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ju­lia (aber auch hei­ner, chris­ti­ne, kris­tof, ele­na, …)

felix schwenzel in artikel

öf­fent­lich über men­schen zu schrei­ben die ei­nem wich­tig sind, die ei­nem viel be­deu­ten, ist wahn­sin­nig schwer. des­halb ha­ben die men­schen fik­ti­on als li­te­ra­ri­sches werk­zeug er­fun­den. auch fik­tio­nal über die ei­ge­nen ge­füh­le an­de­ren men­schen ge­gen­über zu schrei­ben ist schwer, aber die zu­sätz­li­che di­stanz hilft ei­nem das eine oder an­de­re pro­blem zu um­schif­fen.

beim le­sen von Ju­lia wuss­te ich nach fünf mi­nu­ten dass ju­lia am ende des tex­tes nicht mehr le­ben wür­de und dass der text nicht (wirk­lich) fik­tio­nal ist.

kon­stan­tin, der den text schrieb, be­haup­tet ja auf sei­ner about-sei­te auch, das sei­ne text-samm­lung „pri­vat und fik­tio­nal“ sei. das ist ge­nau­so wahr wie mei­ne vor­he­ri­ge be­haup­tung, dass der text nicht (wirk­lich) fik­tio­nal sei. denn be­kannt­lich ist al­les, auch die koh­len­stoff-welt fik­tio­nal und vir­tu­ell, oder po­pu­lä­rer aus­ge­drückt: sub­jek­tiv und kon­stru­iert. rea­li­tät, das oft ro­man­ti­sier­te „real life“, ist eine vir­tu­el­le kon­struk­ti­on ein­zel­ner und (durch kom­mu­ni­ka­ti­on) ver­netz­ter ge­hir­ne.

aber dar­auf woll­te ich gar nicht hin­aus. ich woll­te dar­auf hin­aus, wie be­frei­end — ja, ka­thar­tisch — es sein kann, über men­schen zu schrei­ben, die ei­nem viel be­deu­ten. ich hat­te vor vie­len jah­ren das star­ke be­dürf­nis alte freun­de und freun­din­nen ei­ner­seits wie­der zu se­hen und an­de­rer­seits dar­über nach­zu­den­ken war­um sie mir wich­tig wa­ren und sind. und weil ich beim schrei­ben am bes­ten nach­den­ken und ge­dach­tes ver­dau­en kann, woll­te ich eben auch über mei­ne al­ten freun­de schrei­ben.

auch wenn wir mitt­ler­wei­le so gut wie je­den men­schen in­ner­halb von se­kun­den auf ei­nem bild­schirm oder laut­spre­cher vor uns er­schei­nen las­sen kön­nen, wen­den wir die­sen tech­nik-trick sel­ten an.

2016 nahm ich mir im früh­jahr ein paar tage frei um so vie­le alte freun­de wie mög­lich zu be­su­chen. vie­le der freun­de freu­ten sich, aber ei­ni­ge wa­ren auch dar­über er­schro­cken, wenn ich an­deu­te­te, dass ich dar­über viel­leicht schrei­ben wür­de. im an­schluss an die rei­se schrieb ich ein paar text­frag­men­te, aber ver­öf­fent­lich­te kei­nen ein­zi­gen text. das schrei­ben fiel mir auch wahn­sin­nig schwer, es war un­frei und im hin­ter­kopf lun­ger­te im­mer der ge­dan­ke, was könn­te sie oder er dar­über den­ken?

auch über ver­stor­be­ne freun­de zu schrei­ben ist nicht leicht, aber an kon­stan­tins text merkt man dass es leich­ter ist und ei­gent­lich (so­wie­so) mehr über ei­nen selbst ver­rät, als über die an­de­re per­son. und das ist auch das gross­ar­ti­ge an die­sem „gen­re“. es ist die idea­le me­tho­de über sich nach­zu­den­ken ohne ego­zen­trisch zu wir­ken. ich habe kon­stan­tins text jetzt mehr­fach ge­le­sen, auch um zu ver­ste­hen, war­um mir der text so gut ge­fällt oder war­um die­ses „gen­re“, tex­te über alte freun­de, so gut funk­tio­niert und mei­ne eu­pho­rie-sai­ten zum klin­gen bringt. wahr­schein­lich liegts auch an der un­prä­ten­tiö­sen, un­dra­ma­ti­schen spra­che, die ei­nem ge­ra­de des­we­gen umso nä­her geht. bei­läu­fig und exis­ten­zi­ell zu­gleich.

ich weiss nicht mehr ob ich kris­tof 2016 be­such­te oder ir­gend­wann spä­ter, aber ich war sehr froh dar­über mit ihm nach vie­len jah­ren noch­mal kon­takt auf­zu­neh­men. wir hat­ten uns zwi­schen­zeit­lich im­mer mal wie­der bei ju­bi­lä­ums- oder trau­er­fei­ern ge­se­hen, aber nie wirk­lich mit­ein­an­der ge­spro­chen oder sa­chen ge­teilt. auch über mein tref­fen mit kris­tof schrieb ich im an­schluss ein paar frag­men­te auf, ohne sie zu ver­öf­fent­li­chen. als er dann letz­tes jahr starb über­ar­bei­te­te ich die frag­men­te ein biss­chen und ver­öf­fent­lich­te den text.

mei­nen freund hei­ner hat­te ich zu­letzt 2019, zu sei­nem 70sten ge­burts­tag be­sucht. das war sehr schön, auch weil vie­le an­de­re alte freun­de aus ful­da, aus mei­ner zi­viel­dienst­zeit, dort wa­ren. ir­gend­wann frag­te ich hein­ers neue freun­din, ob chris­ti­ne denn auch kom­men wür­de. oh, ob mir das nie­mand ge­sagt hät­te, die sei vor ein paar jah­ren ver­stor­ben. chris­ti­ne hat­te ich auch schon fast 20 jah­re nicht mehr ge­se­hen, ob­wohl sie ge­le­gent­lich ver­such­te den kon­takt auf­recht zu hal­ten und mich ge­le­gent­lich an­rief. hat dann ir­gend­wie nie ge­klappt, dass wir uns mal ver­ab­re­de­ten oder wenn ich dann mal in ful­da war, war im­mer ir­gend­was an­de­res oder hei­ner.

ich hat­te im­mer ein ei­gen­ar­tig tie­fes be­dürf­nis hei­ner in ful­da, in der rhön zu be­su­chen. ei­ner­seits weil ich da­mals™ so viel zeit dort ver­bracht hat­te, weil es dort so schön war und ich mit hei­ner so ger­ne zeit ver­brach­te. ich woll­te ihm auch fri­da vor­stel­len und zei­gen was für ein tol­ler hund aus ihr ge­wor­den war. hei­ner hat­te uns qua­si, am mor­gen nach sei­ner 70. ge­burts­tags­fei­er, ab­so­lu­ti­on er­teilt ei­nen pu­del zu kau­fen. hun­de in der stadt fand er nicht so toll, aber ein pu­del, das sei fein.

be­vor fri­da und ich hei­ner noch­mal be­su­chen konn­ten, er­reich­te mich vor zwei oder drei jah­ren die nach­richt, dass auch er ver­stor­ben sei. kurz vor­her, ge­nau­so un­er­war­tet, war mei­ne schwes­ter ge­stor­ben. ich bin mit trau­er nicht be­son­ders gut. ich blei­be so um die drei bis zehn jah­re in der de­ni­al/leug­nungs­pha­se ste­cken und über­sprin­ge dann ir­gend­wann die an­ger, bar­gai­ning und de­pres­si­ons-pha­sen um zu so was wie ak­zep­tanz zu kom­men.

und ich glau­be der zeit­punkt der ak­zep­tanz ist (bei mir) ge­nau dann er­reicht, wenn ich in der lage bin die bil­der die­ser men­schen von mei­nem in­ne­ren auge zu lö­sen und in eine text­form zu brin­gen. dann hof­fe ich auch dazu in der lage zu sein, hein­ers kin­dern und ehe­ma­li­gen le­bens­part­ne­rin­nen zu schrei­ben und mein (wirk­lich) tief emp­fun­de­nes bei­leid zu be­kun­den.

zu­fäl­lig freue ich mich näm­lich tat­säch­lich seit ein paar wo­chen dar­auf end­lich über hei­ner und ele­na schrei­ben zu kön­nen, ka­thar­sis und so.


ein schwie­rig­keits­le­vel hö­her als ei­nen text über ver­stor­be­ne freun­din­nen oder freun­de ins in­ter­net zu schrei­ben, ist eine trau­er­re­de. am abend vor kris­tofs be­er­di­gung sass ich vor ei­nem dunk­len, lee­ren blatt (dark­mo­de, doo), weil kris­tofs el­tern mich ge­be­ten hat­ten auch was zu sa­gen.

wäh­rend ich mir ei­nen text aus den fin­gern zu sau­gen ver­such­te, rief ich erst­mal mei­ne lieb­lings­freun­din gita an. nach dem ge­spräch mit gita — und wohl auch dank gita — mach­te es ir­gend­wann zwei­mal klick bei mir im kopf und ich bil­de­te mir ein, je ei­nen ganz wich­ti­gen aspekt von kris­tof ver­stan­den zu ha­ben und — räus­per — von saint-exupé­rys klei­nen prin­zen.

bis jetzt habe ich den text (of­fen­sicht­lich) nicht ver­öf­fent­licht, aber viel­leicht ist jetzt ein gu­ter zeit­punkt. das ist der text, den ich wäh­rend der trau­er­fei­er vor­trug.


ich hab mit kris­tof ja sehr viel zeit ver­bracht als wir jung wa­ren und (lei­der) sehr we­nig zeit, als wir äl­ter wa­ren.

als ich kris­tof zum ers­ten mal ge­trof­fen habe, so er­zäh­len es zu­min­dest un­se­re el­tern, hab ich ihn erst­mal um­ge­wor­fen. ich ver­mu­te ich woll­te ihn knud­deln oder auf die schul­ter klop­fen. kris­tof war da­mals, vor über 50 jah­ren, zart und fein­glied­rig — und ich — schon da­mals — nicht. ich habe auch als klei­nes kind schon so aus­ge­se­hen — nur klei­ner.

in den fol­gen­den 10 oder 12 jah­ren ha­ben wir sehr viel zeit mit­ein­an­der ver­bracht. bei ei­nem gross­teil mei­ner kind­heits­er­in­ne­run­gen ist kris­tof mit auf dem bild.

apro­pos er­in­ne­run­gen. man muss da ja auf­pas­sen, weil man sich er­in­ne­run­gen oft und ger­ne zu­recht­biegt oder schön­macht. aber ich kann mich tat­säch­lich nicht dar­an er­in­nern, dass kris­tof und ich uns je­mals ge­strit­ten ha­ben.

ich er­in­ner mich dar­an vie­le mei­len­stei­ne mei­ner kind­li­chen ent­wick­lung ge­mein­sam mit kris­tof er­reicht zu ha­ben.

  • am ju­go­sla­wi­schen strand ha­ben wir uns ge­mein­sa­mes weit­pin­keln bei­ge­bracht (al­ler­dings hat anja wei­ter ge­pin­kelt als wir)
  • in der ba­de­wan­ne in lich­ten­busch ha­ben wir uns bei­ge­bracht un­ter den ar­men zu fur­zen
  • und im kin­der­gar­ten und hort ha­ben wir un­se­re su­per­kraft (!) ent­wi­ckelt, und ver­fei­nert, au­to­ri­täts­per­so­nen in den wahn­sinn zu trei­ben — und trotz­dem von ih­nen ge­mocht zu wer­den.

wo wir uns un­ter­schie­den, war un­se­re ri­si­ko-af­fi­ni­tät. wenn kris­tof (und anja) auf bäu­me oder fel­sen klet­ter­ten, blieb ich un­ten. ich war schon als kind eher ein schis­ser. kris­tof nicht. kris­tof war mu­tig, viel­leicht so­gar über­mu­tig. die­ser mut hat ihm schon als kind vie­le nar­ben und ge­näh­te platz­wun­den be­schert. tat­säch­lich war es so all­täg­lich, dass kris­tof sich lö­cher in sei­nen kör­per schlug, dass ich mich noch sehr ge­nau an ein ge­spräch bei uns am ess­tisch er­in­ne­re, als mei­ne mut­ter er­zähl­te, dass kris­tof in ei­nen sta­chel­draht­zaun ge­fal­len sei. statt mit: „oh je, der arme!“ re­agier­ten wir mit: „oh je, schon wie­der?“

ge­fahr, ri­si­ken, gren­zen wa­ren für kris­tof her­aus­for­de­run­gen, um zu schau­en was da­hin­ter liegt. was pas­siert, wenn man noch ei­nen, zwei, zehn schrit­te wei­ter­geht?

wirk­lich gut ken­ne ich nur den jun­gen kris­tof, den äl­te­ren kris­tof habe ich zwar ein paar mal ge­trof­fen und in­for­ma­tio­nen aus zwei­ter oder drit­ter hand er­fah­ren, aber das reicht ei­gent­lich nicht, um et­was sub­stan­zi­el­les über den äl­te­ren kris­tof zu sa­gen.

aber das hin­dert mich na­tür­lich nicht, trotz­dem zu spe­ku­lie­ren. schliess­lich ken­ne/kann­te ich ja vie­le sei­ner po­ten­zia­le, die seit sei­ner kind­heit in ihm schlum­mer­ten oder be­reits zum vor­schein tra­ten.

und es ist ei­gent­lich gar nicht spe­ku­la­tiv zu sa­gen, dass kris­tof ein rie­si­ges krea­ti­ves, hand­werk­li­ches und künst­le­ri­sches po­ten­zi­al hat­te — und ent­wi­ckelt und ge­zeigt hat. ein gu­tes bei­spiel ist der ad­ler den er in sei­nem ehe­ma­li­gen kin­der­zim­mer an die wand ge­malt hat. das ad­ler-bild fan­den alle su­per die es ge­se­hen ha­ben, aber es war nicht ganz fer­tig. dem ad­ler fehl­ten die füs­se. kris­tof ana­ly­sier­te das mal selbst und sag­te, dass die feh­len­den füs­se ja viel­leicht ein biss­chen sym­bo­lisch für sein le­ben sein könn­ten, dass ihm auch ein biss­chen der halt, die bo­den­füh­lung feh­le.

ich seh das ei­ner­seits an­ders und an­de­rer­seits ge­nau­so. zum ei­nen glau­be ich, dass die bes­te kunst oft un­voll­en­det, un­voll­stän­dig ist und es dem be­trach­ter über­lässt sie zu ver­voll­stän­di­gen oder wei­ter zu den­ken. aber viel wich­ti­ger: um gute, un­voll­stän­di­ge ar­beit ab­zu­lie­fern, braucht man ei­nen sinn und den blick fürs we­sent­li­che. und die­sen blick für das we­sent­li­che hat­te kris­tof, auch, und das ist sel­te­ner als man denkt, weil er mit sei­nem sehr gros­sen herz se­hen konn­te. kris­tof war ein em­pa­thie-mons­ter.

ich hab ges­tern mit gita ge­spro­chen. gita ist mei­ne lieb­lings-ex-freun­din und gita war auch mal eine gan­ze wei­le mit kris­tof zu­sam­men (kris­tof und ich ha­ben also nicht nur un­se­re kind­heit ge­teilt, son­dern auch un­se­re lie­be zu gita). gita er­zähl­te mir, dass sie kris­tof ken­nen­lern­te, als er sich um sei­nen (da­mals) klei­nen bru­der leif küm­mer­te. sie er­zäh­te mir, wie be­ein­druckt sie da­von war, wie sich kris­tof um leif küm­mer­te. kris­tof sei da­mals schon nicht nur su­per kin­der­lieb ge­we­sen, son­dern hat­te ech­tes in­ter­es­se an sei­nem klei­nen bru­der. gita sag­te er hat­te die fä­hig­keit das we­sent­li­che in leif zu se­hen, leif als men­schen, als per­sön­lich­keit zu er­ken­nen und zu be­han­deln — und nicht nur als klei­nes kind.

das ist nur eine klei­nig­keit, aber wenn man sich um­guckt in der welt, ist die­se fä­hig­kekt gar nicht mal so weit ver­brei­tet. man braucht schon ein wirk­lich gros­ses herz, da­mit das herz über den tel­ler­rand der ei­ge­nen be­find­lich­kei­ten hin­aus­se­hen kann, auf die be­find­lich­keit der an­de­ren, eben auf das we­sen­li­che.

ich glau­be auch, spä­tes­tens als kris­tof eine fa­mi­lie grün­de­te, wuch­sen dem ad­ler im kin­der­zim­mer füs­se.

als ich kris­tof vor un­ge­fähr 10 jah­ren nach lan­ger zeit noch­mal traf, no­tier­te ich mir da­nach, dass ich mir kris­tof als ei­nen glück­li­chen men­schen vor­stel­le. das le­ben in das er hin­ein­ge­wor­fen wur­de, das le­ben in das er sich selbst mit sei­ner sehr spe­zi­el­len art von ri­si­ko-aff­ni­tät ka­ta­pul­tier­te, bot ihm nicht im­mer die bes­ten rah­men­be­din­gun­gen.

aber ich stel­le mir vor, dass kris­tof die schat­ten­sei­ten sei­nes le­bens aus­blen­den konn­te, so wie er je­des­mal wenn er hin­fiel lach­te — und wie­der auf­stand. im­mer wie­der.

er er­kann­te das we­sent­li­che. für an­de­re zu sor­gen ver­lieh ihm füs­se — und er­füll­te ihn mit glück.

und auch wenn das al­les spe­ku­la­tiv ist — so be­hal­te ich kris­tof je­den­falls in er­in­ne­rung.


ge­schen­ke an die ar­chi­tek­ten

felix schwenzel

wäh­rend mei­nes ar­chi­tek­tur­stu­di­ums ha­ben wir oft ar­chi­tek­to­nisch be­mer­kens­wer­te bau­ten be­sich­tigt. wenn ar­chi­tek­ten ihre bau­ten aus der hand ge­ben und die kon­trol­le an die nut­zen­den über­ge­ben, sieht man bei die­sen be­sich­ti­gun­gen auch im­mer wie­der wie sich die ideen und kon­zep­te der ar­chi­tek­ten und die der nut­zen­den aus­ein­an­der­ent­wi­ckeln. ein klas­si­ches bei­spiel ist ein schirm­stän­der in ei­che rus­ti­kal in ei­nem pu­ris­ti­schen, voll­ver­glas­ten white cube ves­ti­bül. wir ha­ben das da­mals im­mer „ge­schen­ke an die ar­chi­tek­ten“ ge­nannt.

ich habe in mei­nem stu­di­um zwei strö­mun­gen bei der ge­stal­tung wahr­ge­nom­men, die prag­ma­ti­schen und die am­bi­tio­nier­ten ge­stal­ter. tat­säch­lich hat­te ich schon vor dem stu­di­um ei­nen text über pe­ter hüb­ner ge­le­sen, in dem be­schrie­ben wur­de wie er eine schu­le nicht für die schü­ler bau­te, son­dern mit den schü­lern (und al­len an­de­ren be­tei­lig­ten). das be­deu­tet, dass der ent­wurfs­pro­zess vie­le um­we­ge, viel­leicht auch irr­we­ge be­inhal­tet, aber eben auch das po­ten­zi­al für ent­de­ckun­gen.

der ent­wurfs­pro­zess für die tram­hal­te­stel­le am haupt­bahn­hof dürf­te et­was an­ders aus­ge­se­hen ha­ben. bei den trag­werks-in­ge­nieu­ren liest sich das so:

So kann sich das Dach stüt­zen­frei zu den Glei­sen öff­nen. Die Trauf­kan­ten fol­gen der sta­ti­schen Ide­al­li­nie und bil­den ei­nen ele­gan­ten Schwung. Der hel­le mo­no­li­thi­sche Sicht­be­ton des Da­ches schwebt über dem an­thra­zit­far­bi­gen Bo­den aus Be­ton-Groß­for­mat­plat­ten. Die ein­heit­li­che Ge­stal­tung mit ei­nem Ma­te­ri­al lässt die Hal­te­stel­le trotz der dy­na­mi­schen Form schlicht wir­ken. Durch die ei­ge­ne For­men­spra­che ent­zieht sich der Ent­wurf der Kon­kur­renz mit der um­lie­gen­den Be­bau­ung und be­haup­tet sich selbst­ver­ständ­lich im städ­te­bau­li­chen Um­feld.

