eigentlich lasse ich frida gerne an der schleppleine frei vor mir laufen — solange sie nicht weiter vorläuft als die schleppleine lang ist. zuhause, auf gewohnten wegen, klappt das super. auf geteerten wegen, bzw. auf wegen auf denen auch fahrräder unterwegs sind muss sie einen ein-meter-radius einhalten. das üben wir in berlin über kilometer hinweg — und das klappt so gut, dass sie milerweile sogar den abstand reduziert, also zu mir kommt, wenn sie radfahrer kommen sieht.
im urlaub klappt das nicht so gut, bzw. nicht auf dauer. da wird ihr vorauskundschaften, ihre prüfung des unbekannten was hinter jeder ecke, jeder erhöhung stecken könnte so einnehmend, dass sie uns an der leine schnell mal vergisst — obwohl es ihr ehrgeiz ist unser dreier-rudel stets beisammen zu halten..
glücklicherweise kann frida ihre modi ganz gut umschalten. wenn wir ihr signalisieren dass sie jetzt auf beinhöhe bleiben soll, macht sie das auch, wenn man aufpasst und kleine intentionen vorzupreschen mit winzigen leinensignalen quittiert. neben einem reagiert frida allerhöchstsensibel auf jedes noch so kleine leinensignal. mir ist jetzt auch aufgefallen warum: sie denkt, wenn ich neben ihr gehe, dass jedes leinensignal von mir kommt, quasi meine hand ist. ab einem abstand von einem meter werden die leinensignale immer ignorierbarer. sie kommen noch an, wenn sie stärker sind, aber ich glaube sie nimmt signale auf abstand eher als anonym, naturgegeben wahr — sie verbindet sie nicht mehr unmittelbar mit mir.
jedenfalls scheint es frida leicht zu fallen sich zurück zu nehmen, wenn wir ihr das signalisieren, und neben oder zwischen uns zu laufen. das klappt dann auch über kilometer hinweg, ohne weitere korrekturen. ich glaube einerseits ist das ziemlich anstrengend für sie, weil sie sehr auf uns achtet, aber weiterhin auch noch auf die neue umgebung achtet. andererseits überlässt sie uns dann auch alle entscheidungen, sie nimmt sich also nicht nur zurück, sondern ordnet sich, zumindest was das auskundschaften, bewerten, entscheiden angeht, völlig unter.
heute haben wir eine neue variante ausprobiert, weil die wege auf denen wir unterwegs waren zu eng waren um nebeneinander zu gehen, nicht nur zu dritt nebeneinander, sondern auch hund neben mensch. frida akzeptiert auf engen wegen (wenn es für sie sinn ergibt) auch sehr schön das kommando „hinten“. aber auf den engen felswegen heute wollte ich sie gerne im blick haben. also lautete die neue regel heute: katia läuft vor, frida darf sie nicht überholen, ich folge am ende. auch das hat erstaunlich gut geklappt. man merkte sie wäre gerne vorgelaufen, aber man merkte auch, dass sie die gesetzte grenze akzeptierte. gelegentlich waren leichte korrekturen nötig, aber insgesamt war das ein sehr entspanntes spazierengehen, auch auf breiteren wegen.
Vor ungefähr 25 Jahren, als ich das Internet für mich entdeckte, gab es kein Facebook oder Twitter, Google war noch ganz jung. Auf einem Server der Stanford-Universität lag aber schon eine Website, die „Jerry and David’s Guide to the World Wide Web“ hieß und sich ein paar Jahre später in Yahoo umbenennen würde.
Das Internet war so dezentral, wie es nur sein konnte, und deshalb auch undurchsichtig. Darum bemühten sich Menschen wie Jerry Yang und David Filo, Wegweiser für diese unübersichtliche Welt zu bauen.
Nach wie vor wollen sehr viele Menschen – und Firmen – Wegweiser durch die vernetzte Welt sein oder auch bauen. Auch wenn die großen Plattformen zunehmend wie schwarze Löcher wirken und versuchen, Besucher in ihren eigenen, geschlossenen Systemen einzuhegen, erschließen und verknüpfen sie weiterhin die dezentralen Weiten des Internets.
Was sich verändert hat, ist die Zugänglichkeit. Plattformen haben die Zugangsschwellen zum ehemals eher elitären, technisch anspruchsvollen Netz gesenkt. Um sich am Internet zu beteiligen, benötigt man heute nicht mehr viel technisches Wissen.
Der Preis für diese Bequemlichkeit, die niedrigschwellige Zugänglichkeit und hohe Vernetzungsdichte der kommerziellen Plattformen ist ein gewisser Verlust an Kontrolle. Wer ein Gefühl der Kontrolle behalten möchte, kann im Internet nach wie vor alles selbst machen. Einfach irgendwo Serverkapazität mieten und eine Website ins Netz stellen.
Ich habe lange einen erheblichen Teil meiner Zeit in meine selbstverwaltete Website gesteckt, die ich auch als Träger meiner Online-Identität ansah. Ich wollte mein digitales Ich nicht allein kommerziellen Plattformen überlassen. Werkzeuge, um meine Online-Aktivitäten in meinem Blog zu spiegeln und zu archivieren, Kommentare, Likes und Favs, Instagram- und Facebook-Posts ins Blog zu ziehen, fand ich zuhauf im Netz. Besonders ergiebig und faszinierend sind die Werkzeuge, die ein Kreis von ähnlich Denkenden unter dem Dach des Indieweb baut, sammelt und nutzt. Die Idee dahinter ist nicht nur, ein Netz von unabhängigen und dezentralen persönlichen Websites zu schaffen und (sozial) zu verbinden. Es geht auch darum, die großen, kommerziellen Plattformen in dieses unabhängige Netz funktional zu integrieren.
Aber man muss im Indieweb eben fast alles selber machen und verstehen – und dazu reichlich Zeit investieren. Und die Zeit ist ein Problem beim Selbermachen. Seit wir einen Hund haben und dank Corona mehr oder weniger immer zu Hause sind, habe ich schlagartig das Interesse am Bloggen und an dezentralen (und zentralen) sozialen Netzwerken verloren. Abgesehen von gelegentlichen Hundefotos auf Instagram mache ich online kaum noch etwas selbst.
Grundsätzlich mache ich natürlich weiterhin vieles selbst. Irgendwas gibt’s in der Wohnung immer zu optimieren, ich koche jeden Tag und überlege, ob ich noch mal die hydroponische Basilikum-Aufzucht mit Wachstumslampen in der Speisekammer angehen soll.
Vermutlich geht das vielen Menschen ähnlich: Selbermachen macht Spaß und befriedigt – aber alles selber zu machen, überzieht schnell das Lebenszeitkonto. Bei mir wurde das Interesse, am Aufbau von dezentralen sozialen Netzwerken mitzuwirken, vom Nestbau, der Wohnungsautomatisierung und Beschäftigung mit dem Hund abgelöst. Jemand, der Filme dreht und schneidet, will sich eher nicht auch selbst um das Hosting von Videodateien kümmern. Wer sich online gerne streitet, sucht wahrscheinlich nicht in den Nischen und dezentralen Alternativnetzwerken nach Mitstreitern, sondern da, wo ohnehin schon alle sind: auf den großen Plattformen.
Wenn ich aber die Augen zusammenkneife und meinen Abstand zu sozialen Netzwerken wegen Interessensverrückungen etwas erhöhe, fühlt sich das Internet immer noch an wie vor 25 Jahren. Unübersichtlich, voller bunter Nischen und bis zum Rand mit Potenzial gefüllt.
Oder um das Internet und die großen Plattformen mal mit dem Universum und dem ganzen Rest zu vergleichen: Mit Abstand erkennt man, dass schwarze Löcher zwar riesig und sehr attraktiv sind, aber auch, dass das Universum aus viel mehr als schwarzen Löchern besteht. Alles ist möglich, wenn man es macht – oder wenn’s passiert. Ich freue mich jedenfalls auf die nächsten 25 Jahre Internet.
Ich glaube mittlerweile, dass es so etwas wie Talent gar nicht gibt. Oder positiv formuliert: Talent kann man sich erarbeiten – wenn man denn will. Der Wille ist das Entscheidende. Genauso dürfte es sich mit der Kreativität verhalten. Jemand, der darüber klagt, nicht kreativ zu sein, klagt eigentlich darüber, seinen Geist nicht mehr ziellos umherirren lassen zu können. Ziellosigkeit, ein Verhalten, das nichts direkt erreichen will, das eigentlich überflüssig ist, nennt man auch Spiel.
Die Fähigkeit, zu spielen, haben wir alle mal besessen. Jeder Mensch war als Kind voller Kreativität (oder wie man bei jüngeren Menschen sagt: Fantasie). Im Laufe des Lebens konzentrieren Menschen sich mehr und mehr auf die nützlicheren Dinge, formulieren Ziele oder – auch sehr beliebt – arbeiten am Aufbau ihrer Existenzängste. Ängste oder (gefühlte) Mangelzustände hemmen die Spielbereitschaft und stärken die Zielstrebigkeit.
In meiner vorletzten Kolumne schrieb ich:
„Spiel hilft uns nicht nur, die Welt zu erfahren und besser zu verstehen, durch Spiel, zweckentbundenes, also zielloses Verhalten, schaffen wir im besten Fall auch Neues.“
Aber ganz so einfach ist es mit der Kreativität natürlich auch nicht. Spielbereitschaft, die Bereitschaft zum ziellosen (geistigen) Umherwandern, ist nicht alles. Kreativität ist harte Arbeit, auch wenn das von außen nicht immer so aussieht.
Mein Verständnis von Kreativität sieht kurz gefasst so aus:
Eingabe und Verarbeitung kommen dem klassischen Spiel nahe. Um kreativ zu sein, muss man erst mal unzählige Eindrücke und Bilder sammeln. Mit diesen Eindrücken kann man spielen, sie neu kombinieren und sie zu verstehen versuchen. Als Kinder laufen wir mit offenen Augen durch die Welt, nehmen alles in uns auf, spielen das Gesehene nach, verdauen, variieren, kombinieren und sezieren alles immer wieder neu – und lernen so, nach und nach die Welt zu verstehen.
Im Erwachsenenalter hapert es schon bei der Eingabe gelegentlich. Wir filtern das vermeintlich Nutzlose, blenden Eindrücke aus, kneifen die Augen zusammen. Sehen muss man immer wieder neu lernen und optimieren. Maler sehen nicht nur Muster, wenn sie sich einen Sonnenuntergang ansehen, sondern auch Farbflächen. Architekten sehen Linien, wo gar keine sind. Jemand mit einem Hammer in der Hand sieht überall Nägel.
Sehen alleine reicht für die Eingabe natürlich nicht aus; das Gesehene muss verarbeitet werden. Viele sprechen in diesem Zusammenhang auch vom lebenslangen Lernen. Keine Erfindung ist aus dem Nichts entstanden, Neues entsteht immer auf den Schultern, den Vorarbeiten anderer. Zu sehen, zu verstehen, neugierig auf das sein, was andere machen, ohne Ende zu lernen – das schafft einen Strom an Eindrücken, den wir dann verdauen, verarbeiten, bebrüten und neu zusammensetzen können.
Dabei kommt, wie immer bei Verdauungsvorgängen, viel Mist heraus. Auch hier ist eine gut trainierte Mustererkennung hilfreich, um die Goldadern im Mist zu entdecken.
Muster im Chaos, im Mist zu erkennen, ist das Aha-Erlebnis der Kreativität. Nachdem man Bilder und Muster in sich aufgenommen hat, die ankommenden Daten verarbeitet, damit gespielt, sie zerschnitten und neu zusammengesetzt hat, kommt am Ende eine mickrige Idee raus. Die Ideen, die am Ende des Prozesses heraustropfen, sind das eine Prozent, das Thomas Alva Edison meinte, als er sagte, dass „Kreativität zu einem Prozent Inspiration und zu 99 Prozent Transpiration“ sei. Die restlichen 99 Prozent sind die Ausarbeitung und die Prüfung der Ideen – ob sie vielleicht doch Mist sind oder zu glänzen vermögen.
Kreative Arbeit beinhaltet viele vermeintlich nutzlose Tätigkeiten. Sie erfordert Zeit, lebenslanges Lernen, endlose Informationsaufnahme und Mustererkennung – und ist nicht immer von Erfolg gekrönt. Vor allem gibt es keine Patentrezepte für Kreativität – außer vielleicht, dass es ein Anfang sein kann, auch das Nutzlose als zielführend anzusehen, den Spaß am Spiel neu zu entdecken und eine unbändige Neugier auf die Welt zu entwickeln. Freude am Scheitern, oder besser: Wille und Bereitschaft, immer wieder zu straucheln, bis irgendwann etwas Gutes herauskommt, ist dann doch etwas, was man Talent nennen könnte.
„Dinge geregelt kriegen ohne einen Funken Selbstdisziplin“ – Kathrin Passig und Sascha Lobo haben in ihrem Buch vor 13 Jahren das „Pro“ in Prokrastination herausgearbeitet: wie man wichtige Arbeiten vor sich herschiebt und trotzdem produktiv bleibt und Sachen erledigt bekommt.
Mich hat das Buch damals tief beeindruckt, weil es mir half, eine meiner vermeintlich schlechten Charaktereigenschaften – alles so lange aufzuschieben, bis es fast knallt – zu rationalisieren und zum bewussten und produktiven Selbstbetrug zu nutzen.
Mittlerweile habe ich das Aufschieben professionalisiert. Alles, was ich erledigen muss oder will oder auch Ideen, die ich habe, schreibe ich mir sorgfältig mit Fälligkeitsdatum und Priorität in mein Erledigungsprogramm, für das ich mir sogar eine Premium-Lizenz besorgt habe.
Damit befreie ich meinen Kopf von allen dringenden und drängenden Aufgaben. Das Beste ist allerdings, dass sich Arbeit per App noch besser und einfacher aufschieben lässt als im Kopf oder auf Papier. Taucht zum Beispiel die Mahnung auf, dass ich meine t3n-Kolumne mal langsam schreiben müsste, lässt sie sich per Klick einfach auf den nächsten Tag oder die nächste Woche verschieben. Mir fällt es überhaupt nicht schwer, so eine Aufgabe mehrere Wochen vor mir herzuschieben. Der Druck kommt dann erst mit den E-Mails aus der Redaktion.
Diese Umwidmung einer To-do-App in eine To-not-do-App hilft mir nicht nur, einen freien und klaren Kopf zu behalten; viele Aufgaben erledigen sich so auch von selbst oder werden mit der Zeit egal.
Natürlich gibt es effizientere Methoden, Dinge zu erledigen. Der entscheidende Punkt ist aber nicht, welche Produktivitätsstrategie die effizienteste oder beste ist, sondern welche Methoden es mir persönlich erleichtern, die Anforderungen meines Lebens am besten auszubalancieren.
Das gilt nicht nur für Aufgabenmassen, sondern auch für die Reizüberflutung und die „Informationsgewitter“, die in der vernetzten Welt auf uns einprasseln.
Früher™, so vor 18 Jahren, als ich anfing, ins Internet zu schreiben, habe ich mich manchmal absichtlich in einen Zustand der Gereiztheit versetzt, um zu bloggen. Mangel an Dingen, über die man sich aufregen konnte, gab es auch damals nicht. Nach dem Bloggen schwoll meine selbst provozierte Aufregung immer ganz schnell ab. Später habe ich meine Strategie geändert; ich schrieb weiterhin über Dinge, die mich aufregten, versuchte sie aber so weit zu differenzieren, dass mein Ärger schon beim Schreiben verflog. Das Bloggen wurde für mich zu einer Art Verdauungsvorgang, mit dem ich die digitalen Reize relativ einfach runterkühlen und mich so auf den Rest meines Lebens oder das nächste Reizthema konzentrieren konnte.
Mittlerweile blogge ich fast nur noch aufschiebend: Ich setze mir Lesezeichen und notiere mir Sachen, über die ich schreiben könnte, und schiebe sie dann vor mir her – bis ich sie im Backlog vergesse: backloggen statt webloggen.
