auf dem weg zum flughafen tegel, um sieben uhr morgens am kurt-schumacher-platz
heute sehr früh zum flughafen gefahren um dort nen mietwagen zu holen. bis jetzt hab ich am flughafen tegel immer grössere autos bekommen als ich bestellt und bezahlt habe und vor allem hat nie einer der autovermietungsschalterangestellten versucht sein verkaufsscript auf mich anzuwenden. na gut, den vollkasskoschutz mit null euro selbstbeteiligung versuchen mir immer alle anzudrehen. heute kam ich dann doch wieder in den genuss einer sales-script-aufführung: „ihnen kann ich heute etwas besonderes anbieten, für nur 16 euro ein upgrade auf ne e-klasse …“
das ist eigentlich schon der todesstoss für ein verkaufsgespräch, weil der herr mit 16 euro eigentlich 48 euro meinte: 16 euro pro tag. aufs glatteis geführt zu werden mag ich nur unter bestimmten umständen. heute jedenfalls war ich nicht in diesen umständen und sagte „nö danke“.
„mit dem vollkaskoschutz mit null euro selbstbeteiligung bekommen sie die e-klasse kostenlos.“
natürlich kostet das vollkasko-upgrade mehr als 16 euro pro tag. diese sales-tricks funktionieren bei mir sehr gut, wenn ich nach 17 stunden flug aus einem flugzeug steige, heute um sieben war ich ausgeschlafen. ich lehnte erneut dankend ab.
„ok, ich mache ihnen ein angebot und gebe ihnen das upgrade für 7 euro.“
weil die e-klasse ein diesel mit harnstoff-technologie war, die ja so umweltfreundlich sein soll, aber auch um endlich ins auto steigen zu können, sagte ich dann ja.
um neun sind wir losgefahren, pünktlich um zwölf, wie vom navigationssystem vorausgesagt kamen wir im „hotel freigeist“ in northeim an. wir waren hier mit meiner mutter, meinem vater und meiner schwester verabredet, um meinen opa, der vor zwanzig jahren gestorben war, umzubetten, damit er neben seiner frau, die letztes jahr gestorben war, liegen konnte.
vorher gabs natürlich noch mittagessen. auf der speisekarte wird novalis zitiert:
Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiß, wie Wolken schmecken.
meine mutter mochte den spruch.
ich nahm als vorspeise ein rinder-tartare, von regionalen rindern glaube ich, dass mir etwas zu pompös ornamentiert war, aber sehr, sehr lecker schmeckte.
tartare im hotel freigeist
als hauptgang hab ich mir ein pilzrisotto kommen lassen. das war auch sehr lecker und es kam viel bescheidener auf den tisch.
ruhewald bürgerholz in northeim
meine oma haben wir letztes jahr im „ruhewald bürgerholz“ bestatten lassen. sie sprach nicht gerne über ihren tod, vor allem weil sie ihn auch mit 92 für sehr unwahrscheinlich hielt. ihr einziger ausgesprochener wunsch war, neben ihrem mann bestattet zu werden. letzte jahr liess sich dieser wunsch aus irgendwelchen bürokratischen oder organisatorischen gründen noch nicht umsetzen, dieses jahr konnten wir ihr den wunsch erfüllen.
blick vom ruhewald bürgerholz in northeim auf einen anderen wald
das grab im wald zu finden war gar nicht so einfach. die bestatter warteten eigentlich am „andachtsplatz“ auf uns, kamen dann aber zu uns rüber, als sie merkten, dass wir eher daran dachten, am grab selbst ein bisschen andächtig zu sein. einer der herren brachte dann die urne, in die mein opa umgebettet wurde, sehr andächtig, zu uns rüber. ich kam mir vor wie im film:
die urne war sehr schön (und kompostiert sich in den nächsten jahren selbst), auch die kleine andacht war stilvoll, aber vor allem lagen die beiden jetzt wieder zusammen. darüber freuten sich auch die beiden bestatter.
auf dem rückweg sahen wir die vorbereitungen für einen schulklassenausflug in den wald, für den (offensichtlich) eine falknerin aus dem kreis northeim engagiert worden war, die den kindern einen rotschwanzbussard, eine schleiereule und einen uhu mitgebracht hatte.
schleiereule
uhu
mein vater, der sich mit vögeln eigentlich sehr gut auskennt [sic!] erkannte den rotschwanzbussard nicht, was aber daran liegt, dass er nicht heimisch ist, sondern aus nordamerika kommt. die schleiereule war relativ jung, der uhu hingegen um die 36 jahre alt. in der wikipedia steht, dass uhus in gefangenschaft bis zu 68 jahre alt werden können. in freiheit werden sie bei weitem nicht so alt. eine häufige todesursache von eulen in deutschland ist hunger. es gibt immer weniger möglichkeiten für eulen im winter mäuse zu jagen, einerseits weil die schädlichsbekämpfung die zahl der mäuse kräftig reduziert (und die nahrung vergiftet), andererseits weil eulen kaum noch zugang zu scheunen haben, um dort auch im winter zu jagen. wegfliegen wollten die schleiereule und der uhu, als wir so um sie rumstanden, trotzdem ständig.
nach dem abendessen habe ich die speisekarte nach whisky abgesucht. im „freigeist“ gabs nur einen schottischen single malt, bunnahabhain. der kommt wie mein lieblingswhisky laphroiag auch aus islay und in der tat hat er mir auch sehr gut geschmeckt: viel weniger torfig als der laphroiag, aber ähnlich ätherisch-leicht. im whisky-store wird er als „leicht mit Früchten, einem Hauch Vanille“ beschrieben und ich muss sagen das stimmt. vor allem schmeckt er sehr viel komplexer, beinahe würde ich sagen komplizierter, als der laphroiag. gerne wieder.
weil die beifahrerin in der boticelli-ausstellung verabredet war und es eilig hatte, hab ich sie heute zur gemäldegalerie gefahren, den mietwagen dort abgestellt und mich zu fuss auf den weg zum teufelsberg gemacht. auf dem teufelsberg ist diese ehemalige abhörstation mit den kugeln, die man aus film und fernsehen und netzpolitischen interviews kennt. ausserdem ist der teufelsberg quasi ex-berlin. laut wikipedia liegen unter der ex-abhörstation „26 Millionen Kubikmeter Trümmerschutt“. das entspreche „grob einem Drittel der Trümmer zerbombter Berliner Häuser“. tatsächlich sah ich bei meinem aufstieg auf den teufelsberg immer wieder schutt und baumaterial zwischen den pflanzen liegen.
zuerst kam ich auf meinem weg an dem gebäude vorbei, in dem holtzbrinck vor sieben jahren mit einem nachrichtenportal für junge menschen (zoomer.de) gescheitert ist. genau, ausgewachsene journalisten, die ihre leser duzen und ihnen bunte texte vorwerfen, in der hoffnung, dass sie von der zielgruppe geteilt werden, gibt’s nicht erst seit ze.tt oder bento.de. zoomer ist lediglich sieben jahre früher gescheitert als ze.tt und bento.
damals erklärte man mir bei zommer.de, dass das geduze so sein müsse:
das rumgeduze will die zielgruppe übrigens so haben, liess ich mir erklären. 21 bis 35 jährige sind so. sie wollen auf nachrichtenportalen geduzt werden. marktforschung, doo!
der witz ist, dass bento.de und ze.tt den gleichen quark wie zommer.de damals machen: in artikeln und überschriften wild duzen, aber im impressum und der datenschutzerklärung — why so serious? — wird plötzlich steif gesiezt.
ze.tt versichert Ihnen, dass Ihre Daten gemäß den geltenden Datenschutzbestimmungen, gemäß dem Telemediengesetz des Rundfunkstaatsvertrages, dem Bundesdatenschutzgesetz sowie weiteren datenschutzrechtlicher Bestimmungen genutzt werden.
ein paar häuser weiter gabs das gleiche fassaden-motiv an einem neu gebauten wohnhaus.
unten in dem haus streiften ein paar sehr junge sicherheits-/wachmänner rum, einer von ihnen sass an einem kleinen tisch und schaute auf einem portablen DVD-spieler filme an. hätte der arme mann nen laptop gehabt, hätte er ein bisschen ze.tt oder bento lesen können.
ein paar blöcke weiter, ich glaube nach dem verteidigungsministerium, war noch ein junger mann zu sehen, auf ein ex-mauerstück gemalt:
weil ich kurz danach pinklen musste, bin ich ins intercontinental aufs klo gegangen. in grossen hotels kann man prima aufs klo gehen. eigentlich sollte das in jedem reiseführer stehen. die toiletten grosser hotels sind immer top gepflegt, bieten gute privatshäre — wo bekommt man die heutzutage sonst noch? — und fast immer ordentliche handtücher. und blumen.
selbst in den USA, wo man auf toiletten wegen der grossen spaltmasse der türen quasi im freien sitzt, haben die grossen hotels meist sehr angenehm geschlossene WC-kabinen.
an der hardenberg-/kantstrasse spriessen derzeit die hochhäuser. dort wird so viel gebaut, dass man sich fast in den osten versetzt fühlt. leider muss ich sagen, finde ich das sogar relativ schick.
auch das bikini-einkaufszentrum hat dem viertel gut getan, selbst das zoo-palast-kino sieht wieder vorzeigbar aus. neben dem zoo-palast hat kürzlich ein jim-block-restaurant aufgemacht, wie in hamburg, direkt unter dem vater-restaurant, dem block haus. weil ich jim block mag und ausserdem hunger hatte, hab ich mir dort einen burger gekauft. zum burger gabs einen winzigen gurkensalat aus gurken-würfeln, was ich schade fand, den das coleslaw im jim block war früher überragend gut.
leider konnte ich die kleine schale gurkensalat nicht aufessen, da sie mir nach dem ersten bissen aus der hand glitt. offenbar ist der salat mit viel glitschiger sahne angemacht. der burger (bbq) war leider auch scheisse. roch komisch, schmeckte komisch und die brötchenhälften waren eiskalt. die pommes und die mayonaise waren allerdings super. was mir auch auffiel: das licht dort hat das potenzial einen in den wahnsinn zu treiben; als ich mir das berühmt-berüchtigte block-steak-pfeffer-salz auf die pommes streute, gab es einen optischen effekt wie bei disko stroboskoplicht. man sah die pfefferkörner beim fallen immer nur kurz aufblitzen, dann wurden sie unsichtbar. das müssen irgendwelche interferenz-effekte der LED oder neon-beleuchtung dort gewesen sein.
der steak-pfeffer ist übrigens das einzige was bei jim block umsonst ist, bzw. was es ohne zu fragen gibt. auch nach servietten muss man fragen, von ketchup und mayo gar nicht erst zu sprechen.
verlässt man den kudamm über die joachimstaler strasse, bzw. bundesallee wird’s wieder typisch westberlinerisch schrottig und abgenutzt. erstaunlich wie ein paar hundert meter fussweg den charakter eines quartiers verändern können. trashig kann man die möbelgeschäfte an der bundesallee übrigens ungestraft nennen:
an den wohnblocks in der gegend kann man aber immerhin immer wieder hübsche schatten- und lichtspiele beobachten:
am hohenzollerndamm dann das symbolbild für west-berlin schlechthin:
weiter nach (ich glaube) zehlendorf. ich glaube dort gibt es viele antroposophische einrichtungen, die architektur bemüht sich dort jedenfalls sehr um die vermeidung von rechten winkeln:
auch die adams family hat hier offenbar eine berlin-residenz:
zuckersüsse, farbenpralle herbstbilder sind heute wahrscheinlich zehntausende entstanden, ich habe auch einige gemacht. siehe auch oben. hier noch zwei:
am s-bahnhof grunewald habe ich mir eine flasche frischgepressten orangensaft gekauft und mir vorgenommen den auf dem teufelsberg zu trinken. der bahnhofsvorplatz fühlte sich an wie in der düsseldorfer city. altgewordene, arrivierte popper in segelschuhen, sauberen luxus-SUVs, die mal eben draussen ein sektchen schlürfen gehen, wenn das wetter so prall ist. auf dem bahnhofsvorplatz! ich staunte sehr. den bahhofsvorplatz habe ich nicht fotografiert, dafür aber die unterführung.
hinter dem bahnhof geht’s direkt in den grunewald. alles sehr unspektakulär, wald eben. den teufelsberg liefen neben mir auch sehr viele andere spaziergänger hoch. oben angekommen sah ich, dass die anlage mit den kugeln sehr gewissenhaft umzäunt ist. ich war zu erschöpft um eine runde um die anlage zu drehen, um zu sehen ob es da irgendwo einen einlass gab.
also setzte ich mich auf eine bank in die pralle sonne, fotografierte die sonne, trank meinen orangensaft und instagrammte ein paar bilder. gregor klar kündigte an, dort wo ich sass, auch bald vorbeizukommen, ich war dann aber schon lange wieder auf dem weg zur s-bahn, als er dann da war.
insgesamt war ich heute 16 kilometer und 5 stunden zu fuss unterwegs.
die fotos sind aus aus der privatsammlung des grafikers marc walter, der laut taschen-werbung „eine der größten Sammlungen [von] Reisefotografien, vor allem Photochrome“ besitzt. offenbar sind viele der bilder postkarten von „um 1900“, die damals millionenfach gedruckt wurden.
da das 19te jahrhundert jetzt schon ein paar jahre her ist, ist auf den meisten (allen?) dieser bilder auch der urheberschutz abgelaufen. aufgefallen ist mit das vor ein paar wochen, als philipp jahner einige genau der bilder die auch bei eines tageszu sehen sind für buzzfeed aufarbeitete. als lizenz-/quellenangabe hat philipp jahner bei den meisten bildern ein flickr-account angegeben, dass die bilder aus der wikipedia zu flickr importiert hat. leider ist die suchfunktion von flickr total kaputt, so dass ein klick auf einzelne schlagworte, zum beispiel dieses bildes, ins leere führt (nachtrag: funktioniert jetzt).
google findet einige der bilder, aber in diesem fall scheint mir die wikipedia am besten sortiert: die kategorie „19th century photochrome prints of Germany“ ist prall gefüllt mit über 2000 dateien (von denen allerdings viele gedoppelt sind). dort zu blättern macht bestimmt auch spass und man spart sich die 150 euro für das buch. und die bilder aus der wikipedia kann man im gegenteil zu denen aus dem buch leicht teilen, verlinken oder kopieren.
vor etwa einem monat habe ich mich über den news publisher auf icloud.com für die teilnahme beworben. ich habe dafür einen englischen kanal angemeldet und ein logo nach den strengen apple-richtlinien gebaut. am montag, also nach ca. 30 tagen, wurde mein kanal freigeschaltet.
nach der freischaltung war mein kanal (link funktioniert nur auf ios und apple news lässt sich nur benutzen, wenn man die region auf dem ios-gerät auf USA eingestellt hat) erstmal leer, obwohl der RSS feed für die englischen news-items bereits mit ein paar artikeln gefüllt war.
nach ein oder zwei stunden wurde dann der RSS-feed abgerufen und der kanal füllte sich. was mir auffiel:
die artikel waren nicht umgekehrt chronologisch nach dem veröffentlichungsdatum sortiert, sondern nach offenbar nach gutdünken.
der RSS-feed wird nicht besonders oft aktualiisiert, das letzte update brauchte andertalb stunden bis es in der app auftauchte.
die artikel werden nicht aktualisiert. vor zwei tagen haben ich diesen artikel leicht verändert, die änderungen sind in der apple-news-app noch immer nicht sichtbar.
einen zugang zur apple-news-api habe ich noch nicht bekommen, kann also auch noch nicht aber mit meiner channel-id und der news-preview-app kann ich bereits mit dem apple-news-format experimentieren.
der vorhandene wordpress-plugin für apple news funktioniert im moment, mit verlaub, miserabel.
für das apple-news-format hat sich apple etwas ganz besonderes einfallen lassen. kein html, alle styling-informationen und inhalte möchte apple per json geliefert bekommen, die inhalte können aber mit markdown formatiert werden. insgesamt kommt mir das alles furchtbar kompliziert vor.
die suche in apple-news funktioniert derzeit nicht, weder auf dem telefon, noch im ios-simulator.
technisch finde ich die ansätze der facebook-instant-articles und amp sehr viel interessanter, allerdings scheinen alle drei ansätze eines gemeinsam zu haben: sie scheinen alle noch sehr beta, wenn nicht sogar alpha zu sein. was wohl auch der grund dafür ist, dass der zugang zu ihnen noch so eingeschränkt gewährt wird. um damit zu experimentieren, muss man sehr, sehr geduldig und gleichmütig sein. immerhin wurde mein bug report sehr freundlich von einem menschen beantwortet: „We appreciate your patience.“
Gegner von Spezialdiensten behaupten, kleine Anbieter könnten sich diese nicht leisten. Das Gegenteil ist richtig: Gerade Start-Ups brauchen Spezialdienste, um mit den großen Internetanbietern überhaupt mithalten zu können. Google und Co. können sich weltweite Serverparks leisten, damit die Inhalte näher zu den Kunden bringen und die Qualität ihrer Dienste so verbessern. Das können sich Kleine nicht leisten. Wollen sie Dienste auf den Markt bringen, bei denen eine gute Übertragungsqualität garantiert sein muss, brauchen gerade sie Spezialdienste. Nach unseren Vorstellungen bezahlen sie dafür im Rahmen einer Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent. Das wäre ein fairer Beitrag für die Nutzung der Infrastruktur. Und es sorgt für mehr Wettbewerb im Netz.
till faida, geschäftsführer der eyeo gmbh, in einem interview über die ziele seines produkts adblock plus:
Wir haben sehr gute und erfolgreiche Ideen, wie Online-Werbung besser und nachhaltiger werden kann. Das können wir allerdings nicht alleine umsetzen, weil wir selbst keine Werbung gestalten, suchen daher nach Partnern, um mit ihnen an der Zukunft der Online-Werbung zu arbeiten. Dazu zählt jeder Vermarkter, jedes Werbenetzwerk, große Publisher und jeder Marktteilnehmer, der die Möglichkeit hat, Werbeformen zu bestimmen und an neuen und altenativen Produkten zu arbeiten.
erstaunlich wie ähnlich beide aussagen klingen. man könnte den eindruck gewinnen, faida und höttges arbeiteten für hilfsorganisationen oder beratungsunternehmen, der eine für verlage, der andere für „startups“.
über die aussagen von faida sagt ursula scheer in der faz:
Mafiamethoden? Wegelagerei? […] Wie anders soll man das Geschäftsmodell seiner Firma Eyeo beschreiben?
Faida würde niemals von Erpressung sprechen. Er nennt es „Zusammenarbeit mit Partnern“ und formuliert Sätze wie: „Wir schaffen Lösungen für Publisher.“ Lösungen für ein Problem allerdings, das Eyeo selbst mit seinem Produkt allein zu dem Zweck schafft, um es für zahlende Kunden wieder aus der Welt zu räumen.
über die suchfunktion der faz findet man die worte „mafiamethoden“, „wegelagerei“ oder „erpressung“ im zusammenhang mit der telekom in der faz nicht. dabei liegt die assoziation nicht weit entfernt:
„Schönes Start-up haben Sie da. Wäre doch schade, wenn da mal eine Verbindung wackeln oder abbrechen würde“ twitter.com/ovoss/status/6…
die grundsätzliche geschäftsidee hinter adblocker-geschäft von eyeo und dem internet-zugangsgeschäft der telekom ähnelt sich erstaunlich. eigentlich steckt dahinter eine uralte idee: aktiv die verknappung von resourcen vorantreiben und die knapp gewordenen resourcen für gutes geld an resourcen-abhängige verkaufen.
eyeo limitiert die auslieferung von anzeigen sehr erfolgreich, so erfolgreich, dass es sich für die durchleitung von „akzeptablen“ anzeigen sehr gut bezahlen lassen kann.
die telekom (und mehr oder weniger alle deutschen telekommunikationsanbieter) limitieren und verteuern den internetzugang seit jahren so erfolgreich, dass deutschland neben ungarn offiziell das teuerste mobile internet in europa hat und man sich jetzt, mit gesetzlicher flankierung, für die „ungestörte“ durchleitung von inhalten bezahlen lassen kann.
wobei die telekom dieses prinzip nicht nur gegenüber kunden praktiziert, sondern das auch schon länger gegenüber ihren „partnern“ aus der wirtschaft durchzusetzen probiert. so teaserte golem vor über zwei jahren:
Wenn Unternehmen wie Googles Youtube an die Deutsche Telekom zahlen, würde ihr Angebot „nicht das Datenvolumen der Nutzer verbrauchen“ und sei nicht von der Drosselung betroffen, sagt die Telekom.
fürs internet sollen alle zahlen, die kunden an den endgeräten, die grossen plattformen, kleine startups und natürlich sollen auch steuergelder in den breitbandausbau fliessen.
magel schaffen und dann kassieren, das scheint das grundprinzip erfolgreichen wirtschaftens im innovationsmüden deutschland zu sein.
seit einiger zeit geotagge ich einige der fotos die hier auf wirres.net erscheinen. anfangs habe ich die geodaten, also den ort an dem das bild aufgenommen wurde, nur ausgelesen und gespeichert, wenn ich das foto per email veröffentlicht habe („moblog“), seit einiger zeit, wenn ich bilder über instagramm, bzw. ownyourgram veröffentliche, sind sie auch geogetagged. hier die liste von artikeln und bildern mit angehängten ortsdaten. dieser artikel ist auch mit ortsdaten versehen, wobei das natürlich nur so mittel-sinnvoll ist.
ausserdem habe ich, seit ich das indieweb ansatzweise verstanden habe, meine übersichts- und artikelseiten mit microformaten formatiert, dass heisst sie sind maschinenlesbar, bzw. lassen sich mit einem microformat-parser lesen. zum beispiel meine startseite, so sieht sie aus sicht eines mf2-parsers aus.
in den auslesbaren daten stecken (natürlich) auch die geodaten. also hab ich mir gedacht, wenn mein HTML meine API ist (frei nach aaron parecki), kann ich doch auch mal einen mashup machen. also hab ich mir an zwei abenden dieses script programmiert zusammengesucht: mf2-to-gmap.php es hat keine abhängigkeiten, ausser einer javascript-erweiterung für google maps, „Overlapping Marker Spiderfier for Google Maps“ von george mackerron.
das script funktioniert in etwa so:
zuerst werden die microformate der zielseite ausgelesen und
die relevanten daten in einen array geschrieben,
der als json-datei zwischengespeichert wird.
die json-daten werden von einem javascript eingelesen und
mit der standard-google-maps-API als markierungen auf einer karte dargestellt.
das ist alles sehr unspektakulär und eigentlich die grundübung für die google-maps-API benutzung. allerdings überlagern sich natürlich viele marker. in der übersicht sieht man ein riesiges cluster in berlin, wo ich natürlich die meisten bilder und artikel erstelle, aber auch ein riesiges cluster in schottland, wo wir in diesem sommer eine fotosafari gemacht haben.
aber selbst wenn man die karte ganz nah ran zoomt, gibt es orte, an denen besonders viele markierungen liegen, teilweise auf exakt dem gleichen punkt. google bietet für seine maps zwar diverse cluster-funktionen an, aber die räumen das bild lediglich ein bisschen auf und lösen das problem der übereinanderliegenden markierungen nicht. mit dem „Overlapping Marker Spiderfier“ lässt sich das problem aber lösen:
das vorläufige ergebnis sieht so aus: eine karte aller geogetaggten bilder seit ca. 24 monaten oder eine karte aller geogetaggten artikel die auf der startseite gelistet sind.
besonders praktisch ist aber, dass die microformate nicht nur die geo-daten leicht auslesbar machen, sondern auch die inhalte. so kann ich direkt auf der karte auch gleich die bilder, mitsamt den anmerkungen anzeigen:
natürlich funktioniert das ganze auch bei anderen seiten die ihre daten mit microformaten markieren und auslesbar machen, zum beispiel mit einer karte von aaron pareckis reise-seite.
ausser meiner seite und der von aaron parecki habe ich allerdings keine seite mit eingebetteten mf2 geodaten gefunden. falls es noch andere gibt, über http://wirres.net/widgets/geo/?url=[hier url eingeben] könnte man die daten dann visualisieren.
ich finde es völlig OK benutzer von adblockern auf werbefinanzierten seiten auszuschliessen. zumindest ist das blockieren von adblockern folgerichtig, wenn man sich als autor oder inhalte-produzent von adblock-nutzern „beklaut“ fühlt. so wie stephan goldmann:
Das Miese an Adblockern ist aus meiner Sicht, dass sie dem Leser erlauben, dass er meine Dienste (Inhalte) in Anspruch nimmt, ohne mir dabei eine Finanzierung dieser Inhalte zu ermöglichen.
Kurz: Alles nehmen, nichts da lassen – eine solche Haltung bezeichnete Kollege Jan Gleitsmann wiederholt als asozial.
ich finde es eine faire lösung technische massnahmen zu treffen um inhaltsbetrachtung nur gegen das annehmen von trackern und werbung zu ermöglichen.
die folge davon ist dann genau die, die sich die seitenbetreiber wünschen: leute die keine werbung sehen möchten, besuchen die seite dann nicht mehr. laut einer untersuchung von goldmedia verlässt die mehrheit der adblock-nutzer abblock-geblockte seiten wieder (via).
jetzt könnten eigentlich alle zufrieden sein. ausser stephan goldmann vielleicht, der es dann vielleicht auch wieder „mies“ findet, dass plötzlich weniger leute seine dienste in anspruch nehmen und es ihm damit schwer machen, seine inhalte zu finanzieren.
Finden Sie es richtig, eine Leistung in Anspruch zu nehmen, ohne dem Dienstleister etwas dazulassen?
keine scherzfrage: hat schonmal jemand darüber nachgedacht, für aufmerksamkeit zu bezahlen? die werbetreibenden machen das. sie zahlen viel geld dafür, um an aufmerksamkeit zu kommen, sie kennen den wert von aufmerksamkeit. bisher zahlen sie eher aufmerksamkeitserreger, als aufmerksamkeitsgeber. aber aufmerksamkeit zu geben, sich zeit und konzentration aus dem alltag abzuzwacken, um sie jemandem zu geben, ist doch auch eine leistung die medienschaffende in anspruch nehmen. ok, ok, sie geben dafür etwas: unterhaltung, oder, wie constantin seibt das nennt: komprimierte zeit:
Das Konzept von komprimierter Zeit ist auch das der Grund, warum Leute gern lesen: Sie machen ein blendendes Geschäft. In einer Minute haben sie eine Stunde fremde Denkarbeit oder mehr gewonnen.
zugegeben: die aufmerksamkeit der leser/nutzer wird also in einigen fällen grosszügig kompensiert, durch komprimierte zeit oder unterhaltung, für deren erstellung der hersteller entlohnt werden möchten, zum beispiel per aufmerksamkeitsabzwackung durch werbung.
also ein fairer deal?
james williams findet das nicht. er warnt in einem etwas abenteuerlichen artikel davor, die systematische ausrichtung von vielen webseiten auf werbung und aufmerksamkeitserregung als gegeben hinzunehmen.
Think about the websites, apps, or communications platforms you use most. What behavioral metric do you think they’re trying to maximize in their design of your attentional environment? I mean, what do you think is actually on the dashboards in their weekly product design meetings?
Whatever metric you think they’re nudging you toward—how do you know? Wouldn’t you like to know? Why shouldn’t you know? Isn’t there an entire realm of transparency and corporate responsibility going undemanded here?
I’ll give you a hint, though: it’s probably not any of the goals you have for yourself. Your goals are things like “spend more time with the kids,” “learn to play the zither,” “lose twenty pounds by summer,” “finish my degree,” etc. Your time is scarce, and you know it.
Your technologies, on the other hand, are trying to maximize goals like “Time on Site,” “Number of Video Views,” “Number of Pageviews,” and so on. Hence clickbait, hence auto-playing videos, hence avalanches of notifications. Your time is scarce, and your technologies know it.
But these design goals are petty and perverse. They don’t recognize our humanity because they don’t bother to ask about it in the first place. In fact, these goals often clash with the mission statements and marketing claims that technology companies craft for themselves.
gerade die ziele der grossen webseiten und plattformen richten sich im kern nicht nach menschlichen bedürfnissen, sondern nach der logik der aufmerksamkeitsvermarktung. james williams sieht werbung nicht als ornament oder übergestülpte monetarisierungsform, sondern als treibende und manipulative kraft hinter den inhalten. abenteuerlich bis gewöhnungsbedürftig ist sein begriff der aufmerksamkeitsfreiheit (freedom of attention), den man sicherlich noch bekloppter als attentionale selbstbestimmung übersetzen könnte. seine schlussfolgerung lautet, dass man sich nicht nur fragen sollte, ob es in ordnung sei werbung zu blockieren, sondern ob es nicht auch eine moralische pflicht sei.
Given all this, the question should not be whether ad blocking is ethical, but whether it is a moral obligation. The burden of proof falls squarely on advertising to justify its intrusions into users’ attentional spaces—not on users to justify exercising their freedom of attention.
ganz so absurd wie sich james williams these denkaufforderung auf den ersten blick anhört, ist sie aber vielleicht doch nicht. gerade die grossen plattformen tun wirklich alles um ihre benutzer solange wie möglich auf der plattform zu halten. vordergründig, indem sie menschliche bedürfnisse, vor allem das nach kommunikation und austausch mit freunden und bekannten ermöglichen. im hintergrund und als gestaltungs-maxime der plattformen gilt aber die steuerung, maximierung und ausbeutung der aufmerksamkeit.
aber auch die grossen plattformen bieten, wie kleinere werbefinanzierte inhalteproduzenten, einen deal an: unterhaltung, optimierte kommunikation über die ganze welt, bewegte bilder, emotionen und emoticons oder „komprimierte zeit“ gegen aufmerksamkeit.
ob der deal wirklich so gut ist, ob wir einen angemessenen preis für unsere aufmerksamkeit zurückbekommen, darüber sollten wir alle mal nachdenken. ich glaube ja, aber ich irre mich gerne.
nochmal zurück zu stephan goldmann, der behauptet, adblock-benutzer würden „Alles nehmen, nichts da lassen“. ist das wirklich so? erstmal lassen goldmanns leser, egal ob mit oder ohne adblocker, zeit zurück. viel zeit. manche hinterlassen auch kommentare, anregungen, fragen, wofür sie nicht bezahlt werden, aber goldmann als seitenbeschreiber und -betreiber sich auch nichts kaufen kann. aber was ist, wenn ein adblock-benutzer eine seite von stephan goldmann seinen freunden und bekannten empfiehlt? per email oder auf einer (social media) plattform? oder per link in einem blog, wie hier. was ist mit google, das die webseite indexiert und in seinen suchergebnissen auflistet ohne den seitenbetreiber dafür zur kasse zu bitten? was ist mit den lesern, die zwar anzeigen und tracker blocken, aber goldmanns vg-wort-pixel durchlassen? nicht nur seinen vg-wort-zähler inkrementieren adblock-nutzer, sie tauchen auch in der benutzerzählung auf, mit der es unter umständen einfacher wird, neue werbekunden zu akquirieren. selbst „asoziale“ adblock-nutzer hinterlassen also durchaus etwas.
es ist übrigens auch bei journalisten gang und gäbe, zu nehmen ohne dafür eine gegenleistung zu geben. in interviews mit fachleuten wird deren wissen und expertise abgesaugt, ein bisschen aufbereitet und dann monetarisiert. journalisten nehmen alles, lassen dem interviewpartner aber nie etwas da, ausser ein paar krümelchen aufmerksamkeit, von dem sich ein interviewter aber ebenfalls nichts kaufen kann.
ich will hier natürlich nicht vorschlagen, dass interviews bezahlt werden müssten, es ist nur faszinierend zu beobachten, wie journalisten pampig werden, wenn sie sich mit aufmerksamkeit abspeisen lassen sollen und ihre anzeigen geblockt werden, bei anderen aber darauf bestehen, sich doch bitte aus gründen™ mit ein bisschen aufmerksamkeit zufrieden zu geben. ich will auch nicht behaupten, dass anzeigen-blockierung eine moralische verpflichtung sei, aber genauso wenig kann ich eine moralische verpflichtung sehen, sich den scheiss anzugucken.
wenn man seine texte und bilder schützt, kann man interessierten regeln vorschreiben: einen kaufpreis, abogebühren, werbung, eine bestimmte körperhaltung beim lesen, whatever. wenn man sein werk aber frei zugänglich und maschinenlesbar in die öffentlichkeit stellt, sollte man damit leben können, dass die leute es ignorieren, blockieren, lesen wie und wo sie es lesen möchten, es teilen, kommentieren, es nach belieben umformatieren, indexieren, durchsuchbar machen, verlinken oder es gar ausdrucken und abheften.
waldorf und statler thomas stadler weist übrigens nochmal darauf hin, dass die diskussion für oder gegen werbeausblendung rechtlich völlig unerhebich ist. niemand kann per gesetz dazu gezwungen werden sich frei zugängliche webseiten nur mit einer bestimmten technischen konfiguration anzusehen. wem das nicht passt, kann ebenfalls nicht daran gehindert werden technische (oder absurde juristische) gegenmassnahmen einzuleiten, wenn er das für richtig hält.
worauf ich aber unbedingt noch hinweisen wollte: das geben und nehmen im netz, wie in der welt, ist etwas komplexer als „etwas da lassen“, indem man sich werbung ansieht. das erzeugen und lenken von aufmerksamkeit ist tief in unserer gesellschaft verankert und werbung reitet da lediglich parasitär mit. wie weit wir diesem aufmerksamkeitsparasiten gestaltungshoheit über die welt geben wollen, sollten wir uns eventuell öfter fragen.
und: wer den charakter von menschen danach beurteilt, ob sie bereit sind sich werbung anzusehen, dürfte noch ganz andere probleme als die finanzierung seiner webseite haben.
ich benutze keinen adblocker. bis vor ein paar monaten habe ich ghostery benutzt (artikel dazu von vor zwei jahren), das tracker deaktiviert und damit auch diverse werbeformate ausblendet, vor allem die, die von dritten ausgeliefert werden. für recherchezwecke und aus neugier, habe ich den blocker seit ein paar wochen deaktiviert — und sehe nun mehr von allem — und bin gleichzeitig besser sichtbar. hier auf wirres.net blende ich gelegentlich auch werbung ein, die ich als wenig störend empfinde, aber deren blockierung mir auch ziemlich egal ist. ich biete meinen lesern bereits seit 10 jahren die möglichkeit, diese gelegentlich eingeblendete werbung dauerhaft auszublenden. ich finde das ausblenden auch nicht „asozial“, sondern freue mich über jeden der mir oder meinen texten aufmerksamkeit schenkt.
ich glaube auch, wie andreas von gunten, dass es keine gute idee ist, das bargeld abzuschaffen.
aber … andreas von gunten sagt:
In einer bargeldlosen Gesellschaft mit staatlicher digitaler Währung wäre es jederzeit möglich – per Knopfdruck quasi – einem Bürger oder einer Bürgerin das Bezahlen zu verunmöglichen, oder die Geldmittel zu konfiszieren.
so wie ich das verstehe, ist das jetzt schon sehr einfach möglich jedem per knopfdruck das bezahlen zu „verunmöglichen“. ausser man hat ein paar tausend euro bargeld irgendwo unauffindbar versteckt, ist man mit der pfändung seines kontos im prinzip zahlungsunfähig. oder andersrum, jedem dem in deutschland die teilnahme an bargeldlosen zahlungsverfahren verweigert wird, jedem dem ein girokonto verweigert wird, ist ein normales leben so gut wie unmöglich. gehälter werden in deutschland schon lange nur noch in absoluten ausnahmefällen in bar ausgezahlt, mieten nimmt kaum noch ein vermieter in bar an. im netz, in das sich unser leben mehr und mehr verlagert, funktioniert bargeld auch eher schlecht.
ich glaube, wir haben uns in der westlichen welt schon sehr, sehr weit vom bargeld entfernt — weiter als andreas von gunten es offensichtlich wahr haben will. ich weiss zwar, dass es auch andere möglichkeiten gibt an bargeld zu kommen, ausser es am geldautomaten zu kaufen, aber soweit ich das verstehe ist es zum beispiel bereits heute (in deutschland) so, dass man grössere mengen bargeld kaum unbemerkt durch die gegend schleppen kann, geschweige denn über landesgrenzen bringen kann. es ist bereits heute so, dass jede versicherung, jede bank, aber auch rechtanwälte, notare oder wirtschaftprüfer die hohe bargeldeinzahlungen entgegennehmen, eine verdachtsanzeige wegen geldwäsche aufgeben müssen.
[W]enn finanzielle Transaktionen nur noch innerhalb eines digitalen und überwachten Systems stattfinden können, ist eine elementare Grundlage für eine totalitäre Gesellschaft gelegt.
so argumentieren übrigens auch die befürworter des zweiten zusatz zur US-verfassung. wenn den bürger das recht genommen wird waffen zu tragen, wie sollen sie sich dann gegen eine totalitäre regierung wehren?
unser wohlergehen ist, ob wir das wollen oder nicht, sehr eng mit staatlichem handeln verknüpft. im laufe der letzten jahrhunderte haben wir unzählige freiheitsrechte an den staat abgetreten, in der (berechtigten) hoffnung, dass sie dort besser aufgehoben sind und zu mehr gerechtigkeit führen. streitigkeiten können wir nicht mehr mit gewalt oder nach stärke oder gutdünkten beenden, wir können nicht einfach entscheiden unsere kinder nicht zur schule zu schicken, wir müssen unser gesamtes einkommen dem staat offenlegen und einen erheblichen teil davon abegeben. wir können noch nichtmal einfach so ein haus bauen oder einen baum pflazen ohne die entsprechenden genehmigungen dafür einzuholen. selbst die heizung muss jedes jahr einmal von einem staatlich geprüften schornsteinfeger geprüft werden, der für diesen zweck, staatlich legitimiert, unsere wohnung betreten darf.
andreas von gunten macht wikileaks, bzw. die wikileaks „banking-blockade“, zum kronzeugen für seine these, dass ohne bargeld alle freiheit den bach runtergeht:
Die US-Behörden haben sofort mit massivem Druck reagiert und haben innert weniger Tage erreicht, dass die Geldflüsse von und zu Wikileaks unterbrochen wurden. Paypal, Visa, Mastercard und in der Schweiz die Postfinance haben damals kurzerhand entschieden, keine Zahlungen mehr an Wikileaks anzunehmen oder haben zum Teil sogar die Vermögenswerte eingefroren, ohne dass eine Verurteilung durch ein Gericht, ja nicht einmal eine formale Anklage vorhanden war. Diese Banking-Blockade, wie Wikileaks sie nennt, gibt uns einen Vorgeschmack darauf, was uns blüht, sollte das Bargeld dereinst wirklich abgeschafft bzw. verboten werden.
der witz ist allerdings, dass wikileaks auf seiner spendenseite keine bargeldzahlungen vorsieht. dort sind lediglich bargeldlose zahlungsverfahren vorgesehen.
ich bin gerne dabei, beim freiheitskampf kampf gegen die bargeldabschaffung, wichtiger ist es meiner meinung nach aber sich für den due process, für die rechtstaatlichkeit beim einfrieren von vermögenswerten einzusetzen. dass wir uns dafür einsetzen, dass bei der verbrechensbekämpfung nicht alle rechtstaatlichen grundsätze über bord geworfen werden, nur weil es „organisiertes verbrechen“ oder „terrorismus“ gibt. auch wenn es kaum noch jemand glaubt, der staat sind nicht „die da oben“, sondern wir alle. wir müssen und können der angstmache der rechten law-und-order-fraktionen etwas entgegensetzen, aber bitte keine angstmache, auch wenn sie dem guten zweck dient.
ich habe vor einer weile geschrieben, dass bargeld nervt, womit ich mich möglicherweise indirekt als bargeld-abschaffungs-„Befürworter aus der Tech-Szene“ qualifiziere. ich würde mir die hose in dieser form allerdings nicht anziehen wollen.
sitzen ein paar leute im café und unterhalten sich. irgendwann kommen ein paar werber, journalisten und verleger rein und fragen, ob sie sich mit an den tisch setzen können. können sie. die gespräche am tisch gehen weiter, die verleger, werber und die journalisten beteiligen sich an den gesprächen, komischerweise stören sie gar nicht, das kann aber auch daran liegen, dass sie sich mühe geben eher interessante geschichten und witze zu erzählen und sich ein bisschen zurücknehmen und mühe geben, den passenden ton zu treffen.
man könnte denken: das ist doch perfekt. ein café, ein ort an dem sich leute mit freunden treffen und austauschen können und fremden auf gleicher aufgenhöhe und mit neugier begenet wird, wenn sie interessantes beizutragen haben. der laden könnte für alle zum stammladen werden.
die werber, die verleger und ein paar journalisten betreiben aber auch selbst cafés oder sind dort angestellt. diese cafés sind nicht so gross und nicht so gut zu erreichen. und alle wissen: dort läuft komische musik und der der kaffee schmeckt nicht ganz so lecker. vor allem kann man sich dort nicht so gut mit vielen unterschiedlichen leuten unterhalten. man lernt dort auch meistens keine neuen leute kennen und die bedienungen sind auch oft komisch.
irgendwann fangen die werber und die journalisten am tisch zu drängeln an. hier im café sei es zwar ganz schön, aber, fragen sie, „wollt ihr nicht mal mitkommen in unseren laden?“ der sei auch gerade umgebaut worden und auch voll schick. ist nur ein paar schritte entfernt. „hört mal auf zu quatschen hier und kommt einfach mal mit!“
jetzt fragt man sich natürlich, warum sollten café-betreiber zuerst in anderen läden laufen und dort die gäste unterhalten, mit ihnen reden, ihnen geschichten erzählen und sich geschichten von ihnen erzählen lassen, wenn sie eigentlich nur werbung für ihre eigenen läden machen wollen? klar sie müssen auch geld verdienen und ihre miete bezahlen. sie wollen vor allem auch bestimmen, welche musik gespielt wird und ihr selbstgebrautes verkaufen. aber wenn der laden, wo sich gerade alle mit ihren freunden und bekannten treffen, gerade besser läuft, sollte man das dann nicht einfach als chance begreifen nette, interessante leute kennenzulernen, statt zu versuchen sie aus dem laden zu locken? sollte man sich nicht darüber freuen, hier von leuten auf augenhöhe angenommen zu werden und aufmerksamkeit geschenkt zu bekommen?
sollte man seinen eigenen laden nicht einfach schliessen, wenn er nicht läuft? oder sollte man investieren und den eigenen laden renovieren und besser als den derzeigiten in-laden aufziehen? oder sollte man das ordnungsamt anrufen und darauf hinweisen, dass der laden, in den alle rennen, schmutzige toiletten und dunkle ecken hat?
das ist keine antwort auf diesen facebook-eintrag von mathias richel, sondern der versuch die gleichen gedanken wie er, anders zu formulieren. ich finde café-metaphern funktionieren fast immer super, bzw. ich habe immer die hoffnung, dass man aus solchen metaphern vielleicht etwas lernen könnte. keine ahnung ob das hier funktioniert, aber ich finde es ungeheuer wichtig, insbesondere für leute die von aufmerksamkeit leben, sich zu fragen ob es sinnvoll ist dort hin zu gehen wo die menschen sind, oder was eigenes zu machen. vor allem: wie kann das funktionieren? was funktioniert nicht?
stephen colbert in der late show nervt unfassbar. leider und für mich unerwartet. ein paar der gespräche die er führt sind sehenswert, ganz grässlich sind der standup und die witze nach dem standup.
ganz grandios ist dagegen john stewarts nachfolger trevor noah in der daily show. gutes timing, gute texte, gute gespräche und ein unprätentiöser auftritt. sehe ich gerne und muss im gegenteil zu colbert auch ständig kichern.
die fünfte staffel homeland fing okay an, aber schon in der zweiten folge der aktuellen staffel war ich unfassbar genervt. stereotype scheisse bis zum umfallen, grässliches casting. berlin wird als architektonische kulisse genutzt, aber die dialoge der angeblichen berlin-einwohner hören sich an, wie aus alten derrick-folgen aus dem taunus oder aus hintertupfingen. gut in die völlige ahnungslose inszenierung von berlin oder arabischen flüchtlingslagersituationen passt, dass visuelle hacking der homeland kulissen. tut mir ja leid, aber nach 50 folgen muss ich wohl aufhören homeland zu gucken.
ganz grossartig, weiterhin, ist the good wife. im gegenteil zu homeland schaffte es the good wife auch immer aktuelle geschehnisse glaubwürdig in den erzählfluss einzubauen und sich wirklich in jeder staffel neu zu erfinden. den charakteren in der serie folgt man nicht nur weil’s spannenden ist, sondern weil sie wirklich interessant und vielschichtig scheinen.
endlich mal eine folge der late late show mit james corden, dem nachfolger von craig ferguson, gesehen. was mir gefällt ist was er am konzept der sendung verändert hat, die gäste alle zusammen auf ein sofa zu setzen, die band, die einspieler. was ich unerträglich finde ist cordons aufgeregte, aufgekratzte art. all das was bei graham norton sympathisch wirkt, törnt bei cordon total ab. was mir allerdings gefiel, war cordons standup; der war nicht nur gut geschrieben, sondern auch gut vorgetragen.
nach 20 minuten musste ich the bastard executioner von kurt sutter wegen blödsinnigkeit und totaler überbelichtung abbrechen. wer guckt sich so nen scheiss an?
und wer guckt sich heroes reborn an? musste ich auch nach 20 minuten abschalten. immerhin habe ich diesen 20 minuten 40 charaktere oder 26 orte kennengelernt.
schon im september geguckt, alle zwei staffeln: halt and catch fire. wahrscheinlich das beste was ich seit langem gesehen habe. vordergründig geht es um ein paar computer-fuzzis und freaks in den 80er jahren, aber in wirklichkeit ist die serie eine waschechte soap-opera, die ihre charaktere liebevoll hegt und pflegt und entwickelt. obwohl das sicher nicht leicht ist, in einer serie die in den 80zigern spielt, schafft es die serie stereotypen gut zu umschiffen. ganz grosses fernsehen.
bei der zweiten staffel the leftovers kann man auch dieses jahr damon lindelof dabei beobachten, wie er — wohldosiert — mystery-elemente in den amerikanischen alltag einstreut, bei denen man sich nie ganz sicher ist, ob sie nun mystery sind oder nur wahn- oder irrsinn. die beiden ersten folgen der zweiten staffel haben ein paar schwächen, aber was ich sehr mochte war, dass sie beide die gleiche geschichte erzählen, aber aus unterschiedlichen perspektiven. kein weltbewegender erzählkniff, aber sehr angenehm und unlangweilig wegzugucken — auch wenn am ende der s02e02 das mystery-gedöns vieleicht etwas zu dick aufgetragen wird. macht nichts, ich bin gespannt auf den weiteren verlauf.
die gröner fand die erwachsenen muppets ja eher doof. ich sehe mir das gerne an, auch wenn mir kermits mimik in dieser muppets-inkarnation etwas zu expressiv ist, fozzie noch mehr nervt als sonst und das stereotypen-umschiffen an vielen klippen scheitert und zu ständigen möööp-reaktionen beim zusehen führt.
ganz grandios hat, wie erwartet, die zweite staffel fargo angefangen. mir gefällt das setting in den achtzigern (die achtziger haben wirklich ein dermassenes comeback) späten siebzigern, die musik und die absurdität und lakonie die der serie aus allen poren quillt.
Eigentlich funktioniert Bargeld ja ganz gut. Ausser an Fahrkartenautomaten, die offenbar alle an einer Art Bargeld-Allergie leiden. Und wenn man mit grossen Scheinen bezahlen will, funktioniert Bargeld auch nicht so gut. Ach ja, im Netz kann man auch nicht mit Bargeld bezahlen. Die Banken und der Einzelhandel finden Bargeld übrigens auch doof. Die Banken sprechen davon, dass Bargeld jährlich um die 12 Milliarden Euro Kosten verursacht: Banken müssen Geldautomaten aufstellen und befüllen, das Bargeld muss transportiert und versichert werden.
Genau betrachtet nervt Bargeld eigentlich total. Aber die meisten Alternativen zu Bargeld nerven eben auch. In Deutschland kommt die EC-Karte wohl einer allgemeinen Bargeldalternative am nächsten. Mit der kann ich in fast allen Supermärkten oder Tankstellen bezahlen, in manchen Restaurants, aber dafür in den meisten kleineren Läden oder im Netz nicht. Mit Kreditkarte kann ich fast überall im Netz bezahlen, aber dafür will kaum ein Einzelhändler in Deutschland Zahlungen damit entgegen nehmen.
In Berlin haben wir uns auch mit der Flughafensituation abgefunden, warum sollen wir uns nicht auch mit einem babylonischen Zahlungsgewirr abfinden? So weit ist dieser Vergleich übrigens nicht hergeholt: der Ausbau des Flughafen Schönefeld wurde vor knapp 20 Jahren beschlossen. Genauso lange versuchten Handel, Banken, Mobilfunkunternehmen und verschiedene Startups bedienungsfreundliche, alternative Zahlungssysteme in Deutschland zu etablieren. Die Geschichte dieser Bargeldalternativen lässt sich genauso prägnant zusammenfassen wie die Geschichte des Berlin-Brandenburger Flughafens: zwei Jahrzehnte Murks, Zuständigkeitsgerangel und Intransparenz.
Nach der Ankündigung von Apple künftig in diesem Markt mitmischen zu wollen, scheint endlich ein bisschen Bewegung in die verschlagene verschlafene Branche gekommen zu sein: In Berlin startete vor ein paar Monaten eine Kampagne des mpass-Konsortiums mit dem witzigen Namen zahl einfach mobil. Da die Menschen an den tragbaren Bildschirmen offenbar bis jetzt nichts von der Arbeit des 2008 von O₂ und Vodafone gegründeten Handybezahldienst mitbekommen haben, scheint das Jahr 2015, in dem mit Apple der erste ernstzunehmende Konkurent in Erscheinung tritt, wohl der richtige Zeitpunkt zu sein, um den Stealth-Modus zu verlassen.
Wer jetzt allerdings glaubt dass das mpass-Konsortium, bei dem seit ein paar Jahren auch die Telekom mitmischt, in den letzten sieben Jahren ein überzeugendes Konzept oder kundenfreundliches Zahlungsabwicklungssystem entwickelt hätte, der irrt. Man hat es mit einiger Kraftanstrengung zwar geschafft ein paar tausend Zahlungsterminals zu modernisieren und NFC-fähig zu machen und zudem ein paar grosse Handelsketten überzeugt mitzumachen, aber zu einfach wollte man es potenziellen Kunden dann doch nicht machen.
Um „einfach mobil“, also mit dem Mobiltelefon, bezahlen zu können, muss ich mir nämlich nicht nur einen RFC-Chip aufs Handy kleben, sondern auch ein neues Konto und eine neue Kreditkarte bei einer britischen Bank (Wirecard) beantragen. Das umfasst eine Schufa-Abfrage und das Ausfüllen vieler Formulare mit anschliessenden mehrstufigen und langwierigen Legitimierungsverfahren. Und das, obwohl mein Mobilfunkanbieter, der mir das mobile Bezahlverfahren anbietet, alle diese Daten von mir vorliegen hat und alles über meine Bonität weiss.
An der zahl einfach mobil-Aktion ist — ausser dem Bezahlvorgang selbst — nichts einfach. Es ist kompliziert und langwierig Guthaben auf mein mpass-Konto einzuzahlen, die App die mpass mir empfiehlt um Akzeptanzstellen zu finden spricht nur englisch und sucht bevorzugt in den USA.
Das bargeldlose Bezahlen von Beträgen unter 25 Euro fühlt sich aber tatsächlich sensationell futuristisch und kinderleicht an (Zahlungen über 25 Euro müssen bei mpass mit einer PIN autorisiert werden) — am liebsten würde ich künftig überall mit meinem Telefonaufkleber bezahlen. Ein weiterer Lichtblick: die meisten der aufgerüsteten RFC-fähigen Bezahlterminals sind im Prinzip mit den Bezahlsystemen beliebiger Anbieter — zum Beispiel Apple-Pay — kompatibel. Und seit das EU-Parlament die Transaktionskosten für Kartenbuchungen gedeckelt hat, wächst die Akzeptanz bargeldloser Bezahlverfahren auch bei Einzelhändlern.
Damit ist theoretisch der Weg für neue Bargeldalternativen frei geräumt. Dem Wettbewerb um das am wenigsten nervige Gesamtangebot bei der Zahlungsabwicklung steht fast nichts mehr im Wege — ausser dem offensichtlichen Unwillen der Banken oder Mobilfunkanbieter einfache, kundenorientierte Lösungen anzubieten. Dieses letzte Puzzleteil aufzuheben überlässt man dann wahrscheinlich (wieder mal) Apple.
anmerkung: das ist der text meiner kolumne im (gedruckten) t3n-magazin nummer 41. in ein paar wochen kommt die neue ausgabe, mit einer neuen kolumne von mir. die taucht dann bei dieser ausgabe auch erstmals online auf t3n.de auf.
weil ich für die kolumne bezahlt werde, enthält sie auch gross- und kleinschreibung.
diesen text habe ich aus redaktionellen gründen aus der kolumne rauskürzen müssen. weil ich ihn relativ witzig — und immer noch aktuell und informativ finde, hänge ich ihn hier an.
Nachdem ich von der zahl-einfach-mobil.de-Webseite, die von der Beratungsfirma GS1 Germany GmbH betrieben wird, zu der von O₂, der Telekom und Vodafone betriebenen Webseite mpass.de geleitet wurde, sehe ich zunächst, dass mpass.de — trotz des Apple-Weckrufs — sehr stiefmütterlich gepflegt wird. Im Impressum der Webseite ist noch René Obermann als Vertretungsberechtigter der Telekom aufgeführt, obwohl der bereits vor knapp andertalb Jahren seinen Posten bei der Telekom verlassen hat.
Mein Klick auf „Jetzt anmelden“ führt nochmal weiter zu einer Webseite, die von der in Wales ansässigen Firma Wirecard Card Solutions Limited betrieben wird. Weil O₂ lediglich als Vermittler und nicht als Anbieter auftritt, muss ich mich — auch als O₂-Kunde — dort mehrfach „legitimieren“.
Zunächst bekomme ich eine PIN-Nummer aufs Handy geschickt, danach eine PIN (per 1-Cent-Überweisung) auf mein Konto. Nach 4 Tagen — solange dauerte die Überweisung aus Wales — bin ich so halb legitimiert. Ein weiterer Schritt („mpass plus“) steht noch aus, ist aber offenbar für das Geldnachladen per Lastschriftverfahren zwingend erforderlich.
5 Tage nach meiner Anmeldung trifft der erstaunlich dicke NFC-Sticker bei mir ein und auch meine Überweisung von 25 Euro wurde mir nach 5 Tagen auf meinem mpass-Konto gutgeschrieben.
In ein paar Supermarktketten und Tankstellen kann ich jetzt nach knapp einer Woche Vorbereitungszeit „einfach bezahlen“. Ich entscheide mich unseren Wochenendeinkauf bei Aldi mit meinem neuen Handyaufkleber zu bezahlen. Wohin ich am Bezahlterminal mein Handy halten soll ist leider nicht erkennbar. Die Kassiererin weiss es auch nicht. Ich bewege mein Telefon beschwörend um alle Seiten des Bezahl-Terminals, drücke mein Handy gegen das Display und die Seiten des Terminals — nichts passiert. Nachdem die ersten Räusperer aus der Warteschlange hinter mir zu hören sind und ich schon meine EC-Karte zücken will, piepst das Terminal dann doch noch und gibt meine Zahlung frei. Einfach!
vor ein paar tagen hat google die spezifikationen für amphtml veröffentlicht und eine demo veröffentlicht, was sie in etwas damit zu tun gedenken. die demo kann man sich hier mit einem mobilen browser (oder einem mobilen user agent) ansehen (dort dann nach obama oder zum beispiel faz suchen). die spezifikationen für amphtml hat google auf github gepackt. google hat auch eine animation erstellt, die zeigten soll wie amp-seiten in den google-sucheergebnissen funktionieren könnten.
was google mit amp bezweckt ist klar, wenn man sich die demo oder die selbstbeschreibung des projekts ansieht: schnellere (mobile) webseiten. oder im sinne der gleichen facebook-idee: sofortseiten.
jeff jarvis ist naturgemäss begeistert und sieht seine idee der einfachen verteilung (distribution) von publizistischen inhalten im web durch amp gestärkt:
But I think AMP and Instant Articles are more than that. They are a giant step toward a new, distributed content ecology on the web.
wolfgang blau auch:
what excites me most about ampproject.org is how it might allow publishers to not just distribute, but aggregate more seamlessly.
It’s the distribution that makes AMP different. It’s the distribution that makes publishers suddenly so interested in building a highly performant version of their pages—something they’re all capable of doing otherwise. AMP’s promise of improved distribution is cutting through all the red tape that usually stands in the way.
This promise of improved distribution for pages using AMP HTML shifts the incentive. AMP isn’t encouraging better performance on the web; AMP is encouraging the use of their specific tool to build a version of a web page. It doesn’t feel like something helping the open web so much as it feels like something bringing a little bit of the walled garden mentality of native development onto the web.
That troubles me.
und ich finde genau das spannend. google zwingt die verleger, bzw. alle die im netz veröffentlichen dazu, sich zu beschränken. so wie twitter einen zwingt sich kurz zu fassen, zwingt amp einen dazu sich den (technischen) regeln der auslieferungsbeschleunigung zu unterwerfen (was unterm strich zu erhöhtem lesekomfort führt).
das ist an sich schon eine gute sache, weil die verleger nun einen guten grund haben, von ihren vermarktern bessere, weniger arschig programmierte anzeigen zu verlangen. anzeigen sind zwar in amp-seiten möglich, müssen sich aber an bestimmte regeln halten (bis diese womöglich ausgehelbelt werden). felix salmon formuliert das im guardian (auf einer amp-seite) so:
Ultimately it comes down to power dynamics. Advertisers and media buyers have more power than any individual publisher: they can demand more intrusive ads, trackers, scripts, and publishers will comply, lest they lose revenue. But one entity is even more powerful than the ad industry – Google. If Google tells everybody to turn off those scripts, they will – and advertisers will be forced to compete on the basis of creative output, not technological firepower.
So another impact of AMP will be that news organizations will have to re-evaluate their use of third party scripts and demand use of best practices by these vendors.
noch spannender finde ich, dass plötzlich verleger, denen die idee von volltext-RSS-feeds schon immer zuwider war, plötzlich bei amp an bord zu sein scheinen. selbst die FAZ pfeffert jetzt ihre inhalte in einem format raus, mit dem leser diese inhalte plötzlich wie mit RSS lesen können. denn amp erlaubt, wie RSS, durch einen festen gestaltungsrahmen ein caching (zwischenspeichern) der inhalte durch apps, reader oder, wie oben demonstriert, suchmaschinen. konzeptionell und technisch sind die parallelen zu RSS offensichtlich. jeremy keith schreibt in seiner ausführlichen und lesenswerten amp-analyse:
So if an RSS feed is an alternate representation of a homepage or a listing of articles, then an AMP document is an alternate representation of a single article.
Now, my own personal take on providing alternate representations of documents is “Sure. Why not?” Here on adactio.com I provide RSS feeds. On The Session I provide RSS, JSON, and XML. And on Huffduffer I provide RSS, Atom, JSON, and XSPF, adding:
If you would like to see another format supported, share your idea.
Also, each individual item on Huffduffer has a corresponding oEmbed version (and, in theory, an RDF version)—an alternate representation of that item …in principle, not that different from AMP. The big difference with AMP is that it’s using HTML (of sorts) for its format.
All of this sounds pretty reasonable: provide an alternate representation of your canonical HTML pages so that user-agents (Twitter, Google, browsers) can render a faster-loading version …much like an RSS reader.
So should you start providing AMP versions of your pages? My initial reaction is “Sure. Why not?”
wie die auslieferung per amp-seite funktioniert, zeigt bereits die reader-app nuzzel. sie aggregiert und filtert links aus meinen social-media-feeds und zeigt mir empfehlungen aus meinem bekanntenkreis an. klicke ich auf den link zu einer seite die auch eine amp-version anbietet, lädt sie nicht die reguläre seite, sondern die mobil-optimierte amp-version. twitter hat angekündigt das auch so zu machen und, natürlich, auch google wird das das irgendwann in seine mobile suche integrieren.
ich bin ja schon immer ein agressiver verfechter der volltext-rss-idee, der idee, inhalte so einfach wie möglich zugänglich zu machen und niemandem vorzuschreiben wo oder wie er inhalte zu lesen hat. bereits vor 4 monaten habe ich facebooks instant articles-idee mit RSS verglichen und natürlich schlägt amp in die gleiche kerbe. mit einem unterschied natürlich: facebook und google (und apple) versuchen von anfang an wege der monetarisierung (sprich werbung) in ihre lösungen einzubauen.
es dürfte spannend sein, wie die verleger langfristig zu amp, instant articles oder ähnlichen initiativen von apple und anderen stehen werden. es ist nicht auszuschliessen, dass sie irgendwann muffensausen bekommen, angesichts des unabwendbaren kontrollverlusts. möglicherweise sind sie auch irgendwann völlig überfordert mit dem irren formate-müsli, das derzeit aus dem silicon valley geliefert wird: google hat ein eigenes format, facebook verlangt ein eigenes format und apple hat sein „apple-news-format“ noch gar nicht veröffentlicht.
mir ist das (natürlich) völlig egal, ich habe an zwei abenden das amp-format in diese seite integriert. das war nicht besonders kompliziert, im prinzip habe ich die druckseitenfunktion meines CMS missbraucht, bzw. umgebaut (und um ein paar funktionen erweitert). seiten auf dieser site lassen sich dank druck-CSS-stylesheet bestens ausdrucken (wer auch immer sowas macht), also liess sich die eingebaute druckfunktion, die über wirres.net/article/print/8649/1/6/ erreichbar war, zu einer amp-funktion umbauen. weil „print“ in der url aber doof ist, sind meine seiten offiziell über /article/amp/ ampifizierbar, natürlich auch diese: wirres.net/article/amp/8649/1/6/.
erstaunlich am ampproject ist, wie fehlerhaft es noch ist. die proprietäre video-erweiterung amp-video ist noch nicht ganz fertiggestellt, bzw. buggy, viele details scheinen noch unausgegoren und besonders witzig, googles eigenes beschleunigungswerkzeug empfiehlt dem ampproject verbesserungsmassnahmen:
insgesamt sehe ich das amp-projekt als eine der spannensten sachen die dem web seit dem web 2.0 passiert ist. das web 3.0 wird (wieder) schlanker. und das ist in diesem fall eine gute sache.
im august, während unseres schottland-urlaubs haben wir auch einen kurzen abstecher zum schiffshebewerk in fallkirk gemacht. die gegend um fallkirk, das nordwestlich von edinburgh liegt, ist von kanälen durchzogen. die kanäle werden schon länger nicht mehr kommerziell genutzt, wurden aber vor wenigen jahren als touristische attraktion revitalisiert. die kanäle werden also nicht mehr als warentransportwege genutzt, sondern zur bespassung von touristen.
so dient auch das fallkirk wheel vor allem dem hoch- und runterheben von touristenbooten. das ändert natürlich nichts daran, dass diese kanäle durch wunderschöne landschaften führen und das schiffshebewerk selbst eine besichtigung lohnt.
blick auf die zufahrt zum schiffshebewerk, man sieht hinten einen touristendampfer, der sich gleich runterheben lässt.
blick auf die zufahrt zum schiffshebewerk, man sieht hinten einen touristendampfer, der sich gleich runterheben lässt.
die konstruktion des schiffshebewerks ist ingeniös. die beiden gondeln, im prinzip gigantische badewannen mit komplizierten schliessmechanismen, wiegen dank des archimedischen prinzips stets gleichviel, so dass zum drehen des rads nur geringer kraftaufwand nötig ist. in der praxis ist das dann doch nicht ganz so einfach, wer mehr darüber erfahren will sollte es einfach, wie ich, in der wikipedia nachlesen.
die drehung des rads ist ziemlich lautlos und dank der futuristischen bauweise ziemlich sehenswert, auch wenn das ganze areal, ganz schottland untypisch, eine ziemliche touristenfalle mit cafeteria, souvenirshop, kinderspielplätzen und kirmesathmosphäre ist. im prinzip kann man beim falkirk wheel auch von einem touristenhebewerk sprechen.
die beifahrerin hat das souvenirladenangebot trotzdem von vorne bis hinten geprüft, aber das einzige was wir suchten — kaffeebecher mit schlicht aufgedruckter schottlandfahne — hatte auch der laden nicht im angebot.
links das besucherzentrum mit souvenirshop, cafeteria und ticketverkauf für die touristenboote, in denen man sich in einer badewanne 24 meter hoch oder runterheben lassen kann
die relativ einfache mechanik des schiffshebewerks
beide wannen liegen auf vier radlagern auf
heute früh hatte ich ne telefonkonferenz mit nem kunden um 10 uhr. dachte ich. sie war aber um 9:30 uhr. kunde ruft mich zur erinnerung an, als ich noch unter tage bin. um 9:42 wähle ich mich in den konferenzraum ein.
am gendarmenmarkt roch es nach schweinebraten, möglicherweise eine vorbereitung für den berlin-marathon?
kurz vorm neuen titanic-hotel gabs offenbar kernbohrungen.
vor dem john-f.-hotel jongliert jemand mit seiner sonnenbrille. nach dem dritten wurf fällt sie auf den boden. er versucht seine beiständer damit zu amüsieren, dass er so tut als wolle er auf seine brille treten. tut er natürlich nicht, er ist ja nicht blöd, bückt sich um die brille aufzuheben — und seine hose reisst über 30 zentimeter länge auf der rechten pobacke auf.
im büro festgestellt, dass meine hose im schritt einen 20 zentimeter langen riss hat.
später, auf dem heimweg, haben sich grosse betonbrocken zu den kernbohrungen gesellt,
ich muss vorausschicken, dass nichts am folgenden text objektiv ist. wie eigentlich alles, was ich so ins netz schreibe. aber in bezug auf blendle bin ich wahrscheinlich noch voreingenommener, als ich es sonst bin. blendle ist wie ein wahrgewordener traum von mir. dieser text enthält auch keine prognosen über den künftigen erfolg oder misserfolg von blendle (dafür gibt’s genug oberchecker), sondern um mein wunschdenken.
ich habe mir immer gewünschteinfachen zugriff auf texte zu haben. die erste hürde auf diesem weg habe ich bereits vor 40 jahren genommen, als ich lesen lernte. mit büchern und zeitschriften klappte der zugriff auf texte dann auch jahrelang ganz hervorragend, aber seit ich mir bücher mit ein bis zwei klicks kaufen kann und sie, egal wo ich gerade bin, quasi sofort, nach zwanzig bis dreissig sekunden, lesen kann, sind meine erwartungen an textlieferanten exponentiell gestiegen. ich sehe nicht mehr ein, warum ich mir texte kiloweise per abo auf papier nach hause liefern lassen soll, um sie dann irgendwann zu lesen — oder sie nicht lesen zu können, wenn ich nicht gerade den richtigen papierstapel mit mir herumschleppe.
als ich meine letzten beiden papier-abos gekündigt habe, die c’t und die brandeins, gab es von der c’t noch kein rein digitales abo und für die brandeins kein digitales abo, das ich auf den mir zur verfügung stehenden geräten hätte benutzen können (isch abe kein ipad). die einzige publikation die ich mir hin und wieder, jedes mal ohne reue, auf papier kaufe, ist die geo-epoche. auch sie gibt es, bis auf ein paar sammelbände, für mich bisher nicht digital zu lesen.
die c’t lese ich jetzt regelmässig in der firma, die noch ein papierabo hat, die brandeins gar nicht mehr — und tageszeitungen, seit ich nicht mehr zwischen hamburg und berlin pendle, auch nicht mehr. ehrlichgesagt reicht das was mir meine RSS-, twitter oder anderen feeds in meine leseapps spülen auch vollkommen aus. da wird natürlich auch viel schrott angespült, aber auch immer wieder perlen und kleine schmuckstücke, die ich so gut wie möglich mit meinen fast täglichen links mit interessierten zu teilen versuche.
Today: Needed a cab. No black cab around. Downloaded Uber app again. Set up new account. Scanned credit card. Loved the ease of that. Ordered car. Drove away. All within 5 minutes - from realising I needed a cab, to setting up that account and sitting in a car.
Last week: Tried to subscribe to the digital edition of a leading newspaper. Gave up after 9 minutes.
E-Commerce is an art form, not a side job.
was ich sagen will: das was exklusiv auf papier oder hinter den bezahlsystemen der verlage an journalismus produziert wird ist meiner wahrnehmung seit ein paar jahren komplett entzogen. ich bekomme davon nur in ausnahmefällen etwas mit. hin und wieder machen mich die zeitschriften-cover einzelner titel neugierig oder ich lese im netz von leuten, die etwas auf papier gelesen haben und es eindringlich empfehlen.
vor einigen monaten gab es im spiegel zum beispiel eine titelgeschichte zu ikea. die wollte ich unbedingt lesen, aber der spiegel zwang mich zu einem langwierigen registrierungsprozess, in dem ich immer wieder dazu gedrängt wurde ein abo abzuschliessen. letztendlich musste ich mir das ganze heft kaufen, zum beinahe gleichen preis, wie am kiosk. der ikea-text und das lesevergnügen waren unterirdisch.
seitdem habe ich mir keine einzige spiegel-ausgabe, weder auf papier, noch digital gekauft. das gleiche bei der faz: schlimmer registrierungsprozess und mondpreise. die sz? da weiss ich noch nichtmal, ob und wenn ja wo man dort einzelne artikel kaufen kann. ach ja, 2013 wollte ich für eine grandiose reportage von michael obert unbedingt etwas bezahlen (der text war und ist kostenlos im netz zu lesen). das serviceteam der sz beantwortete meine frage damals so:
Was Ihre Anfrage betrifft, so ist die gesamte Branche zur Zeit im Wandel. Ob es irgendwann einmal möglich sein wird, nur für die Inhalte zu bezahlen, die man auch lesen möchte, ist sicherlich nicht auszuschließen. Dieses Thema wird aktuell in der Verlagswelt ausgiebig diskutiert. Es gibt aber auch die Schattenseite. Kann ein Verlag es sich dann noch leisten eine ganze Zeitung zu produzieren? Würden dann vielleicht nurnoch Artikel veröffentlicht, die auch massentauglich sind? Alle diese Punkte müssen bei der Frage berücksichtigt werden, ob es irgendwann einmal möglich sein wird, auch einzelne Inhalte zu kaufen.
das, einzelne artikel zu lesen und einfach zu bezahlen, war 2013, aber auch schon lange davor, mein traum. hier nochmal, in aller kürze, ausformuliert. ich möchte …
für besonders tolle (oder auch mittelgute) texte (unkompliziert) etwas zahlen, freiwillig oder wegen eines preisschilds
unkompliziert auch an texte herankommen, die nicht ohne weiteres frei zugänglich sind, gerne gegen (angemessene) bezahlung
diese texte auch anderen empfehlen können, per link und vor allem mit niedriger zugangsschwelle für andere, gerne gegen (angemessene) bezahlung
zugriff auf alle — oder möglichst viele — deutschsprachige oder englischsprachige texte zu haben, ohne mir altpapier liefern lassen oder selbst ins haus schleppen zu müssen — und vor allem ohne abos abschliessen zu müssen
und, ebenfalls in aller kürze: das ist ungefähr das, was seit ein paar wochen mit blendle möglich ist.
ich lese wahnsinnig viel auf blendle und bin überrascht, wie viele sehr- und mittelgute texte ich, in den wenigen wochen die ich es nutze, dort bereits entdeckt habe (link auf meine blendle-seite, in der auch alle meine empfohlenen texte aufgelistet sind).
die meisten dieser texte sind in der regel auf papier oder hinter schwer überwindbaren bezahlwänden und anmeldeprozeduren versteckt und für ottonormal-webnutzer mehr oder weniger unzugänglich. obwohl ich die idee von bezahlwänden und geschlossenen räumen im internet aus prinzip blöd finde, bin ich begeistert, wie viele perlen sich hinter der relativ leicht überwindbaren blendle-bezahlmauer offenbaren.
es ist ein bisschen so, als hätte ich bis jetzt im paradies gesessen, die brathähnchen waren alle in reichweite, jeden tag konnte ich mich sattessen und meinen RSS-feedleser überhaupt nur so halb leeren und den empfehlungen meiner timeline gerade mal so zu 0,18 prozent folgen. und plötzlich ist da im paradies ne tür, hinter der es nicht nur brathähnchen gibt, sondern auch sushi, rinderfilet und omas sauerbraten. kostet ein bisschen extra, schmeckt nicht immer überragend, aber ziemlich oft sehr, sehr gut.
was mir beim lesen auf blendle auffällt, so schön es ist, am sonntag die FAS oder den spiegel digital durchzublättern, enorm viele tolle texte werden dort durch empfehlungen nach oben gespült. und das manchmal aus unwahrscheinlichen quellen. zum beispiel, ein guter text im stern. den stern würde ich sonst (am kiosk, in der arztpraxis) nur noch mit handschuhen anfassen, aber auf blendle lese ich plötzlich stern-texte, wenn sie eindringlich genug empfohlen werden. gleiches gilt für die welt, hier die am sonntag. ein differenzierter, ausführlicher und ausgeglichener artikel über „bio“ in der welt? unwahrscheinlich, passiert aber offensichtlich ab und an — und auf blendle merke ich es.
tatsächlich ist es die mischung aus stöbern und empfohlen bekommen, die blendle so angenehm macht. beides führt immer wieder zu guten texten, aber trotzdem bemerke ich, wie die marken in den hintergrund rutschen. schrott, uninteressantes, wiedergekäutes, zusammenfassendes steht in allen blättern, aber hin und wieder eben auch befriedigende langstrecken oder reportagen. nur muss ich dafür eben nicht mehr die FAS, die FAZ, den spiegel oder was auch immer aufschlagen. ich muss nicht ganze hefte kaufen, von denen eh nur ein drittel lese, ich muss nicht zu deren webseiten navigieren und mich dort anmelden, die guten texte schwimmen bei blendle einfach an mir vorbei; die texte kommen angeschwommen.
natürlich gibt es (um meiner these von den verschwindenden marken gleich mal zu widersprechen) noch eine menge hefte, die ich schmerzlich vermisse, die GEO, die GEO-epoche, die brandeins. die deutsche wired ist angekündigt bald zu kommen, aber was ist mir den englischsprachigen ausgaben? die einzig seriöse computerzeitschrift (die c’t) fehlt noch, ebenso die new york times oder der new yorker. und wo ist die mare?
ich möchte für guten, leidenschaftlichen journalismus bezahlen. ich möchte guten journalismus unterstützen, deshalb habe ich ursprünglich die krautreporter unterstützt, deshalb war ich viele jahre brandeins- und c’t-abonnent. ich will aber vor allem, dass das ganze leicht zugänglich ist, für mich und andere.
auf blendle.de bin ich freerider, ich kann dort so viel lesen wie ich will, ohne zu bezahlen. ich bezahle damit, dass ich ab und zu texte empfehle. (womit wir wieder am anfang und der überschrift dieses textes sind. ich bin voreingenommen und geblendlet.)
mein krautreporter-abo habe ich nach einem jahr gekündigt, auch sonst habe ich derzeit keine abos mehr. deshalb habe ich mir überlegt, jeden monat 20 bis 30 euro an unterschiedliche journalistische projekte zu spenden. in diesem monat wird das correctiv.org sein, mal sehen was die kommenden monate an interessanten journalistischen projekte bringen.
man kann diesen tweet als naiv ansehen (was unter dem tweet von „Kontra“ auch gleich geschah), aber man kann auch mal kurz innehalten und sich dieses do-not-track-dings mal in ruhe ansehen. die do-not-track-initiative war ein versuch, browser-benutzern die einfache möglichkeit zu geben, das tracking, also die verfolgung durch werbevermarkter, auf webseiten zu deaktivieren. jörg breithut auf spiegel online formuliert das so:
Eigentlich sollen Nutzer in ihren Browsern mit der Einstellungen „Do Not Track“ signalisieren können, dass sie nicht von Unternehmen zu Werbezwecken ausgeforscht werden wollen.
und:
Viele Netznutzer waren damals begeistert von der Idee, ohne Datenspuren durchs Netz zu surfen. Doch mit dem Ausstieg von Yahoo scheinen sich die Prognosen der Branchenexperten zu bewahrheiten.
Kritiker sagten damals schon voraus, dass die werbefinanzierten Unternehmen bei „Do Not Track“ nicht mitspielen würden. Zu groß war ihrer Meinung nach das Risiko, die Anzeigen-Kunden zu verprellen. Schließlich können Microsoft, Yahoo und Co. die Werbung wesentlich besser auf die Nutzer zuschneiden, wenn sie deren Klickverhalten und Interessen kennen.
spiegel online ist ebenfalls eine werbefinanziertes unternehmen, das seine anzeigenkunden nicht verprellen möchte. jedenfalls arbeitet spiegel-online auch mit unternehmen zusammen, die benutzer „zu Werbezwecken“ ausforschen. der artikel über den ausstieg von yahoo aus der do-not-track-allianz, aus dem ich oben zitiere, wird laut ghostery von 17 ausforschungs-trackern garniert.
ich habe mir mal stichprobenartig und zufällig die datenschutzerklärung eines dieser bei spiegel-online eingesetzten trackers angesehen, von criteo. in der englischsprachigen version seiner datenschutzerklärung, weist criteo darauf hin, die do-not-track-einstellung des benutzers nicht zu respektieren:
As described above, we elected to provide mechanisms of choice through our proprietary opt out and through industry platforms and do not respond to web browser do not track signals.
einen einfachen mechanismus, mit dem man global anzeigen kann, nicht erfasst werden zu wollen, lehnt criteo ab, weil man sich für eine „industrie“-eigene implementierung entschieden habe.
in der deutschen version der datenschutzerklärung konnte ich gar keine hinweise auf den umgang mit der do-not-track-anweisung finden. dort steht:
In diesen Fällen ist es am einfachsten, unsere Werbemittel für diese Browser durch die Verwendung unserer Opt-out-Funktion zu deaktivieren.
wenn ich von der deutschsprachigen datenschutzerklärung von criteo auf deren „industrie-eigene“ opt-out-funktion klicke, lande ich auf einer englischsprachigen seite, hier. für die deutsche version muss ich ein bisschen suchen und lande dann hier, bzw. beim „Präferenzmanagement“.
dort bekomme ich einen einfach zu verstehenden hinweis:
3rd Party Cookies nicht aktiviert: Der Safari-Browser blockiert das Setzen von Cookies für verhaltensorientierte Werbung. Um diese erfolgreich über dieses System deaktivieren zu können, müssen diese Cookies aber aktiviert sein. Sofern Sie diese nicht deaktiviert lassen möchten, geben wir Ihnen Hilfestellungen, diese zu aktivieren. Für weitere Informationen besuchen Sie unsere Hilfe-Seite Opt-out-Hilfe-Seite. Sofern Sie diese Cookies deaktiviert halten, wird ihnen nur verhaltensbasierte Werbung über Webseiten eingeblendet, die Sie besucht haben und nicht von Drittparteien.
ich glaube das bedeutet, dass ich erst tracking-cookies akzeptieren muss, bevor ich die anbieter wissen lassen kann, dass ich deren cookies, oder was auch immer sie benutzen um mich zu verfolgen, nicht akzeptieren möchte. OK. statt cookies nur von seiten zu akzeptieren, die ich besuche, akzeptiere ich dann eben um des datenschutz willens alle cookies.
“Collecting your status from 0 companies. This may take a while”
nach 40 sekunden steht die seite. „Nutzungsbasierte Online-Werbung“ ist bei allen anbietern aktiviert, bis auf „Krux“. da isses deaktiviert. warum auch immer. vor zwei jahren habe ich das tool schonmal zu recherchezwecken benutzt, vielleicht habe ich dort ein paar anbieter „deaktiviert“. egal. ich klicke „Bei allen Anbietern deaktiveren“. das deaktivieren dauert ca. 30 sekunden, also lese ich noch ein bisschen.
Wenn Sie "Deaktiveren" wählen bedeutet das nicht, dass Sie keinerlei Online-Werbung mehr erhalten. Es bedeutet jedoch, dass die Online-Werbung, die Sie auf den Webseiten sehen, nicht auf der Basis Ihrer vermeintlichen Interessen oder Vorlieben (abgeleitet von Ihrer Internetnutzung) angepasst wird. Eine Deaktivierung der nutzungsbasierten Online-Werbung hat keinen Einfluss auf andere Dienste, die Cookies verwenden; bspw. Ihr Warenkorb. Von Ihnen besuchte Internetseiten können überdies auch noch für andere Zwecke Informationen sammeln; bspw. für Marktforschung.
„Sociomantic“ lässt sich nicht deaktivieren, aber youronlinechoices.com beruhigt mich:
Wir haben diesen Fehler automatisch protokolliert. Wenn der Fehler weiterhin besteht werden wir uns an die betroffenen Unternehmen wenden.
einige der onlinevermarkter, die auch mit spiegel-online zusammenarbeiten, sind also der meinung dass es besser (oder einfacher) für die verbraucher oder besucher von webseiten sei, sich durch ein leseintensives, hakelig zu bedienendes, denglisch-sprachiges, proprietäres branchen-werkzeug durchzuklicken, als ein häckchen im browser zu setzen.
möglicherweise hat das „Screw you“, die entscheidung der werbeschnüffler sich nicht an „do not track“ zu halten, nicht direkt zur popularisierung von werbe- und tracker-blockern geführt, wie @counternotions suggeriert. aber die grundhaltung, nutzerwünsche nicht oder nur widerwillig — und dann ganz besonders lieblos — zu respektieren, scheint in der werbebranche doch sehr ausgeprägt zu sein. aber der eigentliche witz ist, immer noch, dass selbst eine erfolgreiche, sich durch seine tochter selbst vermarktende und überwachungsthemen gegnüber enorm sensible publikation wie spiegel-online sich diesem un- und irrsinn beugen muss. was die werbekunden wollen wird gemacht. auch bei spiegel-online. bloss niemanden verprellen! ausser die leser, die „bling-bling“-konsumenten, wenn man die verprellt hat das keine schwerwiegenden folgen, vor allem verstehen die das alles ja auch gar nicht.
sarkasmus zur seite. mir ist es wirklich ein rätsel, warum spiegel-online nicht das online-medium ist, das sich mit beispielhafter, anstandskonformer werbung profiliert oder die befolgung der do-not-track-anweisung konsequent durchsetzt. mit einem eigenen werbevermarkter, einer geschäftsfüherin, die in der mozilla-stiftung sitzt und der diese problematiken sehr gut bewusst sein dürften — und vor allem mit einer redaktion, die hervorragende berichterstattung rund um privatsphären- und datenschutzverletzungen macht.
ich schreibe ja einiges an stuss ins internet. nicht nur absichtlich, manchmal auch, weil ich manche dinge nicht zuende denke — oder überhaupt bedacht habe. aber deshalb schreibe ich sie ja auch ins internet, weil ich mich daran erfreue, wenn mich jemand eines besseren belehrt. es kann durchaus sein, dass ich den eindruck mache, unbelehrbar zu sein, aber manchen gelingt es dann doch mich eines besseren zu belehren. martin ötting mal, vor vier jahren zum beispiel. johnny haeusler, immer wieder, sascha lobo, dem zu widersprechen zu einem meiner liebsten hobbys geworden ist, aber dem ich in diskussionen, privat oder öffentlich, am ende (leider) immer wieder recht geben muss. manchmal sogar stefan niggemeier. und, keine witz, vielen, vielen anderen. kommt immer wieder vor.
meinem letzten etwas provokativeren text, zur krautmauer, kann man sicherlich zu recht an vielen stellen widersprechen. allerdings finde ich es schwer nachvollziehbar, mir aufgrund dieses textes zur krautmauer zu unterstellen, ich würde kostenlosen journalismus fordern. andererseits, ich bin’s ja auch selbst schuld, wenn ich mich einerseits ständig über werbung beklage und dann auch noch über bezahlwände echauffiere. aber gut, das thema ist ja eben kompliziert und niemand hat dazu bisher abschliessende antworten oder meinungsbilder. bis auf die oberchecker, aber von denen will ich jetzt gar nicht reden.
obwohl. vielleicht doch. im oben erwähnten text habe ich einen vergleich formuliert:
möglicherweise bekommt die gala-redaktion des öfteren anrufe von empörten käufern, die gesehen haben, dass die gala in arztpraxen, friseursalons oder flugzeugen kostenlos ausliegt. wären sebastian esser und philipp schwörbel geschäftsführer der gala, würden sie wahrscheinlich als reaktion auf die 2 bis 3 jährlichen beschwerden, die belieferung von lesezirkeln einstellen und gala-käufer verpflichten, das heft nur an freunde und bekannte (für maximal 48 stunden) leihweise abzugeben.
diesem vergleich kann man möglicherweise sehr kluge dinge entgegnen. aber der oberchecker journalist timo rieg, der unter anderem das blog spiegelkritik führt, das anders als der name suggeriert, überhaupt nicht selbstkritisch ist, antwortete darauf:
das ist das volle zitat, die gesamte antwort auf meinen text. mich machen solche kommentare immer sehr traurig. und wenn ich traurig bin, antworte ich dann oft umso länger, statt einfach nur „404“ oder „hä?“ drunterzuschreiben:
da du, timo, dich aus unerfindlichen gründen weigerst kontext oder argumente zu liefern und den link einfach so hier hinkotzt, übernehme ich die einordnung gerne:
die krautreporter haben angefangen als eine art leserzirkel, der von tausenden unterstützern pauschal finanziert wird, damit sie und andere gut recherchierte geschichten lesen können, wo und wann sie wollen. jetzt finden die krautreporter, dass dieses modell leser davon abhält, zu zahlenden kunden zu werden. und dass es ein trittbrettfahrerproblem gebe: lauter leute die lesen, aber nicht zahlen. also werden alle lesezirkel-leser die noch nicht zahlen am lesen gehindert und müssen beim zahnarzt die sprechstundenhilfe fragen ob man die gala lesen könne. oder freunde bitten einen oder zwei texte mit ihnen zu teilen.
wolltest du das in etwa mit dem link zum ausdruck bringen?
auch hierzu keine antwort von timo rieg, der auf seiner eigenen seite „Widerspruch fordert“.
manche geben sich dann schon etwas mehr mühe, zum beispiel der leser „Daniel“ vor zwei tagen in den kommentaren:
Etwas „wirres“ Beispiel mit den Arztpraxen. Der Lesezirkel ist ja nicht umsonst.
das habe ich freilich auch nicht behauptet. ich habe lediglich behauptet, um es mit sebatsian essers ökonomischem fachterminus zu bezeichnen, dass es bei den lesezirkeln ebenfalls sehr viele „trittbrettfahrer“ oder „freerider“ gibt.
es geht doch nicht darum, dass ich es nicht bezahle, sondern dass überhaupt jemand für diese exemplare bezahlt. insofern hinkt das beispiel.
auf meinen einwand, dass für die krautreporter mehr als 15tausend leser zahlen, wird ein taufrisches argument von daniel herausgekramt:
[dein beispiel hinkt] weil du versuchst, ein digitales mit einem physischen gut zu vergleichen. ausschließbarkeit vs nicht-ausschließbarkeit. natürlich nimmt die zahlungsbereitschaft bei jemandem ab, wenn er in der lage ist, das gut kostenlos zu konsumieren (siehe auch allmendeproblem). bei der zeitung in der arztpraxis ist das nicht der fall, weil er ja keinen sonstigen zugriff auf das produkt hat. außer er ist beim arzt.
natürlich argumentiere ich auch sehr, sehr oft „wirr“. aber das mit argumentativem wackelpeter zu kontern ist doch bekloppt.
dabei wäre es so einfach gewesen meinen vergleich zu zerpflücken, in dreieinhalb sätzen:
die krautreporter finanzieren sich nicht mit werbung, an lesezirkeln teilnehmende zeitschriften schon.
die hefte in lesezirkeln haben immer noch einen verkaufspreis, die krautreporter-texte nicht.
die krautreporter finanzieren sich nicht zusätzlich über heftverkäufe, an lesezirkeln teilnehmende zeitschriften schon.
die krautreporter bieten keinen niedrigschwelligen einzelverkauf, der potenzielle spontan-käufe ermöglicht, sondern sind ausschliesslich auf abos und mitgliedschaften aus.
nun muss man ihm zugutehalten, dass er zur zeit an post launch deprsssion leidet, weil er am launch von zeit.de mitgearbeitet hat. aber was will er mir sagen, mit seinem nö? es gibt keinen „nativen adblocker“, wie ich viel zu undifferenziert behauptet habe? oder dass die werbung auch bei kleinen fenstern angezeigt wird und ich zu doof bin die zu sehen? oder will er korrigieren und sagen, dass stets für das format passende anzeigen geladen werden, wenn man die seite neu lädt?
wollte er das sagen? ich werde es womöglich nie erfahren, deshalb schreibe ich die antwort, auch hier, einfach selbst:
wir haben anzeigen-formate für jede bildschirmgrösse, die wir einspielen, es werden also immer anzeigen angezeigt. hier von einem adblocker zu reden ist quatsch, es werden lediglich unter bestimmten umständen, die nur in ausnahmefällen auftreten, kurzzeitig keine anzeigen angezeigt (wer, um himmels willen verändert denn heutzutage noch die fenstergrösse?). was du schreibst, ist also blödsinn.
ich möchte mit diesem uralten gespielten witz zu mehr ausdruckskraft aufrufen:
[nachtrag 17.09.2015]
nico brünjes widerspricht in seinem blog etwas ausführlicher — aber die antwort habe ich schon ganz gut antizipiert.
der fortschrittsmotor nummer eins ist — bequemlichkeit.
irgendwer hat mal gesagt, dass wir 80 prozent unserer lebenszeit mit dem versuch verbringen, zeit zu sparen. unser leben besteht zum grossen teil aus hoffnung auf und dem drang zu mehr bequemlichkeit.
natürlich ist das wissen der welt nicht erst seit dem internet oder seit altavista oder seit google zugänglich. es war alles schon lange da — und zugänglich — bevor der erste smiley durch das internet floss. es war nur nicht so bequem. man musste reisen, in bibliotheken gehen, mit leuten reden. dank des internets ist der zugang zu informationen viel bequemer.
kolumbus ist auch nach amerika gekommen, marco polo nach china (vielleicht). das flugzeug, das auto oder die bahn haben wir entwickelt, damit das reisen bequemer (und schneller) wird.
bequemlichkeit, oder genauer, die verbesserung der bequemlichkeit, hat viele nebeneffekte. erhöhter CO₂-ausstoss, sich aufschaukelnde vernetzte systeme, empörungs- und agitationswellen, beschleunigung oder katzenbilderfluten. manche der nebeneffekte sind vorhersehbar, die meisten nicht. trotzdem wollen wir in der regel nicht zurück zum vorherigen, unbequemeren zustand, auch wenn die nebeneffekte unangenhem sind. die neuen probleme, glauben wir, lassen sich schon irgendwie lösen.
artikelbilder die eine startbahn zeigen, unterstreichen die visionäre qualität des artikels
mobiltelefone können fast nichts, was nicht auch schreibtischcomputer könnten. es ist aber um ein vielfaches bequemer ein taxi mit dem was man in der hand hat zu bestellen, als eine telefonzelle dafür zu benutzen oder an den schreibtisch zu laufen. es ist bequemer sich das wetter in der handfläche anzeigen zu lassen, als einen meterologen anzurufen und nach dem wetter zu fragen.
die vorteile von bestimmten technologien leuchten uns sofort ein, wenn wir die technologie sehen, berühren und benutzen, selbst wenn sie noch nicht zu 100% ausgereift sind. die vorteile, die neuen bequemlichkeiten von technologie zu erkennen, bevor wir sie sehen, anfassen oder ausprobieren können, fällt uns aber eigentümlich schwer. leute die das können, verunglimpfen wir gerne als „visionäre“, die zum augenarzt müssen oder als superbösewichte oder als irre.
solange wir den komfort neuer bequemlichkeiten nicht am eigenen leib spüren, sind wir oft zu bequem für neue bequemlichkeiten.
Die Faulheit ist Mutter der Effizienz. #sixwords für @cervus
bevor das jetzt mit meinen bequemlichkeits-assoziationen zu absurd wird, noch ein letztes beispiel. das www hat tim berners-lee natürlich auch aus bequemlichkeit erfunden: ein hyperlink erspart eine zusammenfassung oder das zitieren. ein klick ist bequemer als die eingabe einer adresse oder das nachschlagen in einem katalog. webseiten haben unser leben bequemer gemacht, seit über 10 jahren können wir, beispielsweise, bücher per klick auf einen hyperlink bestellen. generell könnte man sagen: die (weiter-) entwicklungen von webtechnologien in den letzten 15 oder 20 jahren, dienten vor allem der bequemlichkeit und der benutzerfreundlichkeit.
facebook macht es bequemer sich geburtstage von verwandten und bekannten zu merken, cloudbasierte kalender oder photospeicher machen es bequemer familiengedöns zu organisieren oder zu teilen. aber dort hört es nicht auf. es geht immer weiter, immer bequemer soll es werden.
statt auf einen link zu einem artikel zu klicken und auf den seitenaufbau und das laden der anzeigen und tracker zu warten, wollen apple und facebook und google und viele andere das lesen bequemer, komfortabler und schneller machen. facebook mit instant articles, apple mit seiner apple news app und google und microsoft bestimmt auch mit irgendwas.
das kann man gut finden und sich über die vorrausschtlichen bequemlichkeitsverbesserungen freuen, oder eben nicht:
@diplix Mir gefällt die Vorstellung eines Presse-Systems, das nur noch auf Plattformen von US-Firmen stattfindet, nicht. Dir?
[auch polemisch, aber trotzdem auffällig, dass die recherche des „Presse-Systems“ heutzutage bereits zum grossen teil auf „Plattformen von US-Firmen“ stattfindet.]
gegen die multiplen trends zur vereinfachung und bequemlichkeit kommt man mit amerika- und turbokapitalismus-kritischen scheinargumenten kaum an. das ist genauso aussichtslos wie freibier-macht-fett-rufe. wenn’s bequemer, besser, schneller oder ablenkungsfreier ist, wird ein angebot — mit sehr hoher wahrscheinlichkeit — angenommen. je mehr echte bequemlichkeit ein angebot bietet, desto eher und raikaler setzt es sich durch.
deshalb wird sich (glaube ich) blendle durchsetzen, deshalb werden sich angebote wie facebook instant articles oder apple news durchsetzen. nicht weil es sich um „Plattformen von US-Firmen“ oder angebote einer niederländischen firma handelt, sondern weil sie plötzlich da sind und nicht nur bequemlichkeit versprechen, sondern auch liefern.
irgendwann wird christian stöcker aufschreiben, warum ein „Presse-Systems, das nur noch auf Plattformen von US-Firmen“ läuft, unvorteilhaft ist. wahrscheinlich wird er in vielen, wenn nicht sogar allen punkten, die er aufschreiben wird, recht haben. aber er wird mit seinem text gegen die mühlen der bequemlichkeit anrennen und wir, die womöglich bereits die neue bequemlichkeit geniessen, werden ihn dann wohl nur noch aus der entfernung rufen hören — und ganz sicher nicht umkehren.
die sache mit dem kontrollverlust zeichnet sich seit jahrzehnten, als ein alles durchdringendes phänomen, in allen gesellschaftlichen bereichen ab. michael seemann weist uns da fast täglich drauf hin. wir verlieren zunehmend die kontrolle über unsere privatshäre, die kulturindustrie verliert die kontrolle über ihre produkte und der journalismus verliert die kontrolle über seine vertriebswege. in den 80iger jahren konnten wir uns noch gegen eine volkszählung wehren, die filmstudios den kinos ihre bedingungen diktieren und die verleger sicher sein, dass die leute ihr bedrucktes papier kaufen — und sei es wegen der kleinanzeigen. jetzt strömen unsere daten frei durchs internet, die filme und serien der filmstudios ebenso und journalisten fragen sich, wie sie in der tosenden brandung der internetströme noch aufmerksamkeit oder geld erreichen können.
alles strömt und streamt. und irgendwie finden wir es alle OK — weil es so furchtbar bequem ist.
man kann nicht ausschliessen, dass worte bei genügend druck irgendwann mal ihre bedeutung ändern. das passiert mit sprache ja ständig. so bedeuteteblöd vor gar nicht allzu langer zeit mal schüchtern. mit ampeln bezeichnete man mal kleine flaschen.
weil deutschsprachige autoren (auch) lieber kurze worte benutzen, schreiben viele, wenn sie auf mögliche interessenskonflikte oder verbindungen hinweisen wollen, statt einer „offenlegung“ einen „disclaimer“ unter ihre texte. das problem ist allerdings, dass disclaimer haftungsausschluss (oder verzichtserklärung) bedeutet. wollte man eine offenlegung verdenglischen, müsste man disclosure schreiben.
zuletzt ist mir das bei einem text von frank schmiechen aufgefallen, der mal „stellv. Chefredakteur“ von diversen springer-blättchen war und jetzt „Chefredakteur“ von gruenderszene.de ist. unter seinem text schreibt er:
Disclaimer: Axel Springer ist Gesellschafter der Vertical Media GmbH, dem Medienhaus von Gründerszene. Weitere Informationen zur Vertical Media GmbH hier: www.vmpublishing.com.
natürlich ist es erstmal lobenswert, dass es sich auch bei deutschsprachigen journalisten durchsetzt, auf mögliche interessenskonflikte hinzuweisen. aber wenn noch nicht mal ein ausgebildeter journalist in der lage ist, für eine offenlegung das korrekte wort zu finden und einfach eins wählt das sich richtig anhört und das andere auch benutzen, wer dann?
ich hab ja nichts gegen schlampigkeit oder denglisch in der sprache, das kann sehr erhellend und unterhaltsam sein. ich bin auch ein grosser freund von wort-neuschöpfungen, vom zusammensetzen und der rekombination von wörtern, egal ob das regelkonform abläuft oder nicht. sprache lebt und muss ständig neu geschöpft werden, von mir aus kann auch jeder der blog sagen. aber die gedankenlose nutzung von floskeln, die benutzung von wörtern, die alle anderen benutzen, ohne auch nur einen moment über sie nachzudenken, das nervt. es ist natürlich nachvollziehbar, dass auch deutschsprachige autoren ihr mauen texte hin und wieder mit etwas anglo-amerikanischem newsroom-flair versehen wollen und dann blind in die ihre denglischkiste greifen.
fremdwörter zu benutzten, um seine eigene belesenheit oder fremdwortkenntnis zu demonstrieren, ist schon bei korrekter fremdwortnutzung eher peinlich. besonders peinlich wird’s aber, wenn man dann auch noch das falsche fremdwort benutzt. deshalb empfehle ich, im zweifel einfach bei der deutschen bezeichnung zu bleiben, vor allem wenn das eigene englisch miserabel ist.
serviceteil: liste mit begriffen zur einleitung einer offenlegung, ohne disclaimer zu nutzen:
offenlegung: …
hinweis: …
disclosure: …
btw: …
übrigens: …
eingeständnis: …
erklärung: …
darlegung: …
hinweis auf mögliche interessenskonflikte: …
andererseits; scheiss drauf. vielleicht sollten gerade ehemailge oder immer noch angestellte springer-mitarbeiter, ihre unkenntnis offenlegen und ihre möglichen interessenskonflikte mit dem wort disclaimer einleiten. alle anderen, siehe oben.
frank schmiechen könnte dann auch gleich drei fliegen mit einer klappe schlagen: unkenntnis demonstrieren, unpassende anglizismen nutzen und sich schön kurz fassen:
Disclaimer: Springer owns us.
[nachtrag 07.09.2015]
@diplix Wir schreiben jetzt "Hinweis" statt "Disclaimer". Viel besser. Thanks again.
und ich weiss es nicht, glaube aber paradoxerweise, dass beide recht haben. vor allem, weil die grenzen eben nicht so klar zu ziehen sind, wie wolfgang lünenbürger das darstellt. andererseits bin ich ziemlich ratlos. ich weiss noch nicht mal mehr, ob ich es gut finde, sich über hassdeppen lustig zu machen, auch wenn das sehr gut gemacht ist, wie hier von „just luca“.
vielleicht ist auch was ganz anderes wichtig. so wie sich viele seit jahren abmühen narrative gegen die überwachung zu finden, sollten wir uns alle vielleicht künftig abmühen, narrative für die einwanderung und die integration deutschlands in europa und die welt zu finden.
so wie der begriff des datenschutz sicherlich nicht besonders geeignet ist, um gegen die ausgefeilten narrative der überwachungsbefürworter anzugehen („wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“, „sicherheit!“), dürften diese (richtigen und wichtigen) worte von bodo ramelow kaum gegen idiotische narrative wie „das boot ist voll“ ankommen:
Sollte in diesem Zuwanderungsgesetz festgelegt werden, wie viele ausländische Fachkräfte benötigt werden?
Nein. Ich lehne sowohl eine Quote als auch eine Nützlichkeits-Debatte ab. Es geht vielmehr darum, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass unsere Geburtenrate zu niedrig ist, um die Sterberate auszugleichen.
was uns auch fehlt, ist ein positives narrativ um unser deutschlandbild zu beschreiben. ich bin zum beispiel nie in meinem leben auf die idee gekommen, zu behaupten ich sei „stolz“ darauf deutscher zu sein. im gegenteil, in meiner jugendzeit empfand ich unser land (und seine politik) eher beschämend (deutschlandhass, über den alan posener hier reflektiert, hatte ich allerdings auch nie). ich habe aber während meines ersten längeren auslandsaufenthalt gemerkt, dass ich deutschland und viele der lebensweisen hier doch sehr schätze, vor allem die kritische und unpathetische haltung unserer eigenen geschichte gegenüber, aber auch eine gewisse rationalität und distanz zu unserer rolle in der welt.
aber ich glaube wir haben alle auf halben weg aufgehört uns gedanken darüber zu machen, wie man ein positives deutschlandbild aufbauen könnte oder deutsch-sein neu, konstruktiv, inklusiv und menschenfreundlich definieren könnte. uns fällt es immer noch irre schwer, menschen mit anderer hautfarbe oder herkunft als deutsche zu bezeichnen. noch immer muss man durch bürokratische, kafkaeske mühlen laufen, um als deutscher staatsbürger anerkannt zu werden, statt einfach zu sagen, wer in deutschland geboren wurde, ist deutscher. warum fällt es uns so schwer die europäische integration, das zusammenrücken der europäischen staaten positiv darszustellen oder gar als erstrebenswertes nationales ideal anzusehen? warum fällt es uns so schwer uns zuerst als weltbürger, als europäer und dann als deutsche zu begreifen? so wie jemand in dallas zuerst amerikaner ist und erst dann texaner.
warum glauben wir in einer vernetzten, voneinander wirtschaftlich und politisch auf allen ebenen verwobenen welt, immer noch, nationale interessen seien wichtiger als europäische? wie kommt es, dass wir glauben, deutschland sei ohne dichte wurzeln und verästelungen in alle teile der welt irgendwie überlebensfähig?
warum glauben wir immer noch, wir müssten armen ländern („afrika“) helfen, statt zu erkennen, dass wir uns der welt öffnen müssen und andere, schwächere, staaten oder menschen zur abwechslung auch mal gerecht und fair behandeln müssten, statt immer nur auf unsere (wirtschaftlichen, politischen) vorteile zu bedacht sein?
oder ganz anders gefragt: kann es sein, dass wir in den letzten jahrzehnten verpasst haben, tragfähige ideen zu entwickeln, welche rolle wir in der welt spielen wollen und welche rolle die welt in uns spielen soll? warum glauben wir immer noch, isolation sei eine alternative zur globalisierung? warum glauben wir immer noch, deutsch-sein habe etwas mit der hautfarbe oder herkunft zu tun?
ich glaube eines der (vielen) probleme, dessen auswirkungen wir jetzt zu spüren bekommen, ist die unbeantwortete frage nach unserer identität, die frage nach dem, was wir eigentlich wollen, als nation, als europäer, als menschen. diese debatte haben wir nie nachvollziehbar und konstruktiv geführt — oder zumindest nie zu einem greifbaren ergebnis geführt.
die von candan.eu (oder canhost.eu) sind witzig. nach bald 48 stunden #serverausfall lassen sie ihre kunden wissen, dass voraussichtlich 4-5 monate ihrer daten (datenbanken, emails, webdaten) weg sind, weil sie „ausdrücklich keine Backups ausführen“ und ihr „RADI10 abgeschmiert“ ist. zitat aus der kundenmail:
Wir bedauern dies sehr und sind selbst geschockt, da es (zum Glück) äußerst selten zu solchen Ausfällen mit Datenverlust kommt, doch auch ein RAID10 ist nur teuer, und bietet keinen Schutz vor Datenverlust. Wir versichern Ihnen jedoch, dass die Serverstruktur von uns nun akribisch überprüft wird, um die Sicherheit Ihrer Daten zu gewährleisten, wir werden nach und nach die Festplatten SSD in anderen Storage-Systeme prüfen, und auswechseln, so dass es nicht erneut zu solch einer Störung kommen wird.
jemand der bei wahrscheinlich sehr, sehr vielen kunden die daten mehrerer monate verdaddelt hat meint, er könne einem weismachen er werde _nun_ akribisch prüfen und die sicherheit der daten „gewährleisten“? sehr guter witz!
wirres.net hat den plattenausfall jetzt nach fast 3 tagen offline-sein ohne grössere datenverluste überlebt (ein paar notizen vom tag des plattenausfalls sind weg). die webseiten der beifahrerin (und unzähligen andere) haben jetzt ein vier-monatiges loch, bzw. sind auf dem stand vom april märz diesen jahres.
candan habe ich jahrelang an freunde und kunden empfohlen. von dieser empfehlung möchte ich ab sofort ausdrücklich abstand nehmen. vor drei monaten war ich bereits von den ständigen problemen mit meinem hoster candan extrem genervt, habe aber (vor allem aus bequemlichkeit) noch abstand genommen konkrete umzugspläne für mein zuhause in angriff zu nehmen. das dürfte sich jetzt ändern. ausfälle und technische probleme sind das eine, verlorenes vertrauen ist was ganz anderes. das kunststück, mich nach 13 jahren dazu zu bringen mir einen neuen hoster zu suchen, ist candan jetzt aber gelungen.