blie­ben. im off­side merk­te die be­die­nung zu recht an, dass die whis­kys aus der ge­gend eher we­ni­ger ge­torft sei­en, bzw. dass sie eben von glen mo­ray kei­ne ge­torf­te va­ri­an­te hät­te (ob­wohl es wohl auch ei­nen klas­si­schen glen mo­ray in pea­ted gibt).

je­den­falls emp­fahl er mir ei­nen ben riach 17 ye­ars sep­ten­de­cim. die ben riach de­stil­le­rie ist auch in der spey­si­de-re­gi­on, wie der glen mo­ray oder der glen­fid­dich, und er schmeck­te mir aus­ser­ge­wöhn­lich gut. er ist sehr hell und nach an­ga­ben der de­stil­le­rie we­der ge­färbt noch kalt­ge­fil­tert. ich hät­te mir den ben riach lie­bend ger­ne im whis­ky-store ge­kauft, auch wenn er dort ziem­lich rot aus­sieht, aber bei ama­zon be­kom­me ich ihn 17 euro güns­ti­ger und ohne die 6 euro ver­sand­kos­ten, die mich der ver­sand der 79,90€-fla­sche bei whis­ky.de kos­ten wür­de. auch wenn mir die you­tube-ver­kos­tun­gen von horst lü­ning im­mer gros­ses ver­gnü­gen be­rei­ten, 23 euro ex­tra sind mir dann doch zu viel.

ich habe beim schrei­ben des ar­ti­kels den fal­schen whis­ky ge­fun­den. der ben­riach sep­ten­de­cim bei whis­ky.de kos­tet tat­säch­lich (ge­ra­de) 5 euro we­ni­ger als bei ama­zon. auch wenn ich et­was mehr für den ver­sand be­zah­le, wer­de ich dann wohl doch mal bei whis­ky.de be­stel­len.

die be­die­nung im off­side hat­te ich eben ja schon­mal kurz am ran­de er­wähnt, sie ver­die­nen aber alle eine be­son­de­re er­wäh­nung. ich war sehr be­ein­druckt von der ef­fi­zi­enz, auf­merk­sam­keit und der kom­pe­tenz der be­die­nun­gen dort. die be­stel­lun­gen wa­ren schnel­ler auf dem ti­schen als das whis­ky-ge­trüb­te auge fol­gen kann, mehr­fa­che platz­wech­sel konn­ten un­se­re be­die­nung nicht mal im an­satz ir­ri­tie­ren und freund­lich wa­ren so­wie­so alle. ich glau­be ich habe am ende 20% trink­geld ge­ge­ben.

im off­side gibt’s auch klei­nig­kei­ten zu es­sen, dar­auf habe ich ges­tern ver­zich­tet, aber der käse, der dort ser­viert wird, hat mich laut auf­la­chen las­sen. wer möch­te, kann im off­side ein stück ca­mem­bert be­kom­men, das so gross ist wie eine vier­tel tor­te. ich habe auch tel­ler ge­se­hen auf de­nen drei gros­se würs­te wa­ren, zwei fleisch­far­be­ne und eine grü­ne, die sich bei nä­he­rer be­trach­tung als gi­gan­ti­sche sau­re gur­ke her­aus­stell­te.

gäs­te im off­side wer­den, wie die whis­kys die ich ger­ne mag, stark ge­räu­chert. ich war glau­be ich seit 20 jah­ren nicht mehr in ei­ner knei­pe in der so kräf­tig ge­raucht wur­de. ein gast paff­te so­gar an ei­ner zi­gar­re. um 20 uhr war der la­den zum bers­ten voll, mit men­schen und mit rauch. das ent­spann­te sich al­les im lau­fe des abends, aber ich kam am abend als räu­cher­männ­chen nach­hau­se.

off­side
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schulz und böh­mer­mann s01e04

felix schwenzel in gesehen

(mit kat kauf­mann, gheiath hobi, so­phie hun­ger und ni­ko­laus blo­me)

gute sen­dung. habe nichts aus­zu­set­zen, noch nicht mal an jan böh­mer­manns schnäut­zer. der nicht nur schlech­ten ge­schmack zeigt (wie böh­mer­mann selbst sag­te), son­dern, un­ter an­de­rem, weil er böh­mer­mann er­wach­sen aus­se­hen lässt. wie ei­nen be­scheu­er­ten er­wach­se­nen zwar, aber auch das passt, weil er ja nicht be­scheu­ert ist.

das ge­heim­nis der sen­dung war mög­li­cher­wei­se, dass die gan­ze zeit ge­ges­sen wur­de. ich glau­be das hat alle be­tei­lig­ten et­was auf­ge­lo­ckert, zu­min­dest aber die mo­de­ra­to­ren. die bei­fah­re­rin teil­te mir mit, dass die bei­den das auch bei sanft und sorg­fäl­tig ma­chen: „die es­sen die gan­ze zeit!“

die mo­de­ra­to­ren hat­ten in die­ser sen­dung aus­nahms­wei­se kei­ne angst et­was falsch zu ma­chen. das ist des­halb be­mer­kens­wert, weil böh­mer­mann in der zwei­ten sen­dung ab­sicht­lich und platt ver­such­te die gren­zen des gu­ten ge­schmacks zu über­schei­ten und zu pro­vo­zie­ren — und dann in der drit­ten sen­dung vor sa­mu­el koch den schwanz ein­zog, aus angst et­was fal­sches zu sa­gen oder gren­zen des gu­ten ge­schmacks oder hu­mors zu über­schrei­ten.

in die­ser sen­dung war das al­les wie weg­ge­bla­sen. böh­mer­mann war es so­gar egal, dem mus­li­mi­schen gast blut­wurst ans herz zu le­gen, die be­kannt­lich aus schwei­ne­blut (und speck) her­ge­stellt wird.