Das Ergebnis bleibt das gleiche: Ich rege mich kaum noch auf; die Empörungswellen auf Twitter beobachte ich zwar, lasse sie aber an mir vorbeiziehen. Dem politischen Geschehen folge ich, schaffe es aber nicht, mich darüber aufzuregen. Ich weiß, dass eh alles komplizierter ist, als es scheint, und es fahrlässig wäre, sich vorschnell Meinungen zu bilden. Deshalb plane ich dann meist die Meinungsbildung für einen späteren Zeitpunkt. So schiebe ich nicht nur dringende Arbeiten vor mir her, sondern auch die Aufregung.
„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, sagt der Volksmund, dem ich hier offiziell widersprechen möchte:
Zunächst ist Aufgeschobenes in meiner Erledigungsliste sehr wohl gut aufgehoben. Und andererseits macht Aufschieben den Blick frei für das Wesentliche. Aufschieben entlastet – zumindest temporär – und lässt einen die Dinge, hinter denen Druck steht, entspannter, ruhiger und pragmatischer angehen. Den Kopf freizumachen von vermeintlich dringenden Aufgaben, falschen Meinungen anderer, vom schnellen Meinungsäußerungsdruck – das könnte man auch innere Ruhe, Mindfulness oder Achtsamkeit nennen. Ich nenne es lieber Prioritätensetzen durch Schieben und milden und gezielten Selbstbetrug. Durch diese „Filtersouveränität“ (selbstgemachte Definition!) lassen sich Stress, Aufregung oder Gereiztheit zeitlich und räumlich eingrenzen und ein bisschen steuern.
ich sitze im sessel und gucke fern. die beifahrein bringt mir eine schüssel mit nachtisch: getrocknete mango und ananas, nüsse und schokolade. #frida soll auf der decke liegen, tut sie auch, schaut mich mit grossen augen an, aber bettelt nicht. ich freu mich als sie irgendwann sogar den kopf abwendet und auf den boden legt.
ich öffne mein handy und die home-app mit der kamera in dem raum in dem #frida gerade liegt, quasi neben dem nachtisch, und gehe aufs klo.
sie bleibt liegen, für ne weile, steht dann aber auf und schnüffelt in richtung nachtisch-schüsselchen. ich rufe aus dem bad ruhig aber deutlich: „nein! leg dich wieder hin!“ nach den obligatorischen 10 sekunden die sie nach aufforderungen ohne körpersprachlichen zusatzdruck vergehen lässt, legt sie sich wieder hin.
damit hat sie sich ne nuss verdient, die hoffentlich nicht die ganzen erziehungsmassnahmen wieder kaputtmacht. bin trotzdem so stolz, dass ich mich bemüssigt fühle das aufzuschreiben. und wenn ich gerade dabei bin …
heute früh hätte ich sie auch knutschen können. auf dem heimweg vom morgendlichen spaziergang und training fand sie einen grossen, abgenagten hühnerknochen. mein „nein!“ liess sie (beim schnüffeln) zögern, aber vom knochen liess sie noch nicht ab. noch ein „nein!“ half immer noch nicht, sie schnüffelte weiter dran, erst ein drittes „nein!“ mit einem leichten leinenrückeln (am geschirr) war nötig bis sie abliess.
10 meter weiter wieder ein hühnerknochen. diesmal hab ich ihn zuerst gesehen und konnte sie schon „neinen“, als sie sich mit der nase näherte. da liess sie gleich vom knochen ab. ich hatte nur noch trockenfutter als leckerchen dabei, aber davon hat sie dann ein paar bekommen.
auch erfreulich: seit ner weile scheinen wir frida so weit auszulasten, dass sie in der wohnung wirklich total entspannt. morgens zwischen sechs und sieben gehe ich mit ihr für ne stunde und ungefähr 5 kilometer raus, einmal von zuhause durch den goethepark und die rehberge. unterwegs, meistens im goethepark, bekommt sie ihr halbe futterportion im futterbeutel, die sie sich durch bleiben beim werfen und ordentliches apportieren erarbeiten muss. das futterbeuteln variiere ich, lass sie sitzen und versteck den beutel (der beutel riecht mittlerweile so stark, dass sie ihn riecht, wenn sie einen meter an ihm vorbei läuft) oder häng ihn in bäume.
eine kleine portion dosenfutter kann sie sich durch ordentliches apportieren ihres lieblingszerrspielzeugs, dem ball mit der schnur, erarbeiten. ausserdem vertiefe ich draussen die tricks die wir gerade trainieren, dabei kann sie sich dünne scheiben eines kleinen geflügelwürstchens erarbeiten; derzeit üben wir „pfötchen“ (rechte hand geben, funktioniert fast perfekt), „hand“ (linke hand, klappt schon in ansätzen), platz aus dem lauf, down aus dem platz (kinn auf den boden, diekt vor mir und aus der distanz, klappt super weil sie das selber ständig macht, sobald sie andere hunde sieht), achten durch die beine laufen (fast perfekt, nur am tempo müssen wir noch arbeiten), „around“ (von links nach rechts um hindernisse/bäume laufen, klappt super, mit bis zu 5 metern abstand zum hinderniss), „circle“ (von rechts nach links um hindernisse laufen, klappt in ansätzen). was auch endlich klappt: sitzen und hinlegen aus der distanz, das war ein langer weg, den durchbruch hat das werfen der belohnung hinter sie gebracht, damit hat sie verstanden, wenn der rechte arm oben ist, muss sie nicht erst zu mir kommen fürs sitzen oder platzen.
den rest des geflügelwürstchen bekommt sie fürs streckenweise „bei mir°“ laufen („fuss!“ mögen wir ihr nicht sagen oder beibringen), für sauberes „stopp!“ auch aus der distanz.
auch wenn sie zuhause (mit ein paar ausnahmen) nichts mehr zu fressen bekommt, sondern sich ihr essen eben nur noch draussen erarbeitet, motiviert sie das essen gar nicht so sehr. den rückruf haben wir mit allen möglichen super-foods aufgebaut, leberwurst, dosenfutter, getrockneter fisch, aber richtig tempo ist erst mit dem ball mit der schnur reingekommen. die aussicht auf ein gediegenes zerrspiel mit dem ball lässt sie wirklich den turbo beim rückruf einschalten, genauso beim curving (um hindernisse laufen). zerren ist das tollste. drinnen läuft das wild, aber sehr sehr gesittet ab, draussen dreht sie beim zerren wirklich auf 180 auf. aber sie lässt sich auch draussen, mit einem leisen „aus!“ unterbrechen und mittlerweile lassen sich dann in den kurzen, angespannten pausen sogar tricks abrufen:
heute beim zerren: „aus!“, „sitz!“ führte zu angespanntem, zitternderndem sitzen und starren auf den ball hinter meinem rücken und ich wagte noch einen drauf zu setzen: „pfötchen!“ — ohne den blick abzuwenden legte sie die rechte hand in meine linke und sprang wie ein tiger in richtung ball als ich leise mit „OK“ auflöste.
diese kleinen gesten und kleinen erfolge machen mich wirklich glücklich und ich glaube frida machen sie auch spass. ich weiss, dass pudel einen ausgeprägten „will to please“ haben sollen, aber ich beobachte das (ganz leicht) abweichend: ich habe das gefühl, dass frida sachen gerne richtig machen würde und nur frustriert ist, wenn sie mich nicht versteht (ich mich nicht deutlich oder eindeutig genug ausdrücke). das ist dann weniger: „was soll ich denn jetzt machen?“ als viel mehr frust weil sie mich nicht versteht. letztendlich ist das neben dem „will to understand“ natürlich auch „will to please“, also der wille sachen so zu machen wie ich es will.
jedenfalls scheint sie das gut auszulasten, wenn wir gegen acht zurück sind schläft sie meistens bis 10 oder 11 uhr, geht kurz gassi und schläft dann mehr oder weniger bis 14 oder 15 uhr durch. in den gassi-runden klappt’s auch perfekt mit der leinenführigkeit, bzw. da ist dann nicht viel zu führen, weil sie dann einfach perfekt neben mir hertrottet. auf dem weg zum park ist ihr vorfreude immer so gross, dass ich sie immer wieder daran erinnern muss, dass auf dem bürgersteig ihr platz neben mir oder nahe mir ist.
ab 15 uhr will sie spätestens wieder beschäftigt werden. meisten üben wir dann weiter tricks (im moment rückwärts gehen, über mein bein springen, links/rechts unterscheiden lernen, männchen im sitzen ohne abstützen).
danach wird weitergeschlafen oder entspannt rumgeräkelt, bis 16 oder 17 uhr, wo dann die beifahrerin mit ihr eine stunde in die rehberge geht. eigentlich war das immer so gegen 17/18 uhr angesagt, aber die sommerzeit sorgt dafür dass es gegen 18 uhr schon dunkel ist, also müssen die beiden früher los. unterwegs mit der beifahrerin spielt frida dann oft mit anderen hunden fangen und frisst ihren zweiten futterbeutelinhalt. danach schläft sie im prinzip durch bis 6 uhr morgens, unterbrochen mit ein paar abendlichen kau-sessions an holzknochen oder rotwild-hörnern, fernsehen schaut sie auch gerne und aufmerksam.
was hingegen noch gar nicht klappt ist trennung. wenn ich oder die beifahrerin alleine mit ihr los gehen, ist das kein problem, dass einer zuhause zurückbleibt. aber wenn wir zusammen gehen und uns trennen weil einer noch was erledigen muss, fällt ihr das sehr schwer. sie meint dann die herde zusammenhalten zu müssen, obwohl sie uns mittlerweile durchaus die meisten entscheidungen zutraut und uns überlässt. uns zu trennen, auch nur für kurze zeit, hält sie für eine falsche entscheidung die sie korrigieren muss. auch wenn einer von uns die wohnung ohne sie verlässt erzeugt das grosse frustration bei ihr, obwohl ihr die erfahrung sagt, dass wir immer zurückkommen. immerhin verlässt sie die wohnung erst nach aufforderung, obwohl sie mit sicherheit am liebsten immer mit rausstürmen würde.
sehr froh sind wir auch dass frida kaum bellt. gelegentlich bellt sie wenn überhaupt aus frust oder übererregung, meistens beim fangen spielen, wenn ein anderer hund mal schneller als sie ist, oder manchmal, wenn sie mich beim training nicht versteht. gelegentlich bricht ein kurzes bellen aus ihr heraus wenn sie jammert dass jemand ohne sie die wohnung verlassen hat. türklingeln macht sie neugierig, aber weil wir ihr sehr deutlich machen, dass das unser besuch ist (und nicht ihrer) bleibt es bei neugierde (statt eskalierender freude). fremde menschen findet sie grundsätzlich toll, auf der strasse teilweise sogar toller als fremde hunde. als kürzlich ein fremder mensch durch unsere wohnung lief (um sie zu vermessen) ignorierte sie den (nachdem wir sie ins körbchen beordert hatten) genauso entspannt wie wir und kaute auf ihren hölzern rum.
aggressivität haben wir bei frida noch nicht beobachtet, angst eigentlich auch nicht. sie mochte zwar für eine weile nicht besonders gerne über holzbrücken gehen, vor allem wenn die spaltmasse grösser als ein paar millimeter waren, aber irgendwann vergass sie das einfach. offene treppen findet sie unheimlich, aber in der sächsischen schweiz hat sie sich nach anfänglichem zögern entschlossen die doch zu begehen, wenns sie nicht höher als 5 stufen waren. höhen sind ihr unheimlich, aber das hindert sie nicht an jedem, wirklich jedem abgrund (vorsichtig) nach unten zu schauen. grosse hunde, auch sehr grosse, flössen ihr merklich respekt ein, aber ihre skepsis wurde bis jetzt immer von ihrer neugier weggespült. meistens zögert sie nur kurz bei dingen oder lebewesen die ihr unheimlich sind und nähert sich den dingen dann aus eigenem antrieb. es hilft ihr wenn ich signalisiere oder sage, dass alles ok ist, aber eigentlich braucht sie mich nicht um sich zu überwinden.
im gegenteil: kürzlich gingen wir an einer frau vorbei, die in eime rollstuhl sass. frida stoppte mich, sah zu mir und dann zur frau. die frau meinte, dass sie, wie andere hunde, wohl angst vor dem rollstuhl habe, aber tatsächlich war sich frida nur unschlüssig ob ich es ihr erlauben würde die frau auf leckerchen zu untersuchen. auf mein signal, dass sie ruhig mal hingehen könne, sprang sie fröhlich am rollstuhl entlang, sagte hallo und schaute ob die bauchtasche der frau vielleicht nach leckerchen roch. tat sie nicht; weiter gings.
Ich bin alt und erfahren genug, um zu wissen, dass auch ich manipulierbar bin. Als wir in der Schule Werbung analysiert und über ihre Strategien und Funktionsweisen gesprochen haben, war ich eine Zeit lang überzeugt, dass mich diese paar Wissensbrocken gegen Werbebotschaften immunisieren würden. Was natürlich Quatsch ist. Werbung wirkt – und zwar immer an anderen Stellen, als wir antizipieren oder zu wissen glauben. Genauso wie Alkohol wirkt: Das Wissen um seine Schädlichkeit macht mich beim Trinken weder zurückhaltender noch nüchterner.
Natürlich wird auch Spaß zur Manipulation eingesetzt; das wussten schon die römischen Kaiser, die sicher nicht als erste die politische Dimension von Spielen (und Getreide) erkannten. Auch ich lasse mich gerne auf Spiele ein, hinter denen Profitinteressen, Manipulation oder Aufmerksamkeitslenkung erkennbar sind. So habe ich vor einigen Jahren bei Foursquare mitgemacht und Check-ins und ein paar Mayorships gesammelt. Auch auf Facebook und Twitter habe ich ein paar Jahre lang bei der Jagd auf Favs und Likes mitgespielt, fand dann aber irgendwann Beschäftigungen, die mich mehr interessierten.
Spielen zur Verhaltensformung wird auch intensiv in der Hundeerziehung eingesetzt. Das ist für Hunde eine gute Nachricht, weil man früher glaubte, (vermeintlichen) Gehorsam am besten über Zwang, Strafe und Dominanz zu erreichen. Gezielt gelenktes Spiel und positive Verstärkung haben die alten Erziehungsmethoden – zumindest bei Hunden – mittlerweile weit zurückgedrängt. Und wie man in diesem Heft lesen kann, haben viele Unternehmen erkannt, dass sich geschickt gelenktes Spiel und Spaß positiv auf die Unternehmensziele, Werbeerlöse oder das Erreichen von gewünschten Verhaltensweisen auswirken können. Das ist für uns Menschen nicht unbedingt eine gute Nachricht, auch wenn Gamification, Nudging, Brot und Spiele sicher angenehmer als Peitsche oder Geheimpolizei sind.
Der Knackpunkt beim Spielen, bei der Unterhaltung und dem Vergnügen ist, dass sie sich relativ schnell abnutzen und die Ansprüche immer weiter steigen – zumindest wenn man Menschen zum Spielen animieren will (Hunde sind da genügsamer). Irgendwann ist jedes Spiel durchgespielt, und schlecht gestaltete und angelegte Spiele spielt eh keiner lange.
Dass das Volk nach immer neuen Vergnügungsformen giert, bekamen bereits die römischen Kaiser zu spüren. Für ein paar Jahre fand der „Plebs“ Gefallen daran, dabei zuzusehen, wie ein paar Gladiatoren dazu gezwungen wurden, sich gegenseitig abzustechen oder in der Arena wilde Tiere zu töten. Aber das reichte relativ schnell nicht mehr. Karl-Wilhelm Weeber schreibt in Panem et Circenses, dass viele Kaiser deshalb darin wetteiferten, „ihre Vorgänger an Pracht, Ausstattung und Häufigkeit der Spiele zu übertrumpfen“.
Beim modernen Kaiser Zuckerberg verhält es sich ähnlich: Wenn Facebook nicht ständig konkurrierende Spaß- und Unterhaltungs-Unternehmen kauft oder kopiert, wendet sich das Publikum ab.