wo­ge­gen sich der ent­wurf al­ler­dings nicht be­haup­ten kann, sind er­gän­zun­gen des ent­wurfs durch die nut­zen­den. ganz of­fen­sicht­lich wur­den sta­tik und ma­te­ria­li­tät im ent­wurf mehr be­ach­tung ge­schenkt, als prag­ma­ti­sche über­le­gun­gen, zum bei­spiel zu stau­raum.

bild der architektonisch ambitionierten strassenbahnhaltestelle hauptbahnhof mit einem improvisierten, weiss gestrichenen holzverschlag
stras­sen­bahn­hal­te­stel­le haupt­bahn­hof mit holz-ver­schlag

ich ver­nu­te die holz­ver­schlä­ge die­nen der un­ter­brin­gung von rei­ni­gungs­ma­te­ria­li­en. sie wur­den auf bei­den sei­ten „an­ge­baut“

nahaufname eines des holzverschläge, die das geschwungene dach der tramhaltestelle berlin hauptbahnhof ergänzen
holz­ver­schlag vs. „sta­ti­sche Ide­al­li­nie“

jony ive hat kürz­lich in ei­nem be­mer­kens­wer­ten und se­hens­wer­ten in­ter­view ge­sagt, dass ein pro­dukt für ihn häss­lich sei, wenn es nicht funk­tio­nie­re. ich wür­de nicht sa­gen dass die hal­te­stel­le am haupt­bahn­hof häss­lich sei, aber man kann auch da­von aus­ge­hen, dass sie für die nut­zen­den, zu­min­dest im mo­ment, nicht funk­tio­niert.

wenn man sich die fo­tos und kon­zep­te auf der web­seei­te der ar­chi­tek­ten und trag­werks-in­ge­nieu­ren an­schaut, er­kennt man mühlos ein an­spruchs­vol­les und fas­zi­nie­ren­des kon­zept, aber es sieht so aus, als sei das nicht ge­nug.


das jony-ive-in­ter­view habe ich sehr ger­ne an­ge­se­hen. als er auf die büh­ne kam, lief mei­ne vor­ur­teils-mschi­ne an; ein sat­ter, weis­ser, rei­cher al­ter sack der sich jetzt in sei­ner nach-ap­ple-zeit ein biss­chen fei­ern las­sen will. aber schon nach we­ni­gen se­kun­den wur­de klar, jony ive ist über­haupt nicht satt, er ringt mit den wor­ten, nicht weil es ihm schwer­fällt zu re­den, son­dern weil er prä­zi­se und phra­sen­frei for­mu­lie­ren will. man er­kennt die lei­den­schaft, die in ihm bro­delt wenn es um ge­stal­tung geht und dass ihn das the­ma ge­stal­tung nicht ru­hen lässt, im wahrs­ten sin­ne des wor­tes auch nicht still sit­zen lässt. des­halb guck-emp­feh­lung für das ive-in­ter­view und le­se­emp­feh­lung zu die­sem in­ter­view mit pe­ter hüb­ner.


nach­trag 29.06.2025: es zeigt sich, wahr­schein­lich dank der stür­me der letz­ten wo­chen, dass die holz­ver­schlä­ge nicht be­son­ders sta­bil ge­baut wur­den und of­fen­bar nur die dutch­gän­ge zu roll­trep­pen ver­sper­ren sol­len. wäre trotz­dem viel­leicht bes­ser ge­we­sen, auch mit den tem­po­rä­ren zu­gangs­sper­ren leu­te zu fra­gen, die sich mit so­was aus­ken­nen, ar­chi­tek­ten oder bau­in­ge­nieu­re zum bei­spiel.

bild eines zerstörten holzverschlags an der tramhaltestelle am hauptbahnhof, man sieht dahinter eine rolltreppe
ab­ge­ris­se­ner holz­ver­schlag an der tram­hal­te­stel­le am haupt­bahn­hof

hal­tungs-po­sing

felix schwenzel

als kind bin ich ir­gend­wie an ei­nen auf­kle­ber ge­kom­men, auf dem stand „Ich bin En­er­gie­spa­rer“. weil auf­kle­ber zum auf­kle­ben sind, kleb­te ich den auf­kle­ber an mein bett, ne­ben die nacht­tisch­lam­pe. nun war ich en­er­gie­spa­rer.

ir­gend­wann wies mich mei­ne oma dar­auf hin, dass en­er­gie­spa­rer das licht aus­schal­ten, wenn sie es nicht brau­chen. da­mals brauch­te eine nach­tisch­lam­pe noch 30 oder 60 watt und ich muss­te ihr, trotz der trotz­pha­se in der ich mich die gan­zen acht­zi­ger­jah­re be­fand, recht ge­ben.

Der Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­ter bit­tet Sie, nun auch zu zei­gen, daß Sie mit­ma­chen.

ir­gend­wann spä­ter in mei­nem le­ben ent­wi­ckel­te ich eine re­gel­rech­te aver­si­on ge­gen auf­kle­ber wie „Ein Herz für Kin­der“ oder „Erst wenn der letz­te baum ge­ro­det ist …“-auf­kle­ber, die ab­sur­der wei­se be­son­ders ger­ne auf au­tos ge­klebt wur­den. ich hat­te den ein­druck, dass die­se auf­kle­ber den glei­chen zweck ver­fol­gen wie spen­den­ga­las oder ab­lass­han­del: man be­kun­det öf­fent­lich eine be­stimm­te hal­tung, zahlt ge­ge­be­nen­falls ir­gend­wo et­was ein, muss da­für aber nichts än­dern, nicht ak­tiv wer­den, nicht wei­ter ernst­haft über das ei­gent­li­che pro­blem oder gar lö­sun­gen nach­den­ken.

ich hab nichts ge­gen hal­tung, im ge­gen­teil. ich fin­de es auch nicht schlecht, wenn man sei­ne hal­tung öf­fent­lich be­kun­det. das pro­blem mit hal­tung ist, dass hal­tung kon­ti­nu­ier­li­che ak­ti­vi­tät er­for­dert. man sieht das, wenn man über kör­per­hal­tung nach­denkt: es reicht nicht zu sa­gen „ich gehe auf­recht“, man muss es dann jede mi­nu­te sei­nes le­bens auch tun.

hal­tung turnt man nicht mal kurz in der turn­hal­le vor, hal­tung soll­te man dann auch aus­ser­halb der turn­hal­le bei­be­hal­ten, sonst is­ses eben kei­ne hal­tung, son­dern eine pose.

hal­tun­gen, die mit auf­kle­bern oder fah­nen öf­fent­lich kund­ge­tan wer­den, ha­ben auch eine sym­bo­li­sche wir­kung; was ist wenn der ein-herz-für-kin­der-auf­kle­ber am auto ver­wit­tert? be­deu­tet das dann, dass das herz für kin­der auch et­was ver­wit­tert oder ver­blasst ist?

jah­re­lang bin ich an die­ser „black-li­ves-mat­ter“-fah­ne vor­bei­ge­gan­gen die lang­sam vor sich hin ver­blass­te. ich habe mich im­mer ge­fragt ob ich der ein­zi­ge bin, der in ver­blas­sen­de fah­nen et­was rein­in­ter­pre­tiert. je­den­falls hat die fah­ne jetzt ihre halt(er)ung ver­lo­ren und ur­sprüng­lich woll­te ich nur die­ses bild mit der bild­un­ter­schrift „wenn die black-li­ves-mat­ter-fah­ne nicht mehr mat­ters“ pos­ten. aber dann hab ich mir ge­dacht, so ganz ohne kon­text ist das ja doof. jetzt is­ses auch mit kon­text doof.

wenn die black-li­ves-mat­ter-fah­ne nicht mehr mat­ters

offenlegung

ich hat­te wort­fin­dung­s­tö­run­gen, die­sen ab­satz hat­te ich et­was doof for­mu­liert:

hal­tung turnt man nicht mal kurz in der turn­hal­le vor, hal­tung soll­te man dann auch aus­ser­halb der turn­hal­le bei­be­hal­ten, sonst is­ses eben kei­ne hal­tung, son­dern eine be­haup­tung.

also habe ich chatGPT ge­be­ten ein bes­se­res wort für „be­haup­tung“ zu fin­den. nicht nur war pose ein voll­tref­fer, auch die er­klä­rung liess mich be­wun­dernd stau­nen:

Eine Pose ist – an­ders als Hal­tung – si­tua­tiv, äu­ßer­lich und oft stra­te­gisch. Hal­tung hin­ge­gen ist et­was, das über den Mo­ment hin­aus trägt, sich auch un­ter Druck be­währt und nicht vom Pu­bli­kum ab­hän­gig ist.

(bild­quel­le)


blog­wo­chen, back­ofen­kar­tof­feln, kar­ne­val, schup­pen

felix schwenzel in notiert

ir­gend­je­mand oder meh­re­re je­man­de ha­ben ge­ra­de „blog­wo­chen“ aus­ge­ru­fen. ich bin mitt­ler­wei­le in ei­nem al­ter an­ge­kom­men, in dem ich ge­denk- oder fei­er­ta­ge, the­men­wo­chen oder #wha­te­ver­fri­days ein­fach igno­rie­re. wenn mei­ne fa­mi­lie weih­nach­ten fei­ern will und dazu fest­lich es­sen möch­te, dann ko­che ich was fest­li­ches und schaue zu, wie man sich sa­chen schenkt. aber wenn es mir oder der bei­fah­re­rin da­nach ist, dann es­sen wir auch un­ter der wo­che fest­lich oder wir schen­ken uns ein­fach mal so was. ich freu mich dann zum bei­spiel to­tal, wenn sie le­cke­ren käse vom ein­kauf mit­bringt und sie fragt, ob ich mich über mein ge­schenk (den käse) freue.

viel­leicht ist igno­rie­ren auch das fal­sche wort, ich ver­su­che mich so gut es geht ge­gen mar­ke­ting­mass­nah­men die von aus­sen auf mich ein­wir­ken zu im­mu­ni­sie­ren. weih­nach­ten, cy­ber­week, na­mens­tag, frohn­leich­nam, blog­wo­chen, al­les von mar­ke­ting-füch­sen aus­ge­dach­te sa­chen um ihr an­lie­gen vor­an­zu­brin­gen.

aber viel­leicht is­ses auch ganz an­ders und ich mag mas­sen­ver­an­stal­tun­gen ein­fach nicht. aber dann müss­te ich die re­pu­bli­ca auch mei­den, aber die mag ich sehr ger­ne. oder wah­len, zu de­nen gehe ich auch ger­ne.

egal, was ich sa­gen woll­te: für mich sind im­mer blog­wo­chen. aus­ser es ist ge­ra­de ir­gend­was an­de­res, zum bei­spiel heim­au­to­ma­ti­sie­rungs­wo­che oder ich-bin-ge­ra­de-bei-mei­nen-el­tern-zu-be­such-wo­che. manch­mal fum­mel ich mo­na­te­lang an mei­nem blog und be­rich­te da­von alle paar tage, ob­wohl ich sehr gut weiss, dass das al­ler­höchs­ten ein paar an­de­re blog­ger in­ter­es­siert, die auch ge­le­gent­lich ob­ses­siv an ih­rem blog fum­meln.

kon­stan­tin zum bei­spiel. der hat sich ei­nen rea­der zu­sam­men­ge­fum­melt: in „dai­ly rea­der 2.0 lebt“ schreibt er, dass ihm cur­sor ai da­bei ge­hol­fen hät­te und das fin­de ich span­nend, weil mich open ai beim fum­meln an mei­nem kir­by un­ter­stützt (pun in­ten­ded). der rea­der ist hier: rea­der.kon­ne­xus.net und …

Ohne No­ti­fi­ca­ti­ons. Ohne un­er­le­dig­te Auf­ga­ben. Ohne “You have 254'435 un­read items”

ich mag an kon­stan­tins rea­der auch, dass ich dort das sehe, was er ger­ne mag, also ma­xi­mal per­sön­li­che emp­feh­lun­gen, an­de­re blogs sehe, die ich ge­ge­be­nen­falls noch nicht ken­ne. blogrol­len kön­nen das theo­re­tisch auch, aber meis­tens fehlt de­nen eben der kon­text, die ak­tua­li­tät, die so­et­was wie kon­stan­tins rea­der, riv­va schaf­fen oder frü­her ge­le­gent­lich goog­le schaff­ten: für mich re­le­van­tes sicht­bar ma­chen.

ich mag spe­zi­fi­sche emp­feh­lun­gen, nicht „guck mal auf you­tube“, son­dern „guck dir die­ses vi­deo auf you­tube an“, nicht „guck mal, blog oder web­site xy hat was neu­es ge­schrie­ben“, son­dern „blog oder web­site xy hat ge­ra­de die­ses zu je­nem ge­schrie­ben und nor­ma­ler­wei­se schreibt xy in­ter­es­san­te sa­chen“.

vie­le mei­ner lieb­lings-blogs hab ich üb­ri­gens aus mei­nen re­fe­rern ge­fischt, also aus der ma­to­mo-an­zei­ge, von wo be­su­cher ka­men. das prin­zip je­mand in­ter­es­siert sich für dich, also kön­netst du ihn auch in­ter­es­sant fin­den funk­tio­niert ge­le­gent­lich wirk­lich. ich glau­be so habe ich auch mei­ne frau ken­nen­ge­lernt. sie hat sich für mich iner­es­siert, also be­gann ich mich auch für sie zu in­ter­es­sie­ren.

jetzt hab ich über acht oder neun ab­sät­ze er­klärt, war­um ich zö­ge­re mich in blog-rin­gen oder ei­ner blog­ger­rol­le an­zu­mel­den, bzw. war­um sich mir die in­ter­essanz oder der nut­zen die­ser me­cha­ni­ken noch nicht er­schlos­sen hat. viel lie­ber ent­de­cke ich (mir) neue blogs dar­über, dass mir je­mand in sei­nem blog hef­tig wi­der­spricht und mei­ne un­aus­ge­go­re­nen über­le­gun­gen zer­pflückt. ich be­zweif­le, dass ich je­mand in­ter­es­san­tes oder mir vor­her un­be­kann­tes ent­de­cke, wenn ich auf die ak­tu­ells­ten ein­trä­ge auf blog­ger­rol­le.de kli­cke. oder um­ge­kehrt glau­be ich, dass sich die meis­ten die auf wir­res.net klick­ten, wäre es dort auf­ge­lis­tet, nach 30 se­kun­den wie­der ge­lang­weilt oder ir­ri­tiert an­de­ren tä­tig­kei­ten zu­wen­den als wir­res.net zu le­sen. das ist hier ja al­les eher et­was ge­wöh­nungs­be­dürf­tig oder wie man es auf eng­l­sich pas­sen­der sa­gen wür­de, eher ein aqui­red tas­te.


heu­te gabs back­ofen-kar­tof­feln und ich (und die bei­fah­re­rin, aber auch fri­da) fan­den die be­son­ders ge­lun­gen. ich bil­de mir ein, viel über kar­tof­feln in den vi­de­os aus der re­stau­rant­kü­che des fallow ge­lernt zu ha­ben, ins­bes­od­ne­re durch die­ses vi­deo über de­ren pom­mes und die­ses über kar­tof­fel-pü­ree. das ge­heim­nis ist die kar­tof­feln scho­nend weich zu düns­ten und sie da­nach — wie soll ich sa­gen — et­was auf­zu­rau­hen. ich habe heu­te ein­fach un­se­ren rest meh­lig­ko­chen­de kar­tof­feln 20 mi­nu­ten in den dampf­ga­rer ge­wor­fen und sie da­nach et­was klei­ner ge­schnit­ten, mit salz, oli­ven­öl und ros­ma­rin ver­mischt und sie da­bei vor­sich­tig aber auch forsch ver­mischt. da­bei ha­ben sich auch ein paar klei­ne­re stück­chen ge­löst, aber die wur­den dann an­schlies­send im ofen (20 mi­nu­ten bei > 200° C) zu knusp­ri­gen köst­lich­kie­ten. und der rest der kar­tof­feln war auch per­fekt, aus­sen rau und knusp­rig, in­nen fluf­fig.


kar­ne­val ist auch son ding das ich seit 35 jah­ren nicht mehr ver­ste­he. ich bin zwar im rhein­land auf­ge­wach­sen und als kind fand ich es toll ei­nen an­lass zum ver­klei­den zu ha­ben, aber ich fra­ge mich eben seit 35 jah­ren, war­um man nicht ein­fach im­mer ge­nau dann über­mäs­sig viel trinkt, wenn ei­nem da­nach ist über­mäs­sig viel zu trin­ken. wel­chen vor­teil hat es, das in ge­sell­schaft von hun­dert­tau­send „je­cken“ tun? oder wenn ei­nem da­nach ist, sich über die klei­dung fran­zö­si­scher sol­da­ten zwi­schen 1794 und 1814 lus­tig zu ma­chen, war­um soll­te man das nicht je­den tag tun kön­nen, wenn ei­nem das wich­tig ist?

war­um ich kar­ne­val als ju­gend­li­cher zu­min­dest in­ter­es­sant fand, lässt sich im nach­hin­ein — fin­de ich — gut er­klä­ren. als 15 oder 16 jäh­ri­ger ist man na­tür­lich für jede ge­le­gen­heit zu trin­ken dank­bar, aber vor al­lem ist man in dem al­ter vom FOMO ge­trie­ben, dem „fear of miss­ing out“ oder der angst et­was zu ver­pas­sen. heu­te weiss ich, man ver­passt bei der nicht-teil­nah­me am kar­ne­val nichts und soll­te man doch et­was ver­pas­sen, lässt es sich pro­blem­los je­der­zeit nach­ho­len.


ich habe jetzt ja ziem­lich deut­lich ge­macht, dass ich nicht vom FOMO ge­trie­ben bin und sel­ten das ge­fühl habe, et­was zu ver­pas­sen weil ich bei x oder y nicht mit­ma­che. aber ei­nen gros­sen „fear“ habe ich schon, den FO­BA­GOWM, dem fear of be­co­ming a grum­py old white man. ich fin­de es schreck­lich, wenn men­schen sich im al­ter da­mit be­schäf­ti­gen sa­chen auf­zu­zäh­len die frü­her mal bes­ser wa­ren oder grün­de su­chen, war­um heu­te al­les dumm, ka­putt, faul oder ver­kom­men ist. tat­säch­lich fin­de ich al­les um mich her­um ziem­lich gut, das be­stä­tigt mir auch die bei­fah­re­rin re­gel­mäs­sig, wenn sie sich dar­über be­klagt, dass ich bei je­den scheiss im­mer das po­si­ti­ve be­to­nen muss. aber ent­schei­dend ist: ich will nicht (mehr) an al­lem um mich her­um teil­neh­men.


das schö­ne am ei­ge­nen blog ist ja er­leb­tes ge­le­gent­lich wie­der zu fin­den. so hab ich ges­tern die­se per­le (wie­der) ge­fun­den:

bei­fah­re­rin vor ner stun­de: „mach mal fens­ter auf, riecht ko­misch hier!“
bei­fah­re­rin jetzt: „mach mal fens­ter zu, riecht ko­misch hier!“

heu­te früh sah ich ein paar flo­cken im haar der bei­fah­re­rin und frag­te sie: „oh hast du jetzt auch schup­pen?“

sie ant­wor­te­te: „nee, das ist es­sen.“


pump, heins­berg - ber­lin

felix schwenzel

vor ein paar ta­gen hab ich über un­ser auto ge­schrie­ben und dass ich die la­de­stopp-pla­nung mit abrp (a bet­ter rou­te plan­ner) ma­che. ich war der über­zeu­gung, dass ich an­de­ren na­vi­ga­ti­ons-apps nicht die te­le­me­trie-da­ten zur ver­fü­gung stel­len kann, die für eine fle­xi­ble la­de­stopp­pla­nung nö­tig sind. also vor al­lem den la­de­stand (SOC) und die vor­aus­sicht­li­che reich­wei­te. aber dank ei­ner emp­feh­lung von ma­lik habe ich mir pump an­ge­schaut und pump ver­bin­det sich auf wunsch tat­säch­lich mit der VW-API.

also bin ich mit pump heu­te von heins­berg nach hau­se na­vi­giert. mein ers­ter ein­druck:

  • die la­de­stopps sind gut ge­setzt, of­fen­sicht­lich ist die vor­ein­stel­lung, dass man eher lang­sam fährt, die drei stopps die pump vor­schlägt las­sen sich mit ei­ner ma­xi­mal­ge­schwin­dig­keit von 120 km/h er­rei­chen.
  • die an­kunfts­zeit ist zu op­ti­mis­tisch, bzw. völ­lig un­rea­lis­tisch. pump meint wir könn­ten vor 17 uhr zu­hau­se sein, aber 17 uhr kal­ku­liert auch goog­le — ohne la­de­stopps. aber auch abrp plant viel zu op­ti­mis­tisch, ver­mut­lich ha­ben we­der pump noch abrp den ver­kehr in die kal­klu­la­ti­on ein­be­zo­gen. im kopf rech­ne­te ich vor der ab­fahrt fol­gen­des und lag da­mit rich­tig: die 7 stun­den die goog­le kal­ku­liert, plus 3 × 30 mi­nu­ten la­den plus 30 mi­nu­ten zäh­flies­sen­der ver­kehr und spon­ta­ne staus: 9 stun­den — und ge­nau 9 stun­den ha­ben wir ge­braucht.
  • die pump-kar­ten-an­sicht in car­play ist über­sich­ti­cher als die von abrp. wäh­rend der fahrt wer­den die wich­tigs­ten da­ten so dar­ge­stellt, dass man sie auf an­hieb ver­steht, man sieht die ent­fer­nung und ETA zum nächs­ten la­de­stopp, den ak­tu­el­len und pro­gnos­ti­zier­ten SOC und man kann sich — auch über­sicht­li­cher als bei abrp — die tank­stopp-pla­nung in lis­ten­form an­zei­gen las­sen (also wie viel, wie lan­ge wo ge­la­den wer­den soll)
  • nach dem ers­ten la­de­stopp hat sich pump auf­ge­hängt. nach dem klick auf wei­ter­fah­ren wur­de an­geb­lich die rou­te be­rech­net, aber da­nach eine ein­ge­fro­re­ne kar­te an­ge­zeigt. weil mein al­tes ipho­ne xr nur be­grenz­tes RAM hat, konn­te ich pump neu­star­ten in­dem ich mich von goog­le maps zu­rück zur au­to­bahn füh­ren liess und ein­mal abrp die rou­te be­rech­nen liess — da­nach star­te­te pump neu und er­in­ner­te sich an die stre­cke. nach dem drit­ten stopp er­in­ner­te sich pump nicht mehr an die stre­cke, aber weil ich oh­ne­hin so voll ge­la­den hat­te, dass die re­cih­wei­te des ID3 bord­com­pu­ters für die stre­cke nach hau­se plus 50 km reich­te, konn­te ich dann auch mit goog­le maps wei­ter­fah­ren.

die fahrt selbst war ge­prägt von stän­di­gem zäh­flies­sen­dem ver­kehr und vie­len spon­ta­nen staus an spur­ver­en­gun­gen und bau- oder un­fall­stel­len. man sieht, un­se­re ge­schwin­dig­keit fiel öf­ter un­ter 30 km/h. um vom stadt­rand ber­lins in den wed­ding zu kom­men, brauch­ten wir knapp ne stun­de.


pump vs abrp

ich wer­de mein abrp-abo kün­di­gen und das pump-abo für eine wei­le be­hal­ten. pump ist auch ein biss­chen scheis­se, aber auch um ei­ni­ges bes­ser als abrp. ich den­ke ich wer­de um die schwä­chen und ab­stür­ze ge­nau wie bei abrp „her­um­na­vi­gie­ren“ kön­nen. die an­bin­dung an die VW API von pump sieht ziem­lich gut aus. die da­ten wer­den of­fen­bar alle dreis­sig se­kun­den ak­tua­li­siert. wenn ich das mit der we­con­nect mqtt an­bin­dung ma­chen wür­de, wür­de VW mei­nen zu­gang tem­po­rär sper­ren. of­fen­sicht­lich lohnt es sich mal zu re­cher­chie­ren, wie man an ein ent­wick­ler-kon­to bei VW kommt. aber jetzt steht das auto oh­ne­hin erst mal wie­der ein paar tage bis wo­chen auf der stras­se rum.


id3

felix schwenzel

ich woll­te ei­gent­lich kein ei­ge­nes auto, nach­dem wir 2020 den „dienst­wa­gen“ zu­rück­ge­ge­ben ha­ben, den mir mein da­ma­li­ger ar­beit­ge­ber zur ver­fü­gung ge­stellt hat­te. ich war ich sehr zu­frie­den mit den car­sha­ring an­ge­bo­ten in ber­lin. ins­be­son­de­re stan­den da­mals über­all in ber­lin elek­tro-leih­wa­gen von VW rum und nach mei­ner über­schlä­gi­gen rech­nung wa­ren die ge­le­gen­heits­fahr­ten im car­sha­ring auf je­den fall bil­li­ger als ein ei­ge­nes auto, das 98% sei­ner zeit auf der stras­se rum­ste­hend ver­bringt.

aber die bei­fah­re­rin setz­te sich durch und des­halb kauf­ten wir uns vor et­was mehr als zwei jah­ren ei­nen ID3. ei­nen neu­wa­gen hat­te ich mir bis da­hin noch nie ge­kauft und es war er­staun­lich kom­pli­ziert ver­käu­fer zu fin­den, die ei­nem so ein ding auch wirk­lich ver­kau­fen woll­ten. wir hat­ten uns für ei­nen ID3 ent­schie­den, in der güns­tigs­ten aus­stat­tung und in stan­dard grau. da­mals gabs noch gross­zü­gi­ge staat­li­che för­de­rung, am ende ha­ben wir, wenn ich mich recht er­in­ne­re, 30 tau­send euro ge­zahlt. mit der ba­sic va­ri­an­te kommt ein 45 kWh akku und schnell­la­den geht mit bis zu 50 kW/h. nach heu­ti­gen stan­dards ist das klein und we­nig, aber wir ha­ben uns mit dem auto, dem akku und dem la­den ei­gent­lich ganz gut ein­ge­groo­ved.

an­fangs bin ich lan­ge stre­cken ger­ne auch mal ein biss­chen schnel­ler ge­fah­ren, eine un­an­ge­neh­me ge­wohn­heit aus dem ver­bren­ner-zeit­al­ter. die er­fah­rung, viel aus­pro­bie­ren und die phy­sik zeigt, dass die bes­te mi­schung aus ef­fi­zi­enz und reis­ge­schwin­dig­keit bei uns­rer kon­fi­gu­ra­ti­on 120 km/h reis­ge­schwin­dig­keit sind. un­ser letz­te rei­se von ber­lin zu mei­nen el­tern nach heins­berg zeigt das ganz gut. wir sind am mitt­woch vor dem os­ter­wo­chen­en­de los­ge­fah­ren und goog­le pro­gnos­ti­zier­te bei der ab­fahrt eine rei­se­dau­er von 7 stun­den für die 630 km. das na­vi­ga­ti­ons­sys­tem mei­ner wahl, der bet­ter rou­te plan­ner (wei­ter un­ten mehr dazu), pro­gnos­ti­zier­te 90 mi­nu­ten la­de­stopps. wir sind dann am ende mit 9 stun­den rei­se­zeit bei mei­nen el­tern an­ge­kom­men, was aber an­ge­sichts des teil­wei­se zäh­flies­sen­den ver­kehrs und ei­nem or­dent­li­chen stau to­tal OK war.

die kenn­zah­len im ab­ge­bil­de­ten home as­sistant da­sh­board stam­men nicht vom bord­com­pu­ter und sind nur in­di­rekt aus den VW-API da­ten be­rech­net. mit till stein­bachs We­Con­nect MQTT kann ich zwar alle mög­li­chen da­ten aus­le­sen, aber zur be­rech­nung des ver­brauchs und der ki­lo­me­ter­leis­tung, stan­den vor zwei jah­ren ei­gent­lich nur der SOC, also der ak­tu­el­le la­de­stand, die la­de­leis­tung und die ge­schätz­te reich­wei­te zur ver­fü­gung. die odo­me­ter-da­ten oder die park­po­si­ti­on stan­den da­mals noch nicht über die API zur ver­fü­gung. des­halb habe ich mir vor zwei jah­ren bei ali-ex­press ei­nen sehr güns­ti­gen GPS tra­cker ge­kauft um den je­wei­li­gen ki­lo­me­ter­stand (näh­rungs­wei­se) zu be­rech­nen und na­tür­lich auch die po­si­ti­on als da­tum in home as­sistant zur ver­fü­gung zu ha­ben. das GPS steckt im zi­ga­ret­ten­an­zün­der im kof­fer­raum des ID3 und sen­det alle paar se­kun­den ein da­ten­pa­ket an mei­ne lo­ka­le trac­car-in­stanz. von dort ste­hen die da­ten home assiatnt zur ver­fü­gung und ich kann alle mög­li­chen wei­te­ren da­ten ab­lei­ten. den ki­lo­me­ter­stand be­rech­net trac­car freund­li­cher­wei­se be­reits sehr ak­ku­rat aus den GPS da­ten.

für den 630 ki­lo­met­re trip be­rech­ne­te der bord­com­pu­ter al­ler­dings ei­nen ver­brauch von 15,7 kwh/100km — was ich für ziem­lich ef­fi­zi­ent hal­te. da­mit ha­ben wir es be­quem mit drei la­de­stopps nach heins­berg ge­schafft.

na­tür­lich sind wir mit 100% SOC los­ge­fah­ren, da­mit konn­ten wir 2 stun­den durch­fah­ren um dann 24 mi­nu­ten zu la­den und end­lich die vor­be­rei­te­ten snacks aus dem kof­fer­raum ho­len und es­sen. der rhyth­mus, 30 mi­nu­ten la­den, an­der­t­alb stun­den fah­ren ist mei­ner mei­nung nach per­fekt für ent­spann­tes fah­ren. dazu hat­ten wir auch enor­mes glück. der gröss­te stau auf un­se­rer stre­cke fing ge­nau da an, wo der (bes­se­re) rou­ten­pla­ner ei­nen stopp für uns vor­ge­se­hen hat­te. wäh­rend des la­dens sah ich die LKW-ka­ra­va­ne auf der au­to­bahn, wäh­rend ich ein ni­cker­chen hielt, lud und die bei­fah­re­rin und der hund gas­si gin­gen. nach dem ni­cker­chen sah ich mich auf goog­le maps um und sah, dass es theo­re­tisch die mög­lich­keit gab, von der rast­stät­te ab­zu­fah­ren, statt wie­der auf die au­to­bahn.

also sind wir ne­ben der au­to­bahn her­ge­fah­ren, was ne­ben­bei auch noch land­schaft­lich to­tal ro­man­tisch war. ich glau­be wir wa­ren ge­ra­de im wes­ter­wald.

better route planner

die um­fah­rung des staus hät­te uns der be­ter rou­te plan­ner (abrp) nicht vor­gr­schla­gen. abrp hat sei­ne stär­ken, aber stau­um­fah­rung und stre­cken­füh­rung in bal­lungs­räu­men ge­hö­ren (noch) nicht dazu. ich be­nut­ze in car­play im­mer bei­des, abrp und goog­le maps. wirk­lich gut ist abrp aber in der lad­stopp-pla­nung. al­ler­dings braucht er da­für live-da­ten. da ich alle nö­ti­gen live-da­ten im home-as­sistant habe, kann ich die glück­li­cher­wei­se be­reit­stel­len. im prin­zip schi­cke ich abrp alle 30 se­kun­den ei­nen curl auf­ruf mit ei­nem lan­gen json string

curl --location -sS -g --request 
GET 'https://api.iternio.com/1/tlm/send
?token=xxx&api_key=xxx
&tlm={
  "soc": 44,
  "is_charging": 0,
  "power": 0,
  "utc": 1745001019,
  "speed": "0",
  "is_parked": 1,
  "capacity": "45",
  "heading": "167.0",
  "elevation": "0",
  "odometer": "40788.21",
  "lon": "6.07955",
  "est_battery_range": 121,
  "lat": "51.10507"
}

beim la­den sen­de ich noch die lade-te­le­me­trie, al­ler­dings ist so­wohl beim la­den, als auch beim fah­ren das pro­blem, dass ich die da­ten aus der VW API nur alle 5 mi­nu­ten ab­ru­fen kann. so hinkt die SOC-an­zei­ge im­mer ca. 5 mi­nu­ten hin­ter­her, und manch­mal auch ei­nen­ti­cken län­ger, weil die da­ten­rei­se ja ei­ni­ge zwi­schen­sta­tio­nen um­fasst: auto → VW → we­connct-mqtt → home as­sistant → api.iter­nio.com

mal klemmts mit der da­ten­ver­bin­dung, mal stürzt we­con­nect-mqtt ab, mal stürzt die abrp-app ab. trotz­dem, da­durch, dass abrp mei­ne la­de­kar­ten kennt und des­halb die la­de­stopps so­wohl am für uns güns­tigs­ten (der­zeit vor al­lem aral pul­se und io­ni­ty) plant, aber eben auch die aus­las­tung der la­de­punk­te und un­se­re reich­wei­te be­ach­tet, sind so­wohl die pro­gno­sen als auch die stre­cken­füh­rung meis­ten ot­pi­mal. die bei­fah­re­rin hasst die abrp-app aber den­noch — und ich muss ihr im prin­zip recht ge­ben. abrp hat enorm vie­le bugs. den abrp-ent­wick­lern muss man al­ler­dings zu gute hal­ten, dass sie fast alle bugs fi­xen, sich da­bei aber lei­der im­mer wi­der neue bugs ein­schlei­chen. auch die be­nut­zer­füh­rung än­dert sich mit je­dem ma­jor re­lease, aber die API-da­ten-kon­struk­ti­on die ich mir hier ge­bas­telt habe ist der­zeit das bes­te was es gibt. auch das on-board-navi von VW kann (mitt­le­rer­wei­le) la­de­stopps in die rei­se-rou­te ein­bau­en, al­ler­dings be­ach­tet die VW app un­se­re la­de­ta­ri­fe nicht. und sie stürzt ge­nau so ger­ne ab, wie abrp.

nach et­was mehr als zwei jah­ren eau­to fah­ren kann ich mir eine rück­kehr zum ver­bren­ner nicht mehr vor­stel­len. wenn ich ge­le­gent­lich doch noch ver­bren­ner fah­re, wun­de­re ich mich wie die kis­ten an­fan­gen zu schrei­en, wenn man aufs gas drückt. ich lie­be den (ma­nu­el­len tem­po) li­mi­ter in kom­bi­na­ti­on mit dem ein-pe­dal-fah­ren, ob­wohl der tem­po­mat ein auf­preis-pflich­ti­ges ex­tra ist, funk­tio­niert der li­mi­ter für mich (und auch die bei­fah­re­rin) viel bes­ser. auf der au­to­bahn stel­le ich 120 km/h ein und al­les wei­te­re wird mit dem gas­pe­dal ge­re­gelt. die au­to­ma­ti­sche tem­po­er­ken­nung ist in­dis­ku­ta­bel, al­ler­dings ist die info-an­zei­ge der höchst­ge­schwin­dig­keit eine will­kom­me­ne zu­satz-info wäh­rend der fahrt und meist bes­ser als die von goog­le maps oder abrp. die car­play-in­te­gra­ti­on von VW ist ex­trem okay und funk­tio­niert seit ein paar ios-up­dates auch in 99% der fäl­le so wie er­war­tet.

ich wür­de mir eine et­was ge­sprä­chi­ge­re und freund­li­che API wün­schen (mei­ne da­ten, lasst mich da­mit ma­chen was ich will und wie ich will), ich wür­de mir wün­schen, dass die VW-ver­trags­werk­stät­ten und -händ­ler et­was we­ni­ger ver­peilt wä­ren. am auto selbst und an der zu­ver­läs­sig­keit ha­ben wir nichts aus­zu­set­zen. das mag er­staun­lich klin­gen, weil ja wirk­lich fast je­der über die touch-but­tons am lenk­rad me­ckert, die zu­ver­läs­sig­keit der soft­ware be­klagt und sich über die over-the-air-up­date-ver­spre­chen lus­tig macht, die VW mal vor drei jah­ren über­op­ti­mis­tisch raus­po­saunt hat. wens nach mir geht, blei­be ich ger­ne bei VW.


elek­tro mo­bi­li­tät ist ja nach wie vor gros­ser nerd-kram. ich habe gros­sen spass dar­an mir um­ständ­lich me­tri­ken aus­zu­le­sen und wei­ter zu ver­ar­bei­ten. aber ich mach das ja nur zum teil aus spass. der witz da­hin­ter ist, das we­der die apps von VW, noch die we­nigs­ten apps von dritt­her­stel­lern eine preis- und stre­cken­op­ti­mier­te la­de­pla­nungs-na­vi­ga­ti­on an­bie­ten. was ich mir da so zu­sam­men­bas­tel dient al­les ei­nem ein­zi­gen zweck: in ei­nem sich ex­trem vo­la­ti­len markt so schnell, güns­tig und ohne gros­se um­stän­de von a nach b zu kom­men. die la­de­infra­struk­tur selbst ist mitt­ler­wei­le kein pro­blem mehr, ob­wohl sie das vor zwei jah­ren, aus mei­ner sicht, auch nicht war. das pro­blem ist der preis­dschun­gel, naja, und teil­wei­se auch im­mer noch die zu­ver­läs­sig­keit der la­de­säu­len.

aus all die­sen grün­den schaue ich mir je­den sonn­tag üb­ri­gens mit gros­sem ver­gnü­gen die aben­teu­er des elek­tro­tru­ckers auf you­tube an. ei­ner­seits fin­de ich das fas­zi­nie­rend weil man beim elek­tro­tru­cker, wie frü­her™ bei gu­ten blogs, ein­sich­ten in frem­de le­bens­wel­ten be­kommt und an­de­rer­seits sind sei­ne er­leb­nis­se rund um die elek­tro­mo­bi­li­tät, zu­min­dest aus mei­ner nerd-per­spek­ti­ve, irre in­ter­es­sant und amü­sant.

manch­mal schaut er sich auch an­de­re ele­tro­fahr­zeu­ge an und ich schau ihm da­bei sehr ger­ne zu.