der mus­li­mi­sche gast, gheiath hobi, der aus sy­ri­en ge­flüch­tet ist und nach 5 mo­na­ten er­staun­lich gut deutsch spricht, war aber so­wie­so nicht aus der ruhe zu brin­gen und feu­er­te zur mit­te sen­dung auch den zweit­bes­ten gag der sen­dung ab, als böh­mer­mann ihn frag­te, ob er schon­mal dro­gen ge­nom­men habe: naja, sag­te er, es gab mal eine zeit, da habe er in der me­di­en­bran­che ge­ar­bei­tet. (der bes­te witz der sen­dung ern­te­te kei­ne la­cher, war aber ein ty­pi­scher, ge­nia­ler schulz. er wol­le, sag­te olli schulz, wenn er ster­be, „urne“ aber ohne ver­bren­nung. soll­ten die mal gu­cken, wie die das hin­be­kom­men.)

das the­ma tod brach­te so­phie hun­ger auf, als sie olli schulz’ fra­ge, ob sie gut mit geld um­ge­hen kön­ne, da­mit kon­ter­te, dass sie jetzt lie­ber über das ster­ben re­den wol­le. die­se ant­wort zeig­te, ab­ge­se­hen da­von dass sie bril­li­ant war, dass so­phie hun­ger in ei­ner an­de­ren welt wohnt, was in der sen­dung aber wie et­was gu­tes er­schien. si­byl­le berg, die ein gros­ser hun­ger-fan zu sein scheint, drück­te das fol­gen­der­mas­sen aus:

So­phie Hun­ger ist Wal­zer für nie­mand. Ge­bro­chen und trau­rig und laut und trau­rig und wahn­sin­nig. Ihr Ver­stand lebt auf ei­nem Pla­ne­ten, auf dem es an­ge­neh­mer ist, ihre Feucht­aus­stat­tung kämpft hier un­ten noch ein biss­chen ge­gen Idio­tie. Frau Hun­ger, de­ren Mut­ter wirk­lich so heißt, wuchs an 229 ver­schie­de­nen Or­ten der Welt auf, de­ren Ein­ge­bo­re­nen­spra­chen sie be­herrscht, sie kom­po­niert, tex­tet, be­herrscht selt­sa­me Ge­rä­te, ist Che­fin und die neue Ge­ne­ra­ti­on von Mu­sik­su­per­he­ros.

(hier sind alle tex­te von si­byl­le berg über die gäs­te zu fin­den)

ni­ko­laus bloh­me fand ich vor der sen­dung, dank mei­ner vor­ur­tei­le, un­sym­pa­thisch, und nach der sen­dung auch. gar nicht mal so sehr we­gen dem was er sag­te, son­dern we­gen dem wie er es sag­te. er wirkt klug, aber eben auch ein biss­chen ober­leh­rer­haft und äus­serst ei­tel. dass er die gan­ze zeit über sich und sei­ne ar­beit­ge­ber re­de­te, war al­ler­dings nicht sei­ne schuld, son­dern die der mo­de­ra­to­ren, vor al­lem böh­mer­mann, die ihn die gan­ze zeit da­nach frag­ten. im­mer­hin wich er we­nig aus und be­zog meist klar stel­lung auch bei un­po­pu­lä­ren po­si­tio­nen. so ver­tei­dig­te er kurz po­li­ti­ker, die er zur gros­sen mehr­heit sehr in­tel­li­gent fän­de, und ste­fan nig­ge­mei­er, von dem man kei­nes­falls sa­gen kön­ne, dass er beim spie­gel ge­schei­tert sei.

mei­ne lieb­lings­si­tua­ti­on in der sen­dung war, als so­phie hun­ger den mo­de­ra­to­ren wie­der das the­men­ru­der aus der hand nahm und gheiath hobi frag­te, was er ge­lernt habe, bzw. wel­chen be­ruf er habe. böh­mer­mann eschauf­fiert sich dar­über künst­lich, weil das the­ma doch schon längst ab­ge­han­delt ge­we­sen sei, wor­auf hin gheiath hobi ein­sprang mit ei­nem coo­len: „jaja, al­les gut. be­ru­hig dich.“ die­ses zu­sam­men­spiel der gäs­te mit den mo­de­ra­to­ren war in die­ser sen­dung wirk­lich be­mer­kens­wert und er­in­ner­te mich bei­na­he dar­an, wie das re­gel­mäs­sig in gra­ham nor­ton’s sen­dung klappt.

wie ge­sagt, ich habe an der sen­dung nichts aus­zu­set­zen. das bes­te zei­chen war, dass die 57 mi­nu­ten sen­de­zeit wie im flu­ge vor­bei­gin­gen, ob­wohl es kei­nen mu­si­ka­li­schen auf­tritt gab, bei dem ich vor­spu­len hät­te kön­nen. die zwei in­ter­es­sier­ten sich aus­nahms­wei­se für alle gäs­te, stell­ten er­staun­lich gute und manch­mal auch spit­ze fra­gen und schaff­ten es, das ge­spräch in gang zu hal­ten.

ab­ge­se­hen da­von wa­ren die idee mit den über­set­zungs-te­le­fon­hö­rern und die idee in der sen­dung ein acht-gän­ge-menü zu ser­vie­ren, ge­ni­al. am ende der sen­dung, in der schluss­be­spre­chung, mein­te olli schulz, dass vie­le leu­te von der sen­dung entäuscht sein wür­den. bei mir ist es das ge­gen­teil: mei­ne er­war­tun­gen wur­den in den letz­ten sen­dun­gen so weit run­ter­ge­schraubt, dass ich von die­ser sen­dung bei­na­he be­geis­tert war.