Was Machthaber unbedingt verhindern wollen, ist für das Volk dabei eine Chance: Mal nach eigenen Spielregeln zu spielen. Überhaupt spielen zu können, ist nämlich eine der großen Stärken der Menschheit. Neben Hunden und einigen Haustieren sind Primaten eine der wenigen Tierarten, die bis ins hohe Alter gerne spielen. Durch Spielen erfahren und eignen wir uns die Welt auch im Erwachsenenalter an.
Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga behauptete schon 1938 in Homo Ludens, dass das Spiel neue Welten jenseits der Alltagswelt hervorzubringen vermag, gerade weil es etwas Überflüssiges ist. Spiel, schreibt er, treibe die kulturelle Entwicklung in den unterschiedlichsten Bereichen – von Recht über Wissenschaft bis zu Dichtung und Kunst – voran.
Vorgefertigte Spiele mitzuspielen, sich auf gamifiziertes Gedöns einzulassen, hilft sicher beim Verständnis der Welt, aber selbstbestimmtes Spiel nach eigenen Spielregeln schafft potenziell Neues, inspiriert die Kreativität — und wer frei spielt, lernt, sich selbst zu manipulieren, statt sich nur von anderen lenken zu lassen.
Denn: Wer nach eigenen Regeln spielt, belohnt sich selbst und ist nicht darauf angewiesen, Belohnungen im Netz oder auf der Arbeit hinterherzuhetzen.
Der Firnis der Zivilisation ist extrem dünn. Mir fiel das zum ersten mal 1992 auf, nach den gewalttätigen Unruhen in Los Angeles. Die Unruhen brachen aus, nachdem Polizisten den Afroamerikaner Rodney King bei einer Verkehrskontrolle schwer misshandelten und hielten mehrere Tage an. Am Ende gab es über 50 Tote und mehrere tausend Verletze zu beklagen. Mir wurde klar, dass unsere politische und wirtschaftliche Ordnung keinesfalls so stabil sind, wie ich mir das bis dahin gedacht hatte. Mich haben die Unruhen von Los Angeles politisch sensibilisiert.
Die Corona-Krise dürfte ein ähnliches Potenzial haben. Sie könnte uns dafür sensibilisieren, dass nicht nur die gesellschaftlichen Verhältnisse auf wackeligen Füssen stehen, wenn wir sie nicht aktiv stützen, sondern dass wir, trotz enormen Fortschritten in Wissenschaft und Technik, immer noch ein verletzlicher Teil der Natur sind. Corona erinnert uns daran, dass die Kraft der Natur alles andere als gebändigt haben, wir sind ihr, wie die Menschen vor Jahrhunderten, immer noch grösstenteils ausgeliefert.
Vor Corona hatte ich immer wieder das Gefühl, insbesondere bei Diskussionen um den Klimawandel, dass viele Menschen glaubten, das wir den Klimawandel, die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, schon irgendwie mit Technologie in den Griff zu bekommen. Corona hat uns gelehrt, dass wir allein mit Wunschdenken, Technikgläubigkeit oder konzentriertem Optimismus den Fortbestand unserer Zivilisation nicht sichern werden.
Corona hat aber auch gezeigt, dass wir angesichts akuter Gefahrenlagen als Gesellschaft durchaus zu Verzicht und vernunftbasiertem Handeln fähig sind. Marktliberale haben es für lange Zeit als Ding der Unmöglichkeit angesehen, dass Menschen dazu bereit wären Einschränkungen ihrer Lebensqualität hinzunehmen um andere zu schützen oder globale Gefahren abzuwehren.
Corona öffnet die Chance uns daran zu erinnern, dass die Zukunft prinzipiell nicht planbar ist und dass der Markt allein weder die ökonomischen oder gesellschaftlichen Folgen eines Virus abwehren, noch den Klimawandel stoppen kann. Es gibt keine Alternative zum gemeinschaftlichen Handeln, zur Vernunft, zu Solidarität, also zum Staat und zur Zivilgesellschaft.
Der weltweite Vernunftausbruch, den wir zur Zeit erleben, sinkende Luftverpestung, weil viele aufs Autofahren und Fliegen verzichten, die Erkenntnis, dass man auch in Datennetzen Geschäfts- und Sozialkontakte pflegen und aufbauen kann, die Popularisierung des bargeldlosen Bezahlen und des Gesichtsschleiers, könnte aber auch ein jähes Ende erleben, wenn wir nicht auf der Hut sind.
1973 zum Beispiel, als Deutschland in einer Wirtschaftskrise steckte und der Jom-Kippur-Krieg denn Ölpreis explodieren liess, verordnete die Bundesregierung deutschlandweit Fahrverbote und ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen.
Offenbar brachte das Sonntagsfahrverbot eine Ersparnis beim Benzinverbrauch von 7 bis 12 Prozent. Viele sparten Strom, drosselten die Heizung und hielten das Tempolimit ein. Aber diese ökonomische und ökologische Sensibilität hielt nicht lange an. Schon wenige Wochen später, als der Krieg im Nahen Osten vorbei war, wurden die Fahrverbote und Tempolimits in Deutschland wieder aufgehoben, als sei nichts gewesen. Im europäischen Ausland, um Deutschland herum, blieben die Tempolimits übrigens bestehen, in Deutschland wagte man sich seither selbst bei weiteren Öl- und Ökokrisen nicht mehr ans Tempolimit heran.
Aber vielleicht bleibt ja doch etwas vom Corona-Vernunft- und Solidaritätsausbruch hängen. Zum Beispiel:
die Erkenntnis, dass Verzicht nicht nur Verlust bedeutet, dass tiefgreifende Veränderungen am Lebenswandel durchaus von einer breiten gesellschaftlichen Mehrheit getragen werden können — wenn die Gründe nachvollziehbar und vernünftig sind.
dass das Internet, ordentlicher Zugang zum Netz, ein unveräußerliches Grundrecht ist, dass gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht und nicht einfach gesperrt oder wegen Infrastrukturengpässen verwehrt oder kaputtgedrosselt werden darf.
die Erkenntnis das Homeoffice, oder wie man früher, zu Zeiten der Ölkrise, sagte, Telearbeit, nicht nur ein Incentive für Mitarbeiter ist, sondern dass die Möglichkeit seine Arbeitnehmer dezentral und ortsunabhängig einzusetzen ein handfester Wettbewerbsvorteil für Unternehmen ist.
Was allerdings mit ziemlicher Sicherheit bleiben wird, bei allen künftigen Krisen: die Angst ums Klopapier.
diese kolumne erschien zuerst in der t3n 06/2020 und auf t3n.de.
Ich war bis zur achten Klasse ein ziemlich schlechter Schüler. Als ich in dieser Zeit über mein Leben nachdachte, war ich empört bei dem Gedanken, nach all diesen Jahren in der Schule noch mal vier bis fünf weitere Jahre lernen zu müssen. Was ist das für ein Leben, in dem man seine besten Jahre der Schule opfert?
Irgendwann habe ich dann doch die Lust am Lernen entdeckt und Abitur gemacht. Danach war mir aber nach etwas Praktischem, Unintellektuellem zumute – nach einer Lehre als Schreiner. Die Arbeit gefiel mir, aber ich fragte mich irgendwann: Was ist das für ein Leben, in dem man seine Gesundheit, seinen Körper so für den Job schinden muss?
Während der Lehre und auch später als ich doch noch zur Uni ging, sehnte ich mich nach einem Bürojob. Und jetzt, wo ich einen Bürojob habe, sehne ich mich immer wieder nach praktischer, handwerklicher Arbeit, bei der ich meinen Kopf nicht übermäßig beanspruchen muss.
Diese Sehnsucht nach dem jeweils Anderen hat mich – egal was ich in meinem Leben gerade tat – immer begleitet. Auch jetzt, wo ich den Redaktionsschluss für diese Kolumne schon lange überschritten habe, stelle ich mir vor, wie ein Leben als Busfahrer wohl wäre – und ob das nicht insgesamt entspannter wäre.
Weil ich irgendwann gemerkt habe, dass ich eigentlich immer irgendwie unzufrieden mit dem war, was ich gerade tat, habe ich mir Nebentätigkeiten zum Ausgleich gesucht. Statt von meinem Arbeitgeber zu erwarten, dass er mir einen Job anbietet, der alle meine Bedürfnisse befriedigt, konzentriere ich mich lieber darauf, mir Beschäftigungen zu suchen, die meine vom Job nicht erfüllten Bedürfnisse befriedigen.
Das Ergebnis überrascht mich immer wieder selbst: Obwohl ich in den vergangenen 14 Jahren möglicherweise nicht immer hundertprozentig zufrieden mit meinem Job war, habe ich kaum das Bedürfnis, ihn zu wechseln oder neu anzufangen. Wichtiger noch: Ich definiere mich mehr und mehr über meine Hobbies statt über meinen Broterwerbsjob. Ich sehe mich eher als Neuhundebesitzer oder als jemand, der ins Internet schreibt und zum Thema Heimautomatisierung forscht, als jemand, der Webentwicklungsprojekte leitet und koordiniert.
Wahrscheinlich ist es mit dem Traumjob ähnlich wie mit der Liebe: Weder das eine noch das andere passieren einem einfach so – zumindest nicht auf Dauer – sondern sind das Produkt von intensiver Arbeit an sich selbst und der Beziehung. Weder in der Liebe noch im Job kann man erwarten, dass allein die andere Seite alles tut, damit man sich ganz und gar wohlfühlt. Wenn man sich nicht (auch) um sich selbst kümmert, an sich arbeitet, ständig dazulernt und seinen Bedürfnissen Raum verschafft, verdörrt die Beziehung beziehungsweise die Freude am Job.
Man soll zwar nicht von sich auf andere schließen, aber ich vermute, dieses Phänomen kennen auch andere Menschen. Vor allem vermute ich aber, dass die Unzufriedenheit mit dem, was man gerade tut, oder zeitweilige Überforderung nur bedingt mit den äußeren Umständen zu tun haben – oft liegt die Antwort eben in einem selbst.
Nicht jede Tätigkeit, nicht jeder Job kann alle eigenen Interessen bedienen, egal wie sich der jeweilige Arbeitgeber oder Partner anstrengt, einen an sich zu binden. Nicht immer ist ein Neuanfang die Lösung, wenn der Job (oder die Beziehung) nervt. Vereinfacht gesagt: Frage dich nicht nur, was andere für dich tun können, sondern was du für dich selbst tun kannst.
Bildlich gesprochen: Wer seinen Job satt hat, könnte mal einen Kuchen backen. Nicht für die Kollegen, sondern für sich selbst.
Viele Menschen sagen ja, der Weg sei das Ziel. Das stimmt natürlich nur bedingt. Wenn man auf dem Weg zur Arbeit ist, will man in der Regel nichts anderes, als zur Arbeit zu kommen und möglichst nicht über den Weg nachdenken. Wenn ich aber über diesen Spruch nachdenke, erkenne ich meinen Arbeitsweg als eine der wenigen Gelegenheiten in meinem Alltag, mich überhaupt zu bewegen oder körperlich zu betätigen.
Es gibt ja nicht wenige Menschen, die ihre körperlichen Aktivitäten, die Arbeit und den Weg dorthin entkoppeln. Sie stehen extra früh auf und laufen („joggen“) um ihren Wohnort herum, um sich dann wieder über mehr oder weniger viele Kilometer hinweg bewegungslos dasitzend in rollenden Stahlkästen zur Arbeit bringen zu lassen.
Ich habe mich schon immer gefragt: Warum laufen die Menschen um ihren Wohnort herum, warum fahren Menschen in Fitnessstudios und rennen dort auf Bändern oder fahren auf festgeschraubten Rädern, statt direkt zur Arbeit (und zurück) zu laufen oder Fahrrad zu fahren?
Ja, ja, ich weiß: Es kann sein, dass der Weg zur Arbeit einfach zu weit ist, es kann sein, dass es am Arbeitsplatz keine Möglichkeit gibt, sich umzuziehen oder zu duschen. Es kann sein, dass die meisten Menschen immer noch Sport und Arbeit sauber voneinander trennen wollen, auch wenn die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zunehmend verschwimmen.
Der Neurowissenschaftler Shane O’Mara meint übrigens, dass unsere Gehirne dann am besten funktionieren, wenn wir in Bewegung sind. Unsere (und alle anderen) Gehirne hätten sich entwickelt, damit wir uns bewegen können, damit wir jagen, weglaufen, flüchten, migrieren oder zur Arbeit gehen können. Unsere Körper wurden konstruiert, um sich zu bewegen – nicht, um am Computer zu sitzen.
Im Prinzip sind wir Menschen perfekte biologische Laufmaschinen, deren kognitive und kreative Fähigkeiten beim Gehen zu Höchsttouren auflaufen. Friedrich Nietzsche ging sogar so weit, zu behaupten, dass „nur die ergangenen Gedanken“ Wert hätten.
Seitdem ich in Festanstellungen in Büros arbeite, beinhaltete mein Weg zur Arbeit immer auch längere Fußwege. Das größte Stück des Arbeitsweges lege ich mit der Bahn zurück, die letzten zwei bis drei Kilometer Anschlussstrecke laufe ich.
Seit ich diese gegangenen Arbeitswege elektronisch mit einer Smartwatch erfasse, sehe ich auch, dass ich mit diesen Fußstrecken mein Aktivitäts-Minimum erfülle. Die Uhr ordnet die Wege von der U-Bahn zur Arbeit als „Training“ ein, weil sich meine Herzfrequenz dabei ein bisschen erhöht.
Was meine Armbanduhr allerdings nicht messen kann, ist die Denkarbeit, die ich zu Fuß auf dem Weg zur (oder von der) Arbeit erledige. Meistens denke ich aus Versehen über den kommenden Arbeitstag nach, strukturiere ihn (manchmal unbewusst) ein bisschen vor oder rekapituliere.
Gerade weil mir diese Wege Gelegenheit geben, nachzudenken, mich zu sammeln und ich die Welt, die Jahreszeiten oder Veränderungen auf dem Arbeitsweg beobachten kann, habe ich sie nie als Belastung empfunden. Im Gegenteil, die Vorstellung, dass ich den Gang ins Fitnessstudio spare, weil ich ein paar Haltestellen früher aussteige und auf den Bus verzichte, befriedigt meinen Effizienz-Fetisch.
So mag ich dann auch die Effizienz des Gehens: Es bringt den Geist auf Touren — den Kreislauf auch ein bisschen —, spart potenziell den Umweg ins Fitnessstudio und lässt sich prima in den Alltag integrieren. Und Nietzsche befürwortete es.
Warum also auf dem Arbeitsweg nicht ein paar Haltestellen vorher aussteigen? Warum das Auto nicht zwei, drei Kilometer von der Arbeit entfernt parken? Warum nicht mit dem Fahrrad zur Arbeit? Warum beim Arbeitgeber nicht auf die Einführung von Umkleideräumen und Duschen drängen?