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kir­by und ich

felix schwenzel in artikel

in den letz­ten ta­gen ha­ben kir­by und ich uns bes­ser ken­nen­ge­lernt. für mich ist der neu­bau mei­ner web­site wie weih­nach­ten und ge­burts­tag zu­sam­men. ich freue mich schö­nes ge­schenkt zu be­kom­men und dann an die wand zu hän­gen oder in eine vi­tri­ne zu stel­len. aber mei­ne liebs­ten ge­schen­ke sind sa­chen aus de­nen ich selbst schö­nes bau­en kann. so freue ich mich zum bei­spiel bis heu­te dar­über weih­nach­ten vor 14 jah­ren und weih­nach­ten vor 12 jah­ren da­mit ver­bracht ha­ben zu dür­fen … eine kü­che auf­zu­bau­en.

so sol­len gute ge­schen­ke sein: man be­kommt ein­zel­tei­le, oder bes­ser ge­sagt ein sys­tem von bau- und ge­stal­tungs­ele­men­ten, aus de­nen man selbst et­was ei­ge­nes bau­en kann. da­bei muss man nicht bei null an­fan­gen, weil sich vie­le klu­ge men­schen be­reits ge­dan­ken über po­ten­zi­el­le pro­ble­me und lö­sun­gen ge­macht ha­ben und man sich ein­fach auf de­ren schul­tern stel­len kann.

mit die­ser idee lässt sich der er­folg von lego, mine­craft und si­cher­lich zum teil auch von ikea er­klä­ren. ike­as ge­ni­als­ter mar­ke­ting­trick ist wahr­schein­lich, dass man bei kun­den eine art stock­holm-syn­drom aus­löst. weil man durch die mü­hen und schmer­zen des selbst-auf­baus durch­steht, schätzt man das er­geb­nis am ende po­si­ti­ver ein, als wenn man es fer­tig ge­kauft hät­te.

na­tür­lich ist auch der weg ein ziel. in mei­nen aus­ein­an­der­set­zun­gen mit kir­by ler­ne ich wie­der din­ge über das pro­gram­mie­ren. sehr hilf­reich in sa­chen kir­by, aber auch als ein­füh­rung in die mo­der­ne php-pro­g­ra­mie­rung, sind zum bei­spiel die screen­casts in der kir­by gui­de von bas­ti­an all­gei­er. wenn ich mir die an­se­he, muss ich stän­dig pau­sie­ren um schnell mal was aus­zu­pro­bie­ren und stau­nend bei mir im zim­mer rum zu ste­hen.

an­ders als ein lee­res blatt pa­pier, sind sys­te­me wie kir­by, aber auch home as­sistant, prall ge­füll­te werk­zeug­kis­ten, die ei­nem zu­ru­fen: mit uns kannst du ge­nau das bau­en, was du schon lan­ge bau­en woll­test. und un­ter­wegs lernst du viel über dich selbst, dar­über wie tei­le der welt funk­tio­nie­ren und am ende hast du eine schön an­zu­se­hen­de bau­stel­le, an der du — wenn du lust hast — die nächs­ten 10 jah­ren wei­ter­bau­en kannst.


je­den­falls habe ich in den letz­ten ta­gen viel im ma­schi­nen­raum ge­ar­bei­tet. wie bas­ti­an all­gei­er in den screen­casts im­mer sagt, code ge­trock­net, ele­gan­ter ge­macht und un­ter­wegs vie­le ab­bie­gun­gen ent­deckt, die ich noch er­kun­den möch­te. das alte wir­res.net war sen­sa­tio­nell gut such­ma­schi­nen-op­ti­miert. teil­wei­se ha­ben sich ein­trä­ge mi­nu­ten nach der ver­öf­fent­li­chung schon im goog­le in­dex ge­fun­den. das ist durch die län­ge­re in­ak­ti­vi­tät und vor al­lem das ein­jäh­ri­ge von der bild­flä­che ver­schwin­den, na­tür­lich al­les hin. und al­les was den code an­geht, die klei­nen hel­fer für such­ma­schi­nen und craw­ler, müs­sen neu her. da­für gibt’s vie­le hel­fer, aber es ist auch viel hand­ar­beit und fein­schliff nö­tig.

aber mit dem zwi­schen­stand bin ich ganz zu­frie­den. so sieht das mitt­ler­wei­le wie­der in den such­er­geb­nis­sen aus.

die site­map spie­gelt jetzt auch die ro­bots-re­geln, also al­les was äl­ter als 5 jah­re (oder 3, bin noch un­ent­schie­den, aber der­zeit sind’s 5) ist aus­ge­blen­det. über­sicht­sei­ten will ich nicht im in­dex ha­ben, weil die sich so oft än­dern und oh­ne­hin nicht zum fin­den ge­eig­net sind.

und beim such­wort me­dia­the­kweb­view bin ich der­zeit so­gar auf der ers­ten such­er­geb­nis­sei­te.


die sei­te vom heu­ti­gen mor­gen­spa­zier­gang zeigt ex­em­pla­risch, war­um ich ei­ner­seits so be­geis­tert von kir­by bin und an­de­rer­seits, auf wie viel ar­beit ich mich noch freu­en kann.

so habe ich das ers­te bild wäh­rend ei­ner klei­nen pau­se beim spa­zier­gang ge­pos­tet. es wur­de au­to­ma­tisch zu blues­ky und mast­o­don syn­di­ziert, al­ler­dings hat ir­gend­was bei der auf­be­rei­tung für den RSS-feed ge­klemmt, da kam der ar­ti­kel zu­nächst ohne bild an. spä­ter hab ich ein­fach 6 wei­te­re bil­der vom te­le­fon in den ar­ti­kel ge­la­den und die dem kir­by star­ter­kit mit­ge­lie­fer­te ga­le­rie hat out of the box funk­tio­niert. ich muss­te spä­ter nur noch ein biss­chen am code schrau­ben, da­mit das auch mit re­spon­si­ve images funk­tio­niert.

bild­se­ri­en vom te­le­fon aus ins in­ter­net pos­ten und tei­len, vor ein paar jah­ren war das noch ein feuch­ter traum, bzw. der grund war­um apps wie in­sta­gram so er­folg­reich wa­ren. ich wür­de ger­ne wei­ter auf in­sta­gram pos­ten, am liebs­ten au­to­ma­tisch von hier, aber das will face­book nicht, bzw. nur für „busi­ness“ kun­den. also pau­si­er ich das jetzt erst­mal und freu mich, dass ich das jetzt „zu­hau­se“ ma­chen kann, mit dem glei­chen kom­fort, aber un­ter mei­ner kon­trol­le. ein­zi­ger nach­teil von so­was: der ord­ner mit dem ar­ti­kel und den bild-roh­da­ten die das te­le­fon da­hin ge­la­den hat ist 30 MB gross. zum glück kann man bei uber­space mitt­ler­wei­le fest­plat­ten­platz da­zu­kau­fen, oder, wenn alle stri­cke reis­sen soll­ten, kann ich kir­by auch ganz schnell wo­an­ders hin­schie­ben.

aus­ser­dem bin ich jeztzt auch in den ge­nuss des ers­ten, gar nicht mal so an­ge­neh­men kir­by bugs ge­kom­men. aus mir noch nicht ganz nach­voll­zieh­ba­ren grün­den legt kir­by eine tem­po­rä­re da­tei an, ver­gisst die aber zu lö­schen, was un­an­ge­neh­me fol­gen hat (ein­deu­ti­ge IDs neu­er ar­ti­kel sind nicht mehr ein­deu­tig, son­dern gleich). aber da mein zwei­ter vor­na­me „work­around“ ist, ist das auch kein so gros­ses pro­blem.


die ideen, was ich hier noch so al­les ma­chen könn­te, flies­sen mo­men­tan ganz gut. mir ge­fällt das ru­hi­ge, mi­ni­ma­lis­ti­sche web­schau­fens­ter der­zeit ganz gut, aber weil ich schon ger­ne (meta-) da­ten und se­kun­där-in­fos zu ein­zel­nen ar­ti­kel an­zei­gen möch­te (vor al­lem für mich selbst na­tür­lich), wer­de ich nicht nur mei­ne alte rück­sei­te re­ak­ti­vie­ren, son­dern auch eine pa­ckungs­bei­la­ge zu je­den ar­ti­kel an­le­gen, qua­si ar­ti­kel­rück­sei­ten. da kön­nen dann auch kom­men­ta­re und web­men­ti­ons und so hin.

mit an­de­ren wor­ten, hier kön­net es in den nächs­ten mo­na­ten im­mer wie­der et­was ru­ckeln. wenn euch was auf­fällt oder nervt, sagt mir be­scheid.


30 jah­re blog­gen, ver­si­on 4.0.1

felix schwenzel

das tem­p­la­te, bzw. der tem­p­la­te-ord­ner auf dem die­se web­site bis vor un­ge­fähr ei­nem jahr lief hiess wir­res3. nach die­se lo­gik ist der kir­by-re­launch wohl wir­res ver­si­on 4.

ver­si­on 2 dürf­te das hier ge­we­sen sein, 2010 war ich stolz dar­auf von ei­nem ta­bel­len-ba­sier­ten lay­out auf ein CSS ba­sier­tes lay­out um­ge­stellt zu ha­ben.

ver­si­on3, bei der ich auf „re­spon­si­ve de­sign“ um­stell­te, lief dann 12 jah­re lang.

und eben, zu­fäl­lig im ar­chiv ge­fun­den, 2015 schrieb ich über die ver­si­on 0 von 1996. die lief zwar noch nicht un­ter wir­res.net oder ir­gend­ei­nem con­tent ma­nag­men­te sys­tem, son­dern auf blan­ken html-me­tal. in dem ar­ti­kel von 2015 be­haup­te und be­le­ge ich, dass ich ei­egent­lich schon seit 30 jah­ren (1995) ins in­ter­net schrei­be, bzw. lin­ke.

und ich er­klä­re an­hand ei­nes kott­ke zi­tats, war­um ich so lan­ge auf die­sem ob­sku­ren CMS ge­blie­ben bin: läuft halt, funk­tio­niert, ist be­re­chen­bar und kenn ich.

ei­ner der tech­ni­schen grün­de war­um ich mit ei­ner soft­ware aus den 90er jah­ren so lan­ge gut zu­recht kam, wa­ren die html-vor­la­gen, also die art wie ez­pu­blisch html aus den in­hal­ten pro­du­zier­te. je­des for­ma­tie­rung, bil­der, links, zi­ta­te hat­ten ihre eig­nen vor­la­gen. statt
<a href="https://ex­am­p­le.com>ex­am­p­le.com</a>
schrieb ich
<link https://ex­am­p­le.com ex­am­p­le.com>>
bil­der la­gen in ei­ner bild­da­ten­bank und nach der ver­knüp­fung mit ei­nem ar­ti­kel re­fern­zier­te ich sie mit
<image 1 left lar­ge>
was sich kom­pli­ziert und müh­sam an­hört ist tech­nisch ein se­gen. so wur­den bil­der in den neun­zi­ger jah­ren vor­zugs­wei­se über ta­bel­len-kon­struk­te ge­lay­outet. <fi­gu­re> oder <fig­cap­ti­on> wa­ren da­mals noch nicht er­fun­den, ad­ap­ti­ve bil­der erst recht nicht. aber mit dem tem­p­la­te sys­tem liess sich die aus­ga­be von bil­dern je­weils an den stand der tech­nik an­pas­sen. so konn­te ich aus ei­nem ein­fa­chen <image 1 left lar­ge> schnell kom­le­xes, ad­ap­ti­ves bild-mark­up bau­en, das op­ti­mier­te bil­der für alle mög­li­chen bild­schirm­auf­lö­sun­gen aus­gab.

in den neun­zi­gern durf­te man noch <b> zum fet­ten von text ver­wen­den. im ez­pu­blish ba­ckend muss­te ich im­mer <bold> ver­wen­den, aber konn­te die html-aus­ga­be dann eben spä­ter an das mo­der­ne­re <strong> an­pas­sen.

und na­tür­lich liess sich das auch al­les er­wei­tern. für ein­ge­bet­te­te you­tube vi­de­os hab ich mir eine ez­pu­blish vor­la­ge <tube hGhr­Jru-PQ8&t> ge­baut, die dann an­fangs ein­fach den nor­ma­len you­tube em­bed-code aus­gab und spä­ter eine da­ten­schutz­freund­li­che­re va­ri­an­te, die nur das vi­deo-pos­ter mit ei­nem play-but­ton zeig­te und das vi­deo und das goog­le-track­ing erst nach ei­nem klick lud. weil kir­by mit sei­nen block-edi­tor ein ähn­li­ches kon­zept ver­folgt, liess ich das für alle mei­ne im­por­tier­ten in­hal­te und na­tür­lich auch neu­en in­hal­te ruck-zuck neu bau­en. im block edi­tor gebe ich nur die vi­deo-url an, die aus­ga­be des blocks pas­se ich per tem­p­la­te an und her­aus kommt das:

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die­se da­ten­schutz-freund­li­che­ren vi­deo-em­beds sind das, wo­mit ich ges­tern mei­nen tag ver­bracht habe. funk­tio­niert für you­tube und vi­meo.

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ich weiss zwar gar nicht ob das noch ir­gend­wer ver­wen­det, bzw. ob ich noch je­mals ein vi­meo-vi­deo hier neu ein­bet­ten wer­de, aber weil ich in mei­nem ar­chiv noch das eine oder an­de­re vi­meo-vi­deo lie­gen habe, soll das na­tür­lich auch wei­ter so funk­tio­nie­ren.

aus­ser­dem habe ich ges­tern noch am rss-feed ge­schraubt. wenn ich im kir­by edi­tor ei­nen re­la­ti­ven link ein­gab, kam der auch im rss-feed re­la­tiv raus. which is doof. aber viel­leicht is­ses auch doof re­la­ti­ve links zu ver­wen­den, wenn ich mich recht er­in­ne­re hab ich in ez­pu­blish auch im­mer vol­le urls ver­wen­det um auf wir­res.net zu lin­ken. aus­ser­dem hab ich mir über­legt im feed den nor­ma­len you­tube-em­bed code aus­zu­ge­ben, so dann man sich das vi­deo in sei­nem rss-rea­der ein­ge­bet­tet an­se­hen kann. ganau­so gebe ich die bil­der im feed nicht mehr ad­ap­tiv aus, son­dern ein­fach, ohne ge­döns auf 900px brei­te ska­liert.


je­den­falls sehe ich jetzt wie­der was mich über die letz­ten 30 jah­re dazu ge­bracht hat ins in­ter­net zu schrei­ben: mein drang neue din­ge aus­zu­pro­bie­ren, zu schau­en, mit wel­chen tech­ni­schen tools man was er­rei­chen kann um das äl­tes­te ge­wer­be der welt aus­zu­üben: mit an­de­ren kom­mu­ni­zie­ren.

in den letz­ten 5 jah­ren lag mein fo­kus eher auf der in­ter­spe­zi­fi­schen kom­mu­ni­ka­ti­on: wie kann ich ver­ste­hen was fri­da will und in­ten­diert, wie stel­le ich si­cher, dass fri­da mich ver­steht? das hat ganz gut ge­klappt und un­ter­wegs habe ich das eine oder an­de­re ge­lernt und lei­der eher we­nig mit mei­ner spe­zi ge­teilt. aus­ser ein­mal letz­tes jahr auf der re­pu­bli­ca.

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in der web-tech­nik hat sich in den letz­ten jah­ren, so wie bei den hun­de-er­zie­hungs­me­tho­den viel ge­tan. la­zy­loa­ding geht mitt­ler­wei­le ohne je­des ja­va­script, css kann va­ria­blen und rech­nen (!), fast alle brow­ser sind auf dem glei­chen tech­ni­schen stand. uber­space, wo die­se sei­ten ge­hos­tet sind, kann http/2 und ich bin si­cher an den caching-po­li­ci­es, cache-con­trol hea­ders lässt sich noch so ei­ni­ges op­ti­mie­ren und ler­nen.

apro­pos caching und per­for­mance. nach der in­stal­la­ti­on von kir­by auf uber­space (pie­ce of cake, ein­fach den 2,5 GB gros­sen kir­by ord­ner rü­ber­ko­pie­ren, eine klei­ne an­pas­sung an der .ht­ac­cess, läuft) …

# In some en­vi­ron­ments it's ne­ces­sa­ry to
# set the Re­wri­te­Ba­se to:
Re­wri­te­Ba­se /

… habe ich mas­si­ve per­for­mance pro­ble­me be­ob­ach­tet und muss­te in der php.ini php mehr RAM gön­nen. der grund, so er­klä­re ich es mir nach­träg­lich, war cache-warm­ing. kir­by er­zeug­te hun­der­te, tau­sen­de bild­va­ri­an­ten für die ad­ap­ti­ve aus­lie­fe­rung von bild-da­tei­en, und das kos­tet RAM und CPU (sor­ry uber­space!). ges­tern habe ich die pa­ra­me­ter der ad­ap­ti­ven bild­aus­lie­fe­rung noch­mal an­ge­passt, was er­neut zu merk­li­chen per­for­mance-eng­päs­sen führ­te. ein blick in den me­dia ord­ner, wo kir­by die bild­va­ri­an­ten cached/ab­legt, zeigt der­zeit 5.8 GB. vor drei ta­gen wa­ren das nur 2.4 GB, ges­tern 4 GB. der kir­by con­tent ord­ner ist 2,4 GB gross.

nach ein paar stun­den bild-ge­ne­rie­rung schien die per­for­mance der sei­te wie­der OK zu sein. wenn ihr, lie­be le­ser, ei­nen an­de­ren ein­druck habt, lasst es mich ger­ne wis­sen.


tl;dr: ins in­ter­net schrei­ben und eine ei­ge­ne web­site zu be­trie­ben ist im­mer noch furcht­bar viel ar­beit, aber al­lein um den stand der tech­nik zu ver­fol­gen, (be-)lohnt sich das. und es gibt noch viel zu tun und ler­nen.

(ent­schul­di­gung für die click­bait-über­schrift, kor­rekt müss­te es na­tür­lich heis­sen: „30 jah­re ins in­ter­net schrei­ben“)


kris­tof

felix schwenzel in artikel

mit kris­tof habe ich mei­ne ge­sam­te kind­heit ver­bracht. kris­tofs schwes­ter anja war auch ab und zu da­bei, aber sie war ein mäd­chen und ein paar jah­re äl­ter als kris­tof und ich — also qua­si von ei­nem an­de­ren pla­ne­ten. rich­tig mit ihr be­freun­det habe ich mich erst viel spä­ter. kris­tof und ich wa­ren von an­fang an bes­te freun­de. als wir uns zum ers­ten mal be­geg­ne­ten, wir wa­ren wohl so um die drei jah­re alt, woll­te ich ihn gleich knud­deln, warf ihn aber aus­ver­se­hen zu bo­den. wir wa­ren uns ei­gent­lich nicht be­son­ders ähn­lich. kris­tof war fein­glied­rig und zart, ich war ein kräf­ti­ger bro­cken, wie frisch in den zau­ber­trank ge­fal­len. ich er­in­ne­re mich nicht, die­se kör­per­li­che über­le­gen­heit je­mals aus­ge­spielt zu ha­ben, aus­ser aus­ver­se­hen, bei un­se­rer ers­ten be­geg­nung. ich er­in­ne­re mich noch nicht mal dar­an, dass wir uns je­mals ge­strit­ten hät­ten, aber da kann mich mei­ne er­in­ne­rung auch trü­gen.

wir wa­ren in un­se­ren ers­ten zehn, zwölf le­bens­jah­ren sehr viel zu­sam­men. un­se­re müt­ter wa­ren bes­te freun­din­nen und sie teil­ten sich un­se­re be­treu­ung un­ter­ein­an­der auf und lies­sen uns von ei­nem kin­der­mäd­chen hü­ten, das ei­gent­lich die haus­häl­te­rin von kris­tofs el­tern war (und mich in angst und schre­cken ver­setz­te).

kris­tof hat­te eine ganz be­son­de­re fä­hig­keit. wenn er hin­fiel, tat er sich weh. und er fiel sehr oft hin. er war auch sehr mu­tig und klet­ter­te ger­ne auf bäu­me, eine tä­tig­keit die ich mir schon als kind ver­bot, weil ich vor­sich­tig schon als schis­ser ge­bo­ren wur­de.

weil kris­tof gern auf bäu­me klet­ter­te, fiel er auch oft von bäu­men run­ter, er schlug sich stän­dig das ge­sicht auf und wur­de re­gel­mäs­sig ins kran­ken­haus ge­fah­ren, um dort „gen­ähnt“ zu wer­den. als mei­ne mut­ter ein­mal beim abend­essen er­zähl­te: „kris­tof ist in ei­nen sta­chel­draht­zaun ge­fal­len“ hiess es nicht: „oh je!“ oder „der ärms­te!“, son­dern: „echt? schon wie­der?“

ich tei­le un­glaub­lich vie­le kind­heits­er­in­ne­run­gen mit kris­tof: weit­pin­keln am kroa­ti­schen strand (das mys­te­riö­ser­wei­se anja ge­wann), heu­ern­te im gar­ten sei­ner el­tern, pil­ze­su­chen im wald, bo­nan­za gu­cken und wie wir ein­mal ein milch-wett­trin­ken ver­an­stal­te­ten: am ende des wett­trin­kens stürm­te kris­tof aus der kü­che ins wohn­zim­mer, strahl­te sei­ne mut­ter an und rief: „mut­ti, ich hab’ ge­ra­de ei­nen li­ter milch ge­trun­ken!“ — und über­gab sich am ende des sat­zes.

wir wuch­sen im wahrs­ten sin­ne des wor­tes zu­sam­men auf, gin­gen zu­sam­men in den kin­der­gar­ten, die grund­schu­le und den hort. wir kleb­ten zu­sam­men wie pech und schwe­fel, ter­ro­ri­sier­ten an­de­re kin­der und trie­ben un­se­re kin­der­gärt­ne­rin­nen, be­treue­rin­nen und leh­re­rin­nen zur ver­zweif­lung. ei­gent­lich, glau­be ich, moch­ten uns un­se­re be­treue­rin­nen im kin­der­gar­ten und hort ganz ger­ne. ich kann mich zu­min­dest dar­an er­in­nern, dass ich im hort öf­ter auf frau pe­li­kans schoss sass, wäh­rend sie und ihre kol­le­gin­nen im per­so­nal­raum HB-zi­ga­ret­ten rauch­ten. als ich da so sass, be­schloss ich, wenn ich er­wach­sen wäre, wür­de ich auch HB rau­chen. ich fand rau­chen da­mals ziem­lich toll. war­um kris­tof und ich mit rau­chen­den hort-be­treue­rin­nen im per­so­nal­raum sas­sen, weiss ich nicht mehr. in der rück­schau ver­mu­te ich, um uns von den an­de­ren kin­dern zu tren­nen und uns dar­an zu hin­dern, grau­sa­men kin­der­scher­ze mit ih­nen zu ma­chen.