(in der ZDF-me­dia­thek ge­se­hen)


ho­r­ace and pe­te s01e01

felix schwenzel in gesehen

lou­is c.k. hat ziem­lich über­ra­schend eine sit­com ge­macht und ver­kauft sie on­line auf sei­ner web­sei­te, für 5 dol­lar pro fol­ge. die sit­com wird of­fen­bar re­la­tiv nah am ver­öf­fent­li­chungs­da­tum ge­dreht, un­ter an­de­rem wird auch kurz auf do­nald trump be­zug ge­nom­men — und dass er die re­pu­bli­ka­ni­sche prä­si­dent­schafts­de­bat­te auf fox boy­kot­tie­re. die de­bat­te war letz­te wo­che don­ners­tag, die show dürf­te also letz­te wo­che ge­dreht wor­den sein — und das merkt man ihr auch an. text­schwä­chen, ver­haspler oder mi­kro­fon-an­stup­ser blei­ben ein­fach drin, vie­le dia­lo­ge sind holp­rig. die­se im­per­fek­ti­on stört mich nicht, im ge­gen­teil, das wirkt eher er­fri­schend. ich fand die sen­dung aber trotz­dem scheis­se.

ich mag lou­is c.k. und bin be­ein­druckt, dass er so eine sen­dung (of­fen­bar) selbst pro­du­ziert hat und auf sei­ner web­sei­te ver­treibt — ohne gros­ses stu­dio im rü­cken oder be­währ­te ver­triebs­we­ge. aber lou­is c.k.’s hu­mor ist nicht im­mer mei­ne sa­che (manch­mal aber schon) und die ers­ten 32 mi­nu­ten der sen­dung wa­ren das de­prmie­ren­s­te, was ich seit lan­gem ge­se­hen habe. ich will nicht aus­schlies­sen, dass es men­schen gibt, de­nen es gros­ses ver­gnü­gen be­rei­tet, an­de­ren da­bei zu­zu­se­hen, wie sie ihre neu­ro­sen aus­le­ben oder ihre un­fä­hig­keit zu kom­mu­ni­zie­ren wort­arm un­ter be­weis stel­len. ich ge­hö­re je­den­falls nicht dazu.

ho­r­ace und pete ge­hört eine knei­pe in brook­lyn und ho­r­ace and pete hat mir noch­mal deut­lich vor au­gen ge­führt, war­um ich noch nie ger­ne in knei­pen ge­gan­gen bin: die ge­sprä­che von be­sof­fe­nen sind meist noch nicht­mal be­sof­fen aus­zu­hal­ten. in der ers­ten häf­te der sen­dung war das ganz be­son­ders un­er­träg­lich. ob­wohl sich die knei­pe ziem­lich schnell füll­te, herrsch­te dort eine der­mas­se­ne ruhe, dass man stän­dig das brum­men der be­leuch­tung hör­te. un­ter­hiel­ten sich zwei gäs­te, ei­ner der pe­tes (es gibt pete und un­cle pete) oder ho­r­ace mit ir­gend­wem, schwie­gen alle an­de­ren und fin­gen an leer in die ge­gend zu star­ren.

ich be­kam beim zu­se­hen wirk­lich schlech­te lau­ne: ge­sprä­che, die auf je­der ebe­ne schei­tern, in ab­so­lu­ter stil­le, in ei­ner vol­len knei­pe. das, was man in die­ser sen­dung sieht, kann man auch nicht mehr „schau­spie­len“ nen­nen, das ist schau­de­pri­mie­ren. und schau­flu­chen. ich hat­te kurz den ver­dacht, dass lou­is c.k. die sen­dung vor al­lem des­halb ge­macht hat, da­mit er sei­nen en­keln spä­ter mal er­zäh­len kann, dass in sei­ner sen­dung mal je­mand öf­fent­lich hil­la­ry clin­ton eine fot­ze (cunt) ge­nannt hat und, dass er es noch 2016 ge­schafft habe, eine sen­dung zu ma­chen, in der ein al­ter weis­ser mann mehr­fach das n-wort be­nutzt. wenn man nicht fürs fern­se­hen ar­bei­tet, kann man so­was ma­chen, auch wenn es nur mäs­sig wit­zig ist. an­de­rer­seits, es gibt be­stimmt auch leu­te, die sich dar­über krumm la­chen kön­nen, wenn je­mand an­de­ren leu­ten ins ge­sicht pupst.

nach 32 mi­nu­ten gab es für das pu­bli­kum eine wohl­ver­dien­te pau­se (der ers­te ge­lun­ge­ne gag). ich habe lan­ge über­legt (33 se­kun­den), ob ich mir den zwei­ten teil auch noch an­se­hen soll­te. ich habs dann ge­macht, weil ich dach­te noch schlech­te­re lau­ne wird mir der zwei­te teil schon nicht ma­chen, was aber ein irr­tum war. im­mer­hin ging es schau­spie­le­risch ein biss­chen berg­auf. alan alda fing an die show ei­gen­hän­dig zu tra­gen, ste­ve bus­ce­mi, der sich im ers­ten teil der sen­dung in ei­nen enorm schlech­ten schau­spie­ler ver­wan­delt hat­te, wach­te nach 55 mi­nu­ten auf und liess ein biss­chen was von sei­nem kön­nen durch­blit­zen. auch er­fri­schend: wie im ers­ten teil, spiel­ten nicht nur men­schen mit, die den gän­gi­gen schön­heits­idea­len ent­spre­chen. es spiel­te al­ler­dings nie­mand mit, des­sen teint dunk­ler als der von lou­is c.k. war.

