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[Wer­bung] Scherz­ar­ti­kel

felix schwenzel

Be­vor ich mich für Tech­nik und Com­pu­ter in­ter­es­siert habe, war ich be­ses­sen von Scherz­ar­ti­keln. Ich er­in­ne­re mich noch gut, wie ich mit mei­ner Mut­ter zum ers­ten mal in Aa­chen zum Eu­len­spie­gel ging. Im Eu­len­spie­gel konn­te man zum Jah­res­wech­sel Feu­er­werks­kör­per kau­fen und ganz­jäh­rig Spiel­sa­chen und Scherz­ar­ti­kel (mitt­ler­wei­le ist in dem La­den ein Tee­ge­schäft). Im La­den gab es eine Glas­the­ke, un­ter der di­ver­se Scherz­ar­ti­kel aus­ge­stellt wa­ren. Die Klas­si­ker, die er­staun­li­cher­wei­se heu­te noch ver­kauft wer­den, wie Juck­pul­ver, In­stant-Wür­mer, fal­sche Hun­de­scheis­se, Stink­bom­bem oder Glä­ser mit Flüs­sig­keit, aus de­nen kei­ne Flüs­sig­keit raus­kommt.

Wenn man als Kind Scherz­ar­ti­kel kauft, ist die Wir­kung und Über­ra­schung die man mit den Scher­zen er­rei­chen kann na­tür­lich be­schränkt. Die­je­ni­gen die ei­nem die Ar­ti­kel ge­kauft ha­ben, las­sen sich da­mit nicht wirk­lich über­ra­schen. Und Stink­bom­ben lies­sen mich mei­ne El­tern als Kind nicht kau­fen, ob­wohl mei­ne Mut­ter als aus­ge­bil­de­te Che­mie­la­bo­ran­tin den Duft von Stink­bom­ben sehr an­ge­nehm fand. Der Ge­ruch von Schwe­fel­was­ser­stoff er­in­ner­te sie wohl an ihre Zeit im La­bor.

So un­ge­fähr mit 12 Jah­ren er­gänz­te sich mei­ne Lie­be zu Scherz­ar­ti­keln mit der Lie­be zu Zau­ber­tricks. Da­mit lies­sen sich un­ter Um­stän­den auch die Fi­nan­ziers der Tricks be­ein­dru­cken oder ir­ri­tie­ren. Am Ende ei­ner Rei­se durch den mitt­le­ren Wes­ten der USA fand ich in San Fran­cis­co an der Fi­sher­man’s Wharf ei­nen Zau­ber­la­den, in dem man alle mög­li­chen Zau­ber­tricks kau­fen konn­te. Rin­ge, Trick­kis­ten ge­zink­te Spiel­kar­ten, gros­se und klei­ne Tricks. Das war schon was an­de­res als die Plas­tik-YPS-Zau­ber­tricks oder die aus dem Ra­vens­bur­ger Ju­ni­or-Zau­ber­kas­ten. In San Fran­cis­co habe ich mir ein Spiel­kar­ten­set ge­kauft, bei dem man an den Rück­sei­ten der Kar­ten die Vor­der­sei­te ent­schlüs­seln konn­te. Das war irre kom­pli­ziert, die An­lei­tung eng­lisch, aber ich biss mich durch und die Über­ra­schun­gen die man mit die­sen Tricks er­zeu­gen konn­te, wa­ren be­ein­dru­cken­der als die mit den so­ge­nann­ten Scherz­ar­ti­keln.

Mit ei­nem mei­ner Kar­ten­tricks schaff­te ich es so­gar ein­mal die ge­sel­li­ge Run­de bei ei­nem Abend­essen zu dem mei­ne El­tern ge­la­den hat­ten zu spren­gen. Ich zeig­te ei­nen Kar­ten­trick, der Trick funk­tio­nier­te und ich wei­ger­te mich, wie das Zau­be­rer nun­mal tun, dem Be­such den Trick zu er­klä­ren. Das er­zürn­te den Be­such so sehr, dass er das Abend­essen ver­liess und sich für eine Wei­le in sein Auto setz­te. Das war ei­ner­seits ir­ri­tie­rend, aber es hat­te für mich als 12 oder 13 Jäh­ri­gen auch eine ex­trem be­frie­di­gen­de Wir­kung.

Aber mei­ne lie­be zu Scherz­ar­ti­kel er­losch nie. An ei­nem mei­ner ers­ten Au­tos hing für eine Wei­le ei­ner die­ser Scherz­ar­me, die man aus dem Kof­fer­raum her­aus­hän­gen las­sen konn­te. Ich hat­te gros­ses Ver­gnü­gen, mir nach dem nie­sen fal­sche Schleim­trop­fen aus der Nase her­aus­hän­gen zu las­sen. Fal­sche Hun­de­scheis­se nahm ich stets auf Rei­sen mit. Von ei­nem spä­te­ren USA-Be­such, brach­te ich mir ein paar Blät­ter Py­ro­pa­pier mit, leicht ent­flamm­ba­res Pa­pier, mit dem man gros­se Stich­flam­men in sei­ner Hand zum Auf­leuch­ten brin­gen konn­te.

Ne­ben dem Py­ro­pa­pier war die bes­te An­schaf­fung die­ser Rei­se Penn und Tel­ler’s Buch How To Play With Your Food. Da­drin fin­det sich mein Lieb­lings-Scherz, des­sen ein­zi­ge Re­qui­si­ten eine klei­nes Kon­dens­milch­dös­chen und eine Ga­bel ist:

In der ei­nen Hand ver­steckt („pal­miert“) man die Kon­dens­milch, mit der an­de­ren nimmt man eine Ga­bel in die Hand und er­zählt sei­nen even­tu­ell vor­han­de­nen Tisch­ge­nos­sen (al­lei­ne kann man den Scherz auch ma­chen, macht aber we­nig Spass), dass man ei­nen su­per Trick mit sei­nem Auge ge­lernt habe. Wenn man das sagt und gleich­zei­tig die Ga­bel in die Nähe sei­nes Au­ges hält, be­kommt man re­la­tiv leicht die Auf­merk­sam­keit am Tisch. Man kann bei­spiels­wei­se auch die Haut un­ter dem Auge mit der Ga­bel ein biss­chen nach un­ten zie­hen, das sieht lus­tig aus und bringt ein biss­chen Ernst­haf­tig­keit zum Scherz.

Die Kon­dens­milch bringt man jetzt mit der an­de­ren Hand zum Auge, am bes­ten klappt das mit ei­ner Faust; man tut so als wür­de man durch sei­ne halb ge­öff­net Faust se­hen, aber in echt pla­ziert man die Kon­dens­milch vor dem Auge.

Nach­dem man noch ein biss­chen rum­ge­kas­pert hat, kommt jetzt der ent­schei­de­ne Mo­ment. Zi­tat Penn und Tel­ler (über­setzt von mir):

Die Alu­fo­lie vor­sich­tig mit der Ga­bel an­piek­sen — aber vor­sich­tig! Nicht ins Auge pieck­sen! Das Kon­dens­milch­dös­chen sehr, sehr fest mit der Hand quet­schen. So laut wie mög­lich schrei­en.

Der Nach­teil die­ses Tricks ist, dass man da­nach un­ter Um­stän­den et­was Kon­dens­mich auf sei­nen Kla­mot­ten hat. Um den Trick nach un­ten ab­zu­run­den kann man sich noch fal­schen Schleim in die Nase hän­gen, Juck­pul­ver durch die Ge­gend wer­fen und ein paar Stink­bom­ben plat­zen las­sen.

Was ich üb­ri­gens nie ver­stan­den habe: was ist so wit­zig an die­sen Gum­mi­hüh­nern?


Scherz­ar­ti­kel-Kol­lek­ti­on auf Ebay.


[Für die Er­stel­lung und Be­wer­bung von ein paar Ebay-Kol­lek­tio­nen habe ich ein (pau­schal) Ho­no­rar be­kom­men. Et­was mehr zu den Ebay-Kol­lek­tio­nen habe ich hier ge­schrie­ben.]


an­lass und ur­sa­che

felix schwenzel

*

  pc­ga­mes.de: Fröh­lich am Frei­tag: Ubi­s­oft und die Se­xis­mus-De­bat­te - Leu­te, kommt mal wie­der run­ter!   #

pe­tra fröh­lich, chef­re­dak­teu­rin der print-aus­ga­be von PC-Games, ver­wech­selt an­lass und ur­sa­che:

Der Fall er­in­nert in sei­ner Ent­wick­lung an den Skan­dal von vor ein­ein­halb Jah­ren, als der da­ma­li­ge FDP-Spit­zen­kan­di­dat Rai­ner Brü­der­le ei­ner Stern-Jour­na­lis­tin an der Ho­tel­bar at­tes­tier­te, sie kön­ne "ein Dirndl auch aus­fül­len". Wo­chen­lang be­schäf­tig­te die­ser eher min­der­schwe­re Fall von Chau­vi­nis­mus die Talk­shows und Leit­ar­ti­kel der Re­pu­blik. Brü­der­les leicht­fer­ti­ge Be­mer­kung, der Stern-Ar­ti­kel na­mens "Der Her­ren­witz" und der Twit­ter-Hash­tag #auf­schrei wur­den zum An­lass ge­nom­men, die kom­plet­te Band­brei­te ge­fühl­ter und ech­ter Dis­kri­mi­nie­rung durch­zu­de­kli­nie­ren, von Ge­halts-Un­ter­schie­den bis hin zu Ver­ge­wal­ti­gung. Und das al­les nur we­gen ei­nes ver­un­glück­ten Kom­pli­ments.

über die be­nach­tei­li­gung, dis­kri­mi­nie­rung, be­läs­ti­gung oder se­xu­el­le über­grif­fe de­nen frau­en aus­ge­setzt sind, wur­de eben nicht we­gen ei­nes „ver­un­glück­ten Kom­pli­ments“ wo­chen­lang dis­ku­tiert und ge­strit­ten, son­dern weil un­se­re ge­sell­schaft noch weit ent­fernt ist vom gleich­be­rech­tig­ten und re­spekt­vol­len um­gang mit­ein­an­der. nicht we­gen brü­der­le gab es dis­kus­si­ons­be­darf, son­dern weil frau­en pro­ble­me ha­ben, die eben über ver­un­glück­te kom­pli­men­te hin­aus­ge­hen.

der ers­te welt­krieg ist nicht „nur“ we­gen ei­nes at­ten­tats auf den erz­her­zog franz fer­di­nand aus­ge­bro­chen, son­dern weil die si­tua­ti­on in eu­ro­pa da­mals to­tal ver­fah­ren war und weil deutsch­land von grös­sen­wahn­sin­ni­gem idio­ten re­giert wur­de.

die fran­zö­si­che re­vo­lu­ti­on hat nicht „nur“ des­halb halb frank­reich ver­wüs­tet, weil der ko­man­dant der bas­til­le sie kampf­los über­ge­ben hat, son­dern weil die frans­ö­si­sche ge­sell­schaft ze­ris­sen war und die auf­klä­rung ers­te fol­gen zeig­te.

an­lass und ur­sa­che ha­ben man­ches ge­mein­sam, so wie sym­pto­me und krank­heit. aber ei­nen an­lass (sym­ptom) zu neh­men, um ur­sa­chen, un­ge­rech­tig­kei­ten und miss­stän­de zu tri­via­li­sie­ren ist ent­we­der ein zei­chen von furch­ba­rer dumm­heit, ge­mein­heit oder ein zei­chen von völ­li­ger un­fä­hig­keit or­dent­lich zu po­le­mi­sie­ren.