Der Weg zur Arbeit ist nicht das Ziel, aber vielleicht ein Weg, etwas mehr Bewegung und Gesundheit in den Büroalltag zu bringen.
ich bin immer wieder selbst erstaunt was passiert, wenn man mit daten nicht sparsam umgeht und die einfach alle sammelt. je mehr daten man aggregiert, zum beispiel mit sensoren in der wohnung, desto mehr erkennt man, was diese daten alles über einen verraten (können).
das ist ein bild einiger der sensoren die ich unter meiner bettseite untergebracht habe. einen gewichtssensor, von dem ich die bett-belegung ableite, einen (relativen) luftfeuchtigkeitssensor und temperatur-sensor (nicht im bild) und zum vergleich einen luftfeuchtesensor im raum.
man erkennt allgemein dass ich meisten nicht länger als sechs stunden schlafe und dass ich meinen schlaf regelmässig nachts kurz unterbreche, meisten für einen toilettengang, manchmal auch um zu sehen, ob jemand im internet etwas falsches geschrieben hat. man sieht, dass wir das wochenende in der rhön waren (und ich nicht in meinem bett) und dass ich donnerstag einen freien tag hatte (und mittagsschlaf gemacht habe).
ausserdem sieht man ab dienstag den typischen verlauf eines grippalen infekts: ich lag seit dienstag fast die ganze zeit im bett, schlief dienstag und mittwoch nie länger als 2 stunden, dafür schlief ich aber nach 2 tagen infekt, in der nacht von mittwoch auf donnerstag wieder länger, dafür sehr, sehr stark schwitzend.
ich finde das enorm faszinierend, gleichzeitig aber auch beunruhigend. denn das sind nur die werte der sensoren die ich selbst kontrolliere und lokal, bei mir zuhause speichere. all die anderen sensorwerte die in dieser zeit von anderen gesammelt wurden, dürften ähnliche schiussfolgerungen erlauben (felix schwenzel war vom 24. bis zum 26. september bettlägerig):
google maps hat drei tage lang keine aktivitäten festgestellt
ich habe heute hausärzte gegoogelt
netflix und unser fire tv haben tagsüber mehr aktivitäten festgestellt als sonst unter der woche üblich
meine apple watch und mein telefon haben kaum (körperliche) aktivität von mir festgestellt und durchgehend eher niedrigen puls gemessen
amazon dürfte in den letzten tagen zum ersten mal seit längerer zeit wieder e-book-downloads in meinen kindle apps beobachtet haben
vor etwas über einem jahr hat mich tado zu einer veranstaltung im vorfeld der ifa eingeladen, in dem tado seine v3-heizungsventile vorstellte und (unter anderem) einen „auto assist skill“ einführte. auto assist sollte das, was eine der herausragendsten und angenehmsten qualitäten der tado heizungssteuerung ist, zu einem kostenpflichtigen abo machen.
statt dass man wie bisher seine heizungssteuerung nach der installation von tado vergessen konnte und sich auf die wirklich gute präsenzerkennung und anwesenheitsgesteuerte heizungssteuerung verlassen konnte, dachte sich tado: das kann man doch komplizierter machen.
wenn alle bewohner mit dem neuen system die wohnung verlassen haben, schaltet sich die heizung nicht einfach ab, sondern die tado app schickt einem eine nachricht und fragt, ob man nicht die heizung abschalten wolle. kommt ein bewohner umgekehrt nach hause, sagt tado per mitteilung: „Willkommen zu Hause“ und fragt ob man vielleicht die heizung einschalten möchte. das kann man dann machen, indem man die app öfffnet und — i shit you not — einen button klickt.
für 25 euro pro jahr oder 3 euro mpro monat kann man sich von dieser last befreien und auto assist aktivieren.
tado hat diese praxis nach einiger empörung für bestandskunden (halb) zurückgezogen und nachdem ich zweimal nachhakte, ob ich als v2-bestandskunde den auto-assist-skill künftig wieder ohne abo nutzen könnte, hatte mir die pressestelle am 15. mai 2019 versprochen das zu tun, das sei kein problem.
ich hatte vor der ifa 2018 von tado ein v3-thermostat zum testen geschenkt bekommen, was mich für die v3-app-version qualifizierte und mir die automatikfunktionen in der app abdrehte. weil das noch vor dem vor dem rückzieher war und ich das natürlich auch testen wollte, hatte ich mir ein jahresabo gekauft. letzten monat, pünktlich zur diesjährigen ifa, lief mein auto-assist-abo aus und meine tado-installation funktionierte seitdem wie für einen neukunden: nicht mehr vollautomatisch. die versprochene freischaltung seitens tado blieb offenbar aus, wofür ich verständnis habe, da hat irgendwer was vergessen oder irgendein technischer grund wird verhindert haben, das bereits im mai zu konfigurieren.
mir war das aber trotzdem zu blöd hier nochmal nachzuhaken, weil ich das gefühl habe eh viel zu oft bei tado nachzuhaken. ausserdem habe ich mir gedacht, das müsste sich doch auch kostenlos automatisieren lassen.
tatsächlich ist die inoffizielle tado-API recht gut dokumentiert und für alle grossen heimautomatisierungplattformen gibt es implementierungen um tado-thermostate per API, also mit eigenen automatisierungslösungen, zu steuern (zum beispiel mit home-assistant). allerdings ist die auto-assist steuerung per API bisher nirgendwo dokumentiert, das musste ich also selbst rausfinden, was dank tado web-anwendung auch nicht allzu schwer ist. ich habe einfach beobachtet, was die web-app im hintergrund macht, wenn ich den „ich bin zuhause“-button in der (web-) app klicke.
es ist also eigentlich nichts weiter als ein „PUT“ aufruf der API unter dem API-endpunkt
https://my.tado.com/api/v2/homes/123456/presence
mit einem payload
{"homePresence":"HOME"}
oder
{"homePresence":"AWAY"}
weil pytado diesen endpunkt und diese methode noch nicht kennt, habe ich meine kopie von pytado entsprechend erweitert und kann der tado-API für meine home-id (die nicht 123456 lautet) den home-presence-status per kommandozeile mitteilen.
das problem ist allerdings, dass die API den AWAY-status nicht akzetiert, wenn das system sich gerade im HOME-status befindet. dann liefert die API einen HTTP Error 422 zurück, sagt also: das geht so nicht. tatsächlich kann man den präsenz-status erst auf „AWAY“ stellen, wenn alle tado-nutzer (oder deren handys) die wohnung verlassen haben.
dann, wenn alle „AWAY“ sind, liefert ein GET-request an
um den auto-assist-skill zu simulieren mache ich also folgndes:
ich frage alle 10 minuten ab und
lasse den status oder in einen home-assistant-sensor fliessen und
immer dann, wenn sich der wert von zu ändert (oder umgekehrt), kann ich eine automation triggern, die per den -status umschaltet
interessant ist, dass ich den -status offenbar immer auf HOME stellen kann, AWAY lässt sich nur aktivieren, wenn alle nutzer auch wirklich weg sind, bzw. ist.
damit man das ohne fummelei umsetzen kann, müssen die gängigen tado-API-bibliotheken noch um die beiden endpunkte und angepasst werden, ich werde in den nächsten wochen mal probieren, ob ich für pytado einen entsprechenden pull-request gebacken bekomme.
ich verstehe, dass der auto-assist-skill eine (wahrscheinlich) wichtige einnahmequelle für tado ist, die ihr geschäft wohl nicht alleine durch hardware-verkäufe oder service-angebote finanzieren können oder wollen. aber ich glaube auch, dass leute, die sich die mühe machen eine anbindung an die tado-API zusammenzufrickeln oder es schaffen eine heimautomatisierungslösung wie home-assistant bei sich zuhause zum laufen zu bringen, nicht diejenigen sind, auf die der auto-assist-skill zielt.
jeder der seine lebens-prioritäten einigermassen im griff hat und nicht, wie ich, jeden tag 3-8 stunden lebenszeit an seiner automatischen wohnung frickelnd verschwendet, wird für 25 euro/jahr den skill kaufen und glücklich mit einem vollautomatischen tado sein.
wir brauchten einen neuen ventilator, weil die sommer zu heiss geworden sind und mir der alte ventilator zu laut und der beifahrerin zu energie-fressend wurde. das angebot im sommer in deutschland ist enttäuschend. billiger mist, für den man viel geld zahlen soll. keine vernetzungsfähigkeiten oder fernsteuerungen der ventilatoren im preissegment unter 1000 euro.
also, nach langem hin und her, habe ich mir einen ventilator in china bestellt, für 77,00 € ohne zusätzliche versandkosten. heute kam der ventilator an, er wurde aus england geliefert.
der zusammenbau war wie bei ikea: nicht ganz trivial, aber gut erklärt und sauber und verständlich abgepackte einzelteile. der ventilator lässt sich mit ein paar knöpfen bedienen und überzeugte auch die beifahrerin, die fürchete, dass er nicht gut genug wind machen könne. der direkte vergleich überzeugte sie: der alte bläst genau wie der neue in einem ziemlich engen strahl, aber beide blasen gleich stark, obwohl der alte grösser und lauter ist.
mit der mi-app lassen sich nach dem verbinden des ventilators mit dem wlan ein paar mehr features am ventilator bedienen: man kann den winkel, in dem er ozilliert einstellen (in schritten von 140° bis 30°), man kann einen „natürlichen wind“-modus einschalten, in dem der ventilator auch auf höchster stufe nur leise und wenig bläst, bis auf manchmal, wenn er eine oder zwei leichte böen simuliert. sehr angenehm, sehr verspielt. eine timer-funktion ist über die app, aber auch die tasten am ventilator bedienbar.
in der fritzbox meldete sich der ventilator als „ESP-5AB785“ an, xiaomi/mi hat hier also einen esp8266 verbaut. später, sobald ich das zugangstoken aus einem iphone-backup extrahiert habe, überlasse ich die steuerung und fernbedienung home-assistant, mit dieser komponente.
in der fritzbox habe ich dem wlan-ventilator allerdings gleich den internetzugang gesperrt. die chinesische firmware muss ja nicht unbedingt nach hause telefonieren.
ich bin jetzt schon sehr glücklich mit dem teil. die feine justierbarkeit der windstärke, der wind-simulationsmodus, die beinahe unbemerkbare geräuschentwicklung, die wlan-fähigkeit und (hoffentlich) problemlose lokale steuerbarkeit ohne app, per wlan. der ventilator ist zwar zum grossen teil aus plastik gefertigt, mit ein bisschen metal im fussbereich, der stange und im motorbereich, wirkt aber trotzdem, wie alle anderen xiaomi-produkte die ich bisher gekauft habe, ziemlich solide und fein und genau gearbeitet.
damit konnte ich den ventilator in die haus-automatisierung integrieren, snips sagen, dass sie den ventilator für x minuten oder stunden anstellen soll, den ventilator ausschalten wenn das zimmer leer ist oder den ventilator, wenns sein muss, über homekit oder das steuerungs-dashboard-tablet im zimmer steuern.
die beifahrerin legt wert darauf zu vermerken, dass sie einen punktabzug vergibt, weil der ventilator so niedrig ist und sich nicht mit der stange weiter hoch stellen kann. ich hingegen möchte gerne mehr als die volle punktzahl vergeben: ich bin sehr zufrieden. die letzte chance, dass der ventilator jetzt noch einige meiner sympathie-punkte verliert wäre der stromverbrauch. den messen wir demnächst.
eben den stromverbrauch gemessen, der ventilator braucht, wie vom hersteller angegeben, auf der nidrigsten stufe unter 2 watt und auf der höchsten ca. 5 watt. wenn der „natprliche windmodus“ aktiviert ist, also die stärke variert, schwankt der verbrauch auf höchster stufe zwischen 2 und 5 watt. das ist ziemlich beeindruckend, wenn man bedenkt, dass das alte metallmonster wohl gut das zehnfache verbraucht hat.
„Technik löst Probleme, die wir ohne sie gar nicht hätten.“ Das ist ein Zitat von Harald Lesch, aber eigentlich eine Abwandlung eines sehr alten Witzes über Computer. Genau genommen ist es vor allem eine grobe Simplifizierung der Realität. Vereinfachung gehört nun mal zu Harald Leschs Beruf als Fernseherklärbär. Denn natürlich löst Technik auch Probleme, die wir ohne sie hätten. Anders gesagt: Ohne Technik hätten wir ganz andere Probleme – vor allem nicht weniger.
Derselben Logik folgend könnte man übrigens auch sagen, dass wir mit gesellschaftlicher Weiterentwicklung auf Probleme antworten müssen, die wir ohne den vorangegangenen gesellschaftlichen Fortschritt gar nicht hätten. Viele Witzbolde, Konservative, Sprachschützer oder Digitalverächter tun das auch. Dabei sind Reaktionäre eigentlich gar nicht gegen das Neue, sondern nur gegen das neue Neue. Sie wünschen sich Zustände zurück, die in der Vergangenheit einmal neu waren. Das Problem mit dieser Weltsicht ist allerdings, dass wir mit Rückschritten zu altem Neuen vielleicht aktuelle Probleme abräumen können, aber dafür auch wieder sehr viele alte, damals™ ungelöste Problemkisten öffnen müssten.
Obwohl der Problemlösungswitz oben eine ärgerliche Simplifizierung ist, hat er, wie fast jeder Witz, doch einen wahren Kern. Der brillante Denker, Digitalisierungskritiker und Egomane Andrew Keen, der seit Jahren die Hybris, Arroganz, Maßlosigkeit und Egomanie der Silicon-Valley-Unternehmer kritisiert, weist in der Marketingkampagne für sein neues Buch auf ein grundsätzliches Problem des Fortschritts hin:
Die Geschichte der Menschheit zeigt, dass wir immer in die Zukunft hineinstolpern, alles kaputt machen und es anschließend wieder in Ordnung bringen müssen. Wir haben 50 bis 100 Jahre gebraucht, um die Hauptprobleme des industriellen Kapitalismus zu lösen, und mit einigen Problemen beschäftigen wir uns heute noch, etwa Umweltverschmutzung und Klimawandel.
Nicht selten fällt es uns schwer, diese Probleme überhaupt zu erkennen, weil unsere Wahrnehmung und der gesellschaftliche Fortschritt nicht mit technischen Weiterentwicklungen mithalten können. Ebenso schwer fällt es uns, bereits erkannte Probleme anzugehen: Lieber stolpern wir weiter voran – und halten uns, weil wir in Richtung Zukunft stolpern, für progressiv.
Ich glaube durchaus, dass wir die Probleme, die uns Fortschritt und Technologie eingebrockt haben, mit mehr gesellschaftlichem und technischem Fortschritt lösen können. Die vergangenen Jahrtausende haben gezeigt, dass das mühsam ist, aber grundsätzlich funktioniert. Die Welt, die Lebenssituation der Menschen, hat sich in den letzten Jahrhunderten durch technischen Fortschritt enorm verbessert:
Wir werden mittlerweile im Schnitt über 70 Jahre alt
Die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, hat sich in den letzten 20 Jahren fast halbiert
Die aktuelle Klimakrise zeigt aber auch, dass Probleme nicht allein über persönliche (Konsum-)Entscheidungen gelöst werden können, sondern auch gesellschaftlich, politisch, am besten global, angegangen und reguliert werden müssen.
Nachdem wir alle die Klimakrise jahrzehntelang verdrängt und mögliche Lösungsansätze aufgeschoben und verstolpert haben, ist in den letzten Monaten Erstaunliches geschehen: Die (frei nach Andrew Keen) angeblich so narzisstische, Fast-Food-, Nikotin-, Spiel-, Porno- und Gadget-süchtige Jugend fordert, dass wir unsere politische Verantwortung für die Zukunft übernehmen.
Die Jugend, um deren Wohlergehen wir uns angesichts der Digitalisierung und Vernetzung, der Allgegenwart von seichter Unterhaltung, Gewalt und Pornografie so große Sorgen gemacht haben, entscheidet sich erstaunlich bewusst, welche Apps oder Online-Dienste sie nutzt und auf welche sie verzichtet. Sie hat erkannt, dass die Zukunft nicht vordringlich mit Jugendschutz, sondern mit politischem Handeln zum Klimaschutz gerettet werden muss. Es ist paradox, aber wir leben in einer Zeit, in der Jugendliche den Erwachsenen zeigen, was es bedeutet, erwachsen zu handeln: Nämlich Technologie und Fortschritt nicht als Selbstzweck zu sehen, sondern als Gestaltungsmittel für die Zukunft. Wenn wir endlich so erwachsen werden wie die Jugend, können wir mit Technologie auch wieder Probleme lösen, die wir ohne Technologie nicht lösen könnten.
mich macht das unreflektierte wiederkauen von vermeintlichen studienergebnissen immer ein bisschen aggressiv, aber journalisten scheinen studien zu lieben. früher auf papier, jetzt im netz oder in emails, reissen journalisten für eine knackige überschrift, einen schlussgag oder aufhänger, sätze aus zusammenfassungen aus dem zusammenhang und werfen sie dem leser oder zuschauer vor. so auch heute im tagesspiegel checkpoint:
[…] Gerade veröffentlichte Zahlen eines französischen Think Tanks sollen belegen, dass Videostreaming jedes Jahr 305 Millionen Tonnen Kohlendioxid verursacht – was fast ein Prozent des weltweiten Ausstoßes sei (laut „The New Scientist“).
lobend erwähnen muss ich natürlich, dass der checkpoint die quelle verlinkt und mit der formulierung „sollen belegen“ darauf hinweist, dass zahlen aus studien, reports oder schlussabsätzen immer mit vorsicht oder ein paar gramm salz zu geniessen sind. auf die furchtbar verunglückte und verklemmte porno-schlusspointe von björn seeling möchte ich eigentlich nicht gesondert hinweisen, weil die pointen von björn seeling immer klemmen. aber ich zitiere sie trotzdem kurz, weil nicht nur die pointe klemmt, sondern auch der inhalt:
Vorschlag des Think Tanks, um CO₂ einzusparen: die Datenmenge durch geringere Auflösung der Videos verkleinern. Gilt natürlich nicht nur für die ganz scharfen.
(2 von mir tiefergesetzt, fettungen von björn seeling)
die studie, oder der report, wie the shift project die veröffentlichung nennt, schlägt nämlich gar nicht vor auflösungen von online-videos zu verkleinern, sondern man schlägt digitale enthaltsamkeit („Digital sobriety“) vor. um den report zu ergänzen, liefert the shift tankthe shift project allerdings drei „werkzeuge,“ um nutzerïnnen und bürgerïnnen die versteckten umweltbelastungen von digitalen technologien zu zeigen („to reveal the hidden environmental impact of digital technology to users and citizens“):
ein youtube-video: „This video is bad for climate change: Thank you for watching“
eine firefox-extension die den energieverbrauch des eigenen surfverhaltens visualisieren soll
ich bezweifle, dass björn seeling oder das shift projekt glauben, dass eine dreiseitge pdf-anleitung etwas ist, auf das youtube, netflix oder amazon prime gewartet haben, um das gewicht ihrer angebote zu reduzieren. tatsächlich stecken die plattformen bereits seit einigen jahren geld und entwicklung in die optimierung von komprimierungsalgorithmen und effizientere auslieferung — nicht nur aufmerksamkeit bedeutet geld für die platformen, auch optimierte geschwindigkeit und resourcennutzung. das pdf richtet sich eher an leute die ihre eigenen pornos drehen ihre selbstgemachten videos erstmal selbst optimieren möchten, bevor sie sie auf youtube oder vimeo laden, um sie dort nochmal optimieren zu lassen und ausliefern zu lassen. im pdf wird übrigens auch erklärt, wie der autor des pdf es schaffte 16 seiner vimeo-videos so zu optimieren, dass er am ende im schnitt 25% der video-dateigrösse einsparte: 11 wurden erfolgreich um 50 bis 90 prozent in der grösse reduziert, zwei liessen sich nicht weiter optimieren und drei hat er gelöscht: „Reducing the weight of videos online therefore begins by asking the question of the usefulness of their online presence.“
das ist die haltung, bzw. der lösungsansatz, der sich durch den ganzen report „The Unsustainable Use Of Online Video“ zieht: digitale, persönliche enthaltsamkeit. statt mit dem SUV mal zu fuss zum supermarkt gehen um quinoa zu kaufen, mülltrennung und das eine oder andere video bei youtube löschen, um das klima zu retten.
mich erinnert das fatal an die narrative die uns die ölindustrie, die autoindustrie oder die kunstoff produzierende industrie ins kollektive gewissen gehämmert haben: das elend der welt ist kein politisches problem, sondern ein problem individueller schuld. fahradfahren und zu fuss gehen wird sicherer, wenn wir vorsichtiger und umsichtiger sind und uns beispielsweise mit helmen schützen, nicht etwa durch tempolimits, fahrverbote, getrennte fahrradwegnetze. müllberge aus kunstoff sind ein problem weil wir den müll nicht gut genug trennen, zu verpackungsintensiv einkaufen oder unsere plastikzahnbürsten schon nach 6 wochen wechseln, nicht etwa weil die industrie jede regulierung der kunstoffproduktion weglobbyiert hat oder sich mit grünen punkten jahrzehntelang weissgewaschen hat.
und der klimawandel: natürlich auch die schuld eines jeden einzelnen, wer netflix guckt, mal in den urlaub fliegt oder wegen nicht vorhandenem oder nicht funktionierenden öffentlichem nahverkehr mit dem auto pendelt ist schuld am klimawandel. dass mehr oder weniger alle politischen fragestellungen und initiativen zum klimawandel seit jahrzehnten ausgeklammert, ausgesessen, verharmlost oder ignoriert wurden ist sekundär.
dass das internet ungeheuer viel energie verbraucht steht ausser frage, ebenso, dass video-streaming mittlerweile mehr als die hälfte des gesamten netzwerkverkehrs ausmacht. der report spricht auch themen an, die in aller breite diskussionswürdig sind, wie „dunkle design muster“ (dark design patterns), die benutzer möglichst lange auf den jeweiligen platformen halten sollen: autoplay, endlos-scrolling, eine athmosphäre von dringlichkeit. nur sind diese design-muster eben nichts neues, auch das alte fernsehen nutzt bis heute autoplay, setzt alles daran, den zuschauer so lange wie möglich am schirm zu halten und die aufmerksamkeit einzufangen. auch sendemasten und analoge fernsehgeräte verbrauchten strom und tageszeitungen (wie der tagesspiegel) sind, selbst nach einer studie die die papierverarbeitende industrie in auftrag gegeben hat, eher keine CO₂-musterknaben:
Die Printzeitung verbraucht im Vergleich zur Online-Zeitung deutlich mehr Primärenergie. Der Carbon Footprint ist ebenfalls größer. Die Gesamtumweltbelastung ist bei der gedruckten Zeitung auch höher. Das alles spricht gegen die gedruckte Zeitung.
(wenn man eine gedruckte zeitung länger als eine halbe stunde liest oder sie noch von 2,2 anderen leuten lesen lässt verbessert sich die ökobilanz der gedruckten zeitung.)
dass videostreaming jedes jahr „305 Millionen Tonnen Kohlendioxid“ verursacht, dass die produktion von zeitungen auch CO₂ verursacht, oder, previously, dass bitcoin-mining irre viel strom verbraucht, sind feststellungen die dem klimaschutz nicht helfen, weil sie strohmann-argumente sind. sie suggerieren dass es leicht identifizierbare schuldige gibt, leute die bitcoins abbauen, leute die netflix oder pornos gucken oder sich nachrichten auf gebleichtem altapapier kaufen. sie suggerieren, dass wir, jeder einzelne von uns, selbst schuld sind und dass erziehung, aufklärung und enthaltsamkeit lösungen sein können.
dabei liegt die lösung auf der hand: sie ist politischer, gesellschaftlicher natur. die politik muss dafür sorgen ihre viel zu bescheidenen und niedrigen klimaschutzziele zu erfüllen, wir müssen weg vom verbrennungsmotor, wir müssen den individualverkehr mit regulierung reduzieren (weniger autos wagen) und bessere, viel bessere öffentliche verkehrslösungen schaffen. die maschinenräume des internets müssen mit politischen mitteln dazu gebracht werden energetisch effizienter zu werden und aus mehr und mehr regenerativen energiequellen gespeist zu werden. google rühmt sich damit bereits 30% ihrer „anlagen“ mit erneuerbarer energie zu versorgen. mit entsprechendem poltischen druck und ernsthaften schritten in richtung einer energiewende sollte da noch einiges zu machen sein.
wir alle müssen am grossen politischen rad drehen, statt nur enthaltsamer zu leben. nichts gegen enthaltsamkeit, wer sich dafür entscheidet seinen ökologischen fussabdruck zu reduzieren, sei es durch verzicht, vernunft oder sparsamkeit, verdient respekt. mir geht das wort nachhaltigkeit nur schwer über die lippen, aber wenn wir unseren konsum, unser eigenes leben etwas mehr auf resourcenschonung und verträglichkeit mit der zukunft abstimmen, ist das kein schritt in die falsche richtung — solange es eben nicht der einzige schritt ist und wir nicht die politische dimension aus den augen verlieren.
und zum thema digitale enthaltsamkeit: ich glaube, dass es wirklich sehr, sehr wenige erfolgsgeschichten der enthaltsamkeit gibt. die katholische kirche dürfte das beste beispiel dafür sein, denn sie hat einen mehrere tausend jahre langen feldversuch unternommen, der ziemlich deutlich zu zeigen scheint, dass enthaltsamkeit gesellschaftlich und politisch keine lösung ist, sondern im gegenteil, die probleme nur verlagert und verschärft.
ich habe versucht den ganzen report von the shift project zu lesen. das wurde erschwert durch eine ungemein sperrige sprache und ermüdende wiederholungen. ich kann aber guten gewissens behaupten, dass ich die studie sorgfältiger gelesen habe als die autoren selbst. hätten die ihr konvolut nochmal vor der veröfentlichung als PDF gelesen, wären ihnen vielleicht auch absätze wie dieser aufgefallen:
streaming sites, of “tube” type (cf. Erreur ! Source du renvoi introuvable..Erreur ! Source du renvoi introuvable..Erreur ! Source du renvoi introuvable. “Erreur ! Source du renvoi introuvable.”, p. Erreur ! Signet non défini.), have revolutionized the consumption of pornography by making access to it by any smartphone, including by children and adolescents, simple and free.
mir graust es auch vor argumentationsmustern wie diesem, dass mich an die politische spindoktor-dreherei der telekommunikations-industrie zur abschafffung der netzneutralität erinnert:
Not choosing means potencially allowing pornography to mechanically limit the bandwidth available for telemedicine, or allow the use of Netflix to limit access to Wikipedia.
die ähnlichkeit der argumentationsmuster des shift project mit denen grosser industrie-lobby-vereinen macht mich stutzig. wie sich das projekt finanziert habe ich auf theshiftproject.org nicht herausfinden können. die wikipedia deutet lediglich an, woher das geld kommt: „The Shift Project is funded by corporate sponsors.“
wahrscheinlich sind die argumente des shift projects aber einfach nur so schwach, weil man nicht genug industriegeld einsammeln konnte um sich über enthaltsamkeit hinausgehende gedanken zu machen. positiv ist übrigens zu vermerken, dass das video des projekts mit bisher lediglich knapp 4000 views auf youtube beinahe klimaneutral ist und damit erst 35 kilogramm CO₂ ausgestossen hat. allerdings könnte das verlinken des videos nach ansicht des shift-projekts einer klimasünde gleichkommen.
heute waren wir in potsdam im schlosspark von sanssouci. die beifahrerin wollte dort in den botanischen garten, weil sie gewächshäuser gerade super findet und wir die gewächshäuser im botanischen garten von berlin und kiel und auf dem bundesgartenschau-gelände schon gesehen haben. ausserdem wollte sie, nachdem wir kürzlich mal im chinesischen teehaus auf dem bundesgartenschaugelände waren, auch ins teehaus im park von sanssouci.
die tropenhäuser in potsdam waren toll, dort standen sogar unbewachte coca-sträucher und andere drogen-pflanzen. die farne und luftwurzler waren faszinierend und die einheimischen insekten mögen auch die tropischen pflanzen.
ausserdem gibts in potsdam die „merkwürdigste pflanze der welt“, der in ihrem ganzen leben nur zwei blätter wachsen, aber bequem mehrer tausend jahre alt werden kann. das exemplar in potsdam war erst 40 jahre alt.
die angeblich „merkwürdigste pflanze der welt“
nach den gewächshäusern liefen wir dann zum chinesischen teehaus und unterwegs kamen wir unter anderem am lustgarten vorbei. was denn ein „lustgarten“ wäre, fragte die beifahrerin. ich meinte, dass das der ort gewesen sei, wo sich die adeligen am hof amüsieren könnten, rumspazierten um zu gucken und gesehen zu werden, fangen spielen und so. dank moderner technologie kann man solche fragen ja heutzutage auch gleich wenn sie aufkommen nachschlagen. ich las aus der wikipedia:
Der Lustgarten ist ein (oft parkähnlicher) Garten, der vorrangig der Erholung und Erfreuung der Sinne dient. Er enthält häufig auch zusätzliche Einrichtungen (Gartenlustbarkeiten) wie Konzertsäle, Pavillons, Fahrgeschäfte, Zoos oder Menagerien.
was denn eine menagerie sei, fragte die beifarerin dann noch:
Die Menagerie ist eine historische Form der Tierhaltung und als solche der Vorläufer des zoologischen Gartens, der sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte.
nachdem die lustgarten- und menagerie-fragen aufkamen, musste ich jedenfalls an die knapp 200 adelsfilme und -serien denken, die ich in den letzten 40 jahren konsumiert hatte (bemerkenswert in den letzten beiden jahren übrigens versailles und the favourite). so ein hof war ja neben dem politischen gedöns vor allem ein ort an dem sich die frühen influencer versammelten und trafen. man verbrachte dort einen nicht unerheblichen teil seiner zeit damit über mode zu reden und mode und sein eigenes exquisites verständnis von mode zur schau zu tragen, schminktipps zu tauschen und ein gefühl von zugehörigkeit zu exklusiven kreisen zu feiern. selfies waren damals noch etwas aufwändiger in der herstellung, die verbreitung ging zunächst nicht über die eigenen, exklusiven kreise hinaus und vor allem konnte man die selfies nicht selbst herstellen.
das promi-selfies oft gar nicht selbst hergestellt werden ist allerdings auch heute, seit mindestens vier jahren noch so.
selfie von christian ulmen, collien ulmen-fernandes und anderen (Bildrechte: BR/PULS/Sebastian Wunderlich)
neben den influencern waren an diesen adelshöfen aber vor allem auch viele promi-gaffer. der niedere adel hatte es — vermeintlich — zu etwas gebracht, zu privilegien und ein bisschen vermögen, und suchte jetzt am hof vor allem gelegenheit das eigene selbstwertgefühl durch promi-exposition aufzuwerten. der aufenthalt am hof muss irre langweilig und eintönig gewesen sein, aber die möglichkeit sich vom ruhm der promis bescheinen zu lassen, sich selbst zu vergewissern zum erlauchten kreis dazu zu gehören, machte die langeweile wohl wett.
daran musste ich, wie gesagt, heute im schlosspark denken — und als ich eben den blogartikel der beifahrerin von heute las (celebrity-art), schloss sich der kreis: diese leute, deren lebenszweck es zu sein scheint in bestimmten kreisen gesehen zu werden, denen es wichtig ist einen bestimmten, vermeintlichen status nicht nur zu haben, sondern offensiv zu zeigen, die gibt’s heute mehr denn je. die springen auf kunst-messen rum, droppen names in interviews oder schlürfen austern in stehtisch-restaurants in hamburg, düsseldorf, sylt oder münchen.
dank der massenmedien und der noch massigeren netzmedien, hat zwar jeder theoretisch die chance auf 15 minuten teilnahme am hofzeremoniell, aber prominenz, veradelung durch prominenz oder exklusivität, ist immer noch eine wertvolle und nicht ganz leicht zu erlangende währung im gesellschaftszirkus.
wenn wir uns heute lustig machen über die hofzerionielle von vor 100, 200 oder 300 jahren, sollten wir bedenken, dass die filme in 200, 300 jahren genauso unbarmherzig mit unseren gesellschaftritualen umgehen werden.
das teehaus im schlosspark von sanssouci serviert übrigens keinen tee. das ist nur ein ausstellungsraum. ganz hübsch, aber trocken.
chinesisches teehaus im schlosspark von sanssouci
eins der wenigen geräte denen ich erlaube sich in die cloud zu verbinden (nach hause zu telefonieren) ist unser reinigungsroboter markus. damit bekommt man nach jeder „mission“ eine karte in der irobot-app serviert. lokale karten oder sogar „live-maps“ sind über die homeassistant roomba komponente, bzw. die python-bibliothek von nick waterton auch möglich, aber ziemlich resourcen-fressend. der server auf dem die roomba-bibliothek ausgeführt wird, muss ständig ein bild generieren, was bei meinen letzten versuchen zu einer stetigen server-auslastung von 80 prozent geführt hat. das ist nicht wirklich praktikabel.
weil die bibliothek aber die koordinaten des roomba ständig erfasst, dachte ich diese koordinaten könnte man doch auch vielleicht meiner seit jahren auf dem server laufenden owntracks-recorder-instanz übergeben. owntracks läuft immer im hintergrund auf meinem (und dem beifahrerinnen) handy und erfasst unsere position. das nutze ich vor allem für die anwesenheitserkennung der automatischen wohnung. wenn wir beide weg sind, gehen alle lichter aus, die heizung fährt runter und eine kamera, die die balkontür erfasst, schaltet sich ein. mit dem recorder kann man unsere positionsdaten permanent, lokal, speichern. so sieht das für meine positionsdaten der letzten zwei jahre aus:
für meine berlin-daten eignet sich das tool ganz gut, um die schwarzen flecken zu finden, in denen ich mal die stadt kennenlernen könnte oder spazieren gehen könnte.
für ausflüge in fremde städte eignet sich das tool ganz gut, um zu sehen, wo man überall war — und wo nicht.
und warum sollte ich das tool nicht auch benutzen, um die fahrten des putzroboters zu erfassen? die roomba komponnete/bibliothek gibt koordinaten aus, die sich immer relativ zum startpunkt befinden, in millimetern, positiv oder negativ zum startpunkt (oder zur ladestation). die relativen roomba-koordinaten lassen sich relativ leicht in geokoordinaten umrechnen. owntracks erwartet mindestens werte für lon und lat, nimmt aber auch die orientierung dankend an, die der roomba auch liefert. wenn die koordinaten in sensordaten vorhanden sind, kann ich eine automation bauen, die diese daten umrechnet und an den owntracks recorder schickt:
(kleines technisches problem: die homeassistant komponente aktualisiert die koordinaten nur alle 20 sekunden. weil die bibliothek von nick waterton aber auch die roomba-daten kontinuierlich per mqtt versenden kann — und da alle 1-2 sekunden aktualisiert — greifen die koordinaten-sensoren die daten dort ab.)
nehme ich die variable, die den radius der erde speichert (earth_r_mm) mit einen millimeter-wert, bekäme ich im recorder eine korrekt skalierte bewegungskarte. ich fand den kilometerwert aber anschaulicher, mit dem aus den roomba millimeter-werten kilometer werden. dann sieht eine „spot-reinigung“ des roomba in owntracks so aus:
normale reinigungsvorgänge sollten dann von schweden, über polen bis nach bayern reichen. das beste ist aber, dass hier zwar sehr viele daten anfallen, aber, soweit ich sehe, passiert das äusserst resourcenschonend — und zur not lässt sich die datenübertragung zum owntracks recorder auch deaktivieren.
ok, das schlafzimmer reicht nicht ganz bis schweden. aber bis dänemark.
ups, gerade gemerkt, das bild hatte die falsche zeiteinstellung. markus ist natürlich viel gründlicher, als es auf dem vorherigen bild scheint.
der #rp19 vortrag von @papierjunge hatte alles was ein guter vortrag braucht (sorgfältige vorbereitung, eine gute folienchoreografie, logik, erkenntnisgewinn, struktur) — ausser witz. pic.twitter.com/iWvEHl5bHg
vergessen habe ich im tweet oben noch, dass sein vortrag auch „selbstkritisch“ war. ich weiss wie schwierig das thema ist, weil ich mich auch schon mehrfach daran abzuarbeiten versucht habe, vor vielen jahren mal auf der republica in der kalkscheune. sein vortrag war gut strukturiert, pragmatisch und hilfreich, um künftig hypes und technologien besser einschätzen zu können. das mit dem „mangelnde witz“ fiel dann vor allem im kontrast zum folgenden vortrag von theobald fuchs auf.
der hatte sich auch ein dankbareres thema ausgesucht, nämlich das ridikülisieren von vergangenen zukunftsvisionen. auch wenn das allgemein schon nicht allzu schwer ist — meistens reicht es einfach nur die zukuntsvisonen zu zeigen um lacher zu bekommen — wies er immer wieder gekonnt auf einzelne details hin, die besonders witzig waren. aber details waren auch theobald fuchs selbst nicht so wichtig, weil er wiederholt die doofheit von elon musk herauszuarbeiten versuchte, der seiner meinung bei seinem hyperloop-projekt wichtige pysikalische details ausser acht liess oder zur späteren lösung verschob. das problem ist allerdings, dass elon musk mit der hyperloop-projekt, bzw. dessen umsetzung so gut wie nichts zu tun hat und die illustrationen die fuchs nutzte ein ganz anderes musk-projekt zeigten.
netter, unterhaltsamer #rp19 vortrag von theobald fuchs auf #stage5 mit teilweise recht naheliegenden, teilweise grandiosen witzen. aber das bild zeigt keine hyperloop-tunnel, sondern tunnel der boring company. musk hat operativ nix mit dem hyperloop zu tun. pic.twitter.com/u5QfZ4lZcQ
danach kam felix hartenstein 15 minuten zu spät, um über amazons rolle als städtebauer zu reden. darin erfuhr ich zwar nicht viel neues, aber das nachdenken darüber, wie amazon mit seinem vergangenen und aktuellen agieren städte verändert, wie grossunternehmen städte formen, und ob und wie wir das als gesellschaft mitgestalten oder ertragen wollen, scheint mir wichtiger denn je. von daher: inspirierender vortrag.
danach blieb ich natürlich sitzen, weil danach die frage „Raumfahrt und Gesellschaft – wohin geht die Reise?“ von alexander gerst und seinem chef diskutiert werden sollte. der chef von gerst, jan wörner, der generaldirektor der european space agency, ist eine ziemlich lustige und manchmal ein bisschen nervige rampensau. im kontrast zu gersts tiefenentspannter art und mit den moderationsversuchen von chiara manfletti wurde das aber zu einer sehr unterhaltsamen und bewegenden veranstaltung. fürs bewegen der raumfahrzeuge sind manfletti und wörner zuständig, fürs herz gerst. und wie letztes mal, als er auf der republica sprach, bewegte mich gerst tief. nicht mit den bildern aus dem nahen erdorbit oder aus der saturn-umlaufbahn (auch), sondern mit der art wie er nachwuchsfürderung praktiziert. seine aufgabe sehe er hauptsächlich darin, jungen menschen, jungen mädchen, frauen und kindern (männer sind mitgemeint) klar zu machen: das was der gerst kann, kann ich schon lange oder besser. diese selbstmarginalisierung seiner leistungen fand ich so sympathisch, so beeindruckend, dass mir kurz (beinahe) die tränen kamen.
am ende wurde mir klar, dass das grösste kompliment, was ix der #rp19 machen kann lautet: dass trotz immer grösser, immer mehr, immer prominenter alles wie immer war.
es ist erstaunlich, wie die republica ständig wächst, dieses jahr auch noch die tincon mit aufnahm, immer diverser wird, im publikum wie auf den bühnen und es doch weiter schafft eine art safespace zu sein, in dem sich alle wohl fühlen, respektiert oder geschätzt fühlen. was sich allerdings verändert hat: auf der republica wird nicht mehr nur das wesen ursprünglich digital entstandener blasen und gemeinschaften gesucht, nicht mehr nur die räume des digitalen exploriert oder versucht die grenzen der digitalen räume zu verschieben. auf der republica versuchen die anwesenden, wir, gemeinsamkeiten und verbindendes zu finden, statt unterschiede oder trennendes zu konstruieren. und das über immer mehr gesellschaftsschichten hinweg.
anders als gedacht fing das streitgespräch zwischen axel voss und markus beckedahl nicht um 10:15, sondern um 11:15 an. so früh an bühne 2 zu sein war aber sehr gut, einerseits weil ich mir dann ein panel über „made in europe“ ansehen konnte und vor allem weil ix so überhaupt in die voss vs. beckedahl veranstaltung reinkam. die türen wurden nämlich schon kurz nach dem ende des made-in-europe-panels wegen überfüllung verrammelt. aus dem made in europe-panel blieb nicht viel hängen, ausser dass china einen plan hat und europa nicht (felix lee) oder dass man in europa ja (quell) offene, modulare, „nachhaltige“ hardware fördern könnte und damit einen offenbar bestehenden bedarf bedienen könnte (anke domscheid-berg). anke domscheid berg zitierte in anderem zusammenhang auch gregor gysi mit „opposition ist zeitgeist“ (so habe ichs verstanden), meinte aber wahrscheinlich: „In Opposition kann man Zeitgeist verändern.“ wenn ich mir die derzeitige opposition im bundestag so angucke, zumindest die rechts sitzende, hoffe ich doch sehr dass das entweder nicht stimmt oder zeitgeist stärker aus der gesellschaft verändert wird, als aus dem parlament. die vertreterin der telkom auf der bühne, claudia nemat (verantwortet im vorstand der telkom das ressort technologie und innovation), stimmte grundsätzlich allem und jedem zu, sogar zwei kritsch fragenden aus dem publikum. die kunst des lauten „ja“, kombiniert mit einem leisen „aber“ habe ich jetzt schon mehrfach auf der republica beobachtet und sie wird ausschliesslich von frauen beherrscht.
das streitgespräch voss vs. beckedahl begann mit einer dreifach anmoderation; zuerst der bühnen-moderator, dann der gesprächsmoderator jo schück, der erklärte dass das gespräch als zdf-kultur-sendung aufgezichnet würde und dass er gleich, „absurderweise“, nochmal auf die bühne kommen würde, als würde er das zum ersten mal tun. das tat er auch und moderierte das panel dann wirklich brilliant, gut vorbereitet und unterhaltsam durch.
bei voss vs. beckedahl hat der moderator gewonnen. (beckedahl und voss haben sich beide gut geschlagen, aber jo schück hat das wirklich sehr brilliant moderiert) pic.twitter.com/LR9h0FKOfv
neben mir sass jens schröder und sagte vor dem voss vs. beckedahl-gespräch, dass er ein bisschen angst vor dem gespräch habe. diese angst, dass das publikum all zu höhnisch und unfair mit axel voss umgehen könnte teilte ich mit ihm, es zeigte sich aber, dass sie unbegründet war. bei markus beckedahl brachen zwar ein, zwei mal kurz emotionen und polemische ansätze durch, aber das gespräch empfand ich als zivilisiert und erhellend — und das publikum als fair. anders als erwartet, brabbelte axel voss nicht nur unzusammenhängendes zeug vor sich hin, sondern schaffte es beinahe eine schlüssige argumentation dafür abzuliefern, warum artikel 13 eben so verabschiedet wurde, wie er verabschiedet wurde. der artikel, der das urheberrecht beträfe sei eben nur eine grobe vorgabe (richtline), die, im gegensatz zu verordnungen, eben nicht eins zu eins, sondern mit grossem spielraum national umgesetzt werden könnten. man muss mit dem inhalt und dem geist der richtlinie nicht übereinstimmen, aber dass es spielraum bei der umsetzung gibt ist relativ unbestreitbar. dass auch gut geschriebene gesetze rechtsunsicherheiten schaffen, und nicht nur schlecht geschriebene wie die von ihm begleitete richtlinie, hat er leider nicht gesagt, aber auch das dürfte relativ unbesteritbar sein. ganz abgesehen davon zog markus beckedahls kernargument wesentlich besser, nämlich dass das urheberrecht ganz grundsätzlich an das digitale zeitalter angepasst werden müsste und grosszügigere, explizitere schrankenregelungen umfassen müsste, damit das kreieren, dass publizieren im netz unkomplizierter, verständlicher und nachvollziehbarer wird.
axel voss beharrte im gespräch auch darauf, dass die ausnahmeregelungen die man in der richtlinie festgelegt habe (artikel 5?), auch ausnahmen im zitatrecht von bildern („memes“) beinhalten würde: wenn das nicht so umgesetzt würde, meinte voss zu beckedahl, könne man sich mnochmal zusammensetzen und das dann wieder ändern. das ist aus dem mund von jemandem, der in der zeit behauptete, dass man fremde texte auf privaten homepages in gänze veröffentlichen dürfe (weil „privatkopie“) nicht so irre beruhigend, aber immerhin eine deutliche festlegung. der passend zynische kommentar, der in etwa lautete: „anpassungen lassen sich dann ja problemlos vom europaparlament verabschieden“ kam dann glaube ich von jo schück.
danach blieb ich für bernhard pörksen sitzen. eigentlich ertrage ich dessen vortragsstil nicht — auch wenn er den vorteil gegenüber vielen anderen vortragenden hat, dass er sich sorgfältig vorbereitet, bzw. seinen text auswändig lernt.
alles was pörksen eben auf #stage2 sagte haben andere auch schon mal gesagt, nur nicht so geschwiffen und gedrechselt — und auch wenn er wie eine eitle akademiker-karikatur wirkt, habe ich heute seinen #rp19 vortrag ertragen und gut gefunden.wahrscheinlich weil ich gut sass. pic.twitter.com/PNlw3tvhmR
beim „The Algorithmic Boss“ von alex rosenblat wurde auf eine art davon abgeraten für uber zu fahrenZzu arbeiten, aber das problem, das sie beschrieb, dürfte uns allen noch im alltag begegnen; nicht nur dass wir in der einen oder anderen form anweisungen von algorithmen erhalten werden, sondern eben auch, dass wir künftig hilfestellungen eher von algorithmen als menschen bekommen werden. und wenn wir doch mal an menschen geraten, dürften das meist menschen sein, die sehr weit von uns und unseren problemen sitzen und auch algorithmische chefs haben.
bei „Building Joyful Futures“ von alexis hope habe ich dann wieder geschlafen, obwohl das thema eigentlich gut und wichtig ist. nämlich dass apparate, maschinen, hilfsmittel oft von menschen gebaut werden, die sie gar nicht benutzen. diese apparate und maschinen dann gemeinsam selbst zu entwickeln ist auch meiner meinung nach eine der grössten chancen der digitalisierung und weht natürlich auch schon länger unter dem label maker-movement durch das netz, die welt und die republica. letztendlich sehe ich auch das bloggen als ein ergebnis dieser bewegungen. wenn nicht über die welt, die blasen, die gemeinschaften berichtet wird, deren teil man ist, macht man es eben selbst. so ist das bloggen entstanden und diese idee steht eben auch hinter facebook und twitter (wenn man das werbegedöns mal ausblendet).
nach einer weiteren kurzen pause im hinterhof, bzw. der hinteren freifläche, ging ich in christian mio loclairs vortrag artificial vanity. den vortrag hielt er aus gründen der eitelkeit besseren werbewirkung/reichweite auf englisch, obwohl das nicht seine stärkste muttersprache ist.
zugleich furchtbar pathetisch, die arbeit und #rp19 präsentation von christian @Mio_Loclair in „artificial vanity“ auf #stage1, als auch tief beeindruckend und faszinierend. und am ende gabs nen schönen talk-twist und ne befriedigendes fazit. pic.twitter.com/tt8p5zpgBA
seine arbeiten und das was sein studio walz binaire macht sind grösstenteils wirklich wunderschön, sehr digital, sehr cutting edge, aber zum teil eben auch sehr inszeniert, leer und willkürlich. was mir aber sehr gefallen hat, war die kurve die er am ende hinbekommen hat. nachdem er zwei drittel seines vortrags damit zugebracht hat zu zeigen, wie maschinen — oder genauer systeme zum maschinellen lernen — offenbar schöpferisch tätig sein können, wie man sie auf bestimmte stile oder ziele trainieren kann — mit teilweise erstaunlichen ergebnissen — zeigte er am ende eben auch die grenzen dieser technologie auf. die waren nämlich genau dann erreicht, als er und sein team versuchten die systeme auf kinderbilder zu trainieren. weil kinder eben keinen stil haben, oder besser, die bilder von kindern eben alles sein können, kinder eben keine lieblingsfarbe haben (sondern alle farben mögen), keine bestimmte art tiere zu malen (sondern alle vorstellbaren und unvorstelbaren arten tiere zu malen nutzen), ist das was aus dem trainingsset von tausenden (millionen?) kinderbildern herauskam einfach nur farb-matsch. diese magie der kindlichen, der menschlichen kreativität, diese potenzielle unberechenbarkeit des menschlichen geistes, die maschinen zur verzeiflung bringen kann und die auch schon charlie chaplin visualisiert hat, waren ein starkes fazit von loclairs vortrag, das jeden vorhergehenden pathos entschuldigt und wett macht. wenn das video online ist: unbedingt nachschauen!
@publictorsten kleinz gewohnt fachkundig und verpeilt bei seinem #rp19 vortrag über adblocker. fühlte sich an wie in einem der seminarräume in der kalkscheune. pic.twitter.com/IygcIAbPhp
ich war relativ früh auf dem republica gelände, das sich gefühlt mittlerweile über die halbe stadt erstreckt. auf dem hof jens scholz getrofffen, der sich fragte, warum sich überhaupt jemand die rede des bundespräsidenten anschauen wolle. darauf hatte ich auch keine antwort, verabschiedete mich und ging los, um mir den bundespräsidenten anzusehen. der eingang zur bühne 1 war abgesperrt, davor eine ziemlich grosse menschentraube. weil ich mich mittlerweile gerne an langen schlangen anstelle wartete ich. es zeigte sich, dass ich zwar für meine verhältnisse früh war, aber die grosse halle mittlerweile voll war. die menschentraube in der ich wartete wurde dann zur liveübertragung am lokschuppen im park des technikmuseums geleitet. die bestuhlung dort bestand aus (bereits belegten) liegestühlen und bierbänken, aber die idee, mir veranstaltungen der republica im park anzusehen gefiel mir.
die rede von steinmeier war dann ein sehr gute mittelmässige rede. man merkte, dass er und seine redenschreiberïnnen sich mit der materie beschäftigt hatten, er sagte nichts doofes, war entspannt, wich auch mal vom manuskript ab, aber euphorisierend oder mitreissend war an seiner rede nichts. dafür gab’s soliden, pathosfreien und vernünftigen verfassungspatriotismus und eine freundliche aufforderung die konsruktiven debatten der letzten jahre fortzusetzen. hängen blieb ein testimonial satz, der die trockene sprödigkeit der rede steinmeiers ganz gut subsummiert: „nicht etwa die digitalisierung der demokratie, sondern die demokratisierung des digitalen ist aus meiner sicht die drängenste aufgabe.“
notiert habe ich mir auch, dass steinmeier meinte, dass es in der politik um verbundenheit gehe, und eben nicht nur um vernetzung. jetzt wo ich das nachträglich in meinen notizen lese, regt es mich fast ein bisschen auf, weil es ein falscher gegensatz ist, wenn man vernetzt und verbunden als unterschiedliche kategorien darstelt, wenn vernetzung doch eigentlich eine voraussetzung für verbundenheit und gemeinsamkeit ist
danach sprach nanjira sambuli und der platz um die liveübertragung lichtete sich. immerhin, so sah man es im livestream, blieb steinmeier noch im publikum sitzen und hörte nanjira sambuli grinsend zu. ich hörte ihr eher fasziniert zu, weil ihr englisch so präzise war und sie mich an emilia clarke erinnerte. oberflächlich hörte sich nanjira sambuli rede im ersten teil leicht algemeinplatzig an, aber wenn man konzentriert zuhörte und sich auf ihre beobachtungen einliess, hatten sie etwas augenöffnendes; nämlich dass wir unsere haltung zur digitalisierung, zu den verwerfungen der digitalisierung oder wem wir expertise in diesen feldern zuordnen, gründlich überdenken müssen. algorithmen nannte sie „merchants of convenience“ und auch wenn es eigentlich eine selbstverständlichkeit sein sollte, ist es gut dass sie es nochmal so deutlich sagte: technologie (und regierungen) müssen der gesellschaft dienen. dieser grundsätzlichere, tiefere blick auf die digitalisierung, die digitalisierte gesellschaft und die mechaniken dahinter, wäre etwas gewesen, was die rede des bundespräsidenten gut statt mittelgut gemacht hätte. so war es aber auch gut, weil es zeigte, dass wir die gestaltung der digitalisierung (und ihrer demokratisierung) weder alten weissen männern, noch ihren jüngeren weissen redenschreiberïnnen und erst recht nicht jüngeren amerikanischen CEOs allein überlassen dürffen.
später, auf bühne 4 sagte sina kamala kaufmann, auf einem von geraldine de bastion moderierten panel (sinngemäss), dass sie überhaupt nicht einsehe, warum sie sich von alten weissen männern auf bühne eins ratschläge für die zukunft geben lassen sollte. de bastion, die den bundespräsidenten vorher mit anmoderiert hatte, ja,-aber!-te das elegant, indem sie darauf hinwies, dass nach dem alten weissen mann eine junge, schwarze afrikanerin geredet hätte und dabei die hälfte des publikums den saal verliess.
um 12:30 fiel mir auf der bühne 3 zum erste mal auf, dass die republica sich dieses mal mit semikolon statt doppelpunkt schreibt, was mir, wie überhaupt die ganze #rp19-gesteltung, sehr gefiel.
was mich dann aber langweilte war das panel. christoph keese referierte dort über die geniale online-srategie des springer verlags, dass sich die balken bogen. der moderator ralf glaser war im harmoniemodus und machte keine anstalten keeses weihrauch zu stoppen oder zu wenigsten ein bisschen zu fächeln. auch susanne hahn beweihräucherte lediglich ihren arbeitgeber daimler, wenn auch etwas weniger ausladend als der business kasper keese. nach 15 minuten verliess ich das panel, weil ich die hoffnung, dass es noch kontrovers werden würde oder dass erkenntnisgewinn abfallen würde aufgab. was ich hätte mitnehmen können, aber lieber liegen liess: wir müssen die business-strategien aus dem silicon valley kopieren.
danach wurde ich kurz in den schlussakkord von mikael colville-andersens vortrag gespült, dessen vortragsstil mir ein bisschen zu jung für sein alter war, aber neben dem zu häufigen „it’s cool man, yeah, cool“ wirklich gut und substanziell war. definitiv ein kandidat für späteres youtube-nachgucken. hängen blieb aber schon aus dem schlussakkord einiges: wenn man viele, sehr viel und gute daten hat, lassen sich radwege und autofreie zonen auch gegen rechtspopulisten und rechtspublizisten wie poschard durchsetzen. städte, aktivismus in und daten aus städten können und werden einen urbanen wandel zu mehr klimaschutz vorantreiben.
danach habe ich mich erstmal, im sinne von christoph keese, mit dem ersten bier selbst disruptiert. dankenswerter weise gibt es dieses jahr auf der republica nicht nur ekel-bier, sondern auch weizenbier. mit diesem bier habe ich mich dann zu einem meiner lieblingsnetzmenschen kosmar (der vor zehn jahren schon mal gepeakt hat) und herrn braun gestellt. dabei standen noch ein anderer brite und tim pritlove, die aber lediglich über den krieg redeten. kosmar und ich wurden dann noch fotografiert.
danach habe ich mir mads pankow (ja, aus berlin) angesehen, wie er mit seinem laptop kämpfte und über arbeit als simulation sprach. das war interessant, steile thesen gespickt und inspirierend, aber auch ein bisschen frustrierend, weil er relativ schlüssig nachwies, dass die arbeit von vielen menschen eigentlich überflüssig ist. wenns ich mich irgendwann mal zu euphorisch oder zufrieden erwische, google ich einfach bullshit jobs und lese mir alle suchergebnisse durch.
als ich die bühne 4 verliess, wurde ich auf die bühne eins gespült, auf der markus beckedahl gerade das letzte jahr netzpolitik zusammenfasste, steinmeier zitierte und den boden für sein streitgespräch mit axel voss heute früh bereitete. ich glaube ich muss mich jetzt sputen mit der zusammenfassung des ersten #rp19-tages, weil das gespräch mit voss live wahrscheinlich amüsanter ist, als aus der youtube-konserve.
nach dem (sehr guten) mitagessen dann mit don dahlmann gelaudert und gemerkt, welchen enormen redebedarf ich eigentlich bei dem thema, dass ich dieses jahr für die #rp19 einreichen hätte wollen, habe. den vorgezogenen call for papers hatte ich dieses jahr verpasst, meine bitte um nachnominierung habe ich dann aber aus irgendwelchen gründen bis in den märz aufgeschoben, wo ich mir dann dachte, dass eine republica ohne vortrag von mir doch auch entspannend wäre (für mich). hätte ich mich beworben, hätte ich nämlich über meine erkenntnisse zur heimautomatisierung gesprochen, ein feld in dem ich seit über zwei jahren intensiv forsche und von dem ich glaube, dass es nicht nur enormen spass macht, sondern auch politisch und gesellschaftlich so viele rlevante fragen aufwirft, dass ich zum ersten mal wirklich eine stunde (statt immer nur einer halben stunde) darüber sprechen kann. nächstes jahr dann.
danach habe ich vor der bühne eins einen intensiven mittagsschlaf gemacht, während sybille krämer redete. ich hoffe sehr, dass mich dabei niemand fotografiert hat, aber der schlaf war sehr erholsam und der vortrag von sybille krämer war auch nicht schlecht — soweit ich das beurteilen kann.
danach war ich dafür im panel Designing Tomorrows - Science Fiction as a Method relativ hellwach. das panel war hervorragend von geraldine de bastion moderiert, die technik sponn auch hier ein bisschen, aber ich habe einiges zur späteren vertiefung mitgenommen: die four futures method als werkzeug zum voraussehen oder imaginieren von zukunftsszenarien will ich unbedingt nochmal nachlesen, das buch von sina kamala kaufmann will ich unbedingt lesen und das konzept des madhome (statt smarthome) werde ich irgendwann auch auf michelle christensens website (oder anderswo) zur vertiefung finden.
aber richtig interessant wurde es eigentlich erst nach den kurzen impuls-präsentationen und fragen in kleiner runde, als die diskussion geöffnet wurde und mein geheimtipp aus 2018, den ich mir schon damals auf eine grössere bühne gewünscht habe, eden kupermintz, auf die bühne kam. er fasste mal eben, ganz nonchalant die essenz von science fiction zusammen und zwar so gut, dass ich das jetzt nicht ad-hoc selbst wieder zusammenbekomme. aber sein auftritt im panel erinnerte mich dann daran, dass er auch noch einen vortrag halten würde, und zwar um viertel nach sieben auf bühne acht: heavy metal und klimawandel (mein titel). wie auch im letzten jahr war sein vortrag herrlich unkonventionell, mit herz und viel weitherholen. hängen geblieben ist: heavy metal is „in your face“, konfrontativ, disharmonisch und läuft nicht weg. ausserdem hatte er die beste, rationale panikmache im angebot: die welt wird nicht untergehen, aber viele teile der welt werden es. das thema rationale panikmache war am ersten tag sowieso das vorherrschende thema, sascha lobo beliess es in seinem vortrag auch nicht bei einem „tut was, verdammt“ wie in den letzten drei jahren, sondern wies auch darauf hin, dass er sich späer nicht von seinen enkeln vorwerfen lassen würde wollen, damals (heute) keine ordentliche panikmache verbreitet zu haben. und auch sascha lobo überliess es nach einem eher zähen anfang, einem furiosen mittel- und end-drittel, einer jungen frau das eigentliche thema der republica zu setzen:
gegen drei uhr gestern früh kurz aufgewacht und gesehen, dass im flur licht brannte. das bedeutet nie etwas gutes, also entschied ich mich lang aufzuwachen und der sache nachzugehen. tatsächlich war die automatische wohnung kaputt, nichts ging mehr automatisch, kein nachtlich im flur, auf dem klo, in der küche. die batteriebetriebenen lichtschalter gingen nicht mehr (ausnahme: die genialen ikea-tradfri-fernbedienungen, die direkt mit den birnen sprechen). das wlan war weg und die esp8266-mikroprozessoren blinkten immer wieder auf, weil sie sich offenbar nicht mehr mit der zenttrale verbinden konnten und immer wieder neustarteten.
mir fiel ein, dass anfang mai der DSL-anbieter-wechsel angesetzt war. vorgestern abend ging noch alles, eine umschaltung mitten in der nacht? hut ab.
die fritzbox lief, aber keins meiner geräte konnte sich mit ihr verbinden. weil das wlan nun wirklich so gut wie nie ausfällt, fiel mir als einzige erklärung ein: irgendwer, irgendwas hatte die fritzbox auf die werkseinstellungen zurückgesetzt. mit dem hinten auf die fritzbox gedruckten wlan-kennwort konnte ich mir tatsächlich wieder wlan-zugang verschaffen und per knopfdruck das DSL und die telefonie vom neuen anbieter (telekom) automatisch neu einrichten lassen.
als ich wieder internet hatte, trudelten auch meine mails ein, unter anderem diese:
WTF? das mein „Internet-Anbieter“ meine fritzbox zurücksetzen kann ist bereits beunruhigend, aber das er das auch tut ist eine extreme schweinerei. schliesslich ist auf meiner fritzbox nicht nur der internet-anschluss des „Anbieters“, sondern alle möglichen anderen daten: telefon-bücher, -blacklists, meine komplette heimnetzwerkkonfiguration, alle langwierig konfigurierte IP-adressen und hostnamen meiner geräte, internetzugangssperrungen für hubs und andere geräte die potenziell nach hause telefonieren möchten und persönlich relevante anruf-historien und sicherheitsrelevante aufzeichnungen (logs). mein „Internet-Anbieter“, ich vermute mein alter anbieter (o₂), meint allen ernstes er könne darüber verfügen und das ungefragt alles löschen?
mir kommt das ungefähr so vor, als würde ein verleger nach der kündigung eines abos bei mir in die wohnung kommen und die zeitungen per flammenwerfer „zurücksetzt“. mitten in der nacht und ohne rücksicht auf kollateralschäden.
klar: backups der fritzbox-konfiguration hatte ich auch, allerdings waren die ein paar wochen alt und ich entschied mich das mal eben alles schnell neu aufzusetzen. gegen halb sieben war ich fertig, die automatische wohnung funktionierte wieder automatisch, das lokale netzwerk und der fernzugriff waren wieder korrekt konfiguriert und die telefone und anrufbeantworter und rufumleitungen und ein telefonbuch, mit den wenigen menschen die uns noch auf dem festnetz anrufen, waren eingerichtet.
aber die tatsache, dass einerseits ein „Internet-Anbieter“ in meiner privatshäre, an meiner informations-infrastruktur rumfummeln kann, log-dateien, einstellungen, filligrane konfigurationen einfach löschen kann und das dann auch noch tut, lässt mich sprachlos zurück. mir fehlen zwar nicht die worte, im gegenteil, aber die spare ich mir, weil diese worte justiziabel sein könnten.
(ich vermute sehr, dass das eine aktion von o₂ war, wobei es natürlich auch möglich ist, dass die fritzbox sich selbst zurücksetzt, wenn der konfigurationsserver des alten anbieters verschwindet, bzw. den anschluss für erloschen erklärt. das wäre dann ein veritabler bug in der fritzbox firmware von avm. dass die telekom das zurücksetzen veranlasst haben könnte ist nahezu auszuschliessen, der anschluss war ja noch nicht eingerichtet und damit auch kein zugriff für die telekom möglich. 100%ig auszuschliessen ist das natürlich nicht. aber aus vergangenen schlechten erfahrungen mit o₂ richte ich meinen ärger jetzt zunächst voll auf o₂.)
mich würde natürlich interessieren ob das anderen auch schon beim DSL-anbieterwechsel passiert ist, ob das ein standard-vorgehen ist oder ob das gar eine art digitaler hausfriedensbruch sein könnte. von mir aus kann mein „Internet-Anbieter“ alle daten löschen, die er über mich gesammelt hat, aber doch nicht meine daten und meine von mir vorgenommenen einstellungen.
ein kitzkleine recherche hat ergeben, dass zumindest die sätze:
Durch Ihren Internet-Anbieter wurden die Einstellungen der FRITZ!Box auf die Werkseinstellungen zurückgesetzt. Dabei wurden die bisherigen Einstellungen gelöscht
nur im zusammenhang mit o₂ im netz zu finden sind. in diesem strang diskutieren nutzer, denen o₂, teilweise mehrfach, bei der ersteinrichtung die fritzbox zurückgesetzt hat. unter dem werkseinstellungsreset liegend ist, soweit ich das verstehe, das TR-069-protokoll, dass „Internet-Anbietern“ erlaubt, bestimmte konfigurationen an kundenroutern vorzunehmen. und offenbar „Internet-Anbietern“ auch erlaubt, kundendaten auf fritzboxen nach belieben zu löschen.
avm dokumentiert zwar das implementierte TR-069-protokoll — und auch wie man das deaktivieren kann — dass „Internet-Anbieter“ diese funktion aber auch nutzen können, um alle persönlichen daten und einstellungen von der fritzbox zu löschen, ist dort nicht erwähnt.
Eine FRITZ!Box, die von einem Internetanbieter zur Verfügung gestellt wird, ist so eingestellt, damit der Anbieter die Erstkonfiguration vornehmen und Updates von FRITZ!OS einspielen und Ferndiagnosen durchführen kann.
vor etwa einem jahr habe ich mir von innr eine unterschrank-LED-beleuchtung gekauft und darüber geschrieben. insgesamt bin ich mit den innr-leuchten ganz zufrieden, mittlerweile bietet ikea vergleichbare, fernsteuerbare und dimmbare unterschranklampen an. die bekommt man für 15,00 plus drei mal 25,00 euro (90,00 €) zu einem vergleichbaren meter-preis wie von innr (amazonpreis innr uc 110 derzeit 95,00 €). allerdings haben die innr-leuchtstreifen ein paar eigenheiten und merkwürdigkeiten die die mit dem tradfri-treiber nicht vorkommen: beim einschalten gehen die innr-leuchtstreifen zum beispiel immer mit 100% an, statt mit der vorher eingestellten helligkeit.
weil ich vor ein paar tagen auf ein angebot auf der innr-webseite gestossen bin („testgeräteanforderung für blogger“), bin ich seit samstag im (test-) besitz eines innr-hubs, drei innr LED-birnen und einer schaltbaren innr-steckdose. innr hat mir die kostenlos zugeschickt, nachdem ich sie habe wissen lassen, dass mich drahtloses schalten interessiert und ich darüber schreibe (auch wenn es sonst kaum jemanden interessiert). als erstes hat mich natürlich interessiert, ob der LED-streifen auch mit der innr-app ein so komisches schaltverhalten zeigt und ob es vielleicht ein firmware-update gibt, wenn man den leuchtstreifen an den innr-eigenen hub anschliesst.
also habe ich als erstes den innr-hub neben meinen hue-, den tradfri- und den zigbee2mqtt-hub gelegt, angeschlossen, die innr-app runtergeladen und mich beim einrichten der app gewundert, warum ich mich bei innr als erstes registrieren muss. für den betrieb des zigbee-hubs, das schalten von lampen oder die funktion der app ist diese anmeldung nicht nötig. nach den aktuellen europäischen datenschutzregeln muss so ein anmeldegedöns eigentlich auch erklärt werden, es müssen gründe genannt werden, warum man auf datensparsamkeit verzichtet. erkennbaren nutzen hat man als nutzer von der anmeldung jedenfalls nicht, im gegenteil, ich habe mich noch vor dem anschluss der ersten lampe geärgert, weil die anmeldung in der innr-app erst im dritten anlauf funktionierte. das paaren mit den leuchten oder dem leuchtstreifen geht dann, wenn man die anmeldung hinter sich gebracht hat, bei innr einfach und soweit ich einschätzen kann relativ hack-sicher: die lampe verbindet sich mit dem zigbee-koordinator nur, wenn sie ungepaart ist und nur in den ersten fünf sekunden nachdem man sie ans stromnetz angeschlossen hat. hue hat es jahrelang versäumt den paarungsvorgang abzusichern, weshalb man mit entsprechend kräftigen zigbee-sniffern ganze hue-zigbee-netzwerke kapern konnte. mittlerweile hat hue das problem wohl behoben. ikea sichert den paarungsvorgang durch nähe ab, nur wenn ein bereits gepaartes gerät (meistens eine fernbedienung) wirklich nah an der lampe ist, lässt sie sich zum eintreten in das neue netzwerk überreden.
leider zeigte der UC 110 leuchtstreifen auch am innr-hub sein eigenartiges einschaltverhalten. ein firmware-update schien auch nicht zur verfügung zu stehen. ansonsten verhielt sich der UC 110 wie am hue hub: er ändert die helligkeit mit geschmeidigen übergängen und lässt sich auf sehr, sehr niedrige helligkeit runterdimmen, so niedrig wie kein anderes fernsteuerbares leuchtmittel das ich bisher gesehen habe.
etwas eigenartig verhielt sich die mitgelieferte RGB leuchte (RB 285 C) am innr hub. beim wechseln der farben leuchtete die lampe immer wieder weiss auf. der übergang insgesamt war zwar weich, aber warum beim wechsel von blau zu rot über die weissen LEDs gegangen werden müsste ist nicht nachvollziehbar. dafür merkte sich die RB 285 C — anders als der UC 110 — ihren vorherigen einschaltzustand: wenn ich sie mit der app auf niedrige helligkeit und hellblau stellte, abschaltete und wieder anschaltete, ging sie hellblau mit niedriger helligkeit wieder an. was die innr-leuchten nicht können, die tradfri-lampen auch nicht, ist ein neues feature dass die neuere hue-lampen-firmware beherrscht: bei hue lampen lässt sich jetzt das einschaltverhalten nach stromnetz-entzug konfigurieren. schalte ich tradfri- oder innr-lampen den strom ab, gehen sie danach immer an, j sei dank allerdings immer mit den vorher eingestellten werten. den hue lampen kann man jetzt sagen, dass sie das auch so machen sollen, dass sie immer an gehen sollen oder nur dann angehen sollen, wenn sie vor dem stromentzug auch schon an waren (vorher gingen hue-birnen nach trennung vom stromnetz immer mit 100% helligkeit an).
die beiden letzten schwachpunkte der innr app- und hub-kombination waren dann der grund, warum ich den hub schnell wieder demontiert habe: wenn ich einer lampe den strom wegnahm, merkte die app nicht, dass die lampe nicht mehr erreichbar ist. in der app konnte ich die lampe weiter schalten und konfigurieren, als wäre sie noch im zigbee-mesh. das können hue, tradfri und die open-source lösung zigbee2mqtt besser.
ein völliges k.o.-kriterium für die innr app- und hub-kombination ist die völlige abwesenheit einer API. sind leuchtmittel oder aktoren an die innr-bridge angeschlossen, lassen sie sich ausschliesslich von der innr-app fernsteuern. es gibt keine API und bisher scheint sich niemand die mühe gemacht zu haben, dass kommunikationsprotokoll zwischen app und hub reverse zu engineeren. das ist andererseit aber OK, weil man die innr-geräte auch problemlos mit anderen zigbee hubs verbinden kann, der die geräte dann per API steuerbar und auslesbar macht.
die mühe die RGB-birne und die schaltbare steckdose an unseren hue-hub anzuschliessen habe ich mir gar nicht erst gemacht, sondern beide gleich mit meiner zigbee2mqtt-instanz verbunden. das ging kinderleicht, einfach die lampe und die steckdose zurücksetzen, indem ich sie aus der app lösche und sobald die join-option aktiviert ist, schnappt sich zigbee2mqtt die beiden geräte sofort.
eine freudige überraschung war, dass zigbee2mqtt alle features der RGB-birne und der steckdose erkennen: für die steckdose liefert zigbee2mqtt folgenden json-string:
die dose misst also den verbrauch angeschlossener geräte und überträgt diese werte per mqtt alle paar sekunden.
schaltbare steckdosen waren mein einstieg in die vernetzte wohnung, allerdings in der nur mittel-zuverlässigen, dafür sehr günstigen 433 mhz funk-variante. ausser beim nicht mehr so günstigen homematic-system, bieten diese funkdosen keinen rückkanal, man selbst und die steuerungssoftware muss also optimistisch sein und einfach davon ausgehen, dass ein schaltvorgang geklappt hat. auch den stromverbrauch einiger geräte habe ich jahrelang über das 433 mhz protokoll ausgelesen. die revolt RF-dosen sind spotbillig (14 €), funken ihre werte allerdings im sekundentakt, was andere 433-mhz-kommunikation potenziell stört. trotzdem messe ich den stromverbrauch unserer waschmaschine bis heute mit so einer revolt-dose, um uns vom abschluss von waschvorgängen informieren lassen zu können.
vor einem jahr habe ich mir für 10 euro bei obi schaltbare wlan-steckdosen gekauft, auf die man eigene firmware (tasmota) flashen konnte. damals waren die mit 10 euro unschlagbar billig, messen allerdings nicht den stromverbrauch. das kann für knapp 30 euro die tplink hs 110, die zwar eine proprietäre firmware hat, aber dafür auch eine lokale API bietet, sich also ohne cloud auslesen und steuern lassen. davon habe ich mittlereile zwei und bin recht zufrieden damit.
die innr sp120 ist preislich vergleichbar mit der tplink hs110 (beide um die 30 euro), sieht aber um einiges besser aus.
dafür schaltet sie maximal 10 ampere, die tplink schaltet 16 ampere. 10 ampere dürften für die messung des stromvebrauchs von wasch- oder spülmaschine ein bisschen schwachbrüstig sein.
auch spottbillig, aber leider ohne strommessung, sind die neuen tradfri schaltsteckdosen: sie kosten 10 euro und schalten auch 16 ampere. leider sind sie in deutschland noch nicht lieferbar (mehrfach verzögert, derzeit heisst es, sie seien ab februar 2020 in deutschland lieferbar)
ich habe mir drei dieser dosen in holland gekauft, zusammen mit einem neuen schalter. das pairing war etwas fummelig, aber ich konnte sowohl die dosen, als auch den schalter problemlos mit zigbee2mqtt verbinden. die home-assistant tradfri-implementierung kann die dosen auch verbinden, aber nicht den schalter. und weil meine home-assistant-version schon etwas älter ist 0.75.3 (aktuell ist 0.92) ist die lösung mit der zigbee2mqtt-bridge momentan die beste. was vor allem erstaunlich ist, vieles funktoniert mit zigbee2mqtt besser als mit den hersteller-lösungen. wenn ich beispielsweise die innr-RGB-birne oder die innr steckdose vom stromnetz trenne, markiert zigbee2mqtt sie zuverlässig als nicht verfügbar. tradfri kann das auch, allerdings nur nach langer timeout-zeit oder wenn man nicht verfügbare aktoren versucht zu schalten. die innr-hub und ap-kombination kanns nicht, bei hue geht’s mit längreen time-out-zeiten auch.
mittlerweile habe ich über zigbee2mqtt knapp 20 sensoren und aktoren angeschlossen (neben den ikea- und innr-steckdosen, einer hue und der innr-RGB-birne, einigen xiaomi-sensoren vor allem super günstige, zuverlässige und ausreichend schicke xiaomi-schalter) und bin super zufrieden mit der funktion und der zuverlässigkeit, aber vor allem der weiterentwicklung der software. an ein paar stelllen klemmt’s gelegentlich noch, aber das tut’s auch bei der home-assistant tradfri-implementierung, die manchmal über netzwerkprobleme stolpert oder sich aufhängt.
fazit
mein fazit zu den vier bisher näher angesehenen innr-produkten ist zweispältig. die produkte sind einwandfrei gestaltet, sowohl optisch, als auch technisch. aber die innr-eigene hub- und app-kombination ist nahezu nutzlos, weil sie keinerlei API bietet. dank des zigbee-standards lassen sich die innr-produkte aber mit allen marktüblichen geräten paaren und nutzen. als ich zuerst vor ein paar jahren von innr gehört habe, habe ich das geschäftsmodell so verstanden, dass man hue mit günstigeren, aber kompatiblen zigbee-produkten unter druck setzen wollte. diesem geschäftsmodell hat ikea einen strich durch die rechnung gemacht, die seit zwei jahren günstige, zuverlässige und ständig gepflegte zigbee-produkte anbieten. qualitativ scheint mir die innr-RGB-birne der tradfri- und hue-konkurenz mindestens ebenbürtig bis überlegen. die innr-birne hat definitiv ein besseres farbspektrum als die tradfri-RGB-birnen und subjektiv erscheint mir auch die leuchtkraft der innr-RGB-birne der hue-variante überlegen.
mit der schaltbaren zigbee-steckdose, die auch den stromverbrauch misst, hat innr (noch) ein herausragendes und schick gestaltetes produkt, dass es von den anderen herstellern so noch nicht gibt. aber ikea zeigt mit seinen 10-euro-zigbee-dosen der konkurenz, wo sie ihren hebel ansetzen. gegen philips und seine hue-produkte wird die positionierung auch nicht einfacher. hue drückt immer neue produkte in den markt und punktet mit qualität, anspruchsvollem design und stetiger weiterentwicklung der firmware, auch ihrer älteren produkte. bei innr sehe ich gerade bei der firmware wenig bis keine bewegung, vor allem auch keine ansätze schwächen per software-updates auszubügeln.
überhaupt nicht nachvollziehbar ist der registrierungszwang in der innr-app bei der nutzung des innr-hubs. in der app landet man bei einem klick auf „Datenschutz“ auf der innr-website, dort kann man ein (auf dem handy kaum lesbares) englischsprachiges pdf runterladen.
If you purchase the bridge Product (plus any other Products) and install it at home on your Wi-Fi network, in combination with downloading the App on your smartphone or tablet, you need to create a login account or log in with the account created in the LA or in the App. The App then collects the names of the lights you use, and the rooms and lighting scenes that you use in your settings. If you purchase Products without the bridge, then no further data is collected and the App has no functionality.
Innr collects additional data from your use of the Products
In order to improve your experience and help troubleshoot any problem that may arise, we collect additional technical information such as the serial number of the Products (such as lamps and the bridge, the software version and the like), if you have the bridge Products installed. To be able to use the services we offer or may offer in future, the Products need to be connected to your Wi-Fi network. During the set-up, the Product will save your IP address.
warum innr einen login erfordert und danach technische lampendaten, meine IP-adresse oder szenen- und lampennamen sammelt, wird daraus nicht klar. die einzigen, etwas dünnen erklärungen, warum innr auf datensparsamkeit verzichtet lautet:
[…] sharing your personal data with Innr will enable us to make it easier for you to:
- control your Products through WiFi networks; and
- receive software updates automatically.
das ist natürlich quatsch, weil das alles auch ohne vorherige registrierung funktioniert. es erscheint beinahe so, als ob innr hier indirekt von der nutzung der eigenen hub-lösung abrät.
nutzung
ich bin eigentlich mit fernsteuerbaren LED-birnen ganz gut ausgestattet, bzw. wir haben den umstieg von glühfaden, halogen oder neon zu LED in der wohnung abgeschlossen. grösstenteils nutzen wir LED-licht mit weiss-spektrum, also kaltem weiss und warmen weiss. RGB, also farb-effekte nutzen wir im alltag kaum, ein realistisches nutzungsszenario für farbiges licht existiert praktisch kaum. bei der überlegung wie ich die innr-RGB-birne nutzen könnte fiel mir ein, dass sie den besetzt-status vom klo signalisieren kann. schliesslich habe ich jetzt einen sensor, der „sieht“ ob jemand auf der schüssel sitzt. nach der umkoniguration meiner flur-licht automationen in home-assistant funktioniert das jetzt wunderbar.
die innr-steckdose werde ich für das automatische ein- und ausschalten der wachstumslampen in der kammer nutzen. die ziehen derzeit alle zusammen 43 watt und das möchte ich weiterhin gerne im blick behalten um die kosten für den selbstgezogenen salat irgendwann mal auszurechnen. bisher nutze ich dafür eine tplink-dose, die aber dann wohl an die waschmaschine wandern wird und dort die alte 433-mhz-revolt-strommessdose ablösen wird. das bringt dann hoffentlich wieder ein bisschen zuverlässigkeit in das 433-mhz-spektrum, dass derzeit arg von der revolt-dose zugespammt wird. denn ein paar 433-mhz sensoren und aktoren haben wir hier noch in benutzung.