im zwei­ten teil, nach der pau­se, ge­rie­ten die sto­ry und die dia­lo­ge dann auch ein biss­chen in fahrt. das war im­mer noch al­les sehr de­pri­mie­rend und un­lus­tig, aber im­mer­hin wur­den die schwei­gen­den, un­heim­li­chen gäs­te raus­ge­schmis­sen und durch­ge­hend ge­re­det und po­si­tio­nen be­zo­gen, die über knei­pen­ge­schwätz hin­aus­gin­gen.

wie ge­sagt, ich fand die sen­dung sehr un­wit­zig, de­pri­mie­rend und kon­se­quent gräss­lich. aber weil der zwei­te teil et­was an­zog, weil es eine pau­se gab und weil es ei­nen witz gab, über den ich herz­lich la­chen konn­te, gebe ich doch ei­nen punkt mehr als für die the ri­di­cu­lous 6.

was ich wirk­lich wit­zig fand: nach­dem die bei­den vor­mit­tags, so ge­gen vier­tel vor eins, die öff­nung des la­dens vor­be­rei­tet hat­ten (keh­ren, an­ei­nen­der vor­bei­re­den, de­pri­miert gu­cken, stüh­le auf­stel­len), tran­ken ho­r­ace und pete erst­mal ne tas­se kaf­fee vom vor­tag. der kaf­fee auf der wärm­plat­te muss­te vom vor­tag sein, denn die kaf­fee­ma­schi­ne hat­te noch kei­ner der bei­den be­dient. ho­r­ace und pete tran­ken die plör­re, ohne eine mie­ne zu ver­zie­hen.



schulz und böh­mer­mann s01e03

felix schwenzel in gesehen

(mit axel pe­ter­mann, sa­mu­el koch, kat­rin bau­er­feind, dem lan­gen tünn (an­ton claa­ßen), mi­cae­la schä­fer, oli p., wil­li her­ren und nem köl­ner hai)

am an­fang dach­te ich: su­per, end­lich mal so­was wie das be­mü­hen um ge­sprächs­füh­rung, über­gän­ge, kon­zen­tra­ti­on, ein paar ver­su­che nicht nur fra­gen zu stel­len, son­dern auch ant­wor­ten aus­zu­hal­ten. im lau­fe der sen­dung ging das dann aber lei­der wie­der im me­ta­ebe­nen­ge­quat­sche der mo­de­ra­to­ren un­ter. be­son­ders krass fiel das beim um­gang mit sa­mu­el koch auf. be­vor er et­was län­ger zu wort kom­men durf­te, fühl­ten sich olli schulz und jan böh­mer­mann be­müs­sigt, erst mal dar­über zu re­fe­rie­ren, wie schwer es doch für sie sei, sich für ein ge­spräch mit ihm, sa­mu­el koch, „frei zu ma­chen“ und nicht in die „lanz-fal­le“ zu tap­pen.

hi sa­mu­el, schön dass du da bist, lei­der fürch­ten wir, dass wir uns nicht frei ma­chen kön­nen von die­ser „be­trof­fen­heits­ebe­ne“ und ein­fach ein „coo­les ge­spräch“ mit dir füh­ren kön­nen. wir ha­ben da in­tern sehr in­ten­siv drü­ber ge­re­det … — so, jetzt er­zähl du mal was lus­ti­ges!

die­ses me­ta­ebe­nen-ge­döns liegt wie ein schlei­er auf der gan­zen sen­dung — was ei­ner­seits ja auch die qua­li­tät von al­lem was böh­mer­mann und schulz tun aus­macht, aber bei über­do­sie­rung un­er­träg­lich wird.

wirk­lich är­ger­lich fand ich ei­nen spä­te­ren ein­wurf von kat­rin bau­er­feind, in dem sie sa­mu­el koch die schuld für die ver­klemm­te ge­sprächs­füh­rung in die schu­he schie­ben woll­te. sinn­ge­mäss sag­te sie: die be­hin­der­ten, die sie kennt, wür­den auch mal witz­chen über sich selbst ma­chen, um es ih­rem ge­gen­über leich­ter zu ma­chen mit ih­nen um­zu­ge­hen. was für ein blöd­sinn. als kat­rin bau­er­feind ihr fern­seh-prak­ti­kum bei tim mäl­zer mach­te hat der es ihr auch nicht leicht ge­macht, im ge­gen­teil, da stand sie kurz vor ih­rem raus­wurf, weil sie die ihr ge­stell­ten auf­ga­ben nicht ernst nahm und mäl­zer da­von tie­risch ge­nervt war. mit mäl­zers ak­tiv-ag­gres­si­ver art konn­te sie als mo­de­ra­to­rin rich­tig um­ge­hen (in­dem sie sich stär­ker an­streng­te). ei­ner eher pas­siv-ag­gres­si­ven art, meint sie of­fen­sicht­lich, müss­ten nicht etwa die mo­de­ra­to­ren ge­wach­sen sein, son­dern der in­ter­view­te sol­le sich doch bit­te­schön zu­rück­neh­men oder ent­ge­gen­kom­men zei­gen.

was ich üb­ri­gens an kat­rin bau­er­feind ganz gross­ar­tig fin­de: ich kann sie in ei­nem mo­ment to­tal scheis­se fin­den und im nächs­ten mo­ment, oder eher, in der nächs­ten sen­dung, wie­der ganz gross­ar­tig. ob­wohl das even­tu­ell we­ni­ger mit ihr zu tun hat, als mit mei­ner re­zep­ti­on. in die glei­che ka­te­go­rie fällt üb­ri­gens si­byl­le berg. vie­les von dem was sie schreibt, fin­de ich to­ta­len mum­pitz, man­ches fin­de ich aus­ge­zeich­net — und als ich ih­ren text über den ex-zu­häl­ter „de lan­ge tünn“ (an­ton claa­ßen) hör­te, woll­te ich eine ode auf sie und ihre gross­ar­tig­keit ver­fas­sen. aber statt die gross­ar­tig­keit ih­rer klei­nen tex­te über die gäs­te der sen­dung zu be­sin­gen, lass ich si­byl­le bergs wor­te über herrn tünn für sich spre­chen (you­tube-ver­si­on):