/via riv­va.de


va­len­ti­na hirsch schaut sich ein paar an­de­re aspek­te der ko­lum­ne von pe­tra fröh­lich an.


max schrems, kämpf um dei­ne da­ten

felix schwenzel

max schrems ist zu et­was be­rühmt­heit ge­langt, weil er ei­ner der ers­ten men­schen der welt war, der face­book nerv­te (zi­tat sz):

Der Mann, der Face­book nervt
Der Ös­ter­rei­cher Max Schrems woll­te wis­sen, wel­che In­for­ma­tio­nen Face­book über ihn spei­chert - und lös­te da­mit das größ­te Da­ten­schutz­ver­fah­ren in der Ge­schich­te des Un­ter­neh­mens aus. (auf sued­de­usch­te.de le­sen)

in ei­ner der letz­ten wo­chen kam sein buch mit dem ti­tel „kämpf um dei­ne da­ten“ raus. ich habs kos­ten­los zu­ge­schickt be­kom­men und ge­le­sen.

der ver­lag sieht das buch wie folgt:

Jetzt legt der Stu­dent mit der Gabe, den Da­ten­wahn­sinn so ein­fach zu erk­lären wie Ja­mie Oli­ver das Ko­chen, sein Wis­sen und sei­ne Er­fah­run­gen aus ers­ter Hand als Buch vor.
Ohne Pa­nik­ma­che und mit un­ge­bro­che­ner Lust an Tech­no­lo­gie, erk­lärt er, wie Kon­zer­ne ihre Kun­den durch­leuch­ten, auch ohne dass die ihre Da­ten an­ge­ben.

uwe eb­bing­haus ist in der faz vom „Er­zähl­ta­lent“ schrems be­geis­tert und fand die art und wei­se, in der schrems „die My­then der IT-In­dus­trie“ durch­leuch­te „ein in­tel­lek­tu­el­les Ver­gnü­gen“.

ich bin da in mei­nem mei­nungs­bild eher ge­spal­ten. we­der er­klärt schrems den „Da­ten­wahn­sinn“ ein­fach, noch ver­zich­tet er auf pa­nik­ma­che, noch ist die lek­tü­re des bu­ches ein „in­tel­lek­tu­el­les Ver­gnü­gen“.

schrems quält sich und sei­ne le­ser in den ers­ten hun­dert­fünf­zig sei­ten an der fra­ge ab, war­um pri­vat­s­hä­re „doch et­was wert“ sei. ei­gent­lich müs­se man das ja gar nicht er­klä­ren, sagt er in der ein­lei­tung, aber er hät­te da „ei­ni­ge Ele­men­te, Hin­ter­grün­de und Ge­dan­ken, die auch für be­reits Über­zeug­te in­ter­es­sant sein könn­ten“. lei­der fehlt es die­sen ele­men­ten und hin­ter­grün­den teil­wei­se an ar­gu­men­ten, in­ter­essanz und dif­fe­ren­ziert­heit. na­tür­lich ist das nicht al­les quatsch, was schrems da zu­sam­men­ge­tra­gen hat, aber so rich­tig rund ist das buch eben auch nicht.

am sauers­ten ist mir tat­säch­lich auf­ge­stos­sen, dass max schrems nir­gend­wo klar de­fi­niert was er ei­gent­lich mit „mei­nen da­ten“ meint, für die ich kämp­fen soll. auch um den be­griff der pri­vat­sphä­re drib­belt er stän­dig her­um und lan­det dann ir­gend­wann auch bei der geist­lo­sen und we­nig hilf­rei­chen ana­lo­gie von pri­vat­sphä­re und dem un­be­ob­ach­te­ten be­nut­zen der toi­let­te.

das mit der de­fi­ni­ti­on (oder pro­ble­ma­ti­sie­rung des be­griffs) von da­ten hat jür­gen ge­u­ter (auch an­läss­lich des buchs von schrems) hier auf­ge­schrie­ben: „Wem ge­hört mein di­gi­ta­ler Zwil­lig?

apro­pos de­fi­ni­tio­nen; auch wit­zig, dass aus­ge­rech­net ser­gey brin kürz­lich eine sehr kom­pak­te, braucht­ba­re de­fi­ni­ti­on von pri­vat­sphä­re ge­lie­fert hat: die er­war­tung das din­ge die man ge­heim­hal­ten möch­te, auch ge­heim blei­ben.

was an den ers­ten 150 sei­ten ne­ben der be­griffs­un­schär­fe und vie­len un­ge­nau­ig­kei­ten be­son­ders nervt, ist das un­dif­fe­ren­zier­te über­spit­zen, das schrems zu al­lem über­fluss auch noch mit flap­sig­keit und sar­kas­mus würzt.

[Es gibt] im­mer noch Nut­zer, die Un­men­gen an per­sön­li­chen Da­ten of­fen ins Netz stel­len. Die meis­ten von ih­nen sind mei­ner Be­ob­ach­tung nach aber vor al­lem süch­tig nach mensch­li­cher Zu­nei­gung, aus­ge­drückt in Li­kes, Ret­weets und Kom­men­ta­ren. Die De­si­gner die­ser Diens­te spre­chen hier von ei­ner »po­si­ti­ven Nut­zer­er­fah­rung«. Die Stimm­la­ge er­in­nert da­bei oft an Dro­gen­händ­ler […].

bei sol­chen ab­schnit­ten, in de­nen ar­ro­ganz und ver­ach­tung bei schrems durch­scheint, habe ich mich im­mer wie­der ge­fragt, war­um (of­fen­bar) nie­mand das ma­nu­s­tript ge­gen­ge­le­sen und kor­ri­giert hat. mög­li­cher­wei­se sind sol­che ab­sät­ze auch kö­der für pa­pier-feuil­le­to­nis­ten wie eb­bing­haus, die in sol­chen ab­sät­zen dann ihr in­tel­lek­tu­el­les ver­gnü­gen fin­den und das buch po­si­tiv re­zen­sie­ren. ich fin­de sol­che pas­sa­gen vor al­lem über­flüs­sig und der sa­che nicht dien­lich. be­nut­zer als däm­li­ches klick­vieh, dass sich von der in­dus­trie mit „ro­ten Zu­ckerln“ in „Paw­low­sche Hun­de“ ver­wan­deln lässt oder in „to­tal wil­len­lo­se Zom­bies“ fin­det max schrems dann nach vier, fünf sei­ten wort­schwall auch ir­gend­wie „über­spitzt“ und re­la­ti­viert sei­ne be­schimp­fun­gen dann als an­re­gung zum „über­den­ken“.

auch die pa­ter­na­lis­tisch an­ge­hauch­te pa­nik­ma­che in sa­chen fil­ter­bla­sen kommt nicht zu kurz:

[D]ie Al­go­rith­men [schnei­den] jene Sei­ten weg, die Sie sel­ten le­sen. Po­li­tik? Weg da­mit! Sie blät­tern eh im­mer nur dar­über. Da­für gibts jetzt 25 Sei­ten Sport und Chro­nik. Wenn Sie glau­ben, je­der be­kommt die glei­chen Er­geb­nis­se bei Goog­le, die glei­chen Up­dates bei Face­book oder die glei­chen Vor­schlä­ge bei Ama­zon, dann lie­gen Sie falsch. Es wird al­les an­hand Ih­rer Da­ten ge­fil­tert und an­ge­passt. […] An­de­re Mei­nun­gen und neue Din­ge, für die wir uns bis dato nicht in­ter­es­siert ha­ben, wer­den weg­ge­fil­tert. De­mo­kra­tie­po­li­tisch ein Wahn­sinn.

ein wahn­sinn, wie schwie­rig es ist ein dif­fe­ren­zier­tes buch zu schrei­ben, in dem an­de­re mei­nun­gen und neue din­ge nicht ein­fach weg­ge­fil­tert wer­den. noch schwe­rer ist es na­tür­lich ein buch zu schrei­ben, in dem man bei ei­ner mei­nung bleibt:

auf sei­te 88 er­zählt schrems wie nutz­los an­ony­mi­sie­rung und pseud­ony­mi­sie­rung von be­nut­zer­da­ten ist und zählt meh­re­re bei­spie­le auf, wie man aus ano- oder pseud­ony­mi­sier­ten da­ten auf iden­tä­ten zu­rück­schlies­sen kann. un­ter an­de­rem er­zählt er von der be­rühm­ten AOL-da­ten­spen­de vor acht jah­ren, aus der sich (na­tür­lich) zahl­rei­che per­sön­li­che da­ten re­kon­stru­ie­ren lies­sen.

auf sei­te 194 schlägt schrems dann plötz­lich im ka­pi­tel „was tun?“, bzw. „Pri­va­cy by De­sign“ vor, künf­tig ein­fach „vie­le Da­ten auch an­ony­mi­siert oder zu­min­dest pseud­ony­mi­siert zu spei­chern“, um sie zu schüt­zen.

auf sei­te 94 be­haup­tet schrems, dass auf der sei­te des ORF „kei­ne Da­ten der Nut­zer“ ge­sam­melt wer­den:

Je­den­falls funk­tio­niert das, wie bei den meis­ten klas­si­schen Web­sei­ten, ohne ir­gend­wel­che Über­wa­chung und Da­ten­sam­me­lei.

das stimmt eben auch nur so halb. die vier ex­ter­nen tra­cker die beim auf­ruf von orf.at auf­ge­ru­fen wer­den, sam­meln nach ei­ge­nen an­ga­ben an­ony­me („Ad Views, Brow­ser In­for­ma­ti­on, Hard­ware/Soft­ware Type, In­ter­ac­tion Data , Page Views“) und pseud­ony­me („IP Ad­dress (EU PII)“) da­ten, die sie wie­der­um auch mit drit­ten tei­len (xa­xis) oder nicht sa­gen ob sie das tun (adi­ti­on, mee­trics, owa). so oder so prei­sen sich so­wohl adi­ti­on, als auch xa­xis da­für an, tar­ge­ting, also per­so­na­li­sier­te, auf da­ten­sam­me­lei ba­sie­ren­de wer­bung an­zu­bie­ten.

zu­ge­ge­be­ner­mas­sen fin­det das „Aus­spä­hen für Wer­be­klicks“ (zi­tat uwe eb­bing­haus) beim ORF in ge­rin­ge­rem um­fang als auf vie­len an­de­ren wer­be­fi­nan­zier­ten nach­rich­ten­sei­ten statt, aber zu be­haup­ten, die meis­ten klas­si­schen web­sei­ten funk­tio­nier­ten ohne „ir­gend­wel­che Über­wa­chung und Da­ten­sam­me­lei“ ist quatsch. zu­mal schrems am ende des bu­ches sei­nen le­sern auch ex­pli­zit „Plug Ins für […] Brow­ser“ (schreib­wei­se schrems) emp­fiehlt, „die Track­ing so weit wie mög­lich un­ter­bin­den“. also plug­ins wie ghos­tery oder do­no­t­track­me oder dis­con­nect oder priv3.

die un­ge­nau­ig­kei­ten, die feh­ler, die aus­las­sun­gen, der un­wil­len zu dif­fe­ren­zie­ren und bin­de­stri­che zu be­nut­zen macht die ers­ten zwei tei­le des bu­ches wirk­lich schwer und un­ver­gnüg­lich zu le­sen. na­tür­lich stimmt vie­les was schrems sagt, das eine oder an­de­re ist so­gar ganz in­ter­es­sant, aber für ein buch reicht das nicht. oder bes­ser: hät­te je­mand das buch um min­des­tens die hälf­te ein­ge­dampft, ein paar feh­ler raus­kor­ri­giert und schrems dazu ge­drängt sich auf das kon­kre­te zu kon­zen­trie­ren, hät­te das ein le­sens­wer­tes buch wer­den kön­nen. (wenn ich, aus­ge­rech­net ich, über­mäs­sig vie­le feh­ler fin­de, ist das im­mer ein ganz schlech­tes zei­chen. CO² mit hoch­ge­stell­ter zwei schrei­ben? „Lö­sungs­fris­ten“?)

denn wenn schrems über die ju­ris­ti­schen und fis­ka­len tricks von face­book re­det, die hilf­lo­sig­keit des ge­setz­ge­bers, der da­ten­schüt­zer und die ab­sur­di­tä­ten des eu­ro­päi­schen rechts be­schreibt, liest sich das buch ganz gut. auch sei­ne kon­kre­ten vor­schlä­ge am ende des bu­ches, was ein­zel­ne, was alle tun könn­ten, wo aus­we­ge zu fin­den sein könn­ten, sind an­re­gend und bei­na­he in­spi­r­i­rend.

kurz vor ende schreibt schrems im ka­pi­tel „Be­wusst­seins­bil­dung“:

Ein gro­ßes Pro­blem ist da­bei, dass wir von sehr abs­trak­ten, nicht greif­ba­ren Pro­ble­men spre­chen. Wie mich der ös­te­rei­chi­sche Fer­seh­mo­de­ra­tor tref­fend frag­te: »Wie fil­men Sie Da­ten­schutz? Wie zei­gen Sie ver­lo­re­ne Frei­heit? Wie wer­den sol­che abs­trak­ten Be­grif­fe für den Durch­schnitts­nut­zer sicht­bar?« Die Ver­mitt­lung die­ser Pro­ble­me braucht viel Auf­wand, viel Kön­nen und En­ga­ge­ment.

an auf­wand und en­ga­ge­ment fehlt es schrems je­den­falls nicht.


im ste­hen pin­keln und da­bei auf die wich­tig­keit des hin­set­zens hin­wei­sen

felix schwenzel

kennt ihr leu­te die im ste­hen ins klo pin­keln und da­bei vor­trä­ge dar­über hal­ten, wie wich­tig es sei, im sit­zen zu pin­keln?

ich glau­be ich ken­ne ei­nen: uwe eb­bing­haus.

uwe eb­bing­haus fasst auf faz.net das kämpf-um-dei­ne-da­ten-buch von max schrems zu­sam­men (hier die ver­lags­web­sei­te auf face­book), der die ah­nungs­lo­sig­keit von ein „paar Un­ter­neh­mern“ be­klagt, die sich pau­schal al­len mög­li­chen quatsch von nut­zern ab­seg­nen las­sen wür­den, aber bei den ent­schei­den­den punk­ten pat­zen wür­den:

Die wirk­li­chen not­wen­di­gen Er­klä­run­gen be­trä­fen da­ge­gen nur die Da­ten­wei­ter­ga­be, also das Aus­spä­hen für Wer­be­klicks.

da­mit ist für eb­bing­haus (und wo­mög­lich max schrems) klar: sol­che un­ter­neh­men ha­ben et­was zu ver­ber­gen.

das al­les steht auf ei­ner faz.net-sei­te die laut ghos­tery 28 tra­cker lädt, wo­von pi mal dau­men 20 dem „Aus­spä­hen für Wer­be­klicks“ die­nen.

