ich dachte gérard depardieu sei ein guter schauspieler. nach dem ansehen der ersten folge von marseille bin ich mir nicht mehr so sicher. er sieht fantastisch aus, wird toll ins bild gesetzt und wenn er in der totalen gefilmt wird, ist seine präsenz überzegend und stark. bei nahaufnahmen und dialogen bröckelt seine beherrschende präsenz ein bisschen und er wirkt dann nicht mehr wie ein mächtiger, gewiefter bürgermeister, sondern wie ein theaterschauspieler, der zu leise redet. sein gegenpart, gespielt von benoît magimel, steht ihm da fast nicht nach. er wirkt mit seiner aufgesetzten cowboy-mimik (zusammengekniffene augen, leicht geöffnete lippen) wie till schweiger, der lucky luke spielt.
vielleicht liegts aber auch am drehbuch und den dialogen. die wirken auf mich durchgehend so, als seien es keine gespräche, die die protagonisten miteinander führen, sondern erklärungen für die zuschauer, die klären sollen, was in marseille eigentlich los ist — und was in den letzten 20 jahren passiert ist. die autoren sind offenbar irre ungeduldig und stopfen alles an was sie für die geschichte wichtig halten in die dialoge in den ersten 40 minuten. die charakterzeichnungen fallen stereotyp und eher flach aus — und abgesehen davon kann sich jeder, der den marseille-trailer gesehen hat, denken was in dieser ersten folge passiert (mögliche spoiler folgen, der trailer verrät auch handlung).
das ist jetzt nur ein halber spoiler und, wie gesagt, auch im trailer deutlich zu sehen, wenn ich kurz zusammenfasse, was in der serie zu sehen ist: das pimmelfechten zweier, zu allem entschlossener männer. das kann unterhaltsam und spannend sein, wie es gerade die serie billions gezeigt hat, kann aber auch in die stereotypen-hose gehen.
tatsächlich macht der trailer hoffnung darauf, dass sich die geschichte noch dramatisch entwickelt und depardieu noch warmläuft. was mir sorgen macht, ist das hektische hin und her schneiden zwischen den handlungssträngen. viele szenen dauern nicht viel länger als eine minute, dann wird in grosser eile zur nächsten geschnitten. richtig gute, immersive stimmung kommt dabei nicht auf. was mir hingegen sehr gefällt, ist die kamera, wie sie marseille einfängt, wie sie (in den totalen) depardieu einfängt. die musik ist anständig und passt weitesgehend, auch wenn mich der ganze sound sehr an house of cards erinnert.
ich weiss nicht ob es ein gutes zeichen ist, wenn ich den trailer besser fand als den piloten. für den piloten geb ich jedenfalls nur drei punkte. ein, zwei folgen schau ich noch, mal gucken ob mich marseille noch zu begeistern oder wenigsten nicht zu langweilen schafft.
[nachtrag 07.05.2016]
folge zwei ist einen ticken spannender, hat aber immer noch enorme schwächen.
anbei meine nachlese mit sehenswerten oder empfehlenswerten vorträgen zur republica dieses jahr. noch habe ich nicht alle videos gesehen und vor allem scheinen noch nicht alle videos, die ich gerne sehen würde, online zu sein. möglicherweise serendipitiere ich mich noch an andere vorträge heran, die ich dann hier und in meinen anderen beiträgen zur #rpten (siehe unten) nachtrage und ergänze.
bisher habe ich folgende längeren texte zur republica 2016 geschrieben:
tom hillenbrand gräbt ein bisschen in der vergangenheit und zeigt eine wiederkehrende tendenz von machthabern, andere zu überwachen. wahrscheinlich kann man noch weiter als ludwig den vierzehnten zurückgehen und immer noch ähnliche tendenzen zur totalüberwachung finden. alex matzkeit war nach eigenen worten „völlig begeistert“ von diesem vortrag, ich fand ihn sehr solide.
wie immer, eine sehr schöne runde gespräche von philip banse, diesmal mit „netz-publizisten“, also leuten die im netz was machen und im letzten jahr philip banse aufgefallen sind. zuerst patricia dasnuf cammarata, über das bloggen allgeimein, ihr blog, ihr buch und warum sie sich jetzt auch „muttibloggerin“ nennen lässt. danach nicolas semak über sein projekt viertausendhertz.de. hört sich alles interessant an, nuss man aber alles hören. danach ingrid brodnig über ihr buch und „hass im netz“. das was sie erzählte klang interessant und differenziert, aber besonders bemerkenswert fand ich, wie sehr sich das östereichische deutsch vom deutsch, das üblicherweise in berlin gesprochen wird, unterscheidet. die vokabeln die ingrid brodnig benutzte hatte ich teilweise zuletzt in theo-lingen-filmen vor 30 jahren gehört. zuletzt tilo jung, der erzählte was er in der bundespressekonferenz so macht, dass der regierungssprecher ihn erst auf die idee brachte („kommen sie doch mal vorbei“) auf die bundespressekonferenz zu kommen und das jetzt offenbar bitterlich bereut. als er das so erzählte wurde er mit beinahe wieder sympathisch, weil er in der bundespressekonferenz natürlich angefeindet wird und eine art underdog-status geniesst und vergleichsweise dünn auftrug und bescheidenheit übte.
als philip banse ihm dann auch mal eine „ungenehme frage“ stellen wollte, piekste er in die alte krautreporter und femminismusdebatte von damals™ und unter rechtfertigungsdruck, wirkte tilo jung dann wieder so unsympathisch wie eh und je. später gerät er dann mit patricia cammarata aneinander, was ich ziemlich unterhaltsam fand. die stelle ist im video ab sekunde 3303 zu sehen.
11 minuten habe ich das leider relativ unstringente gerede von gunter dueck ausgehalten, dann musste ich abschalten. ich mochte die art, mit der gunter dueck vorträgt bei den ersten beiden gelegenheiten, bei denen ich ihn sah, ganz gerne. aber jetzt, heute halte ich das nicht mehr so gut aus. man kann auch stringent und wirr reden, aber unstringent, unpräzise und wirr, ist mir dann doch zu viel.
pessimistisches, langes lesestück von hossein derakhshan, die wegen seines blogs für 6 jahre im iran im gefängnis sass und der das alte web, das vor seiner inhaftierung, vermisst. zu grossen teilen gebe ich ihm recht, an manchen stellen seines textes möchte ich widersprechen und finde seine darstellung zu eindimensional.
den teil seiner rede, den ich noch mitbekam, fand ich dann nicht nur eindimensional, sondern so ärgerlich, dass ich twitterte:
mich hat die neil-postmanisierung der gesellschaftsdebatte schon 1985 genervt. jetzt schwappt dieser pessimismus täglich auf der #rpten hoch
tatsächlich zitierte hossein derakhshan explizit neil postman und warnte sinngemäss davor, dass das internet uns langsam verblöde und wir uns „zu tode amüsieren“ würden, weil wir uns „mehr und mehr“ von der schriftsprache hin zur bildsprache wenden würden und unsere informationsaufnahme nur noch häppchenweise funktioniere.
ich möchte dem auf mehreren ebenen widersprechen, aber zum glück stumpfte hossein derakhshan in der anschliessenden fragerunde seine spitzen thesen ausversehen etwas ab. so berichtete er, dass im iran grossteile der nachrichten und berichterstattung auf instagram auslagern würden, weil instagram im iran nicht zensiert würde. so würden bei instagram lange texte unter den bildern erscheinen und instagram damit quasi als textmedium zweckentfremdet. ausserdem würde im iran so gut wie jeder telegram nutzen. das ist ein verschlüsselter nachrichtendienst, der auch eine gruppenfunktion habe, mit der man grosse leserschaften erreichen könne. kann natürlich gut sein, dass er glaubt, dass nur die menschen im iran nicht verblöden, weil dort die bildlastigen dienste zensiert seien, im rest der welt dank youtube und facebook dann aber doch? oder er findet, dass richtiger journalismus nur auf papier und richtiges bloggen nur in blogs funktioniere?
dazu kommt noch eine fehleinschätzung, der, meiner meinung, auch schon postman aufgesessen ist. das informationsbedürfnis grosser bevölkerungsgruppen war schon immer bildlastig. elaborierte schriftkommunikation war, soweit ich das sehe, nie ein massen-phänomen, sondern spielt sich bis heute eher in bildungsnahen schichten ab. auch vor dem fernsehen und dem netz gab es bildlastige illustrierte oder klickbait (beispielsweise in form überzogener schlagzeilen). blogs haben nie ein massenpublikum angezogen, sondern, schon immer, in nischen geblüht. und selbst das fernsehen hat sich mittlerweile so weit ausdifferenziert, dass es in nischen (zum beispiel der nische der „qualitätsserien“) mit anspruchsvollen, komlexen romanen mithalten kann. anders gesagt: wer sich zu tode amüsieren wollte, konnte das auch schon vor 200 jahren tun, wer buchstaben liebt, findet die heute in höherer zahl und vielseitiger kombiniert, als jemals zuvor in der menscheiheitsgeschichte.
bei dem wenigen was ich von hossein derakhshan mitbekommen habe, schien mir das was er sagte eher von verbitterung geprägt, als von sauberer analyse. aber vielleicht sollte ich mich nochmal in gänze durch den vortrag quälen.
[nachtrag 06.05.2016]
etwas differenzierter als ich setzt sich thomas pleil hier mit hossein derakhshans thesen auseinander und zieht auch persönliche konsequenzen, nämlich, unter anderem, mehr ins eigene blog zu schreiben und diese inhalte auf andere plattformen zu syndizieren.
wir sind dann sitzengeblieben und statt des erwarteten, bereits zwei tage vorher gelaufenen programmpunkts art: what is it good for? mit ruth daniel (videoaufzeichnung, noch nicht angesehen), kam dann gabriel lifton-zoline mit what you need to see! – immersive storytelling, das im prinzip ein produktpitch für RYOT war. RYOT ist ein journalistisches format, dass viel mit 360°-videos arbeitet und kürzlich von der huffington-post aufgekauft wurde.
mich interessiert das aus zwei gründen nicht sonderlich: erstens huffington post und zweitens 360°-videos. die technologie sei zwar da, betonte gabriel lifton-zoline mehrfach, aber auf mich wirkt sie weder ausgereift, noch besonders vorteilhaft gegenüber videotechnologien mit geringer gradzahl. bei mir sind weder 360°, noch VR so recht angekommen. mit der RYOT app, kann ich zwar prima 360°-videos auf einem telefon ansehen, aber warum ich mir die videos mit dem handy vor der nase ansehen und mich dabei um die eigene achse drehen sollte, um die richtige perspektive zu finden, habe ich noch nicht verstanden. kommt vielleicht noch, dauert bei mir aber sicher noch ein paar jahre.
wir sind weiter sitzengeblieben und dann kam überraschenderweise thomas fischer mit strafrecht, wahrheit und kommunikation. das sollte eigentlich schon am vortag gezeigt werden, aber da hatte thomas fischer wohl den flug verpasst. sein vortrag war angenehm und sympathisch, und handelte genau von den themen, die in der ankündigung standen:
Wie rekonstruieren wir Wahrheit im Strafprzess? Wie konstruieren wir Wirklichkeit von Sicherheit, Bedrohung, Strafbedürfnis und Schuld?
Wie passen Transparenz, Sicherheitsbedürfnis und Menschenrechte zusammen?
funfact am rande, die aktuelle folge von the good wife handelt (unter anderem) genau von diesem themenkomplex.
kathrin passig schaue ich mir auch an, wenn sie mit mehreren auf der bühne steht und wenn das vortragsthema sich staubtrocken anhört.
sie wies allerdings darauf hin, dass das thema uns alle etwas angehe und dass die auseinandersetzung mit organisationsstrukturen, uns viele schwierigkeiten und tränen ersparen könnte, weil wir uns quasi ständig (implizit oder explizit) organisierten. tatsächlich schaffte kathrin passig in ihrer vorrede, mich für das thema zu interessieren und vor allem ihr hinweis auf diesen, schon etwas älteren, text von jo freeman habe ich ernstgenommen und ihn vor dem schreiben dieser zeilen gelesen. hier ein zitat aus dem text, das gut zeigt um was es geht:
[T]he idea of “structurelessness” does not prevent the formation of informal structures, only formal ones. Similarly “laissez faire” philosophy did not prevent the economically powerful from establishing control over wages, prices, and distribution of goods; it only prevented the government from doing so.
erstaunlich an jo freeman’s text ist vor allem, wie zeitgemäss er ist, und wie exakt er probleme beschreibt, die wir auch in den 2000er jahren sehr gut kennen.
die einzelnen wortbeiträge von volker grassmuck, leonard dobusch und monic meisel waren nicht erkenntnislos, aber ich muss sagen, dass mir die lektüre von jo freeman’s text sehr viel mehr erkenntnisse und aha-effekte verschafft hat, als das panel selbst. soweit ich sehe, hat kathrin passig die runde hier sehr vollständig transkribiert.
nach etwas herumirren und hof-stehen wollten wir uns dann herrn kretzschmar ansehen, der zusammen mit anna lena schillerstifte sprechen lassen wollte. anna lena schiller und beetlebum wurden übrigens dreimal vorgestellt, einmal vom bühnenmoderator, einmal auf einer folie und dann nochmal von anna lena schiller. ich bin da ja eher ein freund der metadaten, die bei veranstaltungen wie der republica sehr zahlreich vorhanden sind. aber auch später, in der youtube-aufzeichnung von solchen vorträgen, kann man den namen der vortragenden eigentlich kaum verpassen. aber was solls? zehnfach hält einfach besser (mein name ist übrigens felix schwenzel).
auch wenn ich nur die einführung der beiden und einen kurzvortrag von johannes kretschmar mitbekommen habe (wir mussten wegen platzangst nach 10 minuten raus), habe ich wieder lust bekommen, mal wieder selbst zu zeichnen kritzeln. eigentlich schon seit randall munroes vortrag.
danach zu journelle, die das internet dick gemacht hat und zu der ich aus gründen nicht viel mehr sagen kann, als dass ich sie grandios, fantastisch und irre witzig finde. das war einer der persönlichsten und aha-igsten vorträge dieser republica.
"Ich habe nie was gegen gesunde Ernährung gesagt. Einige meiner besten Freunde ernähren sich gesund." @journelle auf der #rpTEN
und wenn jemand so auf die bühne kommt, kann eigentlich eh nix mehr schiefgehen.
und dann war die republica — zack! — auch schon wieder (fast) vorbei. johnny haeusler fing das cheesegate sehr würdevoll ab („Ain't no sunshine when cheese gone“) und, obwohl ich das seit mindestens 13 jahren weiss, bin ich immer wieder erstaunt darüber, was für eine rampensau johnny haeusler ist. besonders erfreulich fand ich, dass die besucherzahl in diesem jahr tatsächlich, wie erwartet, nochmal um die 1000 menschen höher lag als letztes jahr, und dass sich das nicht unangenehm bemerkbar machte (ausser beim völlig überfüllten sascha-lobo-vortrag). noch erstaunlicher: die zahl der live-stream-zuschauer, die, wenn ich mich recht erinnere, zu spitzenzeiten um die 20.000 beströmte lag. das heisst aber auch, dass es noch mindestens zwanzigtausend menschen gibt, die noch flash benutzen.
ich fand die republica dieses jahr sehr entspannt (kein vorbereitungsstress). ich freue mich darauf, noch ein paar vorträge auf youtube anzusehen und nochmal in einem separaten artikel die veranstaltungs-highlights zusammenzufassen — und natürlich freue ich mich auf die #rp11 (oder isses dann wieder die #rp17?).
randall munroe’s vortrag gestern abend war, in gewisser weise, der radikalste vortrag den ich auf der republica je gesehen habe. der vortrag war den comics, die randall munroe auf xkcd.com veröffentlicht, nicht ganz unähnlich. diese comics handeln ausschliesslich von dingen, die randall munroe interessieren. sie halten sich an keine konventionen, ausser denen, die er sich selbst ausgedacht hat. das ist an sich nicht wirklich radikal, sondern eine haltung, die ich mir eigentlich von jedem blogger, jeder publizierenden wünsche: dem massengeschmack, trends, nicht nur nicht zu folgen, sondern den massengeschmack und trends gar nicht erst beachten. nicht nur „bloggen als würde niemand zusehen“, sondern publizieren, als wären alle so wie ich. das klingt hermetisch, ist es aber nicht, denn das jeweilige ich ist ja der welt zugewandt, aber eben fokussiert. wird diese haltung leidenschaftlich und konsequent durchgezogen, können wunderbare untrendige, unoptimierte, eigene werke entstehen, die vielleicht nicht jedem gefallen, aber wenigen dann um so mehr.
das ist, so ungefähr, die radikalität von xkcd.com. nicht jeder versteht auf den ersten blick um was es geht, viele interessiert es erst gar nicht, aber wenn man sich doch interessiert und sich mit den dingen beschäftigt, zur not mit hilfe von hilfreichen erklärungen, entdeckt man wunderbare welten, gedanken, leidenschaft und — bei xkcd ganz besonders — sorgfalt.
diese radikalität hat randall munroe in seinem vortrag eins zu eins vom netz auf die stage 1 der republica übertragen. munroe kümmert sich um so gut wie keine regel für erfolgreiches, engagierendes öffentliches reden, er klebt hinter dem pult, die folien fliessen über mit unlesbaren informationen und er widmet sich den details, die ihn faszinieren, bis ins wirklich allerkleinste element. in diesem fall, sogar im wahrsten sinne des wortes.
(gefühlt) eine dreiviertel stunde widmet er sich der frage, was passieren würde, wenn man aus den elementen des periodensystems eine mauer bauen würde. er geht die einzelnen elemente und reihen sorgfältig durch, begeistert sich über einzelheiten und macht keinerlei anstalten irgendetwas zusammenzufassen.
das ist radikal, aber nicht mal ansatzweise elitär oder feindselig. es ist einfach das, was randall munroe begeistert, und wer ihm folgen möchte, bitte schön, kann das tun, und wer ihm nicht folgen möchte, kann das unterlassen.
die zweite (gefühlte) dreiviertelstunde beschäftigt sich munroe mit drei unübersichtlichen zeichnungen, in denen er komplexe zusammenhänge mit den 1000 meistbenutzten wörtern der englischen sprache erklärt. auch hier geht er ausführlich auf jedes noch so kleine detail ein und verzichtet auf jede art von zusammenfassung oder metaebene.
randall munroe kann sich das erlauben, sein publikum mit details zu langweilen, weil seine details eben (für viele, sehr viele) nicht langweilig sind. sie sind geladen mit witz und humor, aber eben randall munroes, ganz eigenem, sehr speziellen, subtilen humor, der sich eben nicht um irgendwelche humor-richtlinien oder -trends kümmert.
dass randall munroe überhaupt so eine grosse folgschaft, so viele fans seiner arbeit gefunden hat, verdankt er (und wir) in erster linie dem netz. er hat seinen eigenen stil und seine folgschaft über etwa ein jahrzehnt aufgebaut, über seine website und sehr, sehr viel detailversessene, kleinteilige, liebevolle und sorgfältige arbeit. kein verlag hätte diese aufbauarbeit leisten können oder wollen, vor allem aber hätte kein verlag munroes talent und leidenschaft erkennen können. so funktioniert das wohl nur im internet, dass winzige ein-personen-echokammern sich über jahrzehnte langsam füllen, bis plötzlich millionen menschen in ihr stehen und sich plötzlich die echo-qualitäten, auch in anderen echokammern, herumsprechen.
randall munroes thematische klammer im vortrag war (neben fluor) das kindlich, naive fragen. mir gefiel die aufforderung sehr gut, darauf hinzuarbeiten sich nicht für dinge zu schämen die man nicht weiss und schamlos danach zu fragen. neugier, naivität sei wichtiger als bildungsprotzerei, das war so ungefähr das fazit von munroe’s vortrag.
mein fazit von munroes vortrag ist: tu das was dich interessiert, publiziere das mit leidenschaft, detailliebe und sorgfalt, entwickle dich immer weiter, arbeite an deinem stil und bleib dir treu.
den talk wollte randall munroe nicht aufgezeichnet sehen, es gibt aber eine aufzeichnung, wo er über die mauer aus elementen aus dem periodensystem redet:
nachdem ich gunter dueck verpasst habe (zu früh), war mein erster programpunkt alina fichter im gespräch mit morgan wandell. wandell ist zuständig für die entwicklung von drama- und fernsehserien auf amazon und macht sein ding bei amazon wohl ganz gut.
leider fand ich morgan wandall sehr unsympathisch und glatt, ein typischer fensehmensch, der sehr viele wohlklingende adjektive benutzt, ohne jemals irgendetwas zu sagen. richtig interessante antworten kann man aber eh nicht von jemandem erwarten, der die meiste zeit im verborgenen arbeitet um in ruhe projekte entwickeln zu können und den rest der zeit mit promotion des fertigen gedöns verbringt. ebenso wenig hat sich die hoffnung bewahrheitet, dass er irgendwelche geheimrezepte oder unerwartete anküdigungen parat hätte — oder die auch noch mit dem publikum teilen würde. kurz: das war eher langweilig, auch wenn die sachen die künftig auf amazon gezeigt werden, durchaus spannend werden könnten.
der käsestand der gestern für käsigen geruch auf dem hinterhof sorgte, ist heute nicht mehr da. das ist schade, weil der käse wirklich lecker war. dafür gibt der burger-food-truck einen lastwagen.
zweiter programpunkt: friedemann karig mit der pubertären gesellschaft und dem netz. weil ich schonmal einen vortrag von friedemann karig gesehen habe, konnte ich einige folien vorhersehen aber trotzdem dem vortrag nicht zu 100 prozent folgen. es ist gut möglich dass das mein fehler war, aber ebenso ist es möglich, dass friedmann karig es nicht geschafft hat, dem vortrag eine sinnvolle struktur zu geben.
was er definitiv nicht geschafft hat: seinem vortrag im 16-zu-9-format zu präsentieren, dafür hat er aber einen schönen neologismus gezeigt.
kathrin passig auf dem weg zum hof getroffen und mich, als sie „hallo“ sagte, wegen ihrer gesichtblinheit, mit meinem namen (felix) vorgestellt. sie meinte das sei nicht nötig und dass sie zufällig gerade über mich nachgedacht hätte und mich für eine vortrags- oder workshop-idee für die nächste republica gerne etwas fragen würde: sie bräuchte für den vortrag (oder workshop) ein paar penisbilder. ob ich ihr helfen könne?
#rpten snapchat penisbild von heiko bielinski
genau wie allen anderen die auf der republica mit mir über snapchat oder penisbilder reden, empfahl ich ihr (natürlich) das snapchat-konto von heiko bielinski (he1b1e). sie meinte aber „ernste“ penisbilder. ich erklärte ihr dass ich für sowas zu genant sei und sowas noch nicht mal für den privaten gebrauch machen würde. aber über meinen tipp mal das post-privacy-gethese von michael seemann auf praktische anwendbarkeit zu prüfen und ihn zu fragen, erfreute sie sehr.
alle anderen programmpunkte die ich heute auf dem plan hatte sind gescheitert. entweder weil ich zu spät kam, der saal überlief, ich im falschen saal sass oder der referent (thomas fischer) den flug verpasst hat. heute nachmittag steht dann noch um 18:45 uhr netz-publizisten im gespräch mit philip banse an und natürlich um 20 uhr randall munroe.
sascha lobo nahm sich dieses jahr die freiheit, seine grundsatzreden-themen nicht auf der republica-seite anzukündigen, sondern in diversen interviews. ich hab zwar nur das wired-interview dazu gefunden, aber es gibt bestimmt noch andere. in der wired kündigte er an, dieses jahr auf die publikumsbeschimpfung zu verzichten, was er im vortrag aber schnell als lüge bezeichnete. natürlich beschimpfte er sein publikum, und sich selbst gleich mit. er versuchte dieses jahr die ihr-und-ich-dualität aufzulösen, die sich thematisch durch seine vorträge der letzten jahren zog, als er betonte, dass die vorwürfe die er „uns“ in den letzten jahren machte, eigentlich projektionen seiner eigenen unzulänglichkeiten gewesen seien.
andererseits funktionieren die meisten seiner gags eben nur mit einer klaren trennung des lobo-ichs und des publikum-ihrs, weshalb der vorsatz der selbstbeschimpfung im laufe der vierstündigen predigt der andertalbstündigen grundsatzrede (natürlich) versandete. rhetorisch war das alles ziemlich brilliant und geschliffen und ich mag den leicht pastoralen ton, den sacha lobo auf seinen republica-reden anschlägt. mir gefällt es auch von sascha lobo beschimpft zu werden, einerseits weil er meist recht hat und andererseits, weil das (eben) rhetorisch meist brilliant ist und seine analysen (natürlich) das ergebnis langen nachdenkens sind und (leider) meist auf den punkt sind. trotzdem neige ich traditionsgemäss dazu, ihm in seinen schlussfolgerungen zu widersprechen, weil ich im gegenteil zu ihm, nie bereit war meinen internetoptimismus (oder genauer, weltoptimismus) aufzugeben.
das wollte er, mit ankündigung, in diesem jahr ändern, und seinen (unseren?) internetoptimismus wiederfinden. leider gelang ihm das nur so halb, mit dem halbironischen schlagwort TROTZDEM. ganz schlimm gescheitert ist sein versuch „uns“, das publikum beim TROTZDEMen miteinzubeziehen, auch wenn es zu mindestens einer guten überleitung zum thema müdigkeit führte. als rhetorisches werkzeug war das „TROTZDEM“ ziemlich gut geeignet, wenn sascha lobo es alleine von der bühne rief, als kollektiver aufschrei, als publikums- oder gemeindeecho, gings in die hose.
was mir in diesem jahr mehr als sonst auffiel, war das recycling von vorhandenem material. neben etlichen themen aus seinen spiegel-online-kolumnen, kam mir auch sein ausflug zum thema snap cash bekannt vor, den pia kleine wiesenkamp vor ein paar wochen von einer oracle-veranstaltung ins internet geströmt hatte. diese wiederverwendung ist natürlich mehr als legitim, zumal das material von lobo fast ausnahmslos brilliant ist (keine ironie). allein für seinen hinweis darauf, dass fast alle identifizierten islamistischen attentäter bereits polizeibekannt waren oder auf antiterrorlisten standen, verdient sascha lobo einen journalistenpreis (oder mindestens einen kolumnistenpreis). was mir aber, trotz aller mühen, die sich sascha lobo ganz offensichtlich gemacht hat, fehlte, war eine inhaltliche klammer, die aus all den schrecklichen erkenntnissen und hiobsanalysen, die er über die jahre brilliant herausarbeitet, tatsächlichen optimismus oder lösungsansätze aufzeigt.
aber da ist sascha lobo wieder bei uns oder bei seinem „ihr“, und genauso suchend und ratlos wie alle anderen.
natürlich ist sein lösungsansatz, etwas zu unternehmen, wirtschaftlich erfolgreich etwas gutes, hilfreiches, weltverbessererndes zu machen, ein pragmatischer, gangbarer weg (von vielen), aber andererseits hat er das (leicht variiert) bereits vor zwei und vor drei und wahrscheinlich auch vor vier jahren gefordert. das macht nichts von dem was er sagt falsch, aber es macht deutlich, dass sascha lobo’s weg zum optimisten noch sehr weit ist. sein weg zu jemandem, der, trotz all der verkommenheit und niedertracht sigmar gabriels der welt, optimismus verbreiten kann, ist noch viel weiter.
erster programmpunkt heute, marcus richter, „what’s in a game?“. sehr schöne präsentation die sich explizit an nicht-gamer (wie mich) richtete, um ihnen ein paar der genres vorzustellen. neugieriger auf (computer-) spielen war ich nach dem vortrag nicht, aber dafür weiss ich jetzt, dass man eine wii-fernbedienung auch als präsentationsklicker benutzer kann.
zweiter programpunkt: dooce aka heather armstrong mit the courage of compassion: transforming your experience with criticism. leider völlig unterbesucht, aber ich fand es toll heather armstrong mal in echt zu sehen, ihren subtilen, nicht ganz offensichtlichen humor gesprochen zu erleben. stage 1 scheint mir ein bisschen kleiner als letztes jahr zu sein, also sowohl die bühne selbst, als auch der zuschauerraum.
sehr präsent auch die kameramenschen, für die bedienung dieses kamerawagens werden übrigens drei menschen benötigt. einer der die kamera führt, einer der den wagen zieht und drückt und einer der sich um die kabel kümert.
kameramenschen, kabelträger nicht im bild
auffällig auf dem gelände der republica, ist dieses jahr die extreme räumliche entdichtung. in der halle in der früher neben der stage 2 noch zwei andere bühnen untergebracht waren, ist dieses jahr nur eine bühne (und die gaderobe).
stage 2
das kühlhaus neben dem eingang wird bespielt, hinter dem komlex, quasi auf dem hinterhof wurde die freifläche geöffnet und mit essensständen, sonnenstühlen und liegebänken vollgestellt. dank des sandigen untergrunds kommt hier wirklich die viel beschworene festivalstimmung auf. leider ist es dort für meine verhältnisse viel zu hell.
der republica hinterhof
offensichtlich findet dort abends auch das party-gedöns statt und extra für die party gibt es einen separaten zugang zum partygelände.
dritter programmpunkt: moritz metz mit fliegende computer und ihre tollkühnen piloten. das war eine sehr angenehme präsentation zum, auf den ersten blick, eher drögen thema drohnen, aber weil moritz metz sehr vielschichtiges material zeigte, war das in keiner sekunde langweilig. im gegenteil, mit einer etwas aufgeräumteren erzählart hätte moritz metz die präsentation auch locker auf eine stunde ausdehnen können, ohne dass es langweilig geworden wäre.
mir gefiel die parallele die moritz metz vom internet zu drohnen, bzw. zum luftraum zog auch sehr gut. wie das internet vor 10, 15 jahren, ist jetzt auch der luftraum, dank moderner technologien, für jedermann zugänglich und derzeit noch mehr oder weniger unreguliert.
auf der republica gibt es eigene toiletten für DJs.
heute ist mir günther oettinger zweimal über den weg gelaufen. zweimal habe ich ihn versucht zu fotografieren, fotos von oettinger kann man ja immer gut gebrauchen, zweimal bin ich gescheitert, ein brauchbares foto zu schiessen. es sei denn, jemand findet ein foto von günther oettinger, wie er telefonierend in sein auto einsteigt, brauchbar.
günther oettinger steigt in ein auto ein
vierter programmpunkt, julia reda mit ending geoblocking: this content really ought to be available in your country. julia reda ist blitzgescheit, redet geschliffen wie ein wasserfall und ist auf eine ganz bestimmte art sehr nerdig. das meiste was sie in ihrem vortrag besprach, war mir nicht wirklich neu, aber wie sie es besprach und aufarbeitete, fand ich mindestens so interessant wie die sendung mit der maus oder eine stunde rhetoriktraining.
und, sollte es irgendeine gelegenheit dazu geben, julia reda nach dieser legislaturperiode wieder ins europaparlament zu bringen, ich wäre bereit auch wieder (ausnahmsweise) piraten zu wählen. sie ist wirklich eine gute, die man nach kräften unterstützen sollte. auch wenn das nur minimal unterstützend ist, hier ein link zu ihrem blog.
selfies sind, wie gesagt, nach wie vor ein grosses thema.
gold auch.
ach ja: gutes interview mit sascha lobo in der wired, in dem vorankündigt wird, dass er vorankündigen würde, über was er heute abend ab 19:45 uhr reden wird. stimmt vielelicht zum teil sogar.
viele leute glauben ja, dass facebook das bloggen zerstöre, oder bloggern zumindest so viel zeit und aufmerksamkeit nehme, dass sie sich kaum noch um ihre eigenen gärten kümmern, sondern in facebooks „eingemauerten garten“ schreiben.
vermutlich ist da was dran, ich bin zum beispiel immer (leicht) entäuscht, wenn peter breuer facebook mit seinen kleinen, witzigen geschichten vollschreibt, statt seines blogs. immerhin, ab und zu, schreibt er dann auch in sein blog. viele leute halten facebook wohl auch für eine inkarnation des bösen, oder zumindest für etwas furchtbares:
Facebook versucht, das Internet zu sein und Blogs zu ersetzen bzw. in sein Universum einzuverleiben. Das ist furchtbar […].
dieser kommentar stand unter meiner kurzen lobeshymne der instant articles von facebook. die laufen jetzt seit knapp einer woche hier mit, dass heisst alle etwas längeren artikel, die ich auf wirres.net ins internet schreibe, werden per RSS auch in facebooks datencenter eingespeist und dann angezeigt, wenn jemand einen link auf einen dieser artikel in der mobilen facebook app klickt. wer ohne app auf links zu den artikeln klickt, landet, nach wie vor, hier im blog.
die technik funktioniert erfreulich zuverlässig. facebook liest den feed alle drei bis vier minuten ein und wenn ich einen artikel veröffentliche, liegt er spätestens ein paar minuten später auch als optimierte, gecachte version in der facebook app vor. änderungen an den artikeln werden klaglos synchronisiert, dass heisst die originalversion hier und die kopie in der facebook-app sind immer auf dem gleichen stand.
dass ich mich neben der initialen einrichtung um nichts kümmern muss, genauso wenig wie mit allem anderen was mit RSS zu tun hat, ist äusserst angenehm und erfüllt alle erwartungen, die ich bereits vor knapp einem jahr hatte:
instant articles sind eigentlich nichts anderes als „Publish (on your) Own Site, Syndicate Elsewhere“, kurz „POSSE“. POSSE beschreibt eine indieweb-technik, bei der man (obviously) inhalte zuerst auf seiner eigenen webseite veröffentlicht und sie dann auf beliebige weitere seiten syndiziert. das indiewebcamp-wiki drückt den entscheidenden punkt so aus:
POSSE lets your friends keep using whatever they use to read your stuff (e.g. silo aggregators like Facebook, Tumblr, Twitter, etc.).
seit ein, zwei jahren habe ich das bloggen für mich neu — oder schärfer — definiert. ich sehe mein blog konsequent als offene sammelstelle und verteiler. alles was ich ins internet oder auf papier schreibe, kopiere ich auch hierhin, oder, noch lieber, ich schreibe es auf wirres.net und verteile es dann nach irgendwo. filmkritiken schreibe ich zuerst hier und kopiere sie dann (derzeit) zu letterboxd.com. instagramme kopiere ich zunächst (automatisch) hierhin und verteile sie dann (automatisch) von hier zu facebook und twitter. statusnachrichten schreibe ich hier und kopiere sie dann voll oder semiautomatisch zu twitter oder facebook. checkins mache ich per swarm-app, kopiere sie aber automatisch hier hin. favoriten setze ich per bookmarklet so, dass sie im jeweiligen social network landen undhier.
wer will kann sich alles was ich schreibe hier ansehen, für alle anderen pumpe ich meine inhalte dahin, wo ich es für sinnvoll erachte, oder glaube, die leute zu erreichen, die ich erreichen möchte.
und damit bin ich wieder beim anfangsgedanken: zerstört facebook blogs — oder gar das („freie“, „wilde“) internet?
ich glaube nein, auch wenn es irre viel aufmerksamkeit an sich zieht. aber das prinzip der instant articles, hat meiner ansicht nach sogar das zeug dazu, blogs zu einer renaissance zu verhelfen. denn um einen instant article zu erstellen, muss ich erstmal einen originalartikel im netz ausserhalb von facebook erstellen: auf meinem eigenen blog, auf wordpress oder wo auch immer. derzeit ist die plugin-installation oder instant-article-konfiguration wohl noch etwas kompliziert für viele, bzw. die plugins noch nicht ganz ausgereift, aber das wird sich ändern. facebook unterstützt mit den instant articles im prinzip den indieweb-gedanken des „Publish (on your) Own Site, Syndicate Elsewhere“, des syndizierens.
eigentlich hatte ich die hoffnung, dass andere technologiekonzerne so etwas auch machen. medium hat das seit knapp einem jahr sehr halbherzg umgesetzt: auch an sein medium-konto, kann man einen RSS-feed flanschen, aber artikel werden nur einmal initial eingelesen und dann nie wieder aktualisiert. auch die umsetzung von speziellen gestaltungselementen, wie es die instant articles erlauben, unterstützt medium nicht. twitter hat vor einem halben jahr angekündigt, die google AMP-initiative zu unterstützen. das hätte zum beispiel den vorteil, dass in twitter verlinkte artikel, in der twitter-app vorgerendert und -gecached werden könnten und sich so anfühlen würden, als wären sie teil der twitter-app und keine langsam ladenden externen webseiten. google selbst scheint den rollout von AMP wieder massiv zurückgefahren zu haben, zumindest für kleine publisher oder blogger. vielleicht war das doch alles zu kompliziert, für eine massenhafte nutzung.
bereits letztes jahr schrieb ich, dass die instant articles sich nicht von RSS, wie ich es nutze, unterscheiden. ich lese per RSS 1200 quellen, die mein heissgeliebter RSS-reeder vorlädt, auf dem telefon zwischenspeichert und mir in sekundenschnelle, perfekt lesbar und befreit von allem tand, anzeigt. facebook wird so zu etwas, was bisher ausschliesslich technisch versierte menschen per RSS genutzt haben: ein einfacher, von allen leicht zu bedienender feed-reader.
natürlich ist da was dran, was ich oben zitiert habe, facebook versuche, „das Internet zu sein“ oder zumindest die leute dazu zu bringen, maximal viel lebenszeit auf facebook zu verbringen. dagegen kann jeder etwas tun, nicht indem man facebook meidet oder nicht mehr mit inhalten beliefert, sondern indem man einen fallback schafft — oder besser, eine alternative. oder um im gartenbild zu bleiben: wir sollten unser gemüse vor allem in unseren gärten anpflanzen, die kulturtechniken des gartenbaus weiter pflegen — ohne unsere gärten selbst zuzumauern. aber warum sollten wir unser selbst angebautes gemüse nicht auch auf dem grossmarkt anbieten, wenn dort die meisten interessenten sind? wenn es süsse trauben nur auf dem grossmarkt und nicht in den nachbargärten gibt, warum darauf verzichten?
oder anders gefragt, wie sollen wir andere leute davon überzeugen, dass es alternativen zu facebook gibt, wenn wir unser wohlduftendes gemüse nicht auch zu facebook bringen oder uns in unserer exklusivtät einmauern? ich glaube, die ideen des indiewebs können helfen, blühende landschaften neben den blauen giganten entstehen und fortexisieren zu lassen. aber dafür müssen wir (wieder) alle mehr im eigenen garten bloggen.
gute architektur lenkt den blick, schlechte leider auch. das ist im prinzip wie beim film. sind regie- und kameramensch wirklich gut, wählen sie ausschnitte, perspektiven und bewegungen so, dass sie der szene oder dem gesamtwerk dienen. bei filmen können wir diese qualitäten gut erkennen, einerseits, weil wir gut geschult in der wahrnehmung und rezeption von filmkunst sind, andererseits, weil wir die perspektive nicht erst finden müssen, sondern sie uns fertig präsentiert wird.
bei architektur ist das anders. in und um bauten können wir die perspektive beliebig verschieben und wechseln, indem wir uns bewegen. öffnungen, rahmen oder achsen helfen uns zwar dabei, uns zu orientieren, da aber architektur vom kontext (der umgebung) und der nutzung abhängt, wird es nochmal schwieriger qualitäten zu erkennen. manchmal helfen uns fotografien bei der orientierung, fotografien von leuten die sich mit perspektiven auskennen und uns helfen können qualitäten zu erkennen, die wir vorher nicht erkannt haben.
der schweizer architekt peter zumthor macht es uns relativ leicht die qualitäten seiner arbeiten im raum zu erkennen. ich glaube das funktioniert vor allem deshalb, weil er sich intensiv mit den orten auseinandersetzt, an denen er baut und seine architektur — auch wenn sich das abgegriffen anhört — in einen dialog treten lässt. ich bin den bauten von peter zumthor schon oft hinterhergereist, unter anderem nach graubünden, wo ich mir vor gut 20 jahren die wunderbare kapelle des heiligen benedikt oberhalb von sumvitg angesehen habe, oder das thermalbad in vals. in östereich hab ich mir mal das kunsthaus in bregenz angesehen und demnächst™ möchte ich unbedingt das kunstmuseum des erzbistums köln besichtigen.
vor etwa einem jahr hatte ich mir vorgenommen, die bruder klaus kapelle in wachendorf von peter zumthor aufzusuchen. vor knapp einem monat war ich dort und habe bisher nur ein bild vom besuch dort geinstagramt.
die kapelle thront auf einem acker, der sich quasi am arsch der welt befindet, in einem kleinen eifeldorf. um zur kapelle zu gelangen muss man ungefähr einen kilometer von einem parkplatz über äcker laufen.
man sieht die kapelle den ganzen weg über, sie steht wie ein in den acker gerammtes bauklötzchen oben am hügel. an dem tag an dem wir in wachendorf waren, blies ein heftiger wind, was zu wunderbaren lichtwechseln führte.
die kapelle macht auf den ersten blick nicht viel her, sie sieht in der tat aus wie ein kompliziertes bauklötzchen oder ein beton-bunker, aber sie hat eine faszinierende eigenschaft. sie lenkt den blick. beim anmarsch auf die kapelle, setzt man sie ständig in relation zur landschaft, staunt über das changierende, stechende braun der ackerböden, setzt die hügel und den himmel in beziehung, bzw. staunt über den grandiosen eifelhimmel und die weite die sich öffnet, wenn man die kapelle aus der entfernung betrachtet. aus der nähe, beim herumlaufen um den bau, schneiden die scharfen kanten der kapelle wieder sichtachsen zurecht und geben der landschaft halt.
blick von der kapelle auf wachendorf
der innenraum der kapelle ist zeltförmig zum himmel geöffnet, oben ist einfach ein loch in der decke, durch das licht und regen fällt. auf dem boden der kapelle steht das wasser an ein paar stellen, es ist russig dunkel und relativ eng. in den wänden befinden sich kleine löcher die mit glas gefüllt sind und die die wände mit lichtpunkten strukturieren.
auch wenn man auf dem weg zur kapelle die ganze zeit den himmel gesehen hat, erzwingt das loch in der decke, eine ganz neue perspektive auf den himmel. in der theorie wissen wir alle, dass die perspektive vom standpunkt abhängt, aber das zu erleben, in dieser form, ist wirklich faszinierend und nur ansatzweise in diesem verwackelten video zu erkennen.
aus diesem lesenswerten zeit-interview, habe ich folgendes zumthor-zitat kopiert:
Ich habe an der Universität in Mendrisio den Studenten immer gesagt: „Ihr habt jetzt die Aufgabe, Häuser zu machen, die auf eine Stadt, eine Landschaft reagieren. Das Wichtigste dabei ist, dass ihr auf eure eigenen inneren Bildern von Schönheit oder Stimmigkeit reagiert.“ Es geht um den Prozess von Schauen und Fühlen, aus dem sich Formen ergeben, deren Wirkung man prüfen muss. Das ist eine künstlerische Arbeit. Beim Bauen selbst kommt viel Theoretisches und Technisches dazu. Aber der Anfang ist derselbe wie beim Maler oder Schriftsteller, es ist Autorenarbeit. Und dann gibt es Glücksmomente, in denen etwas Überraschendes entsteht.
was peter breuer hier über prince schreibt, insbesondere im ersten absatz, über musik, kann ich sehr gut nachvollziehen:
Popmusik fängt an, wenn das Verlieben beginnt. Das ist Teil der menschlichen DNA. Die Bands oder Musiker, für die man sich in dieser Zeit entscheidet, sind wie die erste unglückliche Liebe, der erste Kuss und der erste Sex – Vergessen unmöglich. Man kann vieles irgendwie mögen, aber dieser Flash, schon nach drei Takten zu wissen, dass diese Geschichte jetzt etwas Ernstes wird, ist ein Moment, der mit den Jahren leider seltener wird. Ob die Musiker, die diese Takte spielen, mit 27 sterben oder mit 57, ist egal, sie werden ohnehin für immer 27 bleiben. Prince starb gestern mit 27 Jahren und über 30 Jahre nach dem ersten Kuss.
können wir uns wahrscheinlich im ersten absatz alle als musikopfer rezipienten von musik identifizieren, werden die folgenden vier absätze, die er schreibt, prince selbst und seinem wirken sehr gerecht.
aber es ist natürlich alles noch viel komplizierter. denn wirklich gute musiker sterben im laufe ihres lebens mehrfach, weniger gute seltener. prince war, als ich (zum beispiel) parade zu lieben begann, schon lange weitergezogen, zu neuen ufern. so eine musikalische phase fühlt sich aus der perspektive des musiker wahrscheinlich an, wie eine häutung. der häutungsprozess ist langwierig und anstrengend, aber am ende bleibt totes gewebe.
dieses tote gewebe ist, was wir als fans bewundern. dank moderner technik ist es millionenfach reproduzierbar, oft ist es wunderschön, edel und im besten fall können wir es jahrzehntelang nutzen, um schöne gefühle in uns hervorzurufen. der musiker, der es produziert hat, ist längst gewachsen (oder geschrumpft) und mit der nächsten häutung beschäftigt.
mit der abgelegten haut beschäftigen wir uns teilweise sehr intensiv, kennen jede einzelne schuppe und verwechseln sie oft mit dem- oder derjenigen, die sie vor vielen jahren abgelegt hat. manche musiker beherrschen das häuten sehr gut, und produzieren ständig neue häute, die uns immer wieder erneut begeistern können. andere beherrschen das weniger gut und versuchen jahrelang in ihre alten häute zurückzukriechen oder sind enttäuscht, dass ihre neu abgelegten häute niemanden mehr zu begeistern vermögen.
musik ist ein spiel mit dem leben und dem tod — oder weniger dramatisch, ein hit, ein volltreffer, kann hauptgewinn und höchststrafe zugleich sein. wenn man sich von aufmerksamkeit oder applaus ernährt, fühlt sich ausbleibende aufmerksamkeit, oder aufmerksamkeit für längst vergangenes und abgelegtes, mutmasslich wie ein dolchstoss an.
oder nochmal anders: der prince, von dem ich fan bin, war schon tot, als prince noch lebte. mit seinem neueren werk, konnte ich nichts anfangen, auch wenn ich es mehrfach probiert habe. ausserhalb meiner subjektiven wahrnehmungsblase, war prince aber (natürlich) alles andere als tot, sondern quicklebendig und aktiv. und dass es, um das zu bemerken, des echten, endgültigem, grausam unerbitterlichen todes bedurfte, macht mich jetzt doppelt traurig und erinnert mich daran, wie wichtig es ist, zuneigung, freundschaft, liebe und beziehungen vor dem tod zu leben; wie wichtig es wäre, hin und wieder an die vielen menschen in meinem leben zu denken, die ich vergessen oder aus den augen verloren habe. es sollte eigentlich nicht der tod sein, der uns an unsere lieben, die lebenden oder unsere leidenschaften erinnert. aber, das muss man dem tod lassen, er funktioniert da in seiner unerbitterlichkeit, ziemlich gut.
Nach der ersten Republica im Jahr 2007, prophezeihte Martin Schöb in der FAZ der Republica (und Blogs allgemein) eine düstere Zukunft: sie würden konsequent „unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle“ all jener bleiben, die „ihr Leben nicht im Netz verbringen“. Ausserdem würden „meinungsführende Blogs“ ohne die „Bezugsgröße Print“ zusammenfallen, wie ein „Heißluftballon ohne Flamme“.
Neun Jahre später zeigt sich, dass Schöb gleichzeitig recht hatte und fürchterlich daneben lag. Tatsächlich sind viele der „meinungsführenden Blogs“, um die sich die Republica 2007 kristallisierte, in sich zusammengefallen, aber ebenso bröckelt die „Bezugsgröße Print“. Was aber überhaupt nicht bröckelt oder unter Aufmerksamkeitsdefiziten leidet, ist die Republica, sie ist selber zu einer Bezugsgröße geworden und brennt auf höchster Flamme. Waren es 2007 noch 600 bis 700 Teilnehmende, kamen 2015 bereits 7000 Internetnutzer, zehn Prozent davon übrigens als akkreditierte Journalisten und Journalistinnen. Dieses Jahr werden nochmal rund 1000 Menschen mehr erwartet.
Die Republica war von Anfang an eine Gesellschaftskonferenz, auch wenn sie zunächst als nerdige Bloggerversammlung wahrgenommen wurde. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Menschen, die mit dem digitalen Wandel in Berührung kamen, und sprachen aus unterschiedlichsten Perspektiven darüber, wie das Netz Ihr Leben beeinflusst. So spricht der Mathematiker und Wirtschaftsphilosoph Gunter Dueck dieses Jahr schon zum vierten mal darüber, wie der digitale Wandel die Arbeitswelt umkrempelt. 2012 sprach der Regierungssprecher Steffen Seibert darüber, wie das Netz die Regierungsarbeit beeinflusst, der ausgebildete Telefonseelsorger und Aktivist Raúl Krauthausenerzählte im gleichen Jahr, wie er das Netz nutzt, um für gleichbrechtigte Teilhabe zu kämpfen und die Bloggerin und Autorin Anne Wizorek beschrieb im Jahr darauf, wie das Netz und Hashtags den Feminismus verändern.
Über das Leben im Netz, die Arbeitswelt, den digitalen und gesellschaftlichen Wandel, Teilhabe und Gerechitgkeit zu reden, galt vor neun Jahren noch als skandalös selbstreferenziell. Natürlich sind die Themen der Republica nach wie vor selbstreferenziell, aber mittlerweile ist das Themenspektrum der Republica so stark aufgefächert, dass selbst Journalisten, Politiker oder Unternehmer Themen finden, die sie verstehen oder die sie interessieren. Sobald man sich für ein Thema interessiert oder davon betroffen ist, stört Selbstreferenzialität bekanntlich nicht mehr.
Dass der Vorwurf der Selbstreferenzialität mittlerweile überwunden ist, nimmt die Republica in diesem Jahr zum Anlass, sie zum offiziellen Motto zu machen. Auf ihrer Website kündigt die Republica gemeinsames „Zurückblicken und Reflektieren“ an und will allen Gästen „dankend den Spiegel“ reichen: „Du bist die re:publica. TEN ist NET.“
Bei oberflächlicher Betrachtung erschliesst es sich vielleicht nicht direkt, aber die Welt — und das Netz ganz besonders — besteht aus Menschen, die sich in vielen verschiedenen (Filter-) Blasen zusammenballen. Normalerweise ist der Austausch zwischen diesen Blasen eingeschränkt, aber einmal im Jahr, wenn Repräsentanten unzähliger Blasen sich in Berlin treffen, bilden sie einen wunderbaren Schaumteppich, der die Republica erst interessant macht.
Dieser Republica-Schaum ist wie das Netz: da ist alles drin, Interessantes, weniger Interessantes, Relevantes und Irrelevantes, Angenehmes und Abstossendes. Der Witz ist, dass man sich das Richtige rauspickt oder besser: einfach reinspringt. Oder noch besser: einfach auf den Hof stellen, Bier trinken und abwarten was passiert. Funktioniert immer. Auf der Republica, im Netz und im Rest der Welt.
der artikel erscheint parallel (gekürzt und redigiert) in der aktuellen-ausgabe (09/16) der tip berlin, die dafür auch ein honorar gezahlt hat — deshalb enthält der artikel grossbuchstaben. den (schönen) titel hat sich der tip-redakteur erik heier ausgedacht.
wie alle meine artikel, steht auch dieser artikel unter einer cc-lizenz (CC BY-SA 3.0) und kann damit auch von anderen verwendet werden.
ich habe mir aus dem offiziellen programm die veranstaltungen herausgepickt, die ich unbedingt ansehen möchte. die veranstaltungen habe ich in einem google-kalender (html-, ics-version) gelegt.
dooce lese ich zwar nicht allzu viel, aber es gehört schon seit vielen jahren zu meinen lieblingsblogs. egal über was sie redet, ich will das sehen.
auch egal über was sie redet, architektinnen und städteplanerinnen höre ich fast immer sehr, sehr gerne zu. andererseits, eine zeile text zur keynote, wäre nicht schlecht gewesen. aber wenn die keynote-ankündigung keine beschreibung enthält, ist das ein zeichen, dass das rpTEN organisationsteam diese speakerin unbedingt haben wollte und so vielversprechend findet, dass sie sich an keine regeln halten muss.
moritz metz kann ich stundenlang zuhören, ausser im radio, wo er arbeitet (weil ich kein radio höre). aber wenn er auf der republica spricht, möchte ich ihn hören, zumal er sehr schöne vorträge hält und zeigt.
er hat ein jahr pause gemacht und ich bin sicher, diesmal werden wir kein zeuge technischer pannen, sondern zeugen steiler thesen und guter unterhaltung.
langweiliges thema, aber das ist die spezialität von julia reda, langweilige themen verständlich, spannend und nachvollziehbar aufzuarbeiten. so macht sie das jedenfalls in ihrem blog. julia reda ist piratin und ein guter grund, zur europaparlamentswahl nochmal zu erwägen piraten zu wählen, wenn sie bis dahin nicht die partei gewechselt hat.
JOERG HEIDRICH
→ Was tun gegen den Hass im Netz?
joerg heidrich ist justiziar des heise-verlags und sein vortrag wird möglicherweise sehr formal-juristisch, aber wenn das zu schlimm wird, kann ich ja immer noch rausgehen und mich auf den hof stellen.
weder mit dem titel noch der kurzthese kann ich etwas anfangen, aber auch wenn gunter dueck jedes jahr über das gleiche redet (die dummheit der menschen), kann es passieren, dass ich hin und wieder doch interessiert zuhöre. auch wenn das in den letzten zwei jahren nicht passiert ist.
das thema ist eigentlich durch, aber dieser satz in der kurzthese vermag meine neugier dann doch (ganz milde) zu wecken: „Wir berichten aus der Perspektive des technisch sensibilisierten Klickviehs und haben vielleicht den Ansatz einer verbraucherfreundlichen Alternative im Gepäck.“
mit der themanwahl zeigt friedemann karig wieder einmal, dass er das gras wachsen hört und behandelt den megatrend, der in den letzten neun jahren durch die republica gejagt wurde: wie verändert das netz die gesellschaft? aber weil friedemann karig ein begnadeter vortrags-vorbereiter ist, wird das nicht nur unterhaltsam, sondern auch erkenntnisreich.
wenn philip banse zum gespräch lädt, passieren oft magische dinge: man findet plötzlich leute, die man vorher nicht oder kaum kannte, ganz toll und interessant. philip banse kann sehr gut fragen stellen und auf den republica-bühnen ganz besonders.
ein thema, das friedemann karig bereits vor zwei jahren behandelt hat, das aber so zentral und wichtig ist, dass man dazu gut und gerne 200 vorträge halten oder sehen kann: wie verändern narrative die welt?
vorträge über kunst können ganz schlimm in die hose gehen oder super-spannend sein. ich guck mir diesen vortrag an, um danach sagen zu können, ob dieser vortrag in die hose ging oder super-spannend war.
SASCHA STOLTENOW, MIRIAM SEYFFARTH, THOMAS WIEGOLD
super thema, guter vortragstitel, tolle vortragende, die mehrfach gezeigt haben, dass sie ihr handwerk und thema beherrschen. kann ich mir leider nicht ansehen, weil ich mir journelle ansehen werde, die im gleichen zeitraum spricht.
ich empfehle (und sehe) diesen vortrag nicht nur aus nepotismus: ich bin der festen überzeugung, dieser vortrag wird sehr unterhaltsam und augenöffnend. aus der vortragsbeschreibung:
Oft fragte ich mich, woher die gesellschaftliche Obsession mit Diäten, Fitness und Gesundheit kommt. Und ob uns ein schlankerer Körper, eine Entgiftung mit grünen Säften und ein Runtastic-Lauf wirklich zufriedener macht.
Aber um mich herum wurde diätet, gesportelt und selbstoptimiert. Meine Zweifel mussten falsch sein, es können sich ja nicht alle irren.
Dann stieß ich im Internet auf Menschen, die wie ich hinterfragten, warum eine sehr eng definiere Körpermasse als erstrebenswert und ideal festgelegt wurde. Und die versuchen - häufig begleitet von wüsten Beschimpfungen -, die Mythen um unseren absurden Körper- und Gesundheitskult zu entlarven.
ich fürchte, der vortrag wird ein bisschen zur werbeveranstaltung zu randall munroes neuerem buch. aber das macht nichts, weil randall munroe ist grandios, auf sehr vielen ebenen. und ich vermute, der saal wird noch einen ticken voller als bei sascha lobo werden.
gelegentlich lese ich die kolumne von thomas fischer in der zeit und gelegentlich gefällt sie mir auch. ich bin sicher, der vortrag wird nicht langweilig.
letztes jahr hat alina fichter reed hastings von netflix auf der bühne 1 interviewt. dieses jahr kommt amazons „Head of Drama Development“ morgan wandell dran. dürfte interessant werden und will ich auf keinen fall verpassen. ich hoffe an der bühne 5 wirds im zuschauerraum nicht zu eng. ich fürchte aber doch.
ich mag den professoralen ton von pörksen nicht, aber was er sagt ist manchmal nicht dumm, im gegenteil. deshalb werde ich mir das dieses jahr wieder antun.
ich mag friedrich liechtenstein sehr — und deutsche filme und deutsches fernsehen weniger. aber anschauen kann man sich das ja mal, auch wenn mattias schweighöfer (und andere) mit auf der bühne sitzen.
irgendwann am ende der republica gibt’s auch ein liechtenstein-konzert. mal schauen, ob ich so lange ausharren werde.
die schlussthese meines #rp11 vortrags lautete: zukunft ist was wir aus der gegenwart machen. das gilt nicht nur für die zukunft, sondern auch für das wohlbefinden aller.
michael seemann ist einer der besten netz-theoretiker die ich kenne. ich kenne allerdings nicht viele netztheoretiker. ich möchte diesen vortrag nicht verpassen, aber sollte ich es tun, werde ich ihn als videoaufzeichnung oder in der verschriftlichten version ansehen.
gleich in der ersten folge hatte ich das gefühl, dass peaky blinders sehr nach sons of anarchy schmeckt. tatsächlich ist das grundmotiv von peaky blinders dem von sons of anarchy ziemlich ähnlich. beide erzählen die geschichte einer brutalen verbrecherbande aus der pespektive der gang. das gibt der erzählung die chance, die charaktere der gang-mitglieder schön auszudifferenzieren. dazu kommt in beiden serien die perspektive eines ermittlers, der versucht die verbrecher zu fall zu bringen.
das läuft dann zwangsläufig auf ein dauerpimmelfechten kräftemessen zwischen den anführern der verbrecher und den ermittlern heraus. das kräftemessen spielt sich nach einem einfachen schema-f ab: nach ein, zwei offenen, teilweise brutalen konfrontationen, fangen die gegenspieler an deals zu machen und sich gegenseitig auszumanövrieren. im laufe dieses prozesses korrumpiert sich der ermittler langsam aber stetig und alle gegenspieler reiten sich, trotz gelegentlicher taktischer erfolge, mehr und mehr in die scheisse.
bei sons of anarchy fand ich das ein paar staffeln lang äusserst spannend, zumal die ermittler von staffel zu staffel wechselten und teilweise grandios besetzt waren. nach einer weile wurde das wiederkehrende muster dann aber langweilig, auch wenn das motiv immer leicht variert wurde. von peaky blinders hab ich jetzt die erste staffel gesehen und bin überhaupt nicht gelangweilt, im gegenteil. einerseits gefallen mir die charaktere hier sehr viel besser. die hauptfigur, der peaky-blinders-anführer thomas shelby, gespielt von cillian murphy, hat gegenüber dem etwas stumpfen SAMCRO-anführer jax teller (enorm dumpf gespielt von charlie hunnam) ein paar entscheidende vorteile: er ist klug, (meistens) kontrolliert und fähig ordentlich zu kommunizieren. das sekundär-motiv von sons of anarchy ist meiner meinung nämlich die unfähigkeit der führungsriege, entscheidende informationen auszutauschen. nicht wenige der katastrophalen ereignisse in sons of anarchy, lassen sich genau darauf zurückführen. bei sons of anarchy war das natürlich weniger ein motiv, als ein dramaturgisches mittel, um die story überhaupt in gang zu halten. peaky blinders bekommt die dramaturgie aber auch ohne diese stütze gut hin. überhaupt, ist sowohl die relativ verschachtelte geschichte, als auch die motivation von thomas shelby, viel nachvollziehbarer.
ich bin ja ein grosser fan von nachvollziehbarkeit. wenn hauptfiguren aus dramaturgischen gründen, schlecht begründete, bescheuerte entscheidungen treffen, sitze ich vor dem bildschirm und schlage mir die stirn wund. nicht so bei peaky blinders. selbst die amourösen elemente der serie bleiben nachvollziehbar, auch wenn sie, wie immer, furchbar kompliziert angelegt sind.
ich kann über diese erste staffel wenig schlechtes sagen. neben dem guten, aber irritierenden, eher inadäquaten soundtrack, haben mich eigentlich nur die etwas eindimensional bespielten kulissen gestört. sowohl die nebelmaschinen, als auch die funkensprüher wurden viel zu dick aufgetragen. ausserdem war einer der hauptspielorte, die stammkneipe der peaky blinders (the garrison) total überbeleuchtet. eher erfreulich fand ich, dass das gewummere der stahlpressen im hintergrund nie aufhörte, auch bei bettszenen lief das gewummere einfach subtil weiter im hintergrund. schauspielerisch kann ich nichts aussetzen, auch nicht am schauspiel von annabelle wallis, die die zweischneidige grace burgess spielt — ausser, dass sie, wie der soundtrack, hoffnungslos aus der zeit gefallen zu sein scheint. sie wirkte auf mich in jeder szene wie eine zeitreisende aus den 90er jahren. nichts an ihr fühlte sich nach den 1920er jahren an, in denen die serie eigentlich spielt.
die erste staffel hat auf rotten tomatoes sehr gute wertungen, die zweite noch bessere. hier meine anmerkungen zur ersten und zur zweiten folge. sehen kann man die erste staffel auf netflix, die zweite leider (noch?) nicht. ich habe die letzten vier folgen beinahe am stück gesehen, was im prinzip ein gutes zeichen sein sollte. kann aber auch daran liegen, dass ich am wochenende ne sturmfreie bude hatte. weil ich so wenig an der serie auszusetzen habe, gebe ich nach ganz leichtem zögern auch die volle punktzahl.
ich mag die facebook instant articles. jedes mal wenn ich in der facebook-app auf einen klicke, freue ich mich, dass die app nicht erst rödelt, sondern sich der artikel in all seiner pracht ins sichtfeld animiert. vor allem aber fühlen sie sich wirklich gut an; die haptik der instant articles ist überragend, wie bilder laden und sich vergrössern lassen, wie reaktionsschnell scrollen, zoomen oder das zurückwischen sich anfühlen, wie sich vergrösserte bilder oder videos wieder schliessen lassen — aus benutzersicht fühlt sich das grandios an.
jetzt sind die instant articles (endlich) für alle verfügbar, theoretisch zumindest. nachdem man die eigene site mit einem weiteren codeschnipsel beansprucht („claimed“) und freigeschaltet hat, füttert man facebook einen leicht modifizierten RSS-feed (RSS-link) und facebook lädt die artikel. man kann die artikel debuggen, testen und wenn man 50 artikel fehlerfrei hat, zur freigabe an facebook schicken.
„Your review is currently pending“
die freigabe soll innerhalb von 24 bis 48 stunden erfolgen. meine 48 stunden sind zwar erst heute abend vorbei, aber den freigabeprozess konnte ich in meiner zugriffsstatistik beobachten. er erfolgte wenige stunden nach meinem antrag, irgendwer aus amerika, griff per iphone auf ca. 30 meiner vorbereiteten instant articles zu. seitdem gab es keine zugriffe mehr. ich interpretiere das so:
facebook wartet mit der freigabe der instant articles für alle noch ein paar tage, um dann, mit einem schwung, alle neuen instant-article-anbieter freizuschalten. warum sonst, sollte ich fast 30 stunden nach erfolgter prüfung weder eine freigabe noch eine bitte um anpassung bekommen haben?
ich habe auch noch keine neuen instant-article-anbieter auf facebook gesehen. bis jetzt kommen die instant articles in meinen timelines nach wie vor ausschliesslich von grossen medienhäusern.
was ich aber eigentlich sagen wollte: die instant articles fühlen sich wirklich gut an, haptisch, optisch und technisch. ich würde bald gerne mehr davon auf facebook sehen — und vor allem meine eigenen. und das wichtigste:
Ernst gemeinte Frage: Warum gibt es eigentlich keine große Solidaritätsaktion für Jan Böhmermann?
das ganze spektrum möglicher antworten findet sich auch in den antwortsträngen unter stefan niggemeiers tweet, von „hat er sich doch selber eingebrockt“, „der ist doch [doof | rassistisch | zu weit gegangen]“ über „das ist doch keine satire“ ist da glaube ich alles dabei.
mir fallen ein paar weitere antworten ein. eine ist, dass niemand wirklich glaubt, dass böhmermann ernste konsequenzen drohen. oder umgekehrt, jeder ahnt, dass eine staatsanwaltschaft, die jan böhmermann wegen seines gedichts vor gericht zerren würde, sich so lächerlich machen würde, dass sie nicht nur von solidaritätswellen, sondern vor allem von witzwellen hinweggefegt würde.
eine andere antwort lautet: metaebenen. jan böhmermann ist meister der metaebenen. und natürlich auch der formvollendeten ironie. ich finde böhmermann gar nicht mal so witzig (manchmal schon), aber ich bewundere seine fähigkeit metaebenen aufzutürmen, sie wieder einzureissen und dann auf ihnen zu tanzen und sich über die verwirrung, die er stiftet, zu freuen.
ein gelungenes beispiel des auftürmens von metaebenen ist dieses video, das, um verwirrung zu stiften, „Talk mit Anne Will“ heisst:
wer metaebenen säät, erntet metaebenen. oder weniger kryptisch: ich glaube, dass die solidarität mit böhmermann durchaus vorhanden ist, aber sie äussert sich genauso meta-chiffriert, wie sich böhmermann in der regel öffentlich äussert; indirekt und ironisiert.
tim wolff, der chefredakteur der titanic macht das (natürlich) genau so, er fordert: „steckt böhmermann ins gefängnis“. das meint er natürlich ganz anders, was man leicht erkennt, wenn man es schafft an der flashwand von spiegel.tv vorbeizukommen.
der letzte punkt, der es sicherlich vielen erschwert, böhmermann ohne ironische distanz solidarität zukommen zu lassen, ist, dass mittlerweile jeder, egal was böhmermann macht, irgendwann erwartet, dass böhmermann am ende ruft: „ha, verarscht!“
ich glaube nicht, dass böhmermann die reaktionen vorausgesehen hat oder in der erdoğan-sache weiter auf metaebenen wandelt, aber es fällt halt schwer, jemanden der sich als spitzenkoch positioniert und sich ständig in seiner küche filmen lässt, dafür zu bedauern, dass es in der küche heiss ist.
ich bin im gymnasium dreimal sitzengeblieben. genauer: auf meinem versetzungszeugnis stand dreimal, dass ich nicht versetzt werden könnte. zweimal habe ich es nach den sommerferien geschafft, in einer nachprüfung nachzuweisen, dass ich den stoff des letzten schuljahres in französisch doch drauf habe. beim dritten mal hatte ich im versetzungszeugnis auch ein paar sechsen stehen und durfte keine nachprüfung mehr machen.
offenbar fiel es mir leichter, den stoff in ein paar wochen zu lernen, als in etappen über das schuljahr verteilt. ich hatte jahrelang grosse schwierigkeiten meine interessen und die anforderungen, die die schule an mich stellte, in einklang zu bringen. liefen die ersten vier schuljahre noch relativ harmonisch, knirschte es die folgenden jahre meiner schullaufbahn immer wieder. während ich an meinen sozialen kompetenzen arbeitete, und versuchte meine komplexe und unsicherheiten in den griff zu bekommen, hatte ich wenig lust mich mit zeichensetzung, rechtschreibung, grammatik oder geometrie auseinanderzusetzen. später, als ich meine sozialen kompetenzen auf ein funktionierendes niveau gebracht hatte, entwickelten sich meine interessen auch nicht unbedingt im sinne des lehrplans. mich interessierte commodore basic, spiele oder die wirkung von alkohol sehr viel mehr, als die chemischen verbindungen hinter dem alkohol oder fremdsprachen.
einer der gründe dafür, dass es mir gelang den für die nachprüfung nötigen schulstoff in wenigen wochen aufzunehmen, war ein nachhilfelehrer. dem nachhilfelehrer gelang, was der schule vorher nicht gelang: mein interesse zu wecken und mir werkzeuge an die hand zu geben, mit denen ich effektiv und mit freude lernen konnte. mit dem nachilfelehrer erschien mir das verhasste franzsösisch plötzlich faszinierend und spannend. wie er das genau geschafft hat, weiss ich auch nicht mehr. ich erinnere mich noch daran, dass er meine aussprache und lesefähigkeiten in französisch enorm verbesserte, als er mich dazu brachte, texte auf band zu sprechen. auch französische vokabeln und grammatik lernte ich dank ihm, in nie dagewesener geschwindigkeit und effizienz. überhaupt, die geschwindigkeit. für die erste nachprüfung hatte ich insgesamt nur eine woche vorbereitungszeit. den anfang der sommerferien hatte ich damit verdaddelt, dass ich lustlos in den lehrbüchern blätterte und mir die vokabeln anguckte. andertalb wochen vor ferienende erfuhr ein bekannter meiner eltern von meiner lernweise („och ja, ich hab n bisschen geübt“) und zog die notbremse, bzw. die telefonnummer von herrn lauer. und tatsächlich schaffte der es, mich in dieser verbliebenen woche durch meine erste nachprüfung zu bringen.
im darauffolgenden schuljahr, liess ich das gelernte wieder schleifen und bekam im versetzungszeugnis wieder eine fünf (neben deutsch). dieses mal hatten herr lauer und ich mehr zeit und wieder schaffte ich die nachprüfung.
so dankbar ich herrn lauer bis heute bin, dass er mir zeigte, dass ich nicht doof, sondern ineffizient und uninteressiert war, so sehr bin ich auch dankbar, dass ich die neunte klasse wiederholen konnte. das war langfristig wesentlich effizienter, als die nachhilfe. denn in diesem zweiten durchlauf der neunten klasse, fing ich an mich tatsächlich für die themen im unterricht zu interessieren. ich liess mich auch nicht mehr so sehr von den chaoten in meiner klasse ablenken, bzw. betätigte mich selbst nicht mehr so intensiv als klassenchaot.
nach der zehnten klasse bin ich dann für ein jahr nach amerika in die highschool gegangen, wo ich die zwölfte klasse besuchte und auch den highschoolabschluss machte. zurück in deutschland durfte ich die elfte klasse überspringen, um mich dann in der zwölften und dreizehnten klasse auf mein abitur vorzubereiten. so bin ich nicht nur dreimal sitzengeblieben, sondern habe formal auch eine klasse übersprungen. am ende hatte ich im abi eine durchschnittsnote von 2,3.
seit der ankündigung von AMP habe ich mich, vor allem aus technologischer neugier, bemüht das format bereitzustellen. im januar begann google meine AMP-formatierten seiten in den index aufzunehmen, etwa 500 AMP seiten auf wirres.net waren am 2.2.2016 indexiert. zu diesem zeitpunkt hatte ich auch bereits die meisten fehler der seiten beseitigt, heute sind meine seiten, AMP-technisch, laut webmaster console und laut debugging tool, fehelrfrei.
aber google hat nicht nur über die letzten wochen hinweg gemerkt, dass meine AMP-seiten syntaktisch korrekt sind (die 6 monierten fehler datieren allesamt auf versionen von vor dem 2.1.2016), sondern auch nur 4 meiner AMP-seiten im index.
auch als ich noch mehr seiten im google-index hatte, hatte ich maximal 1-2 besucher pro tag auf meinen AMP-seiten, im google-index war ich, soweit ich sehen konnte, AMP-mässig unsichtbar. das heisst auch mobile suchergebnisseiten, zeigten nie meine AMP-seiten an, sondern stets die regulären seiten. das ist ja nicht weiter schlimm, aber ich habe das gefühl, dass google white oder blacklists führt und AMP-seiten nur von renomierten, reichweitenstarken webseiten in die (mobilen) suchergebnisseiten aufnimmt.
ich finde die idee und die ausführung hinter dem AMP-projekt nach wie vor faszinierend, weil es verspricht, seiten im web — und nicht etwa nur in apps — effektiv und von störendem und irritierenden müll befreit, auszuliefern, aber die implementierung und adaption von AMP scheint, selbst bei google selbst, unter aller kanone zu sein. deshalb bin ich gespannt auf den öffentlichen facebook instant articles rollout mitte april, auch wenn sich die vorteile vor allem in der app auswirken werden, aber immerhin ist die facebook-implementierung so gelöst, dass es immer einen fallback auf die webversion gibt und die instant-articles-version wie ein sahnehäubchen funktioniert.
apple news ist übrigens auch eine mittlere katastrophe, zumindest, wenn man ein medium mit nur um die 100tausend seitenansichten im monat (30.000 web, 60.000 RSS) betreibt. ich habe mich dort vor einem halben jahr testweise angemeldet und vorerst nur einen (englischsprachigen) RSS-kanal angemeldet, was einer mittleren katastrophe gleich kam, weil sich die apple news inhalte per RSS nicht aktualisierten und auch nicht editieren liessen. jetzt ist das apple news format teoretisch für jeden offen, aber apple lässt auch hier seinen manischen kontrollwahn walten. meine bitte um freigabe meines apple news kanals wurde bereits zweimal abgelehnt, weil die apple-türsteher zweimal meinten, dass mein kanalname ihnen nicht passt und mich zweimal zurückgewisen haben. von mir aus kann apple seinen news-format alleine nutzen, das zudem auch noch irre kompliziert und sehr proprietär ist.
von perspective daily (PD) habe ich zuerst bei schulz und böhmermann gehört, als nora schirner dort davon schwärmte und das projekt als „ganzheitlichen journalismus“ beschrieb. was ganzheitlicher journalismus sein solle verstand ich damals nicht und verstehe ich auch heute nicht, aber immerhin fand ich das wort auf der selbstbeschreibungsseite von perspective dailynicht. so richtig klar, was perspective daily machen will, wurde mir auch beim durchlesen der seite nicht. dort steht jetzt (und vermutlich auch schon vor zwei monaten, als ich zuerst dort war):
Wir wollen Nachrichten anders machen:
Artikel mit Blick nach vorn, die nicht nur über Probleme sprechen, sondern auch fragen: Wie kann es besser werden?
wie das, was man vorhat, konkret aussehen könnte, kann man meiner meinung nach am besten zeigen, wenn man es macht, statt es nur anzukündigen — und dankenswerterweise, hat perspective daily am 7. märz diesen beispieltext von der mitgründerin maren urner online gestellt:
der text ist OK und relativ konkret, aber immer noch ziemlich stark durchzogen von der idee, was perspective daily machen will, statt zu zeigen, wie perspective daily sein wird. ja, ich glaube auch, dass wir positiven, konstruktiven journalismus gebrauchen können, dass wir zu wenig augenmerk auf die positiven entwicklungen werfen, dass wir uns mehr gedanken um probleme, als um lösungen machen.
um ein projekt zu unterstützen, schadet es natürlich nichts über die intentionen zu erfahren. aber besser finde ich es immer, nicht nur die intentionen erkennen zu können, sondern auch (möglichst viele) konkrete arbeitsproben zu sehen. ich sehe einen unterschied zwischen werbung für etwas machen und werbung mit etwas machen, im technologiesektor ist das der unterschied zwischen dampfware und einem konkreten produkt.
ich schliesse in der regel kein jahresabo auf basis von eigenwerbung ab, sondern schaue mir das produkt (das heft, die zeitung, den streaming-service) erstmal genau an, bevor ich mich auf ein längerfristiges engagement einlasse. bei den krautreportern war das (etwas) einfacher, da gab es neben dem unterstützenswerten ziel, namen auf der autorenliste, die ich kannte und schätze. ich konnte mir zumindest vorstellen, was mich in einem jahr krautreporter erwarten würde (konnte ich natürlich nicht, der überraschungseffekt war grösser als der erwartungseffekt).
auf der autorenliste von perspective daily finden sich ein name, den ich kenne und schätze, raúl krauthausen. es findet sich auch ein name, den ich kenne und nicht schätze, eckart von hirschhausen. eckhart von hirschhausen ist zwar ein „Künstler, der sich ausschließlich über sein berufliches Wirken definiert“, aber ich kann sein berufliches wirken nicht leiden. apropos berufliches wirken, dass ich nicht leiden kann mit dem ich nichts anfangen kann. klaas heufer-umlauf als testimonial finde ich weder witzig noch konstruktiv.
und wo ich gerade dabei bin zu mäkeln, nach allem was ich auf perspective-daily.de gelesen und verstanden habe, wird perspective daily die artikel hinter einer mitgliederwand verschwinden lassen und es zahlenden mitgliedern erlauben, diese „mit interessierten“ zu teilen. so ganz schlau wird man aus dem FAQ nicht:
Für wen sind die Inhalte von Perspective Daily zugänglich?
Unsere Inhalte sind in erster Linie für unsere Mitglieder zugänglich. Sie haben Zugriff auf alle Beiträge, die Kommentarfunktion und weitere Funktionen von Perspective Daily. Die Erfahrung aus anderen Projekten zeigt, dass dies gerade im Kommentarbereich die Diskussionskultur positiv beeinflusst. Einzelne Beiträge können auch an Nicht-Mitglieder weitergegeben werden: Durch Kopieren des Weblinks eines Artikels können Mitglieder und Autoren diesen via E-Mail oder Soziale Netzwerke an Interessierte weiterleiten. Dieses System hat sich beim niederländischen De Correspondent sehr bewährt und stößt auch bei den Mitgliedern auf große Resonanz.
perspective daily zahlungsbeleg
auch wenn es perspective daily in den letzten monaten dreimal geschafft hat, meine aufmerksamkeit zu erregen (tschirner bei schulz und böhmermann, minihype um das video mit klaas heufer-umlauf und jetzt der funding-endspurt mit entsprechender medienpräsenz), hat mich perspective daily nicht überzeugen können. alles zu vage, zu luftig oder unverständlich. monatelanges crowdfunding und trommeln, aber nur ein konkretes arbeitsbeispiel, das aber eigentlich auch eher ein letter of intent ist. aber vor ein paar tagen funkte mich johannes „sankt“ korten an, den ich sehr schätzte, und liess mich wissen, dass er die „macher_innen persönlich“ kenne und sehr schätze. deshalb, nicht wegen der irritierenden und für mich grösstenteils unverständlichen eigenwerbung, unterstütze ich perspective daily für ein jahr (für €42).
das crowdfunding läuft noch 3 tage, also bis zum ostermontag. noch fehlen ungefähr 1000 mitglieder, um das ziel von 12tausend zahlenden mitgliedern zu erreichen. hier kann man mitglied werden.
ganz ehrlich, ich kann es nicht nicht mehr sehen: leute die sich über trump lustig machen und artikel die danach sagen „xy hat gerade donald trump zerstört“. (was paul carr in diesem link dazu sagt, ausser der überschrift („Destroying ourselves to death“), weiss ich nicht, weil der artikel hinter einer paywall ist. aber vor der paywall sind 8 oder 9 screenshots von artikeln, die sagen, donald trump sei gerade zerstört worden.)
ich würde gerne sagen, nachdem ich diese ausgabe last week tonight mit john oliver gesehen habe, dass john oliver einen witzigen, ruhigen und gut recherchierten beitrag über die lügen, die aufschneidereien und den grössenwahn von donald trump gemacht hat, der wirklich eindruck hinterlassen hat und das potenzial hat, trump den boden unter den füssen wegzuziehen. kann ich aber nicht sagen und will ich nicht sagen. auch wenn das alles lustig und gut recherchiert war, mir war es zu aufgeregt vorgetragen. das grösste manko war aber: ich wusste das alles schon. ich habe fast nichts neues erfahren und vor allem, ich habe das was ich über trump in den letzten jahren erfahren habe, nicht aus neuen perspektiven gesehen. gut, ich lese viel und sehe viel fernsehen und manchmal schaue ich mir john oliver oder andere liberale talkshows an. aber ich frage mich noch mahr als sonst, wozu dieses predigen vor den ohnehin schon informierten? oder wie die amerikaner manchmal sagen, wozu dieses predigen vor dem chor?
vielleicht bin ich auch einfach nur frustriert. seit monaten, nein, seit jahren, wird donald trump mit satire und lächerlichmachung übergossen und er geht nach jedem fass schlamm das über ihm ausgekippt wird, gestärkt hervor. natürlich ist er peinlich, lügt, wackelt, ist nicht so reich und unabhängig wie er vorgibt, natürlich sieht er albern aus und scheitert ständig mit irgendwelchen geschäften — aber auch die schrillionste wiederholung dieser tatsachen bringt niemanden davon ab, trump zu unterstützen.
aber diese strategie der lächerlichmachung funktioniert eben nicht nur nicht, sie lenkt auch von einem anderen problem ab. nämlich, dass die anderen politiker sich, in der wahrnehmung vieler menschen, nicht grossartig von trump unterscheiden. es gibt nicht wenige leute die glauben, dass die politiker in washington eben auch peinlich sind, lügen, opportunitisch wackeln und versteckte agenden verfolgen. geschäfte, ordentliche deals, traut ohnehin kaum einer den aktiven politikern zu (auch in deutschland). natürlich ist diese wahrnehmung falsch oder mindestens getrübt, aber sie ist vorhanden. dass diese wahrnehmung nicht ganz daneben liegt hat oliver übrigens auch in der sendung gezeigt: obamas erste amtshandlung: die schliessung von guantanamo einzuleiten und in den folgenden jahren, jedes jahr, die schliessung, spätestens im nächsten jahr anzukündigen. die zuverlässigkeit von barack obamas versprechen, unterschiedet sich hier nicht wirklich von trumps wahlkampfaussagen.
die hoffnung, dass jemand, der sich an keine etablierten regeln hält und grossmäulig davon redet (endlich) alles umzukrempeln, genau das tut, ist nicht ganz abwegig. mit genau dieser hoffnung hat schon barack obama seinen wahlkampf eine richtung gegeben, wenn auch ein bisschen subtiler: change.
trump steht für viele genau dafür: veränderung (oder genauer, zurückveränderung, oder die sehrnsucht nach dem gestern). diese hoffnung nimmt man den leuten nicht, indem man ein paar witze über den selbsterklärten veränderer macht, oder ihn blossstellt.
john olivers rant gegen donald trump war unterhaltsam und gut gemacht. und dafür ist john oliver da: fürs entertainment, auf einem hohen niveau. den tatsächlichen wunden punkt von donald trump müssen andere finden — und ich bin sicher, er wird noch gefunden. in der zwischenzeit frustrieren mich trump-witze eher, als dass sie mich aufmuntern.
der sendungsteil über donald trump ist auf youtube zugänglich, dankenswerter weise auch aus europa.
grossartig. habe nichts auszusetzen an dieser serie — bzw. dieser pilotfolge. eigentlich stimmt alles, die kamera ist grossartig, die produktion aufwändig und auf spielfilm-niveau, das ensemble grandios und nahezu perfekt besetzt und die geschichte ist nachvollziehbar und erschreckend realistisch erzählt.
in der pilotfolge wird in zwei teilen erklärt, warum der nachtportier jonathan pine den waffenhändler richard roper zu fall bringen will. das ist alles in james bond-maier gefilmt und inszeniert, mit einigen entscheidenden unterschieden: zum einen ist die motivation der handelnden personen nachvollziehbar, zum anderen werden einem nicht nur klischees an den kopf geworfen und stur die genre-regeln von agenten-filmen durchdekliniert. das ist alles keinesfalls action-arm, aber eben auch nicht so bombastisch und überkandidelt inszeniert, wie in bond-filmen. ich will auf dem bond-vergleich nicht rumreiten, aber weil ich den letzten bond so scheisse fand, kann ich mir das einfach nicht verkneifen.
das beeindruckenste an the night manager ist, wie gesagt, die nachvollziehbare, unaufgeregt und detailiert erzählte geschichte. die serie ist von interessanten charakteren bevölkert und verspricht spannende unterhaltung in den kommenden folgen. das ist alles eingepackt in wunderbar fotografierte spielorte rund um die welt, gespielt von knuffigen schauspielern und sauber gedreht und produziert.
ich finde olivia colman und ihr gesicht wirklich knuffig. sie war nicht nur in broadchurch die idealbesetzung, sie passt auch auch hier perfekt, zumal ihr die rolle auch ein bisschen auf den schwangeren leib geschneidert wurde. hugh laurie und tom hiddleston sind aus meiner sicht ebenfalls idealbesetzungen. laurie als überzeugender, paranoider bösewicht und hiddleston als ehrlich besorgter ex-soldat und nachtportier, mit extrem einem angenehmen und distinguierten britischen akzent.
ich freue mich sehr auf die kommenden folgen und gebe, sehr beeindruckt von der pilotfolge, gleich von anfang an die volle punktzahl.
craig ferguson ist zurück auf dem bildschirm. diese nachricht entzückte mich, denn ich vermisse seine late late show show sehr. seine neue sendung läuft auf dem history channel und hat eigentlich ein schlüssiges konzept: ferguson diskutiert altuelle politische themen mit einem panel aus drei (wechselnden) gästen. in dieser sendung war das thema: „histories biggest political blunders“, also die grössten politischen fehlleistungen der geschichte.
am anfang lässt sich ferguson nicht nehmen, erstmal viereinhalb minuten lang im stehen in die kamera zu reden. ich fand das sehr erfrischend, wahrscheinlich weil ich es so lange nicht mehr gesehen habe, dass craig fergoson gut gelaunt, wild gestikulierend, kichernd und oft fluchend, in eine kamera spricht. was ferguson wirklich kann — und was kaum ein anderer moderator kann — ist zugleich aufrichtig und albern, gut vorbereitet und improvisierend zu wirken und sowohl sehr witzig zu sein, als auch ständig über die eigenen witze zu kichern — ohne peinlich zu wirken.
sein gespräch mit mit drei mehr oder weniger prominenten ging auch gleich so weiter, mit einer überdosis ironie. für 10 minuten war das noch erträglich, ging mir dann aber schnell auf die nerven. das hin und her vermatschte zu einem leichten gag- und ironie-salat ohne viel substanz. jetzt könnte man natürlich sagen: wer von craig ferguson substanz erwartet, dem sei nicht zu helfen — und vielleicht ist das auch so (dass mir nicht zu helfen ist). aber ich habe craig ferguson oft genug gesehen, um zu wissen, dass er durchaus substanz abliefern kann, wenn er sich für seine gäste oder ein thema interessiert.
für einen seiner gäste, jimmy kimmel, interessierte er sich auch (zu recht), weil kimmel die seltene fähigkeit besitzt, aus wirklich jeder vorlage einen witz zu machen und auf jeden ferguson-gag noch einen draufzusetzen. seine beiden anderen gäste interessierten ihn aber leider kaum. der pr-mensch howard bragman versuchte hier und da ein bisschen substanz mit selbstbeweihräucherung zu verbinden und ferguson liess ihn auch gewähren, aber die komikerin jen d’angelo kam eigentlich so gut wie nicht zu wort.
ferguson ist immer dann am besten, wenn er einen starken partner oder gegenpart hat. das war in dieser sendung jimmy kimmel, aber die sendung war trotzdem weniger gut, als ich gehofft hatte. etwas mehr vorbereitung, ein bisschen, nur ein ganz bisschen, tiefgang, bzw. kluges würden schon reichen. stattdessen ist das einzige was ich in dieser sendung dazugelernt habe, dass es gold-stern-schwule (gold star gays) gibt. das sind männer, die nie sexuellen kontakt mit einer frau hatten. howard bragman ergänzte, dass es auch platin-schwule (platiunum gay) gäbe, dass sind gold star gays, die per kaiserschnitt entbunden wurden, also selbst bei der geburt keinen kontakt zu den primären sexualorganen einer frau hatten.
ich habe mich wirklich gefreut craig ferguson wieder zu sehen, aber ich habe wohl ein bisschen zu viel erwartet. ohne grosse erwartungen, kann die sendung durchaus 20 unterhaltsame und kurzweilige minuten bieten — und theoretisch ist das konzept auch gar nicht mal so schlecht. deshalb: das ganze kann nur besser werden — und wird es sicherlich audh.