mei­ne mut­ter er­zähl­te mir, dass sie und kris­tofs mut­ter re­gel­mäs­sig zu ge­sprä­chen in den kin­der­gar­ten und den hort ein­ge­la­den wur­den, um die pro­ble­me die wir ver­ur­sach­ten zu be­spre­chen. auch das ist mir in der rück­schau un­er­klär­lich, denn kris­tof und ich wa­ren ei­gent­lich schüch­ter­e­ne, zu­rück­hal­ten­de kin­der.

nach der grund­schu­le und dem hort gin­gen kris­tof und ich auf ver­schie­de­ne wei­ter­füh­ren­de schu­len und sa­hen uns et­was sel­te­ner. wir sa­hen uns noch, wenn sich un­se­re el­tern ge­gen­sei­tig be­such­ten, über­nach­te­ten wei­ter­hin im haus des je­weils an­de­ren und fuh­ren auch ein paar­mal ge­mein­sam in den ur­laub. lang­sam aber si­cher bil­de­ten sich aber neue freun­des­krei­se und die über­schnei­dun­gen un­se­rer le­bens­wirk­lich­kei­ten wur­den lang­sam we­ni­ger.

wir wa­ren bei­de kei­ne asse in der schu­le, mein deutsch­leh­rer emp­fahl mei­ner mut­ter, mich eine hand­werk­li­che leh­re ma­chen zu las­sen, statt mich wei­ter­hin auf dem gym­na­si­um zu über­for­dern. mei­ne mut­ter liess sich nicht von leh­rern be­ir­ren und be­hielt mich auf dem gym­na­si­um. kris­tofs el­tern ga­ben dem druck wohl ir­gend­wann nach und lies­sen ihn, nach ein paar jah­ren gym­na­si­um, auf die haupt­schu­le ge­hen.

zu dem zeit­punkt frag­men­tier­te sich un­se­re freund­schaft so sehr, dass ich sol­che neu­ig­kei­ten nicht mehr von kris­tof selbst er­fuhr, son­dern sie mir von mei­ner mut­ter er­zäh­len liess. über mei­ne mut­ter war ich bes­tens in­for­miert über kris­tofs le­bens­we­ge, auch ohne di­rek­ten kon­takt. über mei­ne mut­ter er­fuhr ich ir­gend­wann, dass kris­tof jetzt eine leh­re in ei­nem me­tall­ver­ar­bei­ten­den be­trieb an­ge­fan­gen hät­te. dann er­fuhr ich, in wech­seln­der rei­hen­fol­ge, dass er dort raus­ge­flo­gen sei, spä­ter wie­der dort an­ge­fan­gen hät­te und ir­gend­wann spä­ter wie­der raus­ge­flo­gen sei. ich hör­te das kris­tof kiff­te, zu viel kiff­te, und sich wohl auch beim dea­len hat­te er­wi­schen las­sen. in den er­zäh­lun­gen mei­ner mut­ter ent­wi­ckel­te sich kris­tof lang­sam zu ei­nem pro­blem­ju­gend­li­chen. weil ich die schu­le auch scheis­se fand und pu­ber­tier­te, hat­te ich auch alle mög­li­chen pro­ble­me, aber weil ich ein schis­ser war und angst vor grös­se­ren pro­ble­men hat­te, gab ich mir mühe mei­ne pro­ble­me klein zu hal­ten. ich fing an, das mit dem kif­fen auch mal aus­zu­pro­bie­ren, aber weil ich so eine angst da­vor hat­te, dass das kif­fen zu ei­nem grös­se­ren pro­blem wer­den könn­te, hal­lu­zi­nier­te ich nicht, son­dern pa­ra­noi­sier­te und kotz­te vom kif­fen. ich liess das dann schnell wie­der sein und ver­such­te im­mer wie­der, auch in der schu­le, auf ei­nen grü­nen zweig zu ge­lan­gen, um nicht auch eine leh­re an­fan­gen zu müs­sen.

über die jah­re kreuz­ten sich die wege von kris­tof und mir noch ein paar mal di­rekt und in­di­rekt, so hat­te er, als ich in als aus­tausch­schü­ler in ame­ri­ka war, eine et­was län­ge­re af­fä­re mit mei­ner bes­ten freun­din und gros­sen ex-lie­be gita — und er lern­te mei­nen bes­ten ju­gend­freund, den pöh­ler ken­nen.

auch von der be­kannt­schaft von kris­tof mit dem pöh­ler er­fuhr ich le­dig­lich in­di­rekt, über gita und mei­ne mut­ter. die bei­den wohn­ten zu­sam­men, kiff­ten ein biss­chen zu viel und ex­pe­ri­men­tier­ten wohl auch mit här­te­ren dro­gen — das ver­mu­te­te zu­min­dest kris­tofs mut­ter, wie ich über den stil­le-post-flur­funk zu­hau­se er­fuhr.

als ich aus ame­ri­ka zu­rück­kam und in eine an­de­re stadt zog, schie­nen sich die pro­ble­me von kris­tof po­ten­ziert zu ha­ben. er hat­te kei­ne ab­ge­schlos­se­ne aus­bil­dung, kei­nen schul­ab­schluss, war, ab­ge­se­hen von ge­le­gent­li­chen ver­söh­nun­gen, mit sei­nen el­tern zer­strit­ten. gita hat­te auch kei­nen kon­takt mehr mit ihm. ge­le­gent­lich half er wohl noch in dem me­tall­ver­ar­bei­ten­den be­trieb aus, in dem er sei­ne aus­bil­dung mehr­fach ab­ge­bro­chen hat­te und bau­te, wäh­rend ich in ame­ri­ka war, an der wen­del­trep­pe in un­se­rem neu­en haus in heins­berg mit. so hat­te ich zwar kei­nen kon­takt mehr mit kris­tof, aber da­für in dem haus in dem ich wohn­te eine stahl-wen­delt­re­pe, an der kris­tof mit­ge­baut hat­te.

in den fol­gen­den jah­ren mach­te ich dann auch eine hand­werks­leh­re (schrei­ner) und ein stu­di­um (ar­chi­tek­tur) und zog spä­ter nach ber­lin. die in­di­rek­ten nach­rich­ten aus kris­tofs le­ben wur­den in die­ser zeit im­mer un­er­freu­li­cher. vor et­was 18 jah­ren gab es dann aber wohl eine wen­de. ich er­fuhr, dass er eine frau ken­nen­ge­lernt hät­te und mit ihr ei­nen sohn hät­te. aus­ser­dem sei er jetzt wohl „clean“. dass er in den jah­ren zu­vor nicht be­son­ders „clean“ war, konn­te ich selbst nur ein­mal, auf der be­er­di­gung sei­ner oma be­ob­ach­ten. da tauch­te er selbst­zu­frie­den grin­send und auf­ge­dun­sen auf und rief mir zu, dass ich ja ganz schön auf­ge­dun­sen sei. da­mit hat­te er ein­deu­tig recht (selbst­zu­frie­den und auf­ge­dun­sen war ich auch), be­sorg­nis­er­re­gend war aber, dass nicht nur sein kör­per und sein ge­sicht auf­ge­dun­sen wa­ren, son­dern auch sei­ne hän­de stark ge­schwol­len. ei­ni­ge sei­ner zäh­ne wa­ren nicht mehr ganz voll­stän­dig und er sah nicht be­son­ders ge­sund aus. aber jetzt, so hör­te ich, sol­le al­les ganz an­ders ge­wor­den sein.

ich liess mir re­gel­mäs­sig er­zäh­len, dass er ein lie­be­vol­ler va­ter sei, ins­be­son­de­re sein um­gang mit dem zweit­ge­bo­re­nen sohn, der das down-syn­drom hat­te, sei freud­lich, ge­dul­dig und nach­sich­tig, was ein an­ge­neh­mer kon­trast zu sei­ner frau sei, die sehr viel stren­ger und we­ni­ger nach­sich­tig mit den kin­dern um­gin­ge.

bei­na­he zwan­zig jah­re nach­dem ich ihn zum letz­ten mal ge­se­hen hat­te, ent­schloss ich mich, kris­tof wie­der mal zu tref­fen. ein paar tage vor un­se­rer ver­ab­re­dung muss­te kris­tof ins kran­ken­haus, weil sei­ne rech­te hand so stark an­ge­schwol­len und ent­zün­det war, dass ge­fahr be­stand, kris­tof kön­ne sei­ne rech­te hand ver­lie­ren. es zeig­te sich, dass er wohl in den letz­ten jahr­zehn­ten eher nicht so „clean“ war, son­dern eher ein funk­tio­nie­ren­der und ei­ni­ger­mas­sen so­zi­al in­te­grier­ter jun­kie. an sei­nem kör­per fan­den sich kaum noch funk­tio­nie­ren­de ve­nen, in die er he­ro­in sprit­zen konn­te, des­halb nut­ze er wohl vor al­lem sei­ne rech­te hand (er ist links­hän­der).

als ich ihn traf, kam er re­la­tiv frisch aus dem kran­ken­haus, die hand war ab­ge­schwol­len, aber im­mer noch gro­tesk dick, aus ei­nem weis­sen ver­band rag­ten sehr stark ge­schwol­le­ne, blau-rot ver­färb­te fin­ger. er war wie­der et­was schlan­ker als auf der be­er­di­gung sei­ner oma (ich hat­te wei­ter zu­ge­nom­men). sein ge­sicht wirk­te zer­schun­den, wohl auch we­gen der vie­len kind­heits­nar­ben, aber nicht mehr auf­ge­dun­sen. sei­ne hel­len blau­en au­gen wirk­ten ge­nau­so wach und freund­lich, wie vor über 30, 40 jah­ren. von den meis­ten sei­ner zäh­ne, wa­ren nur noch brau­ne stümp­fe üb­rig. vor dem re­la­tiv klei­nen haus, in ei­nem dörf­li­chen vor­ort von aa­chen, stand ein re­la­tiv neu­er mer­ce­des, das haus hat­te kris­tof kürz­lich ge­kauft, mit ei­nem dar­leh­nen und et­was aus der ver­wand­schaft zu­sam­men­ge­kratz­ten ei­gen­ka­pi­tal. das haus hat­te hin­ten raus ei­nen klei­nen gar­ten und wirk­te sehr auf­ge­räumt, ob­wohl kris­tof ge­ra­de die kü­che re­no­vier­te.

das haus ge­fiel mir gut, kris­tof er­zähl­te mir von sei­nen re­no­vie­rungs und um­bau­plä­nen, ich lob­te sei­ne plä­ne und sein haus und die ein­rich­tung. mir ge­fiel das haus wirk­lich, auch wenn ich vor mei­nem 80ten le­bens­jahr nie wie­der in ei­nem vor­ort von aa­chen oder in aa­chen selbst le­ben möch­te. der klei­ne sohn mit down-syn­drom war un­fass­bar nied­lich, aber auch irre an­stren­gend und wu­se­lig. der äl­te­re sohn ver­barg hin­ter sei­ner ju­gend­li­chen schüch­tern­heit eine be­ein­dru­cken­de auf­fas­sungs­ga­be. ich tes­te die auf­fas­sungs­ga­be von men­schen (lei­der) stän­dig, in­dem ich mit wort­spie­len und wit­zen mit wech­seln­der sub­ti­li­tät um mich wer­fe und dann prü­fe, wer mei­ne witz­chen ver­steht oder zu de­chif­frie­ren ver­mag. zu mei­nem er­stau­nen konn­te der äl­te­re sohn sie alle ver­ste­hen — aber kris­tof auch. noch er­staun­li­cher fand ich, wel­che ver­ant­wor­tung der äl­te­re für das jün­ge­re kind über­nahm, sich küm­mer­te, dem klei­nen hin­ter­her­lief oder gren­zen auf­zu­zei­gen ver­such­te. es wirk­te, als hät­te der klei­ne drei el­tern­tei­le, die sich um ihn küm­mer­ten. noch deut­li­cher wur­de das auf ei­ner fa­mi­li­en­fei­er, zu der auch kris­tofs fa­mi­lie ein­ge­la­den war. auch hier pass­te der äl­te­re fast stän­dig auf den jün­ge­ren auf. man be­merk­te die last, die auf dem äl­te­ren lag, aber auch kris­tofs be­mü­hen, ihm tei­le die­se last zu neh­men. der um­gang von kris­tof und sei­nem äl­te­ren wirk­te sehr herz­lich, ver­traut und lie­be­voll, eben­so wie mit dem jün­ge­ren. ich muss­te mich vor­be­halts­los den be­ob­ach­tun­gen mei­ner mut­ter an­schlies­sen.

nach der haus­be­sich­ti­gung ver­lies­sen kris­tof und ich das haus und die fa­mi­lie, und fuh­ren in ein café um uns et­was ru­hi­ger un­ter­hal­ten zu kön­nen.

kris­tof er­zähl­te von sei­nem le­ben der letz­ten 20 jah­re und mein­te, dass er ziem­li­ches glück ge­habt hät­te. er mein­te na­tür­lich, dass er glück hat­te, nie er­wischt wor­den zu sein und kei­ne schwe­re­ren ge­sund­heit­li­chen schä­den da­von ge­tra­gen zu ha­ben. und er mein­te na­tür­lich auch, dass er noch leb­te. ich sass kris­tof ge­gen­über und stell­te ihn mir als glück­li­chen men­schen vor. sein ge­schun­de­ner kör­per, sein be­hin­der­tes und sein über­for­der­tes kind be­las­te­ten ihn nicht, im ge­gen­teil, al­les was ich sah und was er er­zähl­te deu­te­te dar­auf hin, dass er sich sei­ner ver­ant­wor­tung be­wusst war und sich ihr auch stell­te, so gut er konn­te. ich hat­te den ein­druck, dass sei­ne sucht dem ein­satz für sei­ne kin­der nicht im weg stand. das was er mir von den pro­ble­men sei­nes äl­tes­ten in der schu­le er­zähl­te, er­in­ner­te mich an den um­gang mei­ner mut­ter mit mei­nen leh­rern: kom­pro­miss­los auf der sei­te des ei­ge­ne kin­des ste­hen, nicht vor der ver­meint­li­chen au­to­ri­tät der leh­rer ku­schen, die ar­gu­men­te der leh­rer sau­ber zer­pflü­cken, wenn’s nö­tig ist, und prä­senz zei­gen.

ich sah, dass kris­tof mit dem le­ben mehr zu kämp­fen hat­te als ich — ich hat­te ja auch stets ver­sucht mei­ne pro­ble­me klein zu hal­ten — aber trotz­dem wirk­te kris­tof auf mich zu­frie­den.

zehn jah­re nach un­se­rem tref­fen in aa­chen, heu­te am 8. juni 2024, schrieb mir mei­ne mut­ter, dass kris­tof heu­te nacht ge­stor­ben sei.

wie im­mer wenn mich nach­rich­ten von to­des­fäl­len mir sehr nahe ste­hen­der men­schen er­rei­chen, wei­ge­re ich mich das zu glau­ben. selbst wenn ich dann auf der be­er­di­gung bin, hal­te ich das gan­ze im­mer noch für ei­nen irr­tum, ich den­ke dann, kann ja nicht sein, dass die­ser mensch wirk­lich weg ist, weil es ja noch men­schen gibt, die die­sen men­schen noch brau­chen.


CO₂-sen­so­ren ka­li­briert

felix schwenzel

weil in den ho­me­as­sistant 2022.12 re­lease no­tes stand, dass mit die­ser ver­si­on auch sen­si­ri­on BLE CO₂-Sen­so­ren un­ter­stützt wer­den, hab ich mir gleich so ei­nen kau­fen müs­sen. bei mou­ser kos­tet der 59,80 € (71,16 € mit um­satz­steu­er). das schö­ne ist, der sen­sor ist ka­li­briert, das teil hat ei­nen licht­in­di­ka­tor und lässt sich zur ak­ti­vie­rung ein­fach auf usb netz­tei­le ste­cken, ist also auch mo­bil mit ei­nem akku-pack zu be­nut­zen.

nicht ganz bil­lig, aber bil­li­ger als an­ders­wo. die lie­fe­rung kam aus den USA mit fe­dex in­ner­halb von 4 ta­gen. ein­ge­steckt und plopp! von home as­sistant ent­deckt.

seit ho­me­as­sistant den um­gang mit blue­tooth BLE ge­rä­ten mas­siv ver­bes­sert hat und vor al­lem eine mög­lich­keit ge­schaf­fen hat güns­ti­ge blue­tooth-re­pea­ter in der woh­nung zu ver­tei­len sind blue­tooth sen­so­ren von ei­nem gros­sen, un­zu­ver­läs­si­gen scheiss zu ei­nem gros­sen ver­gnü­gen ge­wor­den. funk­tio­niert ein­fach.

das ein­zi­ge pro­blem, mei­ne bei­den vor­han­de­nen CO₂-sen­so­ren, die ich mir vor 4 jah­ren für 20 euro ge­baut habe, zeig­ten ganz an­de­re wer­te an. die al­ten sen­so­ren zeig­ten zu­ver­läs­sig an wenn mehr leu­te im raum wa­ren oder bei­spiels­wei­se der back­ofen heiz­te. aber ganz of­fen­sicht­lich wa­ren sie nicht die boh­ne ka­li­briert, bzw. ka­li­brier­ten au­to­ma­tisch den in 24 stun­den ge­mes­se­nen nied­rigs­ten wert als 400 ppm. which is quatsch.

aber die­se au­to­ka­li­brie­rung lässt sich ab­stel­len und ma­nu­ell vor­neh­men. ich musst enur mei­ne al­ten my­sen­sors-sket­che ein biss­chen über­ar­bei­ten (die­se bi­blio­thek funk­tio­niert wun­der­bar) und den sen­so­ren ei­nen schal­ter hin­zu­fü­gen, da­mit ich sie per ho­me­as­sistant ka­li­brie­ren konn­te.

die „ka­li­brie­rung“ nahm ich auf dem bal­kon vor, die sen­so­ren 20 mi­nu­ten draus­sen mes­sen las­sen, die­sen wert als 400 ppm ka­li­brie­ren und dann wie­der rein mit den sen­so­ren. jetzt habe ich drei ka­li­brier­te CO₂-sen­so­ren, auch wenn die wer­te des mhz19-sen­sors 200 pmm zu hoch schei­nen, so sind die wer­te jetzt de­fi­ni­tiv aus­sa­ge­kräf­ti­ger.


brown­sche mo­le­ku­lar­be­we­gung

felix schwenzel

das mor­gen­ri­tu­al von frda und mir ist bei­na­he je­den tag gleich. ich ste­he auf, sie bleibt noch eine hal­be oder gan­ze stun­de (im mei­nem bett) lie­gen, wäh­rend ich in der kü­che im in­ter­net lese und kaf­fee trin­ke. sie kennt die ge­räu­sche die ich in der kü­che ma­che und weiss, da pas­siert nichts für sie in­ter­es­san­tes. spä­tes­tens um 7 steht sie aber auf und prüft die lage. wenn ich noch mit dem in­ter­net be­schäfg­tigt er­schei­ne, die spül­ma­schi­ne aus­räu­me oder wei­ter kaf­fee zu­be­rei­te und in mich rein kip­pe, legt sie sich wie­der zum dö­sen hin, jetzt aber so, dass sie mich im zwei­fel im blick hat.

wenn ich mor­gens nicht in gang kom­me ver­sucht sie mich durch in­ten­si­ves an­star­ren dazu zu brin­gen mal lang­sam in gang zu kom­men.

das ers­te zeu­chen dass es lang­sam los geht ist, wenn ich den kühl­schrank öff­ne und den maas­dam­mer raus­ho­le und in klei­ne wür­fel schnei­de (ihr le­cker­chen für den mor­gen­spa­zier­gang). so­bald ich mit den le­cker­chen an­fan­ge steht sie auf streckt sich ge­nüss­lich und sehr laut und be­ob­ach­tet mich (zu­rück­hal­tend) beim le­cker­chen zu­schnei­den.

wenn die le­cker­chen ge­schnit­ten sind, star­tet die nächs­te es­ka­la­ti­ons­stu­fe wenn ich mich um­zie­he. das ist das si­gnal für fri­da dass es jetzt bald los­geht und da­mit fan­gen (wahr­schein­lich) die bo­ten­stof­fe bei ihr an zu zir­ku­lie­ren. sie läuft im flur auf und ab und dreht krei­se um mich, um mich sub­til zur tür zu zie­hen.

heu­te gab es eine klit­ze­klei­ne stö­rung im be­triebs­ab­lauf. beim kä­se­schnei­den fiel mir auf, dass die bio­müll­ton­ne voll war und stell­te sie in den flur. fri­da be­glei­te­te mich in den flur und be­schnup­per­te noch ein biss­chen die bio­ton­ne. wäh­rend sie ab­ge­lenkt im flur schnup­per­te warf ich ihr ein kä­se­stück­chen in ih­ren fres­napf und schnitt wei­ter käse. fri­da stiess wie­der zu mir in die kü­che und be­ob­ach­te­te mich ru­hig beim kä­se­schnei­den.

weil ge­ruchs­mo­le­kü­le ihr zeit brau­chen um sich durch die luft zu be­we­gen („der mitt­le­re qua­dra­ti­sche Ab­stand von ih­rem Aus­gangs­punkt“ wächst pro­por­tio­nal zur Zeit) dau­er­te es auch 30-40 se­kun­den bis sie be­merk­te, dass nicht nur auf der ar­beit­plat­te käse lag, son­dern auch in der nähe des bo­dens. als hät­te sie je­mand an der sei­te an­ge­tippt, riss sie ih­ren kopf rich­tung fut­ter­napf und fand und ver­speis­te den käse.

die­se lang­wei­li­ge ge­schich­te ist im ver­gleich zu dem was fri­da sonst mit ih­rer nase macht völ­lig un­spek­ta­ku­lär, ich woll­te es aber trotz­dem auf­schrei­ben, weil es mich heu­te früh fas­zi­niert hat. viel fas­zi­nie­ren­der ist na­tür­lich, dass fri­da per­son­nen fin­den kann, die über hun­der­te von me­tern durch die stadt ge­lau­fen sind (wenn man ihr eine ge­ruchs­pro­be der ziel­per­son zeigt) oder ei­nen tan­nen­zap­fen in ei­nem hau­fen tan­nen­zap­fen fin­den kann, den die bei­fah­re­rin vor­her kurz an­ge­fasst hat.


ta­do ther­mo­stat nach sechs jah­ren ir­repa­ra­bel?

felix schwenzel

eins un­se­rer tado ther­mo­sta­te zeigt neu­er­dings auf dem dis­play die tem­pe­ra­tur in fah­ren­heit an. tado bie­tet ei­gent­lich gar nicht die mög­lich­keit die an­zei­ge ein­heit zu än­dern, das geht, sagt das in­ter­net, nur über den sup­port.

sup­port geht bei tado neu­er­dings (?) nur über die chat-funk­ti­on. das ist wun­der­bar asyn­chron und zieht sich ge­ge­be­nen­falls über meh­re­re tage hin.

je­den­falls sag­te mir der sup­port am ende das üb­li­che, „did you try to turn it off and on again?“ — oder in tado-sprech:

Sie könn­ten, falls das noch nicht ge­sche­hen ist das Ther­mo­stat noch­mal kom­plett aus dem Ac­count lö­schen. Das Zim­mer gleich mit. Dann strom­los ma­chen, er­neut pai­ren und Raum er­stel­len.

der schluss­satz hat mich dann aber doch über­rascht:

Das Ge­rät ist halt auch schon ziem­lich alt und im Ernst­fall lei­der nicht re­pa­ra­bel.

un­se­re eta­gen­hei­zung dürf­te so um die 20 oder 30 jah­re alt sein und kürz­lich wur­den bei ei­ner war­tung ge­schätzt ein drit­tel der tei­le der an­la­ge aus­ge­tauscht. sen­so­ren, tei­le der brenn­kam­mer und so. auch die 20-30 jah­re al­ten ther­mo­sta­te funk­tio­nie­ren noch, auch wenn wir sie alle ab­mon­tiert ha­ben und mit tado ther­mo­sta­ten aus­ge­tauscht ha­ben. vor sechs jah­ren ha­ben wir uns die din­ger un­ge­fähr an­ge­schafft, hier ist mei­ne re­zen­si­on von da­mals.

um die 70 euro kos­ten die din­ger pro stück und tado meint die sei­en nach sechs jah­ren so ver­al­tet, dass sie ir­repa­ra­bel sei­en?

ich fin­de das schon sehr ir­ri­tie­rend, so­et­was bei ei­nem sup­port-ge­spräch zu le­sen, zu­mal es sich hier ja auch of­fen­sicht­lich nicht um ein hard­ware, son­dern ein soft­ware pro­blem han­delt. und weil die soft­ware pro­prie­tär ist, kann man da als end­be­nut­zer auch nichts ma­chen, aus­ser zu hof­fen das ab­mel­den und neu­an­mel­den viel­leicht hilft.

aber auch nach sechs jah­ren, mit teil­wei­se schon „schon ziem­lich al­ten“ ther­mo­sta­ten, bin ich, sind wir, nach wie vor su­per zu­frie­den mit dem tado-sys­tem. es ist nach wie vor eine der tech­no­lo­gien in der woh­nung, das im hin­ter­grund ar­bei­tet und für eine an­ge­neh­me at­mo­sphä­re sorgt sorgt, ohne dass man sich um ir­gend­was küm­mern muss. aus­ser na­tür­lich wenn man wäh­rend ei­ner gas­preis­explo­si­on die hei­zungs­steue­rung ins­ge­samt ein paar grad re­du­zie­ren möch­te und des­halb alle schalt­plä­ne der hei­zung ein­mal an­fasst — und dann wie­der ver­gisst.

und ein ernst­fall ist die fah­ren­heit-an­zei­ge ja auch nicht. in der app und der API funk­tio­niert wei­ter­hin al­les ein­wand­frei und auch die hard­ware zickt bis­her nicht rum.

screenshot von einer von „alexanders“ anmerkungen im support-chat: „Sie könnten, falls das noch nicht geschehen ist das Thermostat nochmal komplett aus dem Account loschen. Das Zimmer gleich mit. Dann stromlos machen, erneut pairen und Raum erstellen. Das Gerat ist halt auch schon ziemlich alt und im Ernstfall leider nicht reparabel. Viele Grüße, Alexander“

nach­trag: es stell­te sich spä­ter her­aus, dass die tem­pe­ra­tur des ther­mo­stats auf fah­ren­heit kon­fi­gu­riert war. um­stel­len konn­te ich das in ho­me­kit. das ther­mo­stat funk­tio­niert bis heu­te ein­wand­frei.


die en­er­gie­bi­lanz un­se­rer woh­nung im no­vem­ber

felix schwenzel

mit @ho­me­as­sistant mes­se ich schon seit über ei­nem jahr un­se­ren strom­ver­brauch. da­für er­fas­se ich den strom­zäh­ler­stand mit ei­ner bil­li­gen, auf­ge­kleb­ten esp-ka­me­ra und cloud OCR (zur zeit via goog­le). die ein­zel­wer­te (lich­ter, spül-, wasch- etc-ma­schi­nen) er­fas­se ich mit ein paar mess-steck­do­sen aber vor al­lem mit der „cus­tom in­te­gra­ti­on“ ho­me­as­sistant-power­calc, mit der die ver­brauchs­wer­te sich sehr ak­ku­rat be­rech­nen/schät­zen las­sen. für die du­sche und den boi­ler lei­te ich die wer­te von ei­nem tem­pe­ra­tur­sen­sor an der heiss­was­ser­lei­tung ab, da­für war ei­ni­ges an ka­li­brie­rung und aus­pro­bie­ren nö­tig, aber die wer­te pas­sen mitt­ler­wei­le ganz gut.

die­sen mo­nat habe ich an­ge­fan­gen, bzw. ver­sucht auch den ver­brauch der hei­zung zu er­fas­sen. wir be­nut­zen tado ven­ti­le und las­sen tado auch al­les steu­ern. tado nutzt die da­ten die wir er­zeu­gen mitt­ler­wei­le auch ganz sinn­voll und stellt Abon­nen­ten seit ner wei­le eine or­dent­lich ka­li­brier­te ver­brauchs­schät­zung zur ver­fü­gung mit der sich auch his­to­ri­sche da­ten zum ver­gleich an­zei­gen las­sen.

ers­te er­kennt­nis hier, im ver­gleich zum vor­jahr ha­ben wir zwar un­se­re ziel­tem­pe­ra­tu­ren or­dent­lich ge­senkt (1-3 grad), aber das glei­che wie im letz­ten no­vem­ber ver­braucht (da­für war der ok­to­ber wär­mer, da ha­ben wir im ver­gleich 100% we­ni­ger ver­braucht).

zwei­te er­kennt­nis: ein gross­teil der en­er­gie geht bei uns für warm­was­ser­er­zeu­gung drauf, der en­er­gie­ver­brauch für lich­ter und ge­rä­te ist na­he­zu ver­schwin­dend ge­ring im ver­gleich zu der en­er­gie die für war­mes was­ser drauf­geht.

da­durch dass ich jetzt den hei­zungs­ver­brauch ei­ni­ger­mas­sen gut ken­ne, sehe ich das in den letz­ten bei­den ta­gen, an de­nen ich so­wohl ge­kocht als auch ge­ba­cken habe, der gas­ver­brauch des herds auch noch­mal je­weils 15 kWh war. die­se men­ge hat mich dann doch sehr über­rascht (auch wenn die kWh gas sehr viel güns­ti­ger ist als die kWh strom).

wir (bzw. home as­sistant) schal­ten alle lich­ter bei nicht-ge­brauch aus und ha­ben aus­schliess­lich LEDs im ein­satz. aber dass der en­er­gie­ver­brauch für lich­ter und ge­rä­te ge­ra­de mal 15-20 % un­se­rer en­er­gie­bil­naz (im win­ter) aus­macht, ist dann schon be­mer­kens­wert.

(an­mer­kung: der gas­ba­sier­te en­er­gie­ver­brauch ba­siert auf der stark ver­ein­fach­ten rech­nung kWh = m³×10)


ei­gent­lich las­se ich fri­da ger­ne an der schlepp­lei­ne frei vor mir lau­fen — so­lan­ge sie nicht wei­ter vor­läuft als die schlepp­lei­ne lang ist. zu­hau­se, auf ge­wohn­ten we­gen, klappt das su­per. auf ge­teer­ten we­gen, bzw. auf we­gen auf de­nen auch fahr­rä­der un­ter­wegs sind muss sie ei­nen ein-me­ter-ra­di­us ein­hal­ten. das üben wir in ber­lin über ki­lo­me­ter hin­weg — und das klappt so gut, dass sie mil­erwei­le so­gar den ab­stand re­du­ziert, also zu mir kommt, wenn sie rad­fah­rer kom­men sieht.

(bil­der zu die­sem text auf in­sta­gram, oder hier, bzw. wei­ter un­ten)

im ur­laub klappt das nicht so gut, bzw. nicht auf dau­er. da wird ihr vor­aus­kund­schaf­ten, ihre prü­fung des un­be­kann­ten was hin­ter je­der ecke, je­der er­hö­hung ste­cken könn­te so ein­neh­mend, dass sie uns an der lei­ne schnell mal ver­gisst — ob­wohl es ihr ehr­geiz ist un­ser drei­er-ru­del stets bei­sam­men zu hal­ten..

glück­li­cher­wei­se kann fri­da ihre modi ganz gut um­schal­ten. wenn wir ihr si­gna­li­sie­ren dass sie jetzt auf bein­hö­he blei­ben soll, macht sie das auch, wenn man auf­passt und klei­ne in­ten­tio­nen vor­zu­pre­schen mit win­zi­gen lei­nen­si­gna­len quit­tiert. ne­ben ei­nem re­agiert fri­da al­ler­höchst­sen­si­bel auf je­des noch so klei­ne lei­nen­si­gnal. mir ist jetzt auch auf­ge­fal­len war­um: sie denkt, wenn ich ne­ben ihr gehe, dass je­des lei­nen­si­gnal von mir kommt, qua­si mei­ne hand ist. ab ei­nem ab­stand von ei­nem me­ter wer­den die lei­nen­si­gna­le im­mer igno­rier­ba­rer. sie kom­men noch an, wenn sie stär­ker sind, aber ich glau­be sie nimmt si­gna­le auf ab­stand eher als an­onym, na­tur­ge­ge­ben wahr — sie ver­bin­det sie nicht mehr un­mit­tel­bar mit mir.

je­den­falls scheint es fri­da leicht zu fal­len sich zu­rück zu neh­men, wenn wir ihr das si­gna­li­sie­ren, und ne­ben oder zwi­schen uns zu lau­fen. das klappt dann auch über ki­lo­me­ter hin­weg, ohne wei­te­re kor­rek­tu­ren. ich glau­be ei­ner­seits ist das ziem­lich an­stren­gend für sie, weil sie sehr auf uns ach­tet, aber wei­ter­hin auch noch auf die neue um­ge­bung ach­tet. an­de­rer­seits über­lässt sie uns dann auch alle ent­schei­dun­gen, sie nimmt sich also nicht nur zu­rück, son­dern ord­net sich, zu­min­dest was das aus­kund­schaf­ten, be­wer­ten, ent­schei­den an­geht, völ­lig un­ter.

heu­te ha­ben wir eine neue va­ri­an­te aus­pro­biert, weil die wege auf de­nen wir un­ter­wegs wa­ren zu eng wa­ren um ne­ben­ein­an­der zu ge­hen, nicht nur zu dritt ne­ben­ein­an­der, son­dern auch hund ne­ben mensch. fri­da ak­zep­tiert auf en­gen we­gen (wenn es für sie sinn er­gibt) auch sehr schön das kom­man­do „hin­ten“. aber auf den en­gen fels­we­gen heu­te woll­te ich sie ger­ne im blick ha­ben. also lau­te­te die neue re­gel heu­te: ka­tia läuft vor, fri­da darf sie nicht über­ho­len, ich fol­ge am ende. auch das hat er­staun­lich gut ge­klappt. man merk­te sie wäre ger­ne vor­ge­lau­fen, aber man merk­te auch, dass sie die ge­setz­te gren­ze ak­zep­tier­te. ge­le­gent­lich wa­ren leich­te kor­rek­tu­ren nö­tig, aber ins­ge­samt war das ein sehr ent­spann­tes spa­zie­ren­ge­hen, auch auf brei­te­ren we­gen.

Photo by felix schwenzel on March 31, 2022. Keine Fotobeschreibung verfügbar..

fel­sen­la­by­rinth bei vrát
text dazu auf wir­res.net/11414

ursprünglich veröffentlicht am 31.03.2022


Al­les ist mög­lich, wenn man es macht (t3n 64)

felix schwenzel in t3n

Vor un­ge­fähr 25 Jah­ren, als ich das In­ter­net für mich ent­deck­te, gab es kein Face­book oder Twit­ter, Goog­le war noch ganz jung. Auf ei­nem Ser­ver der Stan­ford-Uni­ver­si­tät lag aber schon eine Web­site, die „Jer­ry and Da­vid’s Gui­de to the World Wide Web“ hieß und sich ein paar Jah­re spä­ter in Ya­hoo um­be­nen­nen wür­de.

Das In­ter­net war so de­zen­tral, wie es nur sein konn­te, und des­halb auch un­durch­sich­tig. Dar­um be­müh­ten sich Men­schen wie Jer­ry Yang und Da­vid Filo, Weg­wei­ser für die­se un­über­sicht­li­che Welt zu bau­en.

Nach wie vor wol­len sehr vie­le Men­schen – und Fir­men – Weg­wei­ser durch die ver­netz­te Welt sein oder auch bau­en. Auch wenn die gro­ßen Platt­for­men zu­neh­mend wie schwar­ze Lö­cher wir­ken und ver­su­chen, Be­su­cher in ih­ren ei­ge­nen, ge­schlos­se­nen Sys­te­men ein­zu­he­gen, er­schlie­ßen und ver­knüp­fen sie wei­ter­hin die de­zen­tra­len Wei­ten des In­ter­nets.

Was sich ver­än­dert hat, ist die Zu­gäng­lich­keit. Platt­for­men ha­ben die Zu­gangs­schwel­len zum ehe­mals eher eli­tä­ren, tech­nisch an­spruchs­vol­len Netz ge­senkt. Um sich am In­ter­net zu be­tei­li­gen, be­nö­tigt man heu­te nicht mehr viel tech­ni­sches Wis­sen.

Der Preis für die­se Be­quem­lich­keit, die nied­rig­schwel­li­ge Zu­gäng­lich­keit und hohe Ver­net­zungs­dich­te der kom­mer­zi­el­len Platt­for­men ist ein ge­wis­ser Ver­lust an Kon­trol­le. Wer ein Ge­fühl der Kon­trol­le be­hal­ten möch­te, kann im In­ter­net nach wie vor al­les selbst ma­chen. Ein­fach ir­gend­wo Ser­ver­ka­pa­zi­tät mie­ten und eine Web­site ins Netz stel­len.

Ich habe lan­ge ei­nen er­heb­li­chen Teil mei­ner Zeit in mei­ne selbst­ver­wal­te­te Web­site ge­steckt, die ich auch als Trä­ger mei­ner On­line-Iden­ti­tät an­sah. Ich woll­te mein di­gi­ta­les Ich nicht al­lein kom­mer­zi­el­len Platt­for­men über­las­sen. Werk­zeu­ge, um mei­ne On­line-Ak­ti­vi­tä­ten in mei­nem Blog zu spie­geln und zu ar­chi­vie­ren, Kom­men­ta­re, Li­kes und Favs, In­sta­gram- und Face­book-Posts ins Blog zu zie­hen, fand ich zu­hauf im Netz. Be­son­ders er­gie­big und fas­zi­nie­rend sind die Werk­zeu­ge, die ein Kreis von ähn­lich Den­ken­den un­ter dem Dach des In­die­web baut, sam­melt und nutzt. Die Idee da­hin­ter ist nicht nur, ein Netz von un­ab­hän­gi­gen und de­zen­tra­len per­sön­li­chen Web­sites zu schaf­fen und (so­zi­al) zu ver­bin­den. Es geht auch dar­um, die gro­ßen, kom­mer­zi­el­len Platt­for­men in die­ses un­ab­hän­gi­ge Netz funk­tio­nal zu in­te­grie­ren.

Aber man muss im In­die­web eben fast al­les sel­ber ma­chen und ver­ste­hen – und dazu reich­lich Zeit in­ves­tie­ren. Und die Zeit ist ein Pro­blem beim Sel­ber­ma­chen. Seit wir ei­nen Hund ha­ben und dank Co­ro­na mehr oder we­ni­ger im­mer zu Hau­se sind, habe ich schlag­ar­tig das In­ter­es­se am Blog­gen und an de­zen­tra­len (und zen­tra­len) so­zia­len Netz­wer­ken ver­lo­ren. Ab­ge­se­hen von ge­le­gent­li­chen Hun­de­fo­tos auf In­sta­gram ma­che ich on­line kaum noch et­was selbst.

Grund­sätz­lich ma­che ich na­tür­lich wei­ter­hin vie­les selbst. Ir­gend­was gibt’s in der Woh­nung im­mer zu op­ti­mie­ren, ich ko­che je­den Tag und über­le­ge, ob ich noch mal die hy­dro­po­ni­sche Ba­si­li­kum-Auf­zucht mit Wachs­tums­lam­pen in der Spei­se­kam­mer an­ge­hen soll.

Ver­mut­lich geht das vie­len Men­schen ähn­lich: Sel­ber­ma­chen macht Spaß und be­frie­digt – aber al­les sel­ber zu ma­chen, über­zieht schnell das Le­bens­zeit­kon­to. Bei mir wur­de das In­ter­es­se, am Auf­bau von de­zen­tra­len so­zia­len Netz­wer­ken mit­zu­wir­ken, vom Nest­bau, der Woh­nungs­au­to­ma­ti­sie­rung und Be­schäf­ti­gung mit dem Hund ab­ge­löst. Je­mand, der Fil­me dreht und schnei­det, will sich eher nicht auch selbst um das Hos­ting von Vi­deo­da­tei­en küm­mern. Wer sich on­line ger­ne strei­tet, sucht wahr­schein­lich nicht in den Ni­schen und de­zen­tra­len Al­ter­na­tiv­netz­wer­ken nach Mit­strei­tern, son­dern da, wo oh­ne­hin schon alle sind: auf den gro­ßen Platt­for­men.

Wenn ich aber die Au­gen zu­sam­men­knei­fe und mei­nen Ab­stand zu so­zia­len Netz­wer­ken we­gen In­ter­es­sens­ver­rü­ckun­gen et­was er­hö­he, fühlt sich das In­ter­net im­mer noch an wie vor 25 Jah­ren. Un­über­sicht­lich, vol­ler bun­ter Ni­schen und bis zum Rand mit Po­ten­zi­al ge­füllt.

Oder um das In­ter­net und die gro­ßen Platt­for­men mal mit dem Uni­ver­sum und dem gan­zen Rest zu ver­glei­chen: Mit Ab­stand er­kennt man, dass schwar­ze Lö­cher zwar rie­sig und sehr at­trak­tiv sind, aber auch, dass das Uni­ver­sum aus viel mehr als schwar­zen Lö­chern be­steht. Al­les ist mög­lich, wenn man es macht – oder wenn’s pas­siert. Ich freue mich je­den­falls auf die nächs­ten 25 Jah­re In­ter­net.


Mus­ter im Mist (t3n 63)

felix schwenzel in t3n

Ich glau­be mitt­ler­wei­le, dass es so et­was wie Ta­lent gar nicht gibt. Oder po­si­tiv for­mu­liert: Ta­lent kann man sich er­ar­bei­ten – wenn man denn will. Der Wil­le ist das Ent­sch­ei­den­de. Ge­nau­so dürf­te es sich mit der Krea­ti­vi­tät ver­hal­ten. Je­mand, der dar­über klagt, nicht krea­tiv zu sein, klagt ei­gent­lich dar­über, sei­nen Geist nicht mehr ziel­los um­her­ir­ren las­sen zu kön­nen. Ziel­lo­sig­keit, ein Ver­hal­ten, das nichts di­rekt er­rei­chen will, das ei­gent­lich über­flüs­sig ist, nennt man auch Spiel.

Die Fä­hig­keit, zu spie­len, ha­ben wir alle mal be­ses­sen. Je­der Mensch war als Kind vol­ler Krea­ti­vi­tät (oder wie man bei jün­ge­ren Men­schen sagt: Fan­ta­sie). Im Lau­fe des Le­bens kon­zen­trie­ren Men­schen sich mehr und mehr auf die nütz­li­che­ren Din­ge, for­mu­lie­ren Zie­le oder – auch sehr be­liebt – ar­bei­ten am Auf­bau ih­rer Exis­tenz­ängs­te. Ängs­te oder (ge­fühl­te) Man­gel­zu­stän­de hem­men die Spiel­be­reit­schaft und stär­ken die Ziel­stre­big­keit.

In mei­ner vor­letz­ten Ko­lum­ne schrieb ich:

„Spiel hilft uns nicht nur, die Welt zu er­fah­ren und bes­ser zu ver­ste­hen, durch Spiel, zweckent­bun­de­nes, also ziel­lo­ses Ver­hal­ten, schaf­fen wir im bes­ten Fall auch Neu­es.“

Aber ganz so ein­fach ist es mit der Krea­ti­vi­tät na­tür­lich auch nicht. Spiel­be­reit­schaft, die Be­reit­schaft zum ziel­lo­sen (geis­ti­gen) Um­her­wan­dern, ist nicht al­les. Krea­ti­vi­tät ist har­te Ar­beit, auch wenn das von au­ßen nicht im­mer so aus­sieht.

Mein Ver­ständ­nis von Krea­ti­vi­tät sieht kurz ge­fasst so aus:

Ein­ga­be – Ver­ar­bei­tung – Mus­ter­er­ken­nung – Aus­ar­bei­tung – Aus­ga­be

Ein­ga­be und Ver­ar­bei­tung kom­men dem klas­si­schen Spiel nahe. Um krea­tiv zu sein, muss man erst mal un­zäh­li­ge Ein­drü­cke und Bil­der sam­meln. Mit die­sen Ein­drü­cken kann man spie­len, sie neu kom­bi­nie­ren und sie zu ver­ste­hen ver­su­chen. Als Kin­der lau­fen wir mit of­fe­nen Au­gen durch die Welt, neh­men al­les in uns auf, spie­len das Ge­se­he­ne nach, ver­dau­en, va­ri­ie­ren, kom­bi­nie­ren und se­zie­ren al­les im­mer wie­der neu – und ler­nen so, nach und nach die Welt zu ver­ste­hen.

Im Er­wach­se­nen­al­ter ha­pert es schon bei der Ein­ga­be ge­le­gent­lich. Wir fil­tern das ver­meint­lich Nutz­lo­se, blen­den Ein­drü­cke aus, knei­fen die Au­gen zu­sam­men. Se­hen muss man im­mer wie­der neu ler­nen und op­ti­mie­ren. Ma­ler se­hen nicht nur Mus­ter, wenn sie sich ei­nen Son­nen­un­ter­gang an­se­hen, son­dern auch Farb­flä­chen. Ar­chi­tek­ten se­hen Li­ni­en, wo gar kei­ne sind. Je­mand mit ei­nem Ham­mer in der Hand sieht über­all Nä­gel.

Se­hen al­lei­ne reicht für die Ein­ga­be na­tür­lich nicht aus; das Ge­se­he­ne muss ver­ar­bei­tet wer­den. Vie­le spre­chen in die­sem Zu­sam­men­hang auch vom le­bens­lan­gen Ler­nen. Kei­ne Er­fin­dung ist aus dem Nichts ent­stan­den, Neu­es ent­steht im­mer auf den Schul­tern, den Vor­ar­bei­ten an­de­rer. Zu se­hen, zu ver­ste­hen, neu­gie­rig auf das sein, was an­de­re ma­chen, ohne Ende zu ler­nen – das schafft ei­nen Strom an Ein­drü­cken, den wir dann ver­dau­en, ver­ar­bei­ten, be­brü­ten und neu zu­sam­men­set­zen kön­nen.

Da­bei kommt, wie im­mer bei Ver­dau­ungs­vor­gän­gen, viel Mist her­aus. Auch hier ist eine gut trai­nier­te Mus­ter­er­ken­nung hilf­reich, um die Gold­adern im Mist zu ent­de­cken.

Mus­ter im Cha­os, im Mist zu er­ken­nen, ist das Aha-Er­leb­nis der Krea­ti­vi­tät. Nach­dem man Bil­der und Mus­ter in sich auf­ge­nom­men hat, die an­kom­men­den Da­ten ver­ar­bei­tet, da­mit ge­spielt, sie zer­schnit­ten und neu zu­sam­men­ge­setzt hat, kommt am Ende eine mick­ri­ge Idee raus. Die Ideen, die am Ende des Pro­zes­ses her­aus­trop­fen, sind das eine Pro­zent, das Tho­mas Alva Edi­son mein­te, als er sag­te, dass „Krea­ti­vi­tät zu ei­nem Pro­zent In­spi­ra­ti­on und zu 99 Pro­zent Tran­spi­ra­ti­on“ sei. Die rest­li­chen 99 Pro­zent sind die Aus­ar­bei­tung und die Prü­fung der Ideen – ob sie viel­leicht doch Mist sind oder zu glän­zen ver­mö­gen.

Krea­ti­ve Ar­beit be­inhal­tet vie­le ver­meint­lich nutz­lo­se Tä­tig­kei­ten. Sie er­for­dert Zeit, le­bens­lan­ges Ler­nen, end­lo­se In­for­ma­ti­ons­auf­nah­me und Mus­ter­er­ken­nung – und ist nicht im­mer von Er­folg ge­krönt. Vor al­lem gibt es kei­ne Pa­tent­re­zep­te für Krea­ti­vi­tät – au­ßer viel­leicht, dass es ein An­fang sein kann, auch das Nutz­lo­se als ziel­füh­rend an­zu­se­hen, den Spaß am Spiel neu zu ent­de­cken und eine un­bän­di­ge Neu­gier auf die Welt zu ent­wi­ckeln. Freu­de am Schei­tern, oder bes­ser: Wil­le und Be­reit­schaft, im­mer wie­der zu strau­cheln, bis ir­gend­wann et­was Gu­tes her­aus­kommt, ist dann doch et­was, was man Ta­lent nen­nen könn­te.


Auf­ge­scho­ben ist gut auf­ge­ho­ben (t3n 62)

felix schwenzel in t3n

„Din­ge ge­re­gelt krie­gen ohne ei­nen Fun­ken Selbst­dis­zi­plin“ – Kath­rin Pas­sig und Sa­scha Lobo ha­ben in ih­rem Buch vor 13 Jah­ren das „Pro“ in Pro­kras­ti­na­ti­on her­aus­ge­ar­bei­tet: wie man wich­ti­ge Ar­bei­ten vor sich her­schiebt und trotz­dem pro­duk­tiv bleibt und Sa­chen er­le­digt be­kommt.

Mich hat das Buch da­mals tief be­ein­druckt, weil es mir half, eine mei­ner ver­meint­lich schlech­ten Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten – al­les so lan­ge auf­zu­schie­ben, bis es fast knallt – zu ra­tio­na­li­sie­ren und zum be­wuss­ten und pro­duk­ti­ven Selbst­be­trug zu nut­zen.

Mitt­ler­wei­le habe ich das Auf­schie­ben pro­fes­sio­na­li­si­ert. Al­les, was ich er­le­di­gen muss oder will oder auch Ideen, die ich habe, schrei­be ich mir sorg­fäl­tig mit Fäl­lig­keits­da­tum und Prio­ri­tät in mein Er­le­di­gungs­pro­gramm, für das ich mir so­gar eine Pre­mi­um-Li­zenz be­sorgt habe.

Da­mit be­freie ich mei­nen Kopf von al­len drin­gen­den und drän­gen­den Auf­ga­ben. Das Bes­te ist al­ler­dings, dass sich Ar­beit per App noch bes­ser und ein­fa­cher auf­schie­ben lässt als im Kopf oder auf Pa­pier. Taucht zum Bei­spiel die Mah­nung auf, dass ich mei­ne t3n-Ko­lum­ne mal lang­sam schrei­ben müss­te, lässt sie sich per Klick ein­fach auf den nächs­ten Tag oder die nächs­te Wo­che ver­schie­ben. Mir fällt es über­haupt nicht schwer, so eine Auf­ga­be meh­re­re Wo­chen vor mir her­zu­schie­ben. Der Druck kommt dann erst mit den E-Mails aus der Re­dak­ti­on.

Die­se Um­wid­mung ei­ner To-do-App in eine To-not-do-App hilft mir nicht nur, ei­nen frei­en und kla­ren Kopf zu be­hal­ten; vie­le Auf­ga­ben er­le­di­gen sich so auch von selbst oder wer­den mit der Zeit egal.

Na­tür­lich gibt es ef­fi­zi­en­te­re Me­tho­den, Din­ge zu er­le­di­gen. Der ent­sch­ei­den­de Punkt ist aber nicht, wel­che Pro­duk­ti­vi­täts­stra­te­gie die ef­fi­zi­en­tes­te oder bes­te ist, son­dern wel­che Me­tho­den es mir per­sön­lich er­leich­tern, die An­for­de­run­gen mei­nes Le­bens am bes­ten aus­zu­ba­lan­cie­ren.

Das gilt nicht nur für Auf­ga­ben­mas­sen, son­dern auch für die Reiz­über­flu­tung und die „In­for­ma­ti­ons­ge­wit­ter“, die in der ver­netz­ten Welt auf uns ein­pras­seln.

Frü­her™, so vor 18 Jah­ren, als ich an­fing, ins In­ter­net zu schrei­ben, habe ich mich manch­mal ab­sicht­lich in ei­nen Zu­stand der Ge­reizt­heit ver­setzt, um zu blog­gen. Man­gel an Din­gen, über die man sich auf­re­gen konn­te, gab es auch da­mals nicht. Nach dem Blog­gen schwoll mei­ne selbst pro­vo­zier­te Auf­re­gung im­mer ganz schnell ab. Spä­ter habe ich mei­ne Stra­te­gie ge­än­dert; ich schrieb wei­ter­hin über Din­ge, die mich auf­reg­ten, ver­such­te sie aber so weit zu dif­fe­ren­zie­ren, dass mein Är­ger schon beim Schrei­ben ver­flog. Das Blog­gen wur­de für mich zu ei­ner Art Ver­dau­ungs­vor­gang, mit dem ich die di­gi­ta­len Rei­ze re­la­tiv ein­fach run­ter­küh­len und mich so auf den Rest mei­nes Le­bens oder das nächs­te Reiz­the­ma kon­zen­trie­ren konn­te.

Mitt­ler­wei­le blog­ge ich fast nur noch auf­schie­bend: Ich set­ze mir Le­se­zei­chen und no­tie­re mir Sa­chen, über die ich schrei­ben könn­te, und schie­be sie dann vor mir her – bis ich sie im Back­log ver­ges­se: back­log­gen statt web­log­gen.

Das Er­geb­nis bleibt das glei­che: Ich rege mich kaum noch auf; die Em­pö­rungs­wel­len auf Twit­ter be­ob­ach­te ich zwar, las­se sie aber an mir vor­bei­zie­hen. Dem po­li­ti­schen Ge­sche­hen fol­ge ich, schaf­fe es aber nicht, mich dar­über auf­zu­re­gen. Ich weiß, dass eh al­les kom­pli­zier­ter ist, als es scheint, und es fahr­läs­sig wäre, sich vor­schnell Mei­nun­gen zu bil­den. Des­halb pla­ne ich dann meist die Mei­nungs­bil­dung für ei­nen spä­te­ren Zeit­punkt. So schie­be ich nicht nur drin­gen­de Ar­bei­ten vor mir her, son­dern auch die Auf­re­gung.

„Auf­ge­scho­ben ist nicht auf­ge­ho­ben“, sagt der Volks­mund, dem ich hier of­fi­zi­ell wi­der­spre­chen möch­te:

Zu­nächst ist Auf­ge­scho­be­nes in mei­ner Er­le­di­gungs­lis­te sehr wohl gut auf­ge­ho­ben. Und an­de­rer­seits macht Auf­schie­ben den Blick frei für das We­sent­li­che. Auf­schie­ben ent­las­tet – zu­min­dest tem­po­rär – und lässt ei­nen die Din­ge, hin­ter de­nen Druck steht, ent­spann­ter, ru­hi­ger und prag­ma­ti­scher an­ge­hen. Den Kopf frei­zu­ma­chen von ver­meint­lich drin­gen­den Auf­ga­ben, fal­schen Mei­nun­gen an­de­rer, vom schnel­len Mei­nungs­äu­ße­rungs­druck – das könn­te man auch in­ne­re Ruhe, Mindful­ness oder Acht­sam­keit nen­nen. Ich nen­ne es lie­ber Prio­ri­tä­ten­set­zen durch Schie­ben und mil­den und ge­ziel­ten Selbst­be­trug. Durch die­se „Fil­ter­sou­ve­rä­ni­tät“ (selbst­ge­mach­te De­fi­ni­ti­on!) las­sen sich Stress, Auf­re­gung oder Ge­reizt­heit zeit­lich und räum­lich ein­gren­zen und ein biss­chen steu­ern.

So oder so: Keep calm and car­ry on.


Spie­len oder aus­ge­spielt wer­den (t3n 61)

felix schwenzel in t3n

Ich bin alt und er­fah­ren ge­nug, um zu wis­sen, dass auch ich ma­ni­pu­lier­bar bin. Als wir in der Schu­le Wer­bung ana­ly­si­ert und über ihre Stra­te­gien und Funk­ti­ons­wei­sen ge­spro­chen ha­ben, war ich eine Zeit lang über­zeugt, dass mich die­se paar Wis­sens­bro­cken ge­gen Wer­be­bot­schaf­ten im­mu­ni­sie­ren wür­den. Was na­tür­lich Quatsch ist. Wer­bung wirkt – und zwar im­mer an an­de­ren Stel­len, als wir an­ti­zi­pie­ren oder zu wis­sen glau­ben. Ge­nau­so wie Al­ko­hol wirkt: Das Wis­sen um sei­ne Schäd­lich­keit macht mich beim Trin­ken we­der zu­rück­hal­ten­der noch nüch­ter­ner.

Na­tür­lich wird auch Spaß zur Ma­ni­pu­la­ti­on ein­ge­setzt; das wuss­ten schon die rö­mi­schen Kai­ser, die si­cher nicht als ers­te die po­li­ti­sche Di­men­si­on von Spie­len (und Ge­trei­de) er­kann­ten. Auch ich las­se mich ger­ne auf Spie­le ein, hin­ter de­nen Pro­fit­in­ter­es­sen, Ma­ni­pu­la­ti­on oder Auf­merk­sam­keits­len­kung er­kenn­bar sind. So habe ich vor ei­ni­gen Jah­ren bei Fours­qua­re mit­ge­macht und Check-ins und ein paar Ma­yor­ships ge­sam­melt. Auch auf Face­book und Twit­ter habe ich ein paar Jah­re lang bei der Jagd auf Favs und Li­kes mit­ge­spielt, fand dann aber ir­gend­wann Be­schäf­ti­gun­gen, die mich mehr in­ter­es­sier­ten.

Spie­len zur Ver­hal­tens­for­mung wird auch in­ten­siv in der Hun­de­er­zie­hung ein­ge­setzt. Das ist für Hun­de eine gute Nach­richt, weil man frü­her glaub­te, (ver­meint­li­chen) Ge­hor­sam am bes­ten über Zwang, Stra­fe und Do­mi­nanz zu er­rei­chen. Ge­zielt ge­lenk­tes Spiel und po­si­ti­ve Ver­stär­kung ha­ben die al­ten Er­zie­hungs­me­tho­den – zu­min­dest bei Hun­den – mitt­ler­wei­le weit zu­rück­ge­drängt. Und wie man in die­sem Heft le­sen kann, ha­ben vie­le Un­ter­neh­men er­kannt, dass sich ge­schickt ge­lenk­tes Spiel und Spaß po­si­tiv auf die Un­ter­neh­mens­zie­le, Wer­be­er­lö­se oder das Er­rei­chen von ge­wünsch­ten Ver­hal­tens­wei­sen aus­wir­ken kön­nen. Das ist für uns Men­schen nicht un­be­dingt eine gute Nach­richt, auch wenn Ga­mi­fi­ca­ti­on, Nud­ging, Brot und Spie­le si­cher an­ge­neh­mer als Peit­sche oder Ge­heim­po­li­zei sind.

Der Knack­punkt beim Spie­len, bei der Un­ter­hal­tung und dem Ver­gnü­gen ist, dass sie sich re­la­tiv schnell ab­nut­zen und die An­sprü­che im­mer wei­ter stei­gen – zu­min­dest wenn man Men­schen zum Spie­len ani­mie­ren will (Hun­de sind da ge­nüg­sa­mer). Ir­gend­wann ist je­des Spiel durch­ge­spielt, und schlecht ge­stal­te­te und an­ge­leg­te Spie­le spielt eh kei­ner lan­ge.

Dass das Volk nach im­mer neu­en Ver­gnü­gungs­for­men giert, be­ka­men be­reits die rö­mi­schen Kai­ser zu spü­ren. Für ein paar Jah­re fand der „Plebs“ Ge­fal­len dar­an, da­bei zu­zu­se­hen, wie ein paar Gla­dia­to­ren dazu ge­zwun­gen wur­den, sich ge­gen­sei­tig ab­zu­ste­chen oder in der Are­na wil­de Tie­re zu tö­ten. Aber das reich­te re­la­tiv schnell nicht mehr. Karl-Wil­helm Weeber schreibt in Pa­nem et Cir­cen­ses, dass vie­le Kai­ser des­halb dar­in wett­ei­fer­ten, „ihre Vor­gän­ger an Pracht, Aus­stat­tung und Häu­fig­keit der Spie­le zu über­trump­fen“.

Beim mo­der­nen Kai­ser Zu­cker­berg ver­hält es sich ähn­lich: Wenn Face­book nicht stän­dig kon­kur­rie­ren­de Spaß- und Un­ter­hal­tungs-Un­ter­neh­men kauft oder ko­piert, wen­det sich das Pu­bli­kum ab.

Was Macht­ha­ber un­be­dingt ver­hin­dern wol­len, ist für das Volk da­bei eine Chan­ce: Mal nach ei­ge­nen Spiel­re­geln zu spie­len. Über­haupt spie­len zu kön­nen, ist näm­lich eine der gro­ßen Stär­ken der Mensch­heit. Ne­ben Hun­den und ei­ni­gen Haus­tie­ren sind Pri­ma­ten eine der we­ni­gen Tier­ar­ten, die bis ins hohe Al­ter ger­ne spie­len. Durch Spie­len er­fah­ren und eig­nen wir uns die Welt auch im Er­wach­se­nen­al­ter an.

Der nie­der­län­di­sche Kul­tur­his­to­ri­ker Jo­han Hui­zin­ga be­haup­te­te schon 1938 in Homo Lu­dens, dass das Spiel neue Wel­ten jen­seits der All­tags­welt her­vor­zu­brin­gen ver­mag, ge­ra­de weil es et­was Über­flüs­si­ges ist. Spiel, schreibt er, trei­be die kul­tu­rel­le Ent­wick­lung in den un­ter­schied­lichs­ten Be­rei­chen – von Recht über Wis­sen­schaft bis zu Dich­tung und Kunst – vor­an.

Vor­ge­fer­tig­te Spie­le mit­zu­spie­len, sich auf ga­mi­fi­zier­tes Ge­döns ein­zu­las­sen, hilft si­cher beim Ver­ständ­nis der Welt, aber selbst­be­stimm­tes Spiel nach ei­ge­nen Spiel­re­geln schafft po­ten­zi­ell Neu­es, in­spi­riert die Krea­ti­vi­tät — und wer frei spielt, lernt, sich selbst zu ma­ni­pu­lie­ren, statt sich nur von an­de­ren len­ken zu las­sen.

Denn: Wer nach ei­ge­nen Re­geln spielt, be­lohnt sich selbst und ist nicht dar­auf an­ge­wie­sen, Be­loh­nun­gen im Netz oder auf der Ar­beit hin­ter­her­zu­het­zen.


Was bleibt (t3n 60)

felix schwenzel in t3n

Der Fir­nis der Zi­vi­li­sa­ti­on ist ex­trem dünn. Mir fiel das zum ers­ten mal 1992 auf, nach den ge­walt­tä­ti­gen Un­ru­hen in Los An­ge­les. Die Un­ru­hen bra­chen aus, nach­dem Po­li­zis­ten den Afro­ame­ri­ka­ner Rod­ney King bei ei­ner Ver­kehrs­kon­trol­le schwer miss­han­del­ten und hiel­ten meh­re­re Tage an. Am Ende gab es über 50 Tote und meh­re­re tau­send Ver­let­ze zu be­kla­gen. Mir wur­de klar, dass un­se­re po­li­ti­sche und wirt­schaft­li­che Ord­nung kei­nes­falls so sta­bil sind, wie ich mir das bis da­hin ge­dacht hat­te. Mich ha­ben die Un­ru­hen von Los An­ge­les po­li­tisch sen­si­bi­li­si­ert.

Die Co­ro­na-Kri­se dürf­te ein ähn­li­ches Po­ten­zi­al ha­ben. Sie könn­te uns da­für sen­si­bi­li­sie­ren, dass nicht nur die ge­sell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se auf wa­cke­li­gen Füs­sen ste­hen, wenn wir sie nicht ak­tiv stüt­zen, son­dern dass wir, trotz enor­men Fort­schrit­ten in Wis­sen­schaft und Tech­nik, im­mer noch ein ver­letz­li­cher Teil der Na­tur sind. Co­ro­na er­in­nert uns dar­an, dass die Kraft der Na­tur al­les an­de­re als ge­bän­digt ha­ben, wir sind ihr, wie die Men­schen vor Jahr­hun­der­ten, im­mer noch gröss­ten­teils aus­ge­lie­fert.

Vor Co­ro­na hat­te ich im­mer wie­der das Ge­fühl, ins­be­son­de­re bei Dis­kus­sio­nen um den Kli­ma­wan­del, dass vie­le Men­schen glaub­ten, das wir den Kli­ma­wan­del, die Zer­stö­rung un­se­rer Le­bens­grund­la­gen, schon ir­gend­wie mit Tech­no­lo­gie in den Griff zu be­kom­men. Co­ro­na hat uns ge­lehrt, dass wir al­lein mit Wunsch­den­ken, Tech­nik­gläu­big­keit oder kon­zen­trier­tem Op­ti­mis­mus den Fort­be­stand un­se­rer Zi­vi­li­sa­ti­on nicht si­chern wer­den.

Co­ro­na hat aber auch ge­zeigt, dass wir an­ge­sichts aku­ter Ge­fah­ren­la­gen als Ge­sell­schaft durch­aus zu Ver­zicht und ver­nunft­ba­sier­tem Han­deln fä­hig sind. Markt­li­be­ra­le ha­ben es für lan­ge Zeit als Ding der Un­mög­lich­keit an­ge­se­hen, dass Men­schen dazu be­reit wä­ren Ein­schrän­kun­gen ih­rer Le­bens­qua­li­tät hin­zu­neh­men um an­de­re zu schüt­zen oder glo­ba­le Ge­fah­ren ab­zu­weh­ren.

Co­ro­na öff­net die Chan­ce uns dar­an zu er­in­nern, dass die Zu­kunft prin­zi­pi­ell nicht plan­bar ist und dass der Markt al­lein we­der die öko­no­mi­schen oder ge­sell­schaft­li­chen Fol­gen ei­nes Vi­rus ab­weh­ren, noch den Kli­ma­wan­del stop­pen kann. Es gibt kei­ne Al­ter­na­ti­ve zum ge­mein­schaft­li­chen Han­deln, zur Ver­nunft, zu So­li­da­ri­tät, also zum Staat und zur Zi­vil­ge­sell­schaft.

Der welt­wei­te Ver­nunft­aus­bruch, den wir zur Zeit er­le­ben, sin­ken­de Luft­ver­pes­tung, weil vie­le aufs Au­to­fah­ren und Flie­gen ver­zich­ten, die Er­kennt­nis, dass man auch in Da­ten­net­zen Ge­schäfts- und So­zi­al­kon­tak­te pfle­gen und auf­bau­en kann, die Po­pu­la­ri­sie­rung des bar­geld­lo­sen Be­zah­len und des Ge­sichts­schlei­ers, könn­te aber auch ein jä­hes Ende er­le­ben, wenn wir nicht auf der Hut sind.

1973 zum Bei­spiel, als Deutsch­land in ei­ner Wirt­schafts­kri­se steck­te und der Jom-Kip­pur-Krieg denn Öl­preis ex­plo­die­ren liess, ver­ord­ne­te die Bun­des­re­gie­rung deutsch­land­weit Fahr­ver­bo­te und ein Tem­po­li­mit von 100 km/h auf Au­to­bah­nen.

Of­fen­bar brach­te das Sonn­tags­fahr­ver­bot eine Er­spar­nis beim Ben­zin­ver­brauch von 7 bis 12 Pro­zent. Vie­le spar­ten Strom, dros­sel­ten die Hei­zung und hiel­ten das Tem­po­li­mit ein. Aber die­se öko­no­mi­sche und öko­lo­gi­sche Sen­si­bi­li­tät hielt nicht lan­ge an. Schon we­ni­ge Wo­chen spä­ter, als der Krieg im Na­hen Os­ten vor­bei war, wur­den die Fahr­ver­bo­te und Tem­po­li­mits in Deutsch­land wie­der auf­ge­ho­ben, als sei nichts ge­we­sen. Im eu­ro­päi­schen Aus­land, um Deutsch­land her­um, blie­ben die Tem­po­li­mits üb­ri­gens be­stehen, in Deutsch­land wag­te man sich seit­her selbst bei wei­te­ren Öl- und Öko­kri­sen nicht mehr ans Tem­po­li­mit her­an.

Aber viel­leicht bleibt ja doch et­was vom Co­ro­na-Ver­nunft- und So­li­da­ri­täts­aus­bruch hän­gen. Zum Bei­spiel:

  • die Er­kennt­nis, dass Ver­zicht nicht nur Ver­lust be­deu­tet, dass tief­grei­fen­de Ver­än­de­run­gen am Le­bens­wan­del durch­aus von ei­ner brei­ten ge­sell­schaft­li­chen Mehr­heit ge­tra­gen wer­den kön­nen — wenn die Grün­de nach­voll­zieh­bar und ver­nünf­tig sind.
  • dass das In­ter­net, or­dent­li­cher Zu­gang zum Netz, ein un­ver­äu­ßer­li­ches Grund­recht ist, dass ge­sell­schaft­li­che Teil­ha­be er­mög­licht und nicht ein­fach ge­sperrt oder we­gen In­fra­struk­tur­eng­päs­sen ver­wehrt oder ka­putt­ge­dros­selt wer­den darf.
  • die Er­kennt­nis das Ho­me­of­fice, oder wie man frü­her, zu Zei­ten der Öl­kri­se, sag­te, Te­le­ar­beit, nicht nur ein In­cen­ti­ve für Mit­ar­bei­ter ist, son­dern dass die Mög­lich­keit sei­ne Ar­beit­neh­mer de­zen­tral und orts­un­ab­hän­gig ein­zu­set­zen ein hand­fes­ter Wett­be­werbs­vor­teil für Un­ter­neh­men ist.

Was al­ler­dings mit ziem­li­cher Si­cher­heit blei­ben wird, bei al­len künf­ti­gen Kri­sen: die Angst ums Klo­pa­pier.


die­se ko­lum­ne er­schien zu­erst in der t3n 06/2020 und auf t3n.de.


Ba­cken ge­gen die Un­zu­frie­den­heit (t3n 59)

felix schwenzel in t3n

Ich war bis zur ach­ten Klas­se ein ziem­lich schlech­ter Schü­ler. Als ich in die­ser Zeit über mein Le­ben nach­dach­te, war ich em­pört bei dem Ge­dan­ken, nach all die­sen Jah­ren in der Schu­le noch mal vier bis fünf wei­te­re Jah­re ler­nen zu müs­sen. Was ist das für ein Le­ben, in dem man sei­ne bes­ten Jah­re der Schu­le op­fert?

Ir­gend­wann habe ich dann doch die Lust am Ler­nen ent­deckt und Ab­itur ge­macht. Da­nach war mir aber nach et­was Prak­ti­schem, Un­in­tel­lek­tu­el­lem zu­mu­te – nach ei­ner Leh­re als Schrei­ner. Die Ar­beit ge­fiel mir, aber ich frag­te mich ir­gend­wann: Was ist das für ein Le­ben, in dem man sei­ne Ge­sund­heit, sei­nen Kör­per so für den Job schin­den muss?

Wäh­rend der Leh­re und auch spä­ter als ich doch noch zur Uni ging, sehn­te ich mich nach ei­nem Bü­ro­job. Und jetzt, wo ich ei­nen Bü­ro­job habe, seh­ne ich mich im­mer wie­der nach prak­ti­scher, hand­werk­li­cher Ar­beit, bei der ich mei­nen Kopf nicht über­mä­ßig be­an­spru­chen muss.

Die­se Sehn­sucht nach dem je­weils An­de­ren hat mich – egal was ich in mei­nem Le­ben ge­ra­de tat – im­mer be­glei­tet. Auch jetzt, wo ich den Re­dak­ti­ons­schluss für die­se Ko­lum­ne schon lan­ge über­schrit­ten habe, stel­le ich mir vor, wie ein Le­ben als Bus­fah­rer wohl wäre – und ob das nicht ins­ge­samt ent­spann­ter wäre.

Weil ich ir­gend­wann ge­merkt habe, dass ich ei­gent­lich im­mer ir­gend­wie un­zu­frie­den mit dem war, was ich ge­ra­de tat, habe ich mir Ne­ben­tä­tig­kei­ten zum Aus­gleich ge­sucht. Statt von mei­nem Ar­beit­ge­ber zu er­war­ten, dass er mir ei­nen Job an­bie­tet, der alle mei­ne Be­dürf­nis­se be­frie­digt, kon­zen­trie­re ich mich lie­ber dar­auf, mir Be­schäf­ti­gun­gen zu su­chen, die mei­ne vom Job nicht er­füll­ten Be­dürf­nis­se be­frie­di­gen.

Das Er­geb­nis über­rascht mich im­mer wie­der selbst: Ob­wohl ich in den ver­gan­ge­nen 14 Jah­ren mög­li­cher­wei­se nicht im­mer hun­dert­pro­zen­tig zu­frie­den mit mei­nem Job war, habe ich kaum das Be­dürf­nis, ihn zu wech­seln oder neu an­zu­fan­gen. Wich­ti­ger noch: Ich de­fi­nie­re mich mehr und mehr über mei­ne Hob­bies statt über mei­nen Brot­er­werbs­job. Ich sehe mich eher als Neu­hun­de­be­sit­zer oder als je­mand, der ins In­ter­net schreibt und zum The­ma Heim­au­to­ma­ti­sie­rung forscht, als je­mand, der Web­ent­wick­lungs­pro­jek­te lei­tet und ko­or­di­niert.

Wahr­schein­lich ist es mit dem Traum­job ähn­lich wie mit der Lie­be: We­der das eine noch das an­de­re pas­sie­ren ei­nem ein­fach so – zu­min­dest nicht auf Dau­er – son­dern sind das Pro­dukt von in­ten­si­ver Ar­beit an sich selbst und der Be­zie­hung. We­der in der Lie­be noch im Job kann man er­war­ten, dass al­lein die an­de­re Sei­te al­les tut, da­mit man sich ganz und gar wohl­fühlt. Wenn man sich nicht (auch) um sich selbst küm­mert, an sich ar­bei­tet, stän­dig da­zu­lernt und sei­nen Be­dürf­nis­sen Raum ver­schafft, ver­dörrt die Be­zie­hung be­zie­hungs­wei­se die Freu­de am Job.

Man soll zwar nicht von sich auf an­de­re schlie­ßen, aber ich ver­mu­te, die­ses Phä­no­men ken­nen auch an­de­re Men­schen. Vor al­lem ver­mu­te ich aber, dass die Un­zu­frie­den­heit mit dem, was man ge­ra­de tut, oder zeit­wei­li­ge Über­for­de­rung nur be­dingt mit den äu­ße­ren Um­stän­den zu tun ha­ben – oft liegt die Ant­wort eben in ei­nem selbst.

Nicht jede Tä­tig­keit, nicht je­der Job kann alle ei­ge­nen In­ter­es­sen be­die­nen, egal wie sich der je­wei­li­ge Ar­beit­ge­ber oder Part­ner an­strengt, ei­nen an sich zu bin­den. Nicht im­mer ist ein Neu­an­fang die Lö­sung, wenn der Job (oder die Be­zie­hung) nervt. Ver­ein­facht ge­sagt: Fra­ge dich nicht nur, was an­de­re für dich tun kön­nen, son­dern was du für dich selbst tun kannst.

Bild­lich ge­spro­chen: Wer sei­nen Job satt hat, könn­te mal ei­nen Ku­chen ba­cken. Nicht für die Kol­le­gen, son­dern für sich selbst.


Der Weg ist der Weg (t3n 58)

felix schwenzel in t3n

Vie­le Men­schen sa­gen ja, der Weg sei das Ziel. Das stimmt na­tür­lich nur be­dingt. Wenn man auf dem Weg zur Ar­beit ist, will man in der Re­gel nichts an­de­res, als zur Ar­beit zu kom­men und mög­lichst nicht über den Weg nach­den­ken. Wenn ich aber über die­sen Spruch nach­den­ke, er­ken­ne ich mei­nen Ar­beits­weg als eine der we­ni­gen Ge­le­gen­hei­ten in mei­nem All­tag, mich über­haupt zu be­we­gen oder kör­per­lich zu be­tä­ti­gen.

Es gibt ja nicht we­ni­ge Men­schen, die ihre kör­per­li­chen Ak­ti­vi­tä­ten, die Ar­beit und den Weg dort­hin ent­kop­peln. Sie ste­hen ex­tra früh auf und lau­fen („jog­gen“) um ih­ren Wohn­ort her­um, um sich dann wie­der über mehr oder we­ni­ger vie­le Ki­lo­me­ter hin­weg be­we­gungs­los da­sit­zend in rol­len­den Stahl­käs­ten zur Ar­beit brin­gen zu las­sen.

Ich habe mich schon im­mer ge­fragt: War­um lau­fen die Men­schen um ih­ren Wohn­ort her­um, war­um fah­ren Men­schen in Fit­ness­stu­di­os und ren­nen dort auf Bän­dern oder fah­ren auf fest­ge­schraub­ten Rä­dern, statt di­rekt zur Ar­beit (und zu­rück) zu lau­fen oder Fahr­rad zu fah­ren?

Ja, ja, ich weiß: Es kann sein, dass der Weg zur Ar­beit ein­fach zu weit ist, es kann sein, dass es am Ar­beits­platz kei­ne Mög­lich­keit gibt, sich um­zu­zie­hen oder zu du­schen. Es kann sein, dass die meis­ten Men­schen im­mer noch Sport und Ar­beit sau­ber von­ein­an­der tren­nen wol­len, auch wenn die Gren­zen zwi­schen Ar­beit und Frei­zeit zu­neh­mend ver­schwim­men.

Der Neu­ro­wis­sen­schaft­ler Shane O’Mara meint üb­ri­gens, dass un­se­re Ge­hir­ne dann am bes­ten funk­tio­nie­ren, wenn wir in Be­we­gung sind. Un­se­re (und alle an­de­ren) Ge­hir­ne hät­ten sich ent­wi­ckelt, da­mit wir uns be­we­gen kön­nen, da­mit wir ja­gen, weg­lau­fen, flüch­ten, mi­grie­ren oder zur Ar­beit ge­hen kön­nen. Un­se­re Kör­per wur­den kon­stru­iert, um sich zu be­we­gen – nicht, um am Com­pu­ter zu sit­zen.

Im Prin­zip sind wir Men­schen per­fek­te bio­lo­gi­sche Lauf­ma­schi­nen, de­ren ko­gni­ti­ve und krea­ti­ve Fä­hig­kei­ten beim Ge­hen zu Höchst­tou­ren auf­lau­fen. Fried­rich Nietz­sche ging so­gar so weit, zu be­haup­ten, dass „nur die er­gan­ge­nen Ge­dan­ken“ Wert hät­ten.

Seit­dem ich in Fest­an­stel­lun­gen in Bü­ros ar­bei­te, be­inhal­te­te mein Weg zur Ar­beit im­mer auch län­ge­re Fuß­we­ge. Das größ­te Stück des Ar­beits­we­ges lege ich mit der Bahn zu­rück, die letz­ten zwei bis drei Ki­lo­me­ter An­schluss­stre­cke lau­fe ich.

Seit ich die­se ge­gan­ge­nen Ar­beits­we­ge elek­tro­nisch mit ei­ner Smart­watch er­fas­se, sehe ich auch, dass ich mit die­sen Fuß­stre­cken mein Ak­ti­vi­täts-Mi­ni­mum er­fül­le. Die Uhr ord­net die Wege von der U-Bahn zur Ar­beit als „Trai­ning“ ein, weil sich mei­ne Herz­fre­quenz da­bei ein biss­chen er­höht.

Was mei­ne Arm­band­uhr al­ler­dings nicht mes­sen kann, ist die Denk­ar­beit, die ich zu Fuß auf dem Weg zur (oder von der) Ar­beit er­le­di­ge. Meis­tens den­ke ich aus Ver­se­hen über den kom­men­den Ar­beits­tag nach, struk­tu­rie­re ihn (manch­mal un­be­wusst) ein biss­chen vor oder re­ka­pi­tu­lie­re.

Ge­ra­de weil mir die­se Wege Ge­le­gen­heit ge­ben, nach­zu­den­ken, mich zu sam­meln und ich die Welt, die Jah­res­zei­ten oder Ver­än­de­run­gen auf dem Ar­beits­weg be­ob­ach­ten kann, habe ich sie nie als Be­las­tung emp­fun­den. Im Ge­gen­teil, die Vor­stel­lung, dass ich den Gang ins Fit­ness­stu­dio spa­re, weil ich ein paar Hal­te­stel­len frü­her aus­stei­ge und auf den Bus ver­zich­te, be­frie­digt mei­nen Ef­fi­zi­enz-Fe­tisch.

So mag ich dann auch die Ef­fi­zi­enz des Ge­hens: Es bringt den Geist auf Tou­ren — den Kreis­lauf auch ein biss­chen —, spart po­ten­zi­ell den Um­weg ins Fit­ness­stu­dio und lässt sich pri­ma in den All­tag in­te­grie­ren. Und Nietz­sche be­für­wor­te­te es.

War­um also auf dem Ar­beits­weg nicht ein paar Hal­te­stel­len vor­her aus­stei­gen? War­um das Auto nicht zwei, drei Ki­lo­me­ter von der Ar­beit ent­fernt par­ken? War­um nicht mit dem Fahr­rad zur Ar­beit? War­um beim Ar­beit­ge­ber nicht auf die Ein­füh­rung von Um­klei­de­räu­men und Du­schen drän­gen?

Der Weg zur Ar­beit ist nicht das Ziel, aber viel­leicht ein Weg, et­was mehr Be­we­gung und Ge­sund­heit in den Bü­ro­all­tag zu brin­gen.