kein ein­zi­ger die­ser tra­cker mit so schil­lern­den na­men wie appne­xus, ad­form, au­di­ence sci­ence, chart­beat oder dou­ble­click, wird in den da­ten­schutz­hin­wei­sen von faz.net er­klärt.

jetzt kann man na­tür­lich sa­gen, wie? darf eine fir­ma, die ihre le­ser für wer­be­klicks aus­päht oder die sich dank lis­ten­pri­vi­leg vor­be­hält de­ren abo­nenn­ten­da­ten an drit­te zu ver­kau­fen, nicht auch die da­ten­schutz­miss­stän­de ei­ner an­de­ren fir­ma kri­ti­sie­ren? na­tür­lich darf und soll sie das. aber ein hin­weis dar­auf, dass man wäh­rend man die kri­tik an „Aus­spä­hung für Wer­be­klicks“ liest, die ei­ge­ne IP-adres­se, da­ten über das be­trieb­sys­tem, vor­he­ri­ge be­su­che und mög­li­che in­ter­es­sen an ca. 20 ver­schie­de­ne fir­men über­mit­telt wer­den, so ein hin­weis wäre schon ganz cool. ohne die­sen hin­weis hat man ir­gend­wie das ge­fühl, dass die­ses faz.net ir­gend­et­was zu ver­ber­gen hät­te.

am schluss des bu­ches kann sich uwe eb­bing­haus üb­ri­gens kaum ein la­chen zu­rück­hal­ten, weil „die di­gi­ta­len Groß­un­ter­neh­men [über Jah­re hin­weg] im Wind­schat­ten der all­ge­mei­nen tech­ni­schen und recht­li­chen Un­wis­sen­heit“ ho­kus­po­kus be­trie­ben hät­ten. an­ge­sichts des ho­kus­po­kus auf faz.net (tar­ge­ted wer­bung, „au­di­ence sci­ence“) muss ich dann wie­der­um ein biss­chen la­chen.


das sind die tra­cker die ghos­tery mir am 6.6.2014 auf die­ser sei­te ge­mel­det hat. die wer­be­tra­cker habe ich mal mit den in­for­ma­tio­nen von ghos­tery.com ver­linkt, so­cial plug­ins und die 5 ana­ly­se-tools hab ich nicht ver­linkt.

wo­mög­lich den­ken die faz.net-be­trei­ber, dass ihre be­su­cher die da­ten­schutz­kon­for­mi­tät der teil­wei­se an­geb­lich an­ony­men oder pseud­ony­men aus­spä­hung bei je­dem ein­zel­nen der oben auf­ge­führ­ten diens­te prü­fen und bei be­darf aus­op­ten. ich gehe ei­nen ein­fa­che­ren weg, in­dem ich alle mir un­be­kann­ten dienst­leis­ter ein­fach per ghos­tery blo­ckie­re. eine an­ge­neh­me ne­ben­er­schei­nung da­von ist, dass da­durch fast alle wer­bung aus­ge­blen­det wird.


wir­res.net ist eben­falls nicht tra­cker-frei. ich habe mir al­ler­dings mühe ge­ge­ben mög­lichst we­nig tra­cker oder diens­te drit­ter un­ge­fragt in den be­nut­zer­brow­ser la­den zu las­sen. so zäh­le ich mei­ne be­su­cher mit ei­nem selbst­ge­hos­te­ten pi­wik (das IP-adres­sen vor der spei­che­rung an­ony­mi­siert) und lade fonts von ei­nem ado­be-ser­ver. ei­ni­ge ein­ge­bet­te­te tweets la­den ja­va­script und as­sets vom twit­ter-ser­ver nach. in der ar­ti­kel-an­sicht kann man die an­zei­ge von kom­men­ta­ren, und di­ver­sen so­cial-net­work-but­tons ak­ti­vie­ren. die­se an­zei­ge führt dann zum nach­la­den von re­sour­cen die­ser an­bie­ter — aber eben nur auf wunsch des be­su­chers. stan­dard­mäs­sig, bzw. für erst­be­su­cher ist die an­zei­ge die­ser diens­te de­ak­ti­viert. aus­ser­dem wer­den an­zei­gen von mei­nem wer­be­ver­mark­ter stilan­zei­gen nach­ge­la­den.


zu­erst auf face­book ge­pos­tet.


don’t men­ti­on the face­book

felix schwenzel

face­book, bzw. die face­book-spre­che­rin tina ku­low ver­mu­tet kri­tik an face­book ver­let­ze mög­li­cher­wei­se die mar­ken­rech­te von face­book. das schrieb sie zu­min­dest un­ter ei­nen kom­men­tar, in dem sich die in­itia­ti­ve eu­ro­pe vs face­book dar­über be­klag­te, dass ihre face­book-wer­bung für ei­nen ih­rer face­book-mit­tei­lun­gen ab­ge­lehnt wur­de.

tina ku­low:

Richt­li­ni­en bei Face­book sind für alle gleich. In die­sem Fall ver­mu­te ich, ver­stößt der Text ge­gen un­se­re Wer­be­re­geln.

(her­vor­he­bung von mir)

der rest des kom­men­tars ist ein zi­tat aus den wer­be­richt­li­ni­en, die wer­be­an­zei­gen und ziel­sei­ten als un­ge­eig­net qua­li­fi­zie­ren, wenn sie „un­se­re Ur­he­ber­rech­te bzw. Mar­ken­zei­chen […] oder ir­gend­wel­che an­de­ren ähn­li­chen, leicht zu ver­wech­seln­den Zei­chen“ ver­wen­den.

tja. wer also so doof ist sei­ne in­itia­ve eu­ro­pe vs face­book zu nen­nen, muss dann dann also da­mit rech­nen kei­ne wer­bung für sei­ne in­itia­ti­ve auf face­book schal­ten zu kön­nen. we­gen mar­ken­rech­ten oder ver­wech­se­lungs­ge­fahr. es könn­te ja der ein­druck er­weckt wer­den … hm … dass man face­book auch kri­tisch se­hen könn­te? oder noch schlim­mer, dass face­book zur selbst­kri­tik fä­hig ist?

mei­ne ver­mu­tung, dass der job als pres­se­spre­che­rin von face­book ir­gend­wie un­be­frie­di­gend sein könn­te, weil man ab­sur­de und wil­kür­li­che re­ge­lun­gen die man selbst nicht ver­steht öf­fent­lich ver­tei­di­gen müss­te, be­ant­wor­te­te tina ku­low wie aus dem lehr­buch für pres­se­spre­cher und spin-dok­to­ren. näm­lich mit ei­ner ant­wort auf ei­nen vor­wurf den we­der ich noch eu­ro­pe vs face­book er­ho­ben hat:

Die Kri­tik ist nicht das Pro­blem, son­dern eher der Vor­wurf der Zen­sur, der schlicht nicht stimmt.

[nach­trag 07.06.2014]
eine face­book-mit­tei­lung von eu­ro­pe vs face­book die den na­men je­ho­va face­book nicht er­wähnt, wur­de von face­book als „spon­so­red sto­ry“ frei­ge­schal­tet.

Max Schrems hat so­eben sei­ne neu­es #‎Buch "KÄMPF UM DEI­NE DA­TEN" her­aus­ge­bracht.
Die gan­ze Da­ten­schutz­de­bat­te leicht und ver­ständ­lich in ei­nen Buch ver­packt. Ohne Welt­un­ter­gangs­stim­mung, aber mit dem vol­lem Ex­per­ten­wis­sen und den Hin­ter­grün­den u.a. aus 3 Jah­ren [ei­nes Kampfs ge­gen ein gro­ßes So­zia­les Netz­werk].
Von "Bull­shit-Bin­go" (z.B. "Du hast doch nichts zu ver­ste­cken!?"), über Big Data, der Will­kür von In­ter­net-Mo­no­po­len und den Un­ter­schie­de zwi­schen den USA und Eu­ro­pa bis zu den Lö­sungs­mög­lich­kei­ten spannt sich der Bo­gen im Buch.
Für jede Buch­be­stel­lung über kudd.co ge­hen üb­ri­gens €2 #‎Spen­de an [eine NGO, die ge­gen die­se gro­ße So­zia­le Netz­werk klagt und auch Be­trei­ber die­ser Sei­te ist]. Das Buch ist aber auch in je­der Buch­hand­lung er­hält­lich!
Max Schrems – Kämpf um dei­ne Da­ten
ISBN: 978-3990010860
edi­ti­on a, Wien 2014, 221 Sei­ten
Preis: 19,95€ / 16,99€ (eBook, mit Soft­DRM)


die über­schrift habe ich mit dem nach­trag vom 07.06.2014 ge­gen 9 uhr von „die face­book-pres­se­spre­che­rin ver­steht die face­book-wer­be­re­geln ge­nau­so­we­nig wie je­der an­de­re“ zu „don’t men­ti­on the face­book“ ge­än­dert.


auf face­book:

an­ders­wo:


ris­se am ho­lo­caust-denk­mal

felix schwenzel

of­fen­bar ha­ben fast alle ste­len des ho­lo­caust denk­mals ris­se. so stehts in der zei­tung und der wi­ki­pe­dia. tat­säch­lich kann ich mich an die ers­ten dis­kus­sio­nen dazu be­reits zwei jah­re nach der er­öff­nung er­in­nern.

der ge­schäfts­füh­rer der ho­lo­caust-mahn­mals-stif­tung uwe neu­mär­ker sag­te da­mals laut taz:

„Im Ei­sen­man’schen Ver­ständ­nis könn­te man mit der Ver­wit­te­rung le­ben“, sagt Neu­mär­ker. Die öf­fent­li­che Mei­nung in­des tut sich da­mit schwer.

ei­ni­ge der ste­len wer­den jetzt von stahl­man­schet­ten zu­sam­men­ge­hal­ten.

aus­ser der öf­fent­li­chen mei­nung, scheint es kei­nen kla­ren grund zu ge­ben, war­um die man­schet­ten an­ge­bracht wur­den. pe­ter ei­sen­man, der ar­chi­tekt des ste­len­fel­des, fin­det sie je­den­falls nicht gut und geht vor al­lem nicht da­von aus, dass „die Si­tua­ti­on“ ge­fähr­lich sei.

ich sehe das ei­gent­lich wie vor sie­ben jah­ren: war­um soll am ste­len­feld nicht auch der zahn der zeit na­gen? ei­gent­lich al­tert be­ton ja durch­aus in wür­de. er ist, so­weit ich weiss, durch­ge­färbt und die ste­len sind mas­siv, also durch und durch aus ar­mier­tem be­ton ge­baut. das heisst theo­re­tisch, dass we­gen der ar­mie­rung nur klei­ne­re stü­cke raus­bre­chen kön­nen.

wel­che ge­walt man an­wen­den muss, um grös­se­re stü­cke aus ar­mier­tem be­ton raus­zu­bre­chen, konn­te man wun­der­bar beim ab­riss des pa­last der re­pu­blik oder ei­nem an­de­ren ste­len­feld se­hen.

CC-BY-3.0, pe­ter tritt­hart


[nach­trag]
in der wi­ki­pe­dia steht:

Die Ste­len sind hohl, um die Her­stel­lungs­kos­ten und das Ge­wicht ge­ring zu hal­ten. Ihre Wand­stär­ke be­trägt rund 15 cm. Au­ßer­dem wur­de bei Ste­len, die bis zwei Me­ter hoch sind, im Ver­trau­en auf die ge­wähl­te Be­ton­re­zep­tur auf eine in­ne­re Stahl­be­weh­rung ver­zich­tet.

das hört sich in mei­nen oh­ren nicht be­son­ders klug an. bei ei­ner bau­wei­se ohne ar­mie­rung könn­ten ei­ni­ge ste­len dann wohl doch aus­ein­an­der­bre­chen (statt nur zu brö­ckeln). irre.
[nach­trag ende]


ei­ner der we­ni­gen sprü­che die ich mir aus der ma­te­ri­al­kun­de beim ar­chi­tek­tur­stu­di­um ge­merkt habe, ist der von ma­te­ria­li­en die in wür­de al­tern und sol­chen die es nicht tun. mas­siv­holz ist da mein lieb­lings­bei­spiel. ein mas­siv­holz­tisch sieht auch nach ein, zwei schlä­gen mit ei­ner axt noch gut aus, ein fur­nier­ter span­plat­ten­tisch oder ein LACK-tisch von ikea, der im pri­zip aus la­ckier­ter pap­pe be­steht, sieht da­nach nicht mehr wür­de­voll aus.

des­halb fin­de ich, dass man das ste­len­feld — oder zu­min­dest den be­ton — sei­nem schick­sal über­las­sen soll­te. ich fin­de die in­tak­ten ste­len zwar auch wun­der­schön, die schar­fen kan­ten, die glat­te ober­flä­che, aber ge­nau­so schön fin­de ich die ris­se.

auf dem bild sieht man auch wie hilf­los und naiv die gut ge­mein­ten re­pa­ra­tur­ver­su­che aus­se­hen. ab­ge­se­hen da­von ver­mu­te ich üb­ri­gens auch, dass ver­wit­te­rungs­be­stän­di­ge ste­len aus be­ton ein ding der un­mög­lich­keit sind. um zu ver­hin­dern dass was­ser in den be­ton ein­dringt — und dann bei frost sprengt — müss­te man die ste­len mit kunst­harz oder lack über­zie­hen, den man dann aber auch re­gel­mäs­sig er­neu­ern müss­te. das wäre be­stimmt nicht im sin­ne des er­fin­ders.

was ich üb­ri­gens viel schlim­mer als ris­si­ge ste­len oder hilf­lo­se ste­len­man­schet­ten aus stahl fin­de, sind de­tails wie die­ses am ein­gang zum be­su­cher­zen­trum.

so­was ha­ben wir frü­her „ge­schen­ke an den ar­chi­tek­ten“ ge­nannt und ich bin si­cher, pe­ter ei­sen­man wür­de im­plo­die­ren, wenn er die blaue plas­tik­kis­te dort se­hen wür­de.