Be­vor es den Rap gab, also da­mals™, führ­te der Weg aus dem Elend jun­ge, von der Welt ge­kränk­te Män­ner, ins Rot­licht­mi­lieu. Mit an­de­ren gei­len Ty­pen rau­fen, viel Geld, schnel­le Au­tos, Bo­dy­buil­ding, Gold­ket­ten und die Frau­en hat­ten ih­ren Platz: an der Bar und na­ckig an Klet­ter­stan­gen, als Schlam­pen oder her­zens­gu­te Hu­ren. Heu­te hat Herr Tünn, der sehr drol­lig ei­nen Dia­lekt nach­ahmt, der ver­mut­lich Frie­sisch ist, sich von die­sem Le­ben ver­ab­schie­det, in ei­nen an­de­ren Be­reich, der Män­nern ohne Ei­gen­schaf­ten Hei­mat ist, den Fuß­ball. Viel­leicht als Kom­men­ta­tor, oder Trai­ner, oder, pfft, egal, denn es geht die Le­gen­de, dass Herr Tünn Le­gen­den aus sei­nen Le­bens­ge­schich­ten macht, was wie­der sehr sym­pa­thisch ist — man kann nicht ge­nug lü­gen in die­sem kur­zen Le­ben. Und be­stimmt ist er ein net­ter Kerl, denn nett sind sie ja alle, im Fern­se­hen.

die tex­te von berg sind nicht im­mer auf den punkt, aber im­mer prä­zi­se und aufs we­sent­li­che kon­den­siert. das ist ein sehr schö­ner kon­trast zu den re­la­tiv un­kon­den­sier­ten plau­der­wel­len, die aus den bei­den mo­de­ra­to­ren her­aus­bre­chen.

nett war herr tünn dann zwar nicht, wohl aber ner­vig. aber ner­vig sind sie ja auch ir­gend­wie alle, im fern­se­hen. ob­wohl ei­gent­lich war nicht der herr tünn/claa­ßen ner­vig, son­dern die re­de­zeit, die ihm ge­währt wur­de und die vie­len fra­gen die an ihn ge­rich­tet wur­den. bei de­ren be­ant­wor­tung konn­te er dann sein le­ben, sei­ne zu­häl­te­rei und ge­walt in schöns­ten re­la­ti­vie­ren­dem kölsch weiss­wa­schen. über sei­nen um­gang mit den frau­en, die für ihn an­schaf­fen gin­gen, sag­te er zum bei­spiel sinn­ge­mäss:

je­schla­gen hab isch die fast nie, je­droht fast je­den tag.
wenn se je­lau­fen sind, dann gabs aber ram­bazam­ba! die gehn ja nich weg um ab­zu­hau­en, die ge­hen weg, wenn se nen an­de­ren ty­pen ken­nen­je­lernt ha­ben. die müs­sen dann aber ab­stand be­zah­len!

und zack, bin ix in die schulz-und-böh­mer­mann-fal­le ge­tappt! ich habe dem ty­pen re­de­zeit ge­ge­ben. jetzt ent­zie­he ich ihm das wort und vor al­lem, ich ver­ges­se ihn wie­der.

eine ganz be­son­de­re fä­hig­keit hat­te der kri­mi­na­list axel pe­ter­mann, der ein biss­chen wie wer­ner her­zog re­det und wie bern­hard paul aus­sieht: er schaff­te es mehr­fach in der sen­dung, dass so­wohl olli schulz als auch jan böh­mer­mann sehr ernst guck­ten und län­ger als 30 se­kun­den schwie­gen. aus­ser­dem konn­te axel pe­ter­mann iro­nie, was jan böh­mer­mann völ­lig aus dem kon­zept brach­te und sei­ne iro­nie­de­tek­to­ren de­ak­ti­vier­te. der platz auf dem axel pe­ter­mann sass, vom zu­schau­er aus vor­ne links, ist jetzt schon in der zwei­ten sen­dung in fol­ge der platz, auf dem je­mand sitzt, der län­ger hät­te re­den sol­len. wit­zi­ger­wei­se ist das nicht nur mei­ne an­sicht, son­dern auch das was olli schulz und jan böh­mer­mann in ih­rer nach­be­spre­chung sag­ten.

die nach­be­spre­chung, wenn gäs­te und pu­bli­kum ge­gan­gen sind, wur­de in die­ser sen­dung von la­ris­sa rieß ver­wäs­sert. sie ist im ab­spann als „as­sis­tenz“ ge­lis­tet und sonst of­fen­bar ra­dio­mo­de­ra­to­rin. auch la­ris­sa rieß schloss sich der mo­de­ra­to­ren-pro­tek­ti­on von kat­rin bau­er­feind an, als sie jan böh­mer­mann’s kla­ge, dass sa­mu­el koch ihn auf­lau­fen liess, as­sis­tier­te (sic!) und sag­te: „das ist auch ge­mein, weil er wuss­te, dass du nicht zu­rück­schies­sen kannst.“

im­mer­hin ein gu­tes hat die­se ab­sur­de böh­mer­mann-ver­tei­di­gung: in die­ser sen­dung hat jan böh­mer­mann mehr mit­leid ab­be­kom­men, als sa­mu­el koch.




olli schulz wird üb­ri­gens im­mer bes­ser. er greift böh­mer­mann in schwa­chen mo­men­ten gna­den­los an, kann mit ei­ner win­zi­gen ges­te, ohne wor­te, ohne rum­ge­kas­per gross­ar­ti­ge wit­ze ma­chen (sie­he oben, in der sen­dung bei mi­nu­te 53:39) und er be­zieht deut­lich stel­lung, wenn er es für nö­tig hält. zwei­mal brach­te er sei­ne an­sich­ten über die re­la­ti­vie­rung und my­tho­lo­gi­sie­rung des rot­licht­mi­lieus deut­lich und ohne iro­nie­si­cher­heits­netz zur spra­che.

in der sen­dung gabs üb­ri­gens noch 4 ex­tra-gäs­te (mi­cae­la schä­fer, oli p., wil­li her­ren und nen köl­ner hai). die idee fin­de ich gut, mi­cae­la schä­fer durf­te ei­nen brust-witz ma­chen („ich ver­kau­fe nicht mein ge­sicht in mal­lor­ca, ich ver­kau­fe mei­ne brüs­te!“), aber ich fin­de in der durch­füh­rung soll­te man mehr kon­se­qunz und här­te zei­gen und den er­satz-gäs­ten nur dann mehr als 3 mi­nu­ten ge­ben, wenn ein an­de­rer gast dann auch end­gül­tig ge­hen muss. oder an­ders ge­sagt: statt nach der sen­dung re­spekt­los über die gäs­te her zu zie­hen, lie­ber gleich in der sen­dung hal­tung zei­gen und gäs­te oder mo­de­ra­to­ren, die ner­ven, ein­fach aus­tau­schen.

(in der zdf-me­dia­thek ge­se­hen, .mp4-da­tei und hier noch ein teaser zur sen­dung)


the gra­ham nor­ton show s18e15

felix schwenzel in gesehen

(mit ice cube, ke­vin hart, hugh lau­rie, oli­via col­man, sir da­vid at­ten­bo­rough und elle king)

man ver­gisst ja im­mer wie­der, dass talk-sen­dun­gen, oder wie gra­ham nor­ton das sagt, „chat shows“, im­mer in ers­ter li­nie wer­be­sen­dun­gen sind. wer­be­sen­dun­gen de­ren deal lau­tet, dass stars in die sen­dung kom­men und da­für ih­ren neu­es­ten film, ihr neu­es­tes buch, plat­te, sen­dung oder was auch im­mer sie ge­ra­de ge­macht ha­ben, pro­mo­ten. das war in die­ser sen­dung na­tür­lich nicht an­ders, aber die­ses mal recht an­ge­nehm, weil aus­schliess­lich für sa­chen wer­bung ge­macht wur­de, die mir gut ge­fal­len wür­den. eine ech­te ver­brau­cher­infor­ma­ti­ons­sen­dung so­zu­sa­gen. ha, wäre ver­brau­cher­infor­ma­ti­ons­sen­dung nicht ein gu­ter ein­ge­deutsch­ter name für talk­shows?

[wie kommt das ei­gent­lich, dass wir nach so vie­len jah­ren deut­schen fern­se­hens im­mer noch kei­ne gu­ten, ein­ge­deutsch­ten na­men für talk­show ha­ben? schon klar, dass re­de­sen­dung nicht schön ist. hät­ten die fern­seh­ma­cher in den 50er jah­ren sol­che sen­dun­gen plau­der­schau ge­nannt, hät­ten wir uns viel­leicht an das wort ge­wöhnt, so wie wir uns mitt­ler­wei­le an ta­ges­schau (aka dai­ly show) ge­wöhnt ha­ben.]

oli­via col­man (die eine alte, gol­de­ne quarz­uhr zu tra­gen schien) und hugh lau­rie ka­men, um wer­bung für die BBC mi­ni­se­rie the night ma­na­ger zu ma­chen. das ist die ver­fil­mung ei­nes john le car­ré ro­mans und könn­te al­lein schon we­gen des en­sem­bles se­hens­wert sein. der trai­ler sieht je­den­falls ganz viel­ver­spre­chend und gut pro­du­ziert aus (auch wenn er et­was dick auf­trägt). oli­via col­man und hugh lau­rie sind auf dem sofa ei­ner plau­der­schau aber sehr un­ter­halt­sam und al­les an­de­re als dick auf­tra­gend.

ge­nau wie ice cube und ke­vin hart, die al­ler­dings auf eine ame­ri­ka­ni­sche­re art un­ter­halt­sam sind (lau­ter, sehr viel lau­ter). die bei­den pro­mo­te­ten ih­ren neu­en ride along 2-film (trai­ler), in dem auch ken je­ong mit­spielt, der mir bei der letz­ten jim­my fallon plau­der­schau sehr po­si­tiv auf­fiel. ne­ben­bei sag­te ice cube noch ein paar wor­te über die jüngs­te os­car-dis­kus­si­on, als ihn nor­ton da­nach frag­te, ob er die auch boy­kot­tie­ren wol­le. sinn­ge­mäss sag­te ice cube, dass er nichts boy­kot­tie­ren kön­ne wo er eh nicht hin­ge­he und dass prei­se und aus­zeich­nun­gen zwar nett sei­en, aber man shows und fil­me ja für das pu­bli­kum und nicht für gut­ach­ter ma­che.

was ich nie ver­ste­hen wer­de, ist die auf­tritts­rei­hen­fol­ge und paa­rungs­po­li­tik auf dem sofa von gra­ham nor­ton. mal kom­men zwei gäs­te, die dann ver­schwin­den wenn die nächs­ten zwei kom­men, mal kom­men alle ge­mein­sam aufs sofa. an­de­rer­seits: wozu soll ich et­was ver­ste­hen wol­len, was im­mer aus­neh­mend gut funk­tio­niert? in die­ser sen­dung kam nach 20 mi­nu­ten sir da­vid at­ten­bo­rough dazu. der wird dem­nächst 90 und ist für sei­ne fast 90 jah­re er­staun­lich mo­bil, wit­zig und schlag­fer­tig. und in­ter­es­sant so­wie­so. sol­che men­schen möch­te ich üb­ri­gens viel öf­ter im fern­se­hen se­hen. sie hel­fen ei­nem un­ge­mein, die angst vorm al­tern zu über­win­den.

die mu­si­ka­li­schen auf­trit­te schalt ich bei gra­ham nor­ton ei­gent­lich im­mer weg, bzw. über­sprin­ge sie. die you­tube­ver­si­on der sen­dung er­le­digt das meis­ten gleich für mich mit, weil die uploa­der die mu­sik raus­schnei­den, ver­mut­lich aus angst vor you­tube’s con­tent-id-me­cha­nik, die die mu­sik iden­ti­fi­zie­ren könn­te und die mu­sik­ver­la­ge dann zum lö­schen des vi­de­os in­spi­rie­ren könn­te.

in die­ser sen­dung habe ich aus­ver­se­hen die mu­sik wei­ter­lau­fen las­sen — und mir ge­fiel was ich da hör­te. gra­ham nor­ton ge­fiel das (na­tür­lich, wie im­mer) auch: „i love that song“. das lied (ex’s & oh’s) war von elle king, die ihre plat­te nach ei­nem sex-shop in flo­ri­da be­nannt hat: love­s­tuff.

(hier das of­fi­zi­el­le vi­deo von ex’s and oh’s)

nach ih­rem auf­tritt durf­te elle king auch noch­mal auf dem sofa platz neh­men und kom­pli­men­tier­te gleich ice cube („big fan!“), was des­halb wit­zig war, weil ke­vin hart so tat als sei das kom­pli­ment für ihn ge­dacht. elle king in­spi­rier­te da­vid at­ten­bo­rough dann noch dazu, von ei­ner be­geg­nung mit ei­ner rat­te auf ei­nem in­di­schen klo zu er­zäh­len und, was mich sehr be­ru­hig­te, el­len king ver­stand, wie ich, kein wort der ge­schich­te des kan­di­da­ten auf dem ro­ten schleu­der­stuhl.

(auch auf you­tube)


schulz und böh­mer­mann s01e02

felix schwenzel in gesehen

ich mag es ei­gent­lich ganz ger­ne, wenn sen­dun­gen es­ka­lie­ren und aus der kon­trol­le ge­ra­ten. aber wenn die es­ka­la­ti­on von den mo­de­ra­to­ren aus­geht, die zap­peln, schrei­en, schimp­fen oder dro­hen le­ben­de gold­fi­sche zu pü­rie­ren und sich we­der das pu­bli­kum, noch die gäs­te mit­reis­sen las­sen, dann wirkt das ge­wollt und öde. in die­ser sen­dung hat sich jan böh­mer­mann be­müht, sei­ne pro­vo­ka­tio­nen auf dem ni­veau des sen­dungs­the­mas (kin­der­ge­burts­tag) zu hal­ten. das war sehr scha­de und sehr flach.

dass in der sen­dung nie­mand je­mals zu­en­de spre­chen konn­te, ent­we­der, weil ei­nem der mo­de­ra­to­ren ge­ra­de ein witz ein­fiel, er et­was wich­ti­ges los wer­den woll­te, oder er aus dem off klei­ne an­wei­sungs­zet­tel be­kam, zer­hack­te den fluss der sen­dung un­an­ge­nehm. als ein­zi­gen lies­sen schulz und böh­mer­mann ein­mal paul ron­z­hei­mer au­spre­chen — aber auch nur weil er wei­ner­lich dar­auf be­stand, auch mal was zu­en­de sa­gen zu dür­fen. das was er sag­te, war, wie al­les an­de­re was er sag­te, völ­lig un­in­ter­es­sant und ir­rele­vant.

die meis­te zeit schrien schulz und böh­mer­mann rum oder fie­len von ih­ren stüh­len. so könn­te ich die zwei­te fol­ge der sen­dung ei­gent­lich um­fas­send be­schrei­ben und mit der re­zen­si­on auf­hö­ren. al­ler­dings wa­ren die sa­chen die olli schulz schrie teil­wei­se sehr wit­zig, vor al­lem zum ende der sen­dung hin, als er be­reits gut mit whis­ky ge­la­den war. da ka­men plötz­lich gute fra­gen aus ihm ge­kro­chen und sät­ze wie:

was der in­ter­net­por­no­gra­fie fehlt, sind ty­pen wie ich.

ich möch­te paul ron­z­hei­mer lie­ber in por­nos se­hen, als in kri­sen­ge­bie­ten.

an­sons­ten wür­de ich vor­schla­gen mal til schwei­ger in die sen­dung ein­zu­la­den, weil die bei­den wirk­lich je­den gast, der schon­mal mit ihm ge­ar­bei­tet hat, nach ihm aus­fra­gen. die­ses mal war nora tschirner dran, nach­dem in der letz­ten sen­dung anika de­cker nach schwei­ger aus­ge­fragt wur­de.

egal wie sehr eine sen­dung aus dem ru­der läuft, ei­nes ist für gute un­ter­hal­tung un­er­läss­lich: mo­de­ra­to­ren (oder gäs­te) die hell­wach sind und die auf feins­te zwi­schen­tö­ne oder an­deu­tun­gen der an­de­ren an­we­sen­den re­agie­ren, vor­zugs­wei­se wit­zig oder klug. jan böh­mer­mann war in die­ser sen­dung so sehr mit sei­nen ei­ge­nen pro­ble­men be­schäf­tigt, dass er zwar noch auf die ers­te fra­ge von kat­rin gö­ring-eckardt nach den ko­mi­schen stei­nen auf dem tisch re­agier­te („das sind whis­ky­kühl­stei­ne, die hab ich aus ame­ri­ka mit­ge­bracht“), da­nach aber jede nach­fra­ge, ob sie da­von wel­che in ihr glas ha­ben könn­te, über­hör­te. ein mo­de­ra­tor der sei­ne gäs­te nicht hört, soll­te in der tat, wie oli­ver schulz in der sen­dung mehr­fach vor­schlug, lie­ber tro­cke­ne or­gas­men üben, als zu mo­de­rie­ren. viel­leicht kann das ZDF ei­nen er­satz­mo­de­ra­tor für jan böh­mer­mann be­sor­gen, falls der an be­stimm­ten ta­gen mit kin­der­pfle­ge und pri­va­ten pro­ble­men über­for­dert ist.

nora tschirner er­zähl­te in der sen­dung ir­gend­was über das jour­na­lis­mus crowd­fun­ding­pro­jekt per­spec­ti­ve-dai­ly.de. sie nann­te das, was dort ge­plant ist, mehr­fach „ganz­heit­li­chen jour­na­lis­mus“ und ver­wan­del­te sich von ei­ner sym­pa­thi­schen, wit­zi­gen per­son, kurz­zei­tig in eine flos­kel­aus­wurf­ma­schi­ne, als sie das pro­jekt be­schrieb. j sei dank kommt das wort „ganz­heit­lich“ nicht ein­mal auf per­spec­ti­ve-dai­ly.de vor. ein­zi­ges high­light der sen­dung wa­ren üb­ri­gens ann-mar­le­ne hen­ning (die viel zu we­nig zu wort kam) und kat­rin gö­ring-eckardt, die es schaff­te all die ne­ga­ti­ven kon­no­ta­tio­nen ab­zu­schüt­teln, die ich ihr in ei­ner knapp fünf­jäh­ri­gen vor­ur­teils­auf­bau­pha­se an­ge­hängt habe. sie kam als eine grü­ne, kon­ser­va­ti­ve re­li­gi­ons­tus­si in die sen­dung und ging als sym­pa­thi­sche, schlag­fer­ti­ge und un­eit­le frau hin­aus.

(in der zdf me­dia­thek)


the to­night show star­ring jim­my fallon vom 11. ja­nu­ar 2016

felix schwenzel in gesehen

(mit do­nald trump, ken je­ong und cam)

ich fra­ge mich, war­um ich mir im­mer wie­der sen­dun­gen mit do­nald trump an­se­he. ich glau­be es ist das be­dürf­nis zu ver­ste­hen. zu ver­ste­hen wer das ei­gent­lich ist und was er will und wie er ar­bei­tet. wie er (rhe­to­risch) ar­bei­tet, hat nerd­wri­ter1 kürz­lich auf you­tube ge­zeigt (hier ver­linkt). und, we­nig über­ra­schend, trump hielt sich an sei­ne be­währ­te stra­te­gie:

Trump's ans­wers con­sist main­ly of one-syllable words, and are at a forth gra­de re­a­ding le­vel. He struc­tures his sen­ten­ces with a powerful­ly rhyth­mic ca­dence, and ends them on a strong word.

und: wie­der­ho­lun­gen, wie­der­ho­lun­gen und wie­der­ho­lun­gen. ei­gent­lich re­det er auch nur stuss, aber eben mit ei­nem erns­ten ge­sicht vor­ge­tra­gen und mit ge­le­gent­li­cher, de­fen­si­ver selbst­iro­nie er­gänzt („i’m a very good loo­king guy“).

trump kann man nicht ver­ste­hen, weil er für nichts steht, aus­ser für flos­keln, mit de­nen er ein ein­zi­ges pro­dukt ver­kauft: sich selbst. per­sil wäscht po­ren­tief, trump macht ame­ri­ka wie­der gross und be­deu­tend, col­ga­te schützt ge­gen ka­ri­es. al­les ganz ein­fach.

fas­zi­nie­rend ist die oran­ge haut­far­be von trump. aus sei­nem oran­ge­nen ge­sicht quel­len zwei rein­weis­se au­gen her­aus. ob­wohl: fas­zi­nie­rend ist nicht das richt­ge wort: be­un­ru­hi­gend passt hier bes­ser.

ken je­ong kam tan­zend auf die büh­ne und sprangg dann auch die gan­ze sen­dung wei­ter her­um wie ein quir­li­ger gum­mi­ball. ob­wohl er ziem­lich laut und eben quir­lig war, wirk­te er to­tal ru­hig, so wie er auch tanzt: der ober­kör­per ver­bleibt un­be­wegt, wäh­rend die bei­ne sich un­ten rhyt­misch be­we­gen.

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sehr schön auch, dass ken je­ong auch ir­gend­wann be­zug auf trump nahm, ohne ihn di­rekt zu nen­nen:

what makes ame­ri­ca gre­at is di­ver­si­ty.
— ken je­ong

nach­dem jim­my fallon trump im ge­spräch kein ein­zi­ges mal un­ter druck setz­te, wi­der­sprach oder sich über ihn lus­tig mach­te, war das sehr wohl­tu­end.

mu­si­ka­li­scher gast war die cou­try-sän­ge­rin cam. ich mag coun­try-mu­sik ja ge­le­gent­lich, aber mit so ei­ner thea­tra­li­schen, auf­ge­don­ner­ten stim­me wie „cam“ das in die­ser sen­dung vor­führ­te, ist das lei­der auch nichts an­de­res als müll­pop. coun­try soll­te, fin­de ich, mit ge­bro­che­nen stim­men — oder der fieps-stim­me von dol­ly par­ton, vor­ge­tra­gen wer­den. dann geht’s, so nicht.

weil der stan­dup am an­fang so schwach war und fallon trump nicht mal an­satz­wei­se ver­such­te ein­zu­fan­gen nur 2 punk­te.