[Wer­bung] Gad­gets für die Kü­che

felix schwenzel

Ich wun­de­re mich ja im­mer, war­um das gan­ze In­ter­net voll ist von Blogs die sich mit Ge­rä­ten be­schäf­ti­gen, mit de­nen man Kom­mu­ni­zie­ren oder Kon­su­mie­ren kann. Oder Holz fäl­len. Aber sehr we­ni­ge Web­sei­ten im Netz be­schäf­ti­gen sich mit den all­täg­li­chen Hel­fern im Haus­halt, bzw. in der Kü­che.

Ich habe des­halb eine Ebay-Kol­lek­ti­on an­ge­legt, in der ich es­sen­zi­el­le Kü­chen-Gad­gets auf­lis­te, die ich selbst nut­ze oder die ich mir wün­sche. Über Gad­gets mit de­nen sich wirk­lich gu­ter Kaf­fee her­stel­len lässt, habe ich schon­mal ge­wor­ben ge­schrie­ben. Auch un­se­ren gross­ar­ti­gen Dörr­au­to­ma­ten habe ich schon­mal am Ran­de er­wähnt.

wir ha­ben jetzt ei­nen dörr­au­to­ma­ten. dar­in kann man ei­nen sack in ge­schäl­te und in schei­ben ge­schnit­te­ne äp­fel le­gen, 8 stun­den lau­fen las­sen und da­nach eine tup­per­schüs­sel ge­trock­ne­te ap­fel­schi­ben raus­ho­len. lässt man sie 12 stun­den drin, hat man ap­fel­chips. 24 stun­den bei 500 watt kos­ten ca. ei­nen euro strom, das kommt am ende bil­li­ger als tro­cken­obst im la­den zu kau­fen. und dör­ren kann man wirk­lich al­les: to­ma­ten, frucht­mus (er­gibt frucht­gum­mi), ana­nas — und al­les ist le­cker. die an­schaf­fung des jah­res.

Mit man­chen Ma­schi­nen, wie un­ser Ent­saf­ter, las­sen sich so gran­dio­se Din­ge her­stel­len, dass ich gar nicht ver­ste­he, war­um es noch Men­schen gibt, die sich fer­tig ab­ge­pack­te und pas­teu­ri­sier­te Säf­te kau­fen. Na gut, das war ge­lo­gen, ich ver­ste­he das schon, es ist vor al­lem Be­quem­lich­keit. Aber der Ge­schmack von ein paar selbst ent­saf­te­ten Äp­feln und Ka­rot­ten ist ein­fach un­schlag­bar und eben nicht ver­gleich­bar mit wo­chen- oder ta­ge­lang ge­la­ger­ten und trans­por­tier­ten Saft­pro­duk­ten aus dem La­den. Auch die so­ge­nann­ten Smoothies, die ei­gent­lich nichts an­de­res als über­teu­er­ter und flüs­si­ger Glas-Ba­by­brei sind, kom­men da nicht mit.

Ein an­de­res Bei­spiel: war­um kau­fen Men­schen noch Do­sen­öff­ner die Do­sen mit ge­fähr­li­chen Kan­ten öff­nen, wenn es Öff­ner gibt, die Do­sen so öff­nen, dass man die Kan­ten da­nach ab­le­cken kann?

Eben­so un­ver­ständ­lich ist mir, war­um nicht je­der Haus­halt im Be­sitz ei­nes Pie­pei ist. Liegt das nur am be­scheu­er­ten Na­men? Da­mit be­kommt man wirk­lich fast im­mer per­fek­te Eier hin, ohne Ei­chung, App oder Stopp­uhr.

Oder die Zy­liss Knob­lauch­pres­sen. Ich habe vor drei Jah­ren, nach­dem ich mit der spül­ma­schi­nen­fes­tig­keit mei­ner ers­ten Zy­liss-Pres­se ex­pe­riemn­tiert habe, eine mit blos­sen Hän­den zer­bro­chen und in der Fol­ge 2 Jah­re mit an­de­ren Knob­lauch­pres­sen ex­pe­ri­men­tiert. Es war eine gräss­li­che Zeit, in der ich stän­dig Knob­lauch mit der Hand klein­ge­wür­felt habe, weil die an­de­ren Pres­sen so schlecht be­nutz­bar wa­ren. Vor etwa ei­nem Jahr habe ich eine ge­brauch­te Zy­liss-Pres­se von mei­ner Mut­ter ver­macht be­kom­men und bin seit­dem wie­der ein glück­li­cher mit-scha­le-Knob­lauch-Pres­ser.

Laut wi­ki­pe­dia sind Knob­lauch­pres­sen üb­ri­gens hef­tig um­strit­ten. Al­ler­dings wird dort auch eine Stu­die er­wähnt, laut der das (fri­sche) Pres­sen von Knob­lauch auch ge­sund­heit­lich för­der­lich sein soll.

Aber um die rhe­to­ri­sche Fra­ge aus dem ers­ten Ab­satz zu be­ant­wor­ten: über Kü­chen-Gad­gets schrei­ben wahr­schein­lich so We­ni­ge, weil die In­no­va­ti­ons­zy­klen bei Kü­chen­ge­rä­ten so lang sind. Das ers­te Zy­liss-Knob­lauch­pres­sen­mo­del hat glau­be ich 20 Jah­re bis zum ers­ten Pro­dukt­up­date ge­hal­ten.


Dank Anke Grö­ner ist die­se Mi­cro­pla­ne­rei­be schon (viel zu) lan­ge auf mei­nem wunsch­zet­tel.

und ihr so? wel­che kü­chen­ge­rä­te-/gad­gets fin­det ihr un­ver­zicht­bar? Wel­che sind auf eu­ren Wunsch­lis­ten? Wel­che müss­ten noch er­fun­den wer­den?


Gad­get­lis­te für die Kü­che in der Wi­ki­pe­dia.


[Für die Er­stel­lung und Be­wer­bung von ein paar Ebay-Kol­lek­tio­nen habe ich ein (pau­schal) Ho­no­rar be­kom­men. Et­was mehr zu den Ebay-Kol­lek­tio­nen habe ich hier ge­schrie­ben.]


mei­ne lieb­lings rp14-vor­trä­ge

felix schwenzel

ich fand die re­pu­bli­ca die­ses jahr, wie je­des jahr, sehr viel­sei­tig. es gab vie­le vor­trä­ge die mich lang­weil­ten oder es nicht schaff­ten mei­ne auf­merk­sam­keit für län­ger als 10 mi­nu­ten zu hal­ten, aber eben auch vie­le, die ich toll fand und die ich im fol­gen­den emp­feh­len möch­te. die vor­trä­ge die mich nicht so irre doll fes­sel­ten er­wäh­ne ich nicht, was aber na­tür­lich nicht heisst, dass ich alle vor­trä­ge die ich nicht er­wähn­te doof fand. im ge­gen­teil.

was mir auch wie­der auf­fiel: gros­se, be­kann­te na­men be­deu­ten nicht au­to­ma­tisch tol­le vor­trä­ge. ich fand den vor­trag der yes men kreuz­lang­wei­lig, saskia sas­sen hielt ich nur 10 mi­nu­ten durch, pe­ter wei­bels ge­nu­schel nur 3 mi­nu­ten. da­vid has­sel­hoffs auf­tritt fand ich de­sas­trö­ser für sein image, als das cheese­bur­ger-vi­deo.


am be­ein­dru­ckens­ten fin­de ich vor­trä­ge in de­nen man dem vor­tra­gen­den an­merkt, dass er oder sie sich nicht nur mühe ge­macht hat et­was zu re­cher­chie­ren, son­dern die­sen wust an in­for­ma­tio­nen auch schafft auf das we­sent­li­che ein­zu­damp­fen. vor­trä­ge, in de­nen ich et­was neu­es hin­zu­ler­ne oder ei­nen neu­en blick­win­kel auf alt­be­kann­tes ge­win­ne. oder vor­trä­ge die mich un­ter­hal­ten. all das hat holm frie­be ganz wun­der­bar ge­schafft. er hat es ge­schafft sein 216-sei­ten-buch auf eine hal­be stun­de key­note-prä­sen­ta­ti­on ein­zu­damp­fen, hat mich mehr­fach zum la­chen ge­bracht und sehr lie­be­voll mit key­note-ef­fek­ten rum­ge­spielt. aus­ser­dem hat­te er eine der bes­ten fo­li­en der re­pu­bli­ca (im vor­trags­vi­deo in etwa bei mi­nu­te 7:48).

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mo­ritz metz hat sei­ne bild-text-au­dio-re­por­ta­ge „Wo das In­ter­net lebt“ auf knapp 30 mi­nu­ten vor­trag ein­ge­dampft und ich habe mich in den 30 mi­nu­ten kei­ne se­kun­de ge­lang­weilt. an ein paar stel­len habe ich auch la­chen müs­sen, vor al­lem als mo­ritz metz dar­auf hin­wies, dass er kei­ne ge­wis­sens-pro­ble­me da­mit hat­te lar­ry page’s haus zu fo­to­gra­fie­ren, da der ja schliess­lich auch un­se­re häu­ser fo­to­gra­fiert hat.

auch sein schluss­wort, eine lie­bes­er­klä­rung an die men­schen im in­ter­net, fand ich sehr ge­schmei­dig.

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was mir die­ses jahr auf der re­pu­bli­ca (wie­der) sehr ge­fehlt hat, wa­ren die klei­nen un­prä­ten­tiö­sen ge­sprä­che von phil­ip ban­se auf ei­ner der haupt­büh­nen mit in­ter­net­men­schen.

er hat zwar die­ses jahr wie­der mit sehr vie­len men­schen ge­re­det, meis­tens al­ler­dings über den ver­gan­ge­nen oder be­vor­ste­hen­den tag oder über den ge­hal­te­nen oder be­vor­ste­hen­den vor­trag des je­wei­li­gen ge­sprächs­part­ners. das hier ist die play­list mit al­len ge­sprä­chen die phil­ip ban­se auf der re­pu­bli­ca auf­ge­zeich­net hat (23 clips).

drei ge­sprä­che habe ich mal her­aus­ge­pickt. das ers­te ist mit chris­ti­an fli­sek, dem SPD-ob­mann im NSA-un­ter­su­chungs­aus­schuss des bun­des­ta­ges. das ge­spräch ist ei­ner­seits, wie die meis­ten ge­sprä­che mit po­li­ti­kern, rhe­to­risch glatt­ge­schlif­fen und re­la­tiv nichts­sa­gend — und dann eben auch wie­der nicht. ich fand das ge­spräch je­den­falls ganz se­hens­wert, was aber auch da­mit zu­sam­men­hän­gen kann, dass ich, als ich es ge­se­hen habe, noch in der vor­be­rei­tung mei­nes ei­ge­nen vor­trags steck­te.

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mit ste­fan nig­ge­mei­er un­ter­hält sich phil­ip ban­se über geld, lei­den­schaft und jour­na­lis­mus. ich emp­feh­le je­dem, der sich noch nicht si­cher ist ob er oder sie die kraut­re­por­ter un­ter­stüt­zen will, die­ses ge­spräch an­zu­se­hen.

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das ge­spräch mit ron dei­bert habe ich erst nach mei­nem ei­ge­nen vor­trag ge­se­hen und vie­le mei­ner (nicht so irre ori­gi­nel­len the­sen) in dei­berts ge­spräch wie­der­ge­fun­den. ban­se und dei­bert un­ter­hal­ten sich über die „dunk­len sei­ten“ der ent­hül­lun­gen von ed­ward snow­den, bei­spiels­wei­se dass sich jetzt über­wa­chungs­aus­stat­tung noch bes­ser ver­kauft als frü­her. oder die eher iro­ni­sche kon­se­quenz, dass mas­sen­über­wa­chung und me­ta­da­ten­er­fas­sung plötz­lich als völ­lig nor­mal gilt und bei­spiels­wei­se ba­rack oba­ma me­ta­da­ten­er­fas­sung in sei­nen re­den als et­was dar­stellt das wir selbst­ver­ständ­lich und zwangs­läu­fig bräuch­ten — als hät­te es dazu je­mals par­la­men­ta­ri­sche oder ge­sell­schaft­li­che de­bat­ten ge­ge­ben.

ron dei­bert weist dar­auf hin, dass wir es hier nicht mit spe­zi­el­len in­ter­net­the­men zu tun ha­ben, son­dern dass es hier um zeit­lo­se, ge­sell­schaft­li­che und po­li­ti­sche fra­gen gehe, die im prin­zip seit den al­ten grie­chen ver­han­delt wer­den: „how do we struc­tu­re go­venn­ment? what is acoun­ta­bi­li­ty? what is pro­per over­sight?“ wie ge­stal­ten wir die be­zie­hun­gen zwi­schen bür­gern und dem staat?

letz­ter punkt, den ich auch in mei­nem vor­trag ver­sucht habe rü­ber­zu­brin­gen: dass wir vor al­lem des­halb kei­ne brei­te ge­sell­schaft­li­che op­po­si­ti­on ge­gen die to­tal­über­wa­chung ha­ben, weil die west­li­chen re­gie­run­gen bis­her nicht dumm ge­nug wa­ren die er­kennt­nis­se mas­siv zu miss­brau­chen.

i think what needs to hap­pen is some evi­dence of ab­u­se. if the go­ven­ment is using this kind of in­for­ma­ti­on along the line of a wa­ter­ga­te scan­dal, then i think that might trig­ger re­forms.

(wes­halb ich ja den­ke, dass es wich­tig sein könn­te, die re­gie­run­gen so zu pro­vo­zie­ren, dass sie sich zu dum­hei­ten hin­reis­sen las­sen.)

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apro­pos pro­vo­ka­ti­on, per crom­well und chris­toph brun­mayr ha­ben sich in ih­rer hal­ben re­pu­bli­ca stun­de als sehr be­gab­te me­di­en-pro­vo­ka­teu­re ge­zeigt. mei­ner mei­nung nach ha­ben sie sich be­ein­dru­cken­der und vor al­lem we­ni­ger prah­le­risch als die für mei­nen ge­schmack et­was eit­len yes men dar­ge­stellt. ich glau­be, aus dem vor­trag von per crom­well und chris­toph brun­mayr kann man ei­ni­ges ler­nen. sehr se­hens­wert.

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schwie­ri­ges the­ma (por­no­gra­fie und re­vo­lu­ti­on), könn­te man den­ken, aber mei­ner mei­nung nach sehr un­fall­frei, un­ter­halt­sam und sou­ve­rän rü­ber­ge­bracht. und in­for­ma­tiv. jour­nel­le über „ Die di­gi­ta­le se­xu­el­le Re­vo­lu­ti­on “.

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ein ziem­lich tro­cke­nes the­ma, aber nichts­des­to­trotz wich­tig und bis­her un­ter­dis­ku­tiert und mit (zu) we­nig auf­merk­sam­keit be­dacht; die fra­ge da­nach wie wir re­gu­lie­rung und „de­mo­kra­ti­sche Kon­trol­le po­li­ti­scher Pro­zes­se“ nicht nur im in­ter­net wie­der her­stel­len kön­nen. frank rie­ger hat das the­ma auf knapp 23 mi­nu­ten ein­ge­dampft und am ende so­gar ein paar kon­struk­ti­ve vor­schlä­ge.

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auch ein wich­ti­ges und un­ter­dis­ku­tier­tes the­ma: wie wol­len wir un­ser ver­hält­nis zu ma­schi­nen künf­tig ge­stal­ten? ich habe das mal frag­men­ta­risch mit ei­ner but­ler-ana­lo­gie ver­sucht zu vi­sua­li­sie­ren und auch sa­rah spie­ker­mann sagt an ei­ner stel­le ih­res vor­trags, „die ma­schi­nen ha­ben uns zu die­nen“. vor al­lem weist sie dar­auf hin, dass die ma­schi­nen be­reits re­gel­mäs­sig asi­movs ro­bo­ter­ge­set­ze ver­let­zen.

das the­ma und die in­ten­ti­on des vor­trags fin­de ich, wie ge­sagt, hoch­in­ter­es­sant. lei­der war der vor­trag selbst na­he­zu un­er­träg­lich. sa­rah spie­ker­mann be­nutzt mög­li­cher­wei­se ei­nen iro­nie- oder sar­kas­mus­dia­lekt, der mir un­ver­ständ­lich ist. ich frag­te mich wäh­rend des vor­trags stän­dig, was sie mit „lus­tig“ meint. eine vo­ka­bel die sie alle acht bis neun sät­ze ein­streut und mit der sie so­wohl dumm, lä­cher­lich, ver­ab­scheu­ungs­wür­dig, aber auch in­ter­es­sant, wit­zig und vor­bild­lich mei­nen könn­te.

was mich mög­li­cher­wei­se am meis­ten an spie­ker­manns vor­trag stör­te, war der re­la­ti­ve man­gel von ein­gän­gi­gen ana­lo­gien oder er­zäh­lun­gen. und wenn sie mal ana­lo­gien nut­ze, wa­ren die ste­reo­typ oder quatsch, wie zum bei­spiel das be­scheu­er­te und fal­sche bild von den frö­schen, die nicht mer­ken dass das was­ser lang­sam heiss wird.

eben­so un­wi­der­spro­chen blieb ihre quatsch­be­haup­tung, dass wir, wenn „wir“ in mo­bil­te­le­fo­ne star­ren, alle in das „glei­che ding“ schau­en wür­den. das ist es eben ge­nau nicht. die­se klei­nen kis­ten sind fens­ter, die sich alle in ei­ner an­de­ren ge­gend der welt öff­nen und oft orte zei­gen, von de­nen je­der als kind ge­träumt hat: ge­hei­me orte, ver­steck­te orte, ma­gi­sche orte oder eben auch markt­plät­ze.

trotz­dem emp­feh­le ich, den vor­trag an­zu­se­hen.

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lo­renz matzat hat in sei­nen 30 re­pu­bli­ca-mi­nu­ten nah­zu druck­reif über „Ro­bo­ter­jour­na­lis­mus“ ge­spro­chen. auch er sprach kurz asi­movs ro­bo­ter­ge­set­ze an. ich emp­feh­le den vor­trag, weil er wun­der­bar in­for­ma­tiv ist und man in je­der se­kun­de merkt, dass lo­renz matzat ge­nau weiss von was er spricht.

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sehr emp­feh­len möch­te ich auch eli­sa­beth mi­chel­bachs vor­trag, der ein paar sehr gut nach­voll­zieh­ba­re bö­gen schlägt. mal von der li­te­ra­tur zum blog­dings, aber auch von der li­te­ra­tur zu un­se­rem man­gel an qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen oder über­zeu­gen­den nar­ra­ti­ven um die to­tal­über­wa­chung nach­voll­zieh­bar oder plas­tisch zu ma­chen. ich mag es auch im­mer sehr, wenn man spürt, wie lei­den­schaft­lich ein vor­tra­gen­der oder eine vor­tra­gen­de sich für das the­ma in­ter­es­siert.

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viel lei­den­schaft ver­sprüh­ten auch anne wiz­o­rek und kü­bra gümüşay, die bei­de am an­fang des pa­nels die ge­schich­te ih­rer hash­tags #auf­schrei und #schau­hin nach­er­zähl­ten. wo­bei kü­bra gümüşay be­son­ders lei­denschft­lich und über­zeu­gend dar­auf hin­wies, dass ras­sis­mus et­was ist, das auch in der mit­te der ge­sell­schaft ein pro­blem ist. vor al­lem ein pro­blem, dem wir selbst im­mer wie­der er­lie­gen und uns des­halb umso in­ten­si­ver da­mit be­schäf­ti­gen soll­ten.

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wenn man sich das ge­spräch zwi­schen mar­kus be­cke­dahl und kai bier­mann auf büh­ne 2 an­sieht, könn­te man den­ken: „hm. sind die im­mer so?“ die ant­wort lau­tet ja — und das ist auch der grund war­um ich bei­de so ger­ne mag.

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[Wer­bung] Kuh­traits

felix schwenzel

Wenn man sich so auf Ebay um­guckt könn­te ei­nem der Ge­dan­ke kom­men, dass Por­traits von Kü­hen ein gros­ses Ding sind. Je­den­falls ein grös­se­res Ding als, Por­traits von Fern­se­hern.


[Für die Er­stel­lung und Be­wer­bung von ein paar Ebay-Kol­lek­tio­nen habe ich ein (pau­schal) Ho­no­rar be­kom­men. Et­was mehr zu den Ebay-Kol­lek­tio­nen habe ich hier ge­schrie­ben.]


na­vid ker­ma­ni über deutsch­land

felix schwenzel

star­ke, sehr, sehr tol­le rede von na­vid ker­ma­ni im deut­schen bun­des­tag. lenz ja­cob­sen über­schlägt sich in der zeit vor lob, völ­lig zu recht, und ich bin si­cher, dass das lob in den nächs­ten ta­gen nicht ab­eb­ben wird.

die rede ist hier im wort­laut nach­zu­le­sen und hier kann man sie sich an­se­hen (ker­ma­ni fängt so un­ge­fähr bei 17 mi­nu­ten an zu re­den).

ich habe mir zwei zi­ta­te raus­ge­pickt, die ich be­son­ders gut fand, was na­tür­lich kei­ne su­per-tol­le idee ist, weil die rede na­tür­lich nur im gan­zen funk­tio­niert (und mir im gan­zen sehr aus dem her­zen spricht):

Wie froh müs­sen wir sein, daß am An­fang der Bun­des­re­pu­blik Po­li­ti­ker stan­den, die ihr Han­deln nicht nach Um­fra­gen, son­dern nach ih­ren Über­zeu­gun­gen aus­rich­te­ten.

Die­ser Staat hat Wür­de durch ei­nen Akt der De­mut er­langt.


kri­tik-kri­ti­ker kri­tik

felix schwenzel

da wird das rad neu er­fun­den wird ein tol­les pro­jekt prä­sen­tiert und statt in dank­bar­keit und eu­pho­rie zu er­star­ren, be­mä­kelt die netz­öf­fent­lich­keit das vor­ha­ben.

ei­ni­ge wun­dern sich zum bei­spiel, war­um nicht aus­rei­chend ser­ver­ka­pa­zi­tä­ten be­reit ge­stellt wur­den, da­mit die sei­te nicht am ers­ten tag zu­sam­men­bricht. bei ein paar zah­lungs­wil­li­gen wird die zah­lung nicht ak­zep­tiert und wie­der an­de­re wun­dern sich, dass so we­ni­ge frau­en bei dem pro­jekt mit­ma­chen.

die­se netz­öf­fent­li­che kri­tik (auch von mir) war, so­weit ich das mit­be­kom­men habe, dif­fe­ren­ziert und wohl­wol­lend. mal mehr, mal we­ni­ger.

die kri­tik scheint auch ziem­lich schnell ge­wirkt zu ha­ben, es wird stel­lung be­zo­gen, dis­ku­tiert und bes­se­rung an­ge­kün­digt.

trotz­dem rief die kri­tik dann aber auch gleich die schnapp­at­mer auf den plan. die sind em­pört, wie man als „nicht-ma­cher“ („mach doch erst­mal selbst was“) leu­te kri­ti­sie­ren könn­te, die „end­lich mal“ was ma­chen. of­fen­bar ist es im­mer noch nicht be­kannt, dass nur spit­zen­kö­che sich über ver­sal­ze­ne sup­pen be­schwe­ren dür­fen.

mar­cus brown be­klagt sich bei­spiels­wei­se bit­ter über die trol­lerei und das „mun­da­ne whi­ning“ der „netz­ge­mein­de“ und mar­tin wei­gert fürch­tet, dass „ver­früh­te“ kri­tik das zar­te kraut­pflänz­chen ka­putt­ma­chen könn­te oder die po­si­ti­ve sog­wir­kung des tech­no­lo­gie-stand­orts deutsch­land ge­fähr­den könn­te.

da­bei ist das ge­gen­teil der fall. durch kri­tik kön­nen din­ge bes­ser wer­den. kri­tik ist auch ein tol­ler stress-test: wie gut kön­nen leu­te un­ter druck ar­bei­ten? hal­ten sie dem druck der öf­fent­lich­keit stand? kön­nen sie kri­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on? sind sie lern­fä­hig? kön­nen sie re­le­van­te kri­tik von quatsch un­ter­schei­den? sind sie sou­ve­rän und von ih­rem pro­jekt über­zeugt?

min­des­tens ei­ner der künf­ti­gen kraut­re­por­ter hat auch schon früh­zeitg er­kannt, dass man sei­ne ei­ge­nen de­fi­zi­te und schwä­chen her­vor­ra­gend von drit­ten ver­ti­ku­lie­ren las­sen kann — wenn man denn will. peer scha­der sagt in sei­nem kraut­vi­deo (fet­tun­gen von mir):

ich glau­be, der gros­se vor­teil von on­line ist na­tür­lich tat­säch­lich, dass ich die mög­lich­keit ei­nes feed­backs habe. das heisst als jour­na­list muss ich mich na­tür­lich dar­auf ein­stel­len, dass ich eins um die oh­ren be­kom­me, weil die le­ser im zwei­fel auch schlau­er sind als ich und was dazu bei­tra­gen kön­nen, aber das stärkt ja im grund ge­nom­men nur das pro­dukt. weil mein job is­ses mög­lichst viel raus­zu­fin­den. des­halb rede ich mit fach­leu­ten, aber wenn die leu­te gleich­zei­tig le­ser sind, hab ich da ja kein pro­blem mit. das ist ja im ge­gen­teil ganz wun­der­bar. dann kön­nen die auch was dazu bei­tra­gen, dass die ge­schich­te bes­ser wird, oder dass ich beim nächs­ten mal weiss, dass die ge­schich­te bes­ser wird — oder was än­dern kann.

im grund ge­nom­men ist ein gros­ser teil mei­ner re­cher­che im­mer wie­der das feed­back, das ich von den le­sern be­kom­me, die ein­fach na­tür­lich viel brei­te­res wis­sen ha­ben oder ein­fach auch an or­ten sind, wo ich nicht so schnell hin­kom­me.

sehr vor­aus­schau­end der peer. gu­ter mann (kei­ne iro­nie). al­lein für den, lohnt es sich 5 euro im mo­nat zu in­ves­tie­ren. das mach ich dann auch, so­bald die kraut­re­por­ter ihre ver­kack­te be­zahl-tech­nik im griff ha­ben.


kaum kraut­re­por­te­rin­nen

felix schwenzel

weil ich heu­te nen 129-zei­chen-witz ge­macht habe, über die un­ter­re­prä­sen­tie­rung von frau­en in der ge­plan­ten kraut­re­por­ter-re­dak­ti­on (22:6), wei­ter un­ten noch ein paar er­gän­zen­de wor­te dazu:

soll­te die­ses kraut­re­por­ter-dings schei­tern, wird in 6 mo­na­ten ein er­neu­ter ver­such ge­star­tet un­ter dem na­men kraut­re­por­te­rin­nen.

— fe­lix schwen­zel (@di­plix) 13. mai 2014

ich habe es nur mit hal­ben ohr mit­be­kom­men, aber auf twit­ter und ein paar kom­men­tar­spal­ten war ich nicht der ein­zi­ge, der die­ses auf­fäl­li­ge un­gleich­ge­wicht in der ge­plan­ten re­dak­ti­on fest­ge­stellt hat. die dis­kus­sio­nen auf twit­ter gin­gen dann wohl an man­chen stel­len in die rich­tung, dass hin­wei­se auf die­ses auf­fäl­li­ge un­gleich­ge­wicht ir­gend­wie mies­muf­fe­lig und ver­krampft po­li­tisch-kor­rekt wirk­ten.

ich stel­le mir da ne ganz an­de­re fra­ge; wenn ich eine oder meh­re­re be­stimm­te ge­sell­schaft­li­che grup­pen um un­ter­stüt­zung bit­te, soll­te ich dann nicht we­nigs­tens ver­su­chen den ein­druck zu er­we­cken, dass ich mich für die­se grup­pe et­was mehr als zu 21 pro­zent in­ter­es­sie­re?

ich fin­de die fra­ge nach dem frau­en­an­teil auch gar nicht irre po­li­tisch oder eine fra­ge nach „kor­rekt­heit“, son­dern eher eine nach den ei­ge­nen zie­len und den leu­ten die man an­spre­chen möch­te. für leicht adi­pö­se, mit­tel­al­te, re­la­tiv gut ge­bil­de­te, in­ter­net­af­fi­ne, weis­se mit­tel­schicht­män­ner ver­spricht kraut­re­por­ter beim blick auf die re­dak­ti­ons­mit­glie­der ein span­nen­des dings zu wer­den. des­halb habe ich mich auch gleich zum start ver­sucht als un­ter­stüt­zer ein­zu­tra­gen (vor­erst aus tech­ni­schen grün­den ge­schei­tert).

aber wenn man in­ter­es­se und ver­trau­en aus­ser­halb die­ser et­was be­grenz­ten ziel­grup­pe er­zeu­gen will, müs­sen die 22 kraut­re­por­ter und 6 kraut­re­por­te­rin­nen wohl noch ein biss­chen über­zeu­gungs­ar­beit leis­ten. denn wenn man schon in der start­auf­stel­lung klar zeigt, dass man kein über­mäs­sig gros­ses in­ter­es­se an der be­tei­li­gung von frau­en hat, kann es eben auch pas­sie­ren, dass frau­en kein über­mäs­sig gros­ses in­ter­es­se an der un­ter­stüt­zung ei­nes sol­chen vor­ha­bens ha­ben.

wolf­gang lü­nen­bür­ger sieht das et­was ra­di­ka­ler, hat aber eine (hypo-) the­se, die ich nicht völ­lig ab­we­gig fin­de:

Denn die Be­reit­schaft von Frau­en, sich zu en­ga­gie­ren und zu be­tei­li­gen, ist ein ziem­lich gu­ter In­di­ka­tor für [die] Un­doof­heit [ei­nes Vor­ha­bens], so ist mei­ne Er­fah­rung.

und jetzt guck ich wei­ter mad men.


[nach­trag 14.05.2014]
lo­renz matzat: Fünf Grün­de, war­um ich von dem Kraut­re­por­ter-Kon­zept ent­täuscht bin


Auf Face­book dis­ku­tie­ren @di­plix, @Chris­tophKap­pes, @an­na­list, @Nico und an­de­re über @kraut­re­por­ter. In­ter­es­sant: on.fb.me/T179kM

— Si­mon Hurtz (@Si­mon­Hurtz) 14. mai 2014


[nach­trag 14.05.2014, 15:01]
neu­es/er­wei­ter­tes FAQ im kraut­re­por­ter blog :

Q: War­um gibt es nur sechs Frau­en, aber 19 Män­ner un­ter den Au­toren?
A: Es stimmt: Wir ha­ben es in der Vor­be­rei­tungs­pha­se ver­säumt, auf mehr mehr Viel­falt in der Re­dak­ti­on wie zum Bei­spiel ein aus­ge­gli­che­ne­res Ver­hält­nis von Män­nern und Frau­en im Team zu ach­ten. Das wird uns in Zu­kunft nicht mehr pas­sie­ren, und wir wer­den das Un­gleich­ge­wicht be­rück­sich­ti­gen, wenn das Pro­jekt rea­li­siert wird und wir die Re­dak­ti­on er­wei­tern.


wie ich lern­te die über­wa­chung zu lie­ben

felix schwenzel

das ist, auf viel­fa­chen wunsch, die ver­schrift­lich­te ver­si­on mei­nes vor­trags auf der re­pu­bli­ca 2014.
die auf­zeich­nung des vor­trags vom 8. mai liegt hier auf you­tube.


diens­tag habe ich mir den vor­trag von frie­de­mann ka­rig an­ge­se­hen.
das the­ma hiess „Über­wa­chung macht im­po­tent!“ – Neue Nar­ra­ti­ve ge­gen Über­wa­chung

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war ein gu­ter vor­trag, al­ler­dings war die ein­le­tung et­was lang.

die ein­lei­tung hat un­ge­fähr 49 mi­nu­ten ge­dau­ert.

dem ei­gent­li­che the­ma, „Neue Nar­ra­ti­ve ge­gen Über­wa­chung“, hat fried­mann ka­rig dann 5 oder 10 mi­nu­ten ge­wid­met. un­ter an­de­rem hat er dann 3 neue (beta) nar­ra­ti­ve prä­sen­tiert.

für mei­nen vor­trag hat­te ich auch ne irre lan­ge ein­lei­tung.

das the­ma der ein­lei­tung war angst. und zwar, dass wir alle angst ha­ben. die re­gie­run­gen vor ter­ror­an­schlä­gen, die si­cher­heits­be­hör­den vor dem er­neu­ten ver­sa­gen und ih­rer ei­ge­nen in­komp­tenz, wir vor dem staat der of­fen­bar die de­mo­kra­tie zer­stö­ren will und es nicht schafft uns zu schüt­zen.

wo­bei wir auch sehr an­spruchs­voll sind:

  • wir wün­schen uns si­cher­heit vor dem staat, also star­ke grund­rech­te.
  • wir wün­schen uns aber auch ei­nen star­ken staat mit ef­fek­ti­ven er­mitt­lungs­be­hör­den. wenn es zum bei­spiel um die ver­hin­de­rung von nazi-auf­läu­fen geht, oder die auf­klä­rung oder ver­hin­de­rung der ta­ten von nazi-mord­ban­den geht.
  • bis jetzt wa­ren wir, wie un­se­re eu­ro­päi­schen nach­barn, ganz froh, aus­sen­po­li­tisch nicht all­zu sou­ve­rän zu sein, neu­er­dings wün­schen wir uns aber ein star­kes deutsch­land, ein deutsch­land, dass uns si­cher­heit vor aus­län­di­schen ge­hei­men mäch­ten bie­ten kann.

aber vor al­lem war das the­ma der ein­lei­tung, die ich ges­tern auf an­ra­ten mei­ner frau kom­plett aus dem vor­trag ge­wor­fen habe, dass wir alle kei­ne ah­nung ha­ben.

Wir lau­fen der Zeit hin­ter­her und wis­sen über­haupt nicht, wie wir als Ge­sell­schaft mit die­sen tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen um­ge­hen sol­len.
— Juli Zeh

die­ser satz von juli zeh ist üb­ri­gens eine ele­gan­te um­for­mu­lie­rung ei­nes be­kann­ten aus­spruchs un­se­rer bun­des­kanz­le­rin. juli zeh spricht ei­gent­lich von #neu­land.

ich glau­be wir hät­ten die­sem mer­kel-wort nicht mit ar­ro­ganz und in­ter­net­ver­ste­her-ober­che­cker­tum be­geg­nen sol­len. son­dern mit ei­nem ein­ge­ständ­nis:

stimmt. das in­ter­net ist neu­land. auch für uns. wir lau­fen nicht nur den tech­no­lo­gi­schen ent­wick­lun­gen hin­ter­her, son­dern auch den ge­sell­schaft­li­chen — und zwar wir alle, nicht nur die po­li­tik.

.@di­plix steckt die #rp14 in Brand - bild­lich und ver­bal! Ku­dos! pic.twit­ter.com/vcpt4qtNhS

— Til­man (@two­ne2) May 8, 2014

wir ste­hen vor ei­nem wald, der in flam­men steht und sind scho­ckiert, dass die­ser wald den wir jah­re­lang ge­hegt und ge­pflegt und ge­liebt ha­ben, plötz­lich li­cher­toh brennt.
wir ste­hen da­vor und fra­gen uns wie das pas­sie­ren konn­te.
ne­ben uns ste­hen men­schen, die tan­zen und sich freu­en, dass nur der wald brennt und nicht ihre hüt­ten am wald­rand.

ir­gend­wo steht sa­scha lobo und schreit:

tut doch was! ir­gend­was! spen­det der feu­er­wehr geld! los! tut was!

was ich sa­gen will:

  • wir wis­sen nicht wie es pas­sie­ren konn­te.
  • wir wis­sen nicht was pas­siert ist.
  • wir wis­sen nicht was wir da­ge­gen tun kön­nen und vor al­lem ge­gen wen oder was wir kämp­fen sol­len.
  • wir wis­sen nicht wie wir aus dem schla­mas­sel wie­der raus­kom­men sol­len.
  • uns ist — wenn wir ehr­lich sind — das la­chen über mer­kels #neu­land-spruch im hals ste­cken ge­blie­ben.

des­halb hat frie­de­mann ka­rig 49 mi­nu­ten ge­braucht für sei­ne ein­lei­tung, um am ende drei vor­schlä­ge zu ma­chen, wie wir die ge­fahr um­schrei­ben könn­ten.

des­halb hat sa­scha lobo 2 stun­den ge­braucht, um eine hand­voll vor­schlä­ge zu ma­chen, wie wir die, die für to­tal­über­wa­chung ver­ant­wor­lich sind, künf­tig nen­nen könn­ten.

jetzt hab ich mei­ne ein­lei­tung weg­ge­wor­fen — aber wie fin­de ich jetzt mei­nen ein­stieg?

viel­leicht soll­te ich als ein­stieg ein­fach mal sa­scha lobo wi­der­spre­chen?

sa­scha — und vie­le an­de­ren — mei­nen ja, mann müs­se die re­gie­rung (oder die SPD) über­zeu­gen uns zu schüt­zen. wir soll­ten druck er­zeu­gen, da­mit die po­li­ti­ker ver­ste­hen und un­se­re in­ter­es­sen (und rech­te) schüt­zen.

viel­leicht ist das zu se­man­tisch, aber ers­tens bin ich der über­zeu­gung, dass sog bes­ser wirkt als druck.

zwei­tens: zu ver­lan­gen dass der staat uns vor über­wa­chung schützt, ist ein biss­chen wie das ver­lan­gen, dass der staat uns vor bü­ro­kra­tie be­schüt­zen sol­le.

drit­tens: ich bin nicht si­cher ob die bun­des­re­gie­rung druck braucht. ich glau­be es herrscht durch­aus über­wa­chungs­af­fä­ren­druck in der re­gie­rung. schliess­lich ist nicht nur die re­gie­rung selbst (und wahr­schein­lich ei­ni­ge an­de­re ver­fas­sungs­or­ga­ne) ab­ge­hört wor­den, ich gehe auch da­von aus, dass die wirt­schafts­lob­by kräf­tig druck macht we­gen wirt­schafts­spio­na­ge.

was fehlt ist nicht der druck, son­dern lö­sungs­an­sät­ze.

das sagt sich jetzt ein­fach, aber ha­ben wir uns nicht im­mer selbst als in­ter­net­ver­ste­her dar­ge­stellt?

das olle netz­sper­ren-bei­spiel vor ein paar jah­ren zeigt wie es geht — oder ge­hen könn­te: statt nein, ha­ben wir ir­gend­wann ge­sagt: lö­schen statt sper­ren.
ich glau­be das war ge­nau der punkt, der die wen­de ge­bracht hat. das war prag­ma­tisch und lö­sungs­ori­en­tiert. die­sen dif­fe­ren­zier­ten prag­ma­tis­mus brau­chen wir auch jetzt. nicht nur wut!

druck ha­ben kürz­lich auch 560 schrift­stel­ler ver­sucht auf­zu­bau­en. das wur­de voll­mun­dig im zen­tral­or­gan der schrift­stel­ler und kul­tur­schaf­fen­den, der zeit, an­ge­kün­digt:

über dem ar­ti­kel stand:

  • 560 Au­toren weh­ren sich ge­gen Mas­sen­über­wa­chung
  • Hun­der­te Schrift­stel­ler weh­ren sich ge­gen die di­gi­ta­le Aus­spä­hung
  • ein Auf­ruf soll Bür­ger welt­weit auf­rüt­teln

wow, denkt man da. KÄMP­FEN, WEH­REN, AUF­RÜT­TELN!
im ar­ti­kel ist dann al­ler­dings we­ni­ger von „kämp­fern“ die rede, als von „un­ter­zeich­nern“, die „alle Bür­ger auf[ru­fen], ihre Frei­heits­rech­te zu ver­tei­di­gen“.
das hat mich zu ei­ner klei­nen sub­jek­ti­ven aus­wahl von gros­sen mo­men­ten des frei­heits­kamp­fes in­spi­riert:

(CC-BY-SA-3.0-DE, fried­rich gahl­beck)

(CC-BY-SA-3.0, ms­tys­lav cher­nov)


je­den­falls wird juli zeh in die­sem ar­ti­kel so zi­tiert:

Es wird sich lang­fris­tig nur et­was än­dern, wenn sich auf brei­tes­ter Ba­sis durch­setzt, dass Über­wa­chung die De­mo­kra­tie ge­fähr­det. Und wenn wir In­tel­lek­tu­el­le jetzt auf­ste­hen und un­se­re Mei­nung laut äu­ßern, er­mu­tigt das an­de­re, es auch zu tun.

mit an­de­ren wor­ten, die füh­ren­den in­t­e­lek­tu­el­len der welt ru­fen dazu auf, dass wir un­se­re mei­nung sa­gen?
und? hat der auf­ruf er­folg ge­habt?

(you­tube screen­shot)

naja. ei­ner ist auf­ge­stan­den und sagt jetzt sei­ne mei­nung: akif pi­rin­çci.
der hat zwar nicht die über­wa­chung als ge­fähr­dung der de­mo­kra­tie aus­ge­macht, da­für aber ei­nen „ir­ren Kult um Frau­en, Ho­mo­se­xu­el­le und Zu­wan­de­rer“.

spass (oder zy­nis­mus?) bei­sei­te. was ich sa­gen will ist ernst ge­meint: es gibt vie­le leu­te, die ge­sell­schafts­po­li­tisch völ­lig an­de­re schwer­punk­te set­zen als wir.

oder po­le­misch aus­ge­drückt: so be­scheu­ert wir die the­men und ängs­te von pi­rin­ci und sa­ra­zin fin­den, so be­scheu­ert fin­den mög­li­cher­wei­se auch vie­le un­se­re the­men und be­fürch­tun­gen im zu­sam­men­hang mit der NSA-äf­fä­re. oder zu­min­dest un­se­re prio­ri­tä­ten.

wir über­zeu­gen nie­man­den durch dump­fes wie­der­ho­len un­se­rer ein- und an­sich­ten, so kris­tall­klar sie uns selbst auch er­schei­nen mö­gen.

chris­ti­an stö­cker lässt seit fast ei­nem jahr ei­nen ro­bo­ter die­sen tweet täg­lich wie­der­ho­len, der auf die­sen ar­ti­kel vom 23.6.2013 ver­weist.

Im­mer noch wahr: http://t.co/F5KTGVz­LIs Still true: http://t.co/8sqdHTbnVX #prism #tem­po­ra

— Chris­ti­an Stö­cker (@Chris­Stoe­cker) Oc­to­ber 19, 2013

mich er­in­nert das ein biss­chen an mus­ta­fa mut­lu der seit zwei­ein­halb jah­ren vor dem aus­wär­ti­ges amt pro­tes­tiert. sein hun­ger­streik ist schon lan­ge be­en­det hat, aber trotz­dem sitzt oder steht er je­den tag mit sei­nem hun­ger­streik-schild vor dem aus­wär­ti­gen amt und pro­tes­tiert. bis heu­te.
zu os­tern war mut­lu üb­ri­gens im ur­laub. auf der bank, auf der sonst sitzt, stand ein schild mit der auf­schrift: fro­he os­tern!

über­wa­chung ge­fähr­det die de­mo­kra­tie

noch­mal zu­rück zu juli zeh. ich glau­be wir sind an ei­nem punkt an­ge­langt, an dem wir uns ein­ge­ste­hen soll­ten, dass kaum je­mand den satz oben noch hö­ren will. egal wie oft wir ihn wie­der­ho­len.
für vie­le scheint die de­mo­kra­tie trotz to­tal­über­wa­chung wei­ter­hin gut zu funk­tio­nie­ren.
oder: de­fi­zi­te der de­mo­kra­tie, wer­den von vie­len an­ders er­klärt.

kaum je­mand will sein ver­hal­ten än­dern oder über sein ver­hal­ten nach­den­ken.
nie­mand über­rascht es zu hö­ren, dass die ame­ri­ka­ner sich nicht an ge­set­ze aus­ser­halb der USA hal­ten — bzw. das die in­ter­es­sen der USA für die USA im­mer an ers­ter stel­le ste­hen.
nie­mand über­rascht es zu hö­ren, dass ame­ri­ka­ni­sche ge­heim­diens­te an der par­la­men­ta­ri­schen kon­trol­le vor­bei ope­rie­ren. ich habe ers­te be­rich­te dar­über ge­se­hen, als ich vor 30 jah­ren an­ge­fan­gen habe ta­ges­schau zu gu­cken.

nie­mand über­rascht es, dass die deut­sche re­gie­rung die ei­ge­nen in­ter­es­sen, de­nen ih­rer in­ter­na­tio­na­len part­ner un­ter­ord­net. (ich glau­be üb­ri­gens, dass das im prin­zip nicht die schlech­tes­te wahl ist und auf eine lan­ge ge­schich­te zu­rück­geht.)

Es lohnt sich, jetzt zu kämp­fen, da­mit die Über­wa­chungs­ge­sell­schaft nicht zur ak­zep­tier­ten Nor­ma­li­tät wird.

— sa­scha lobo

sa­scha lobo hat letz­te wo­che in sei­ner ko­lum­ne und am diens­tag in sei­nem vor­trag da­vor ge­warnt, die nor­ma­li­tät als nor­ma­li­tät an­zu­er­ken­nen. im ernst, ich fra­ge mich: ist die über­wa­chung nicht schon längst ak­zep­tier­te nor­ma­li­tät?

das schliesst nicht aus, dass es sich lohnt wi­der­stand zu leis­ten und ge­gen über­wa­chung zu kämp­fen.

wo­bei sich mir aber meh­re­re fra­gen stel­len:

  • leb­ten wir nicht schon im­mer in ei­ner Über­wa­chungs­ge­sell­schaft?
  • und hat das in­ter­net nicht ein­fach nur mehr ef­fek­ti­vi­tät und eine an­de­re di­men­si­on in die Über­wa­chungs­ge­sell­schaft ge­bracht?

oder noch­mal an­ders ge­fragt:

  • ist über­wa­chung viel­leicht nur ein sym­ptom, nicht die ur­sa­che des pro­blems?
  • ist über­wa­chung qua­si dem we­sen des in­ter­nets — zu­min­dest so wie wir es der­zeit nut­zen und an­ge­legt ha­ben — in­hä­rent, also ein­ge­baut?

sa­scha hat das am diens­tag auch an­ge­deu­tet. mit ei­nem mar­cu­se-zi­tat, der sag­te „herr­schaft“ sei schon in der kon­struk­ti­on von tech­no­lo­gie mit an­ge­legt. ich zei­ge den screen­shot aber nur des­halb, weil auf mei­nem foto sa­scha lobo wie shrek aus­sieht.

ich glau­be si­cher­heits­lü­cken, da­ten­lecks — und eben auch über­wa­chungs­po­ten­zia­le — sind in die DNA des in­ter­nets ge­wo­ben — mur­phy's law, „Al­les, was schief­ge­hen kann, wird auch schief­ge­hen“, gilt auch fürs in­ter­net.

be­vor ich jetzt post­pri­va­cy sage, be­nut­ze ich lie­ber eine wei­te­re ana­lo­gie:

das in­ter­net ist wie der flug­ver­kehr. durch tech­no­lo­gie und be­schleu­ni­gung ver­klei­nert es die welt.
und so wie ma­schi­nen, die man meh­re­re tau­send me­ter über die erd­ober­flä­che be­schleu­nigt, eben auch un­kon­trol­liert zu bo­den kom­men kön­nen, flie­gen uns — mit und ohne si­cher­heits­mass­nah­men — eben auch hin und wie­der mal un­se­re da­ten um die oh­ren. das ri­si­ko für da­ten-GAUs oder flug­zeug­ab­stür­ze lässt sich ein­däm­men, aber nie­mals aus­schlies­sen.

man sagt ja im­mer ana­lo­gien zum ver­kehr, funk­tio­nie­ren beim in­ter­net nicht. aber trotz­dem machts ir­gend­wie je­der:

  • al gore mit sei­ner da­ten­au­to­bahn
  • ur­su­la von der ley­en mit stop-schil­dern
  • und der ver­ein di­gi­ta­le ge­sell­schaft e.v. mit maut-schil­dern

ich glau­be, das in­ter­net und über­wa­chung ge­hö­ren zu­sam­men, wie der stras­sen­ver­kehr und ver­kehrs­to­te.
bei­des ist gräss­lich, aber je­weils in­hä­rent. die ri­si­ken las­sen sich re­du­zie­ren, aber nie ganz aus­schlies­sen.

in bei­den bei­spie­len lässt sich das ri­si­ko durch zwei pa­ra­me­ter re­du­zie­ren:

  • durch eine ein­schrän­kung von be­quem­lich­keit oder frei­heit
  • und durch ver­bes­se­rung von tech­no­lo­gie

die ent­wick­lung der si­cher­heits­tech­nik beim auto zeigt mei­ner mei­nung nach, dass wir durch­aus zu ei­ner gros­sen por­ti­on zu­kunfts­op­ti­mis­mus oder tech­nik­gläu­big­keit be­rech­tigt sind. die au­tos und stras­sen mö­gen frü­her hüb­scher ge­we­sen sein als heu­te, aber si­che­re­rer wa­ren stras­sen und au­tos frü­her ein­deu­tig nicht.

das was sich in den letz­ten jahr­zehn­ten bei der si­cher­heit von au­tos ge­tan hat ist bei­spiel­los. bei­spiel­haft ist aber die im­ple­men­tie­rung der si­cher­heits­sys­te­me in au­to­mo­bi­le.

  • die sys­te­me sind stan­dard­mäs­sig ak­ti­viert. nie­mand muss ir­gend­was ak­ti­vie­ren oder kon­fi­gu­rie­ren
  • die meis­ten sys­te­me schrän­ken den kom­fort nur mi­ni­mal ein
  • si­cher­heit geht im­mer vor kom­fort, schränkt den kom­fort aber meist nicht ein

so wie wir es jetzt un­glaub­lich fin­den, dass men­schen bis in die 70er jah­re meist ohne si­cher­heits­gurt (oder ohne drei­punkt­gurt) auto ge­fah­ren sind, wer­den wir wahr­schein­lich auch in 40 oder 20 oder 10 jah­ren auf un­se­re netz-nut­zungs-ge­wohn­hei­ten zu­rück­bli­cken und sa­gen:

wie konn­ten wir uns da­mals so leicht­sin­nig sein und un­ver­schlüs­sel­te mails ver­schi­cken?
un­glaub­lich: frü­her ha­ben wir pass­wör­ter be­nutzt?

noch­mal zu­rück zum the­ma des vor­trags. wel­ches the­ma?

das ist ja ei­gent­lich gar nicht das the­ma, son­dern eine an­spie­lung auf ei­nen film­ti­tel.

das the­ma mit dem ich mich ei­gent­lich be­schäf­ti­gen woll­te, lau­tet: kann man den über­wa­chungs­staat ei­gent­lich schla­gen? vor al­lem: wie?

In dem Mo­ment in dem ich mei­nen Feind ver­ste­he, ihn gut ge­nug ver­ste­he um ihn zu schla­gen, in ge­nau die­sem Mo­ment lie­be ich ihn auch.

— An­drew (En­der) Wig­gins

das zi­tat aus en­ders game im­pli­ziert das ver­ständ­nis des geg­ners mit das wich­tigs­te ist.
um den vor­trag vor­zu­be­rei­ten habe ich bei­spie­le ge­sucht, in de­nen der staat durch pro­tes­te zum ein­len­ken ge­zwun­gen wur­de (sie­he: sog statt druck) und wo man es auch ge­gen eine öf­fent­li­che mir-doch-egal-hal­tung schaff­te, eine brei­te öf­fent­li­che wir­kung zu er­zie­len. das fol­gen­de ist jetzt ein kur­zer ex­kurs in die 60er jah­re.

(bild­quel­le)

bill hud­son nahm die­ses foto am 3. mai 1963 in bir­ming­ham, ala­ba­ma auf.
man sieht auf dem bild ei­nen sehr jun­gen schwar­zen bür­ger­recht­ler, der von ei­nem po­li­zei­hund an­ge­grif­fen wird. vie­le sind der mei­nung, dass die pro­tes­te in bir­ming­ham und vor al­lem die­ses bild die ent­schei­den­de wen­de im kampf ge­gen die ras­sen­tren­nung brach­te.

bir­ming­ham war da­mals eine der am gründ­lichs­ten und ra­di­kals­ten ras­sen­ge­trenn­ten städ­te der USA. die bür­ger­rechts­be­we­gung hat­te jah­re­lang ge­gen ras­sen­tren­nung und be­nach­tei­lun­gung schwar­zer bür­ger ge­kämpft, aber mit die­sem foto schien sich plötz­lich der wind zu dre­hen.
ein jahr nach­dem die­ses foto auf den ti­tel­sei­ten der nyt und vie­ler an­de­rer ta­ges­zei­tun­gen er­schien, ver­ab­schie­de­te der US-kon­gress den ci­vil rights act von 1964. die pro­tes­te in bir­ming­ham gal­ten als der aus­schlag­ge­ben­de grund für die­ses ge­setz.

zu­vor hat­te mar­tin lu­ther king und sei­ne be­we­gung neun mo­na­te ver­geb­lich ver­sucht in al­ba­ny, geor­gia ge­gen die ras­sen­tren­nung zu pro­tes­tie­ren — ohne nen­nens­wer­te er­fol­ge. vor al­lem, weil der po­li­zei­chef lau­rie prit­chett es ver­stand (fo­to­ge­ne) ge­walt beim um­gang mit den pro­tes­tie­ren­den zu ver­mei­den.

in bir­ming­ham wa­ren die bür­ger­recht­ler stän­dig in le­bens­ge­fahr. ei­ner der an­säs­si­gen bür­ger­recht­ler, fred shut­tles­worth, ent­ging knapp ei­nem bom­ben­an­schlag des kkk.

in bir­ming­ham ver­such­ten die bür­ger­recht­ler es mit kon­fron­ta­ti­on (pro­ject c, für con­fron­ta­ti­on). mit dem pro­ject c und den ge­walt­frei­en pro­tes­ten soll­te bun­des­wei­te auf­merk­sam­keit auf die „the big­gest and bad­dest city of the South“ ge­lenkt wer­den. in der ers­ten pha­se setz­ten sich schwar­ze auf für weis­se re­ser­vier­te plät­ze, lies­sen sich mit­un­ter be­spu­cken, fest­neh­men und ver­prü­geln. be­dient wur­den sie nie.

das ziel war, die lo­ka­len ge­fäng­nis­se mit bür­ger­recht­lern zu fül­len. der plan ging nicht auf, da nicht aus­rei­chend vie­le der pro­tes­tie­ren­den fest­ge­nom­men wur­den, um die funk­ti­ons­fä­hig­keit der stadt zu be­ein­träch­ti­gen.

auch die es­ka­la­ti­on durch eine pro­vo­zier­te fest­nah­me von mar­tin lu­ther king brach­te nicht die ge­wünsch­ten er­fol­ge, vor al­lem gab es im­mer we­ni­ger frei­wil­li­ge die be­reit wa­ren sich fest­neh­men zu las­sen.

in ei­ner wei­te­ren es­ka­la­ti­on be­gan­nen die bür­ger­recht­ler kin­der und ju­gend­li­che für die pro­tes­te zu re­kru­tie­ren und zu schu­len. an ei­nem der ers­ten pro­test­ta­ge wur­den 600 schü­ler fest­ge­nom­men, der jüngs­te war 8 jah­re alt. in­ge­samt führ­te die­ser tag zur fest­nah­me von 900 per­so­nen.

weil die ge­fäng­nis­se nach ein paar ta­gen voll wa­ren, ver­such­te der po­li­zei­chef in den fol­gen­den ta­gen die pro­tes­tie­ren­den mit was­ser­wer­fern und hun­den aus den stras­sen zu ver­trei­ben.

das bild vom 3. mai 1963 rief so star­ke re­ak­tio­nen her­vor, dass es nicht nur eine pro­fun­de wir­kung auf die welt aus­ser­halb von bir­ming­ham hat­te, son­dern auch die rei­hen hin­ter mar­tin lu­ther king schloss. des­sen art die pro­tes­te zu pla­nen und zu füh­ren, war zu­vor in der schwar­zen com­mu­ni­ty hef­tig um­strit­ten.

der jun­ge auf dem bild heisst wal­ter gads­den. er war da­mals 15 jah­re alt. sei­ne fa­mi­lie war eher kon­ser­va­tiv und be­sass zwei ta­ges­zei­tun­gen in bir­ming­ham, die king scharf kri­ti­sier­ten. gad­sen kam zu den pro­tes­ten ei­gent­lich nicht als pro­test­ler, son­dern als zu­schau­er.


wes­halb ich das er­zäh­le?
weil ich mir ein­bil­de par­al­le­len von der bür­ger­rechts­be­we­gung der 60er jah­re zur grund­rechts­be­we­gung 2014 zu se­hen.

die bür­ger­rechts­be­we­gung da­mals

  • hat­te kei­nen be­son­ders brei­ten ge­sell­schaft­li­chen rück­halt (im ge­gen­teil) und
  • we­der der kon­gress noch das weis­se haus hat­te in­ter­es­se an re­for­men. ken­ne­dy sym­pa­thi­sier­te zwar mit den zie­len der be­we­gung, sah sich aber wahr­schein­lich nicht in der lage re­for­men durch­zu­set­zen
  • die bür­ger­recht­ler und ihre me­tho­den (vor al­lem kin­der ein­zu­set­zen) wur­den auch von schwar­zen hef­tig kri­ti­siert
  • die pro­ble­me der schwar­zen wa­ren vie­len ame­ri­ka­nern egal oder es war ih­nen un­an­ge­nehm dar­über nach­den­ken zu müs­sen (wer nicht schwarz ist, hat auch nichts zu be­fürch­ten)

erst jah­re­lan­ger, müh­sa­mer und le­bens­ge­fähr­li­cher pro­test, mit stän­dig ver­fei­ner­ten stra­te­gien, führ­te zu ers­ten re­for­men.

durch die pro­vo­ka­ti­on der staats­macht, ent­stan­den star­ke, sym­bo­li­sche bil­der, die als pro­jekt­ti­ons­flä­che die­nen konn­ten. noch wich­ti­ger. die pro­tes­te zeig­ten, dass man mit ge­ziel­ter pro­vo­ka­ti­on, mut und ge­walt­lo­sig­keit, eine po­si­ti­on der schwä­che in eine po­si­ti­on der stär­ke ver­wan­deln kann.

das bild auf dem gad­sen von po­li­zei­hun­den an­ge­grif­fen wird, kommt üb­ri­gens nicht ohne ei­nen klei­nen ta­schen­spie­ler­trick aus.

wenn man ge­nau hin­sieht, sieht man, dass gad­sen sich nicht wehr­los vom hund an­grei­fen lässt, son­dern dass er sein knie in rich­tung des hun­des be­wegt. es hiess spä­ter im la­ger der pro­tes­tie­ren­den, gad­sen habe dem hund den kie­fer ge­bro­chen.


kön­nen wir da was draus ler­nen? wie kön­nen wir den über­wa­chungs­staat schla­gen?

1 auf­bau­schen
das ers­te pro­blem das ich sehe ist das rhe­to­ri­sche auf­bau­schen. auch, und vor al­lem, von uns.
stän­dig be­schwö­ren wir die de­mo­kra­tie-apo­ka­lyp­se.
die ge­fähr­dun­gen der de­mo­kra­tie die wir an die wand ma­len sind für vie­le nicht nach­voll­zieh­bar
ein biss­chen ha­ben wir das glei­che pro­blem wie die us-re­gie­rung vor ih­rem letz­ten ein­marsch in den irak. für des­sen le­gi­ti­mie­rung wur­de die ge­fahr auf­ge­bauscht.

was josch­ka fi­scher und vie­le deut­sche al­ler­dings nicht über­zeug­te.

wenn wir an­de­re (und uns selbst) über­zeu­gen wol­len, müs­sen wir bes­ser ar­gu­men­tie­ren. we have to make our case. wir müs­sen die rea­len ge­fah­ren bes­ser her­aus­ar­bei­ten. ohne co­lin-powel-ta­schen­spie­ler­tricks.
sa­scha lobo hat „die­se über­wa­chung“ mit ra­dio­ak­ti­vi­tät ver­gli­chen. un­sicht­bar, un­schmeck­bar, vage (aber ge­fähr­lich). ich fra­ge: wo sind die strah­len­op­fer? auch mar­kus be­cke­dahl ver­misst die to­ten rob­ben­ba­bies des über­wa­chungs­skan­dals.

2 ge­gen wen?
wir wis­sen nicht wer un­ser geg­ner ist und wir wis­sen nicht was un­ser ziel ist (aus­ser der ret­tung der de­mo­kra­tie).

sind wir ge­gen die NSA? GHCQ? FSA? BND? BKA? FBI? CIA? den chi­ne­si­schen ge­heim­dienst? die ein­woh­ner­mel­de­äm­ter?

sind wir ge­gen die gros­sen netz­kon­zer­ne? eher ge­gen goog­le oder face­book? ge­gen klei­ne start­ups, die be­son­ders läs­sig mit be­nut­zer­da­ten um­ge­hen?

sind wir ge­gen die bun­des­re­gie­rung? für eine star­ke bun­des­re­gie­rung? für ein no-spy ab­kom­men? für mehr staat­li­che sou­ve­rä­ni­tät, ge­gen un­se­re ver­bün­de­ten?

sind wir ge­gen die da­ten­wei­ter­ga­be zwi­schen „be­freun­de­ten“ ge­heim­diens­ten?
wenn ja, wol­len uns also voll und ganz auf un­se­rer ei­ge­nen diens­te ver­las­sen?
wo­hin de­ren kom­pe­ten­zen füh­ren, hat kürz­lich auch ei­nen un­ter­su­chungs­aus­schuss be­schäf­tigt.

sind für mehr par­la­men­ta­ri­sche kon­trol­len? nur wo dann? erst­mal nur in deutsch­land? was ist mit den USA? in GB? in chi­na?

wol­len wir mehr da­ten­schutz? wenn ja, da­ten­schutz eher in der aus­prä­gung ei­nes thi­lo wei­chert oder ei­nes pe­ter schaar? wäre thi­lo wei­chert ein gu­ter bun­des­kanz­ler?

wenn wir ge­gen vi­deo­über­wa­chung pro­tes­tie­ren, müs­sen wir dann nicht auch ge­gen das in­sta­gram­men von men­schen ohne schrift­li­che ge­neh­mi­gung sein?

ich habe kürz­lich tho­mas gott­schalk am koll­witz-platz ge­se­hen. der hat dort (wahr­schein­lich) mit sei­nen en­keln ge­spielt. mein ers­ter im­puls war: foto! mein zwei­ter: twit­ter! mein drit­ter: wie­so ei­gent­lich?

ich wie­der­ho­le mich, aber ich glau­be es ist nicht über­trie­ben zu be­haup­ten, dass uns nicht mal an­satz­wei­se klar ist

  • ge­gen was wir kämp­fen
  • wer der geg­ner ist
  • wie lö­sung aus­se­hen könn­ten
  • und wie wir die­se lö­sun­gen er­rei­chen, bzw. er­kämp­fen wol­len

3 sym­bo­le
uns feh­len die nar­ra­ti­ve, oder ge­nau­er, die sym­bo­le. vor al­lem sym­bo­le die zur pro­jek­ti­on ge­eig­net sind.

ge­gen be­stimm­te über­wa­chungs-ver­herr­li­chungs-nar­ra­ti­ve der ame­ri­ka­ner kom­men wir al­ler­dings ganz schwer an.

hier kon­stru­iert die US re­gie­rung ei­nes der mäch­tigs­ten nar­ra­ti­ve zur recht­fer­ti­gung ih­res über­wa­chungs­ap­pa­rats.
das bild was hier kon­stru­iert wird, ist stär­ker als je­des tote rob­ben­ba­by.

ge­gen ein nar­ra­tiv, dass so sim­pel ist, dass man es in den sand zeich­nen könn­te, kommt man schwer an.

wir kämp­fen mit den an­ge­staub­ten be­grif­fen un­se­rer el­tern­ge­nera­ti­on:

  • Da­ten­schutz
  • Pri­vat­sphä­re
  • Glä­se­rer Bür­ger

aus der sta­si 1.0-über­wa­chung lies­sen sich wirk­sa­me­re vi­sua­li­sie­run­gen von un­recht kon­stru­ie­ren.
das liegt vor al­lem dar­an, dass die über­wa­chung schreck­li­che, sicht­ba­re fol­gen hat­te. für tau­sen­de men­schen. über jahr­zehn­te hin­weg.
die (kon­kre­ten) op­fer des mo­der­nen über­wa­chungs­staats las­sen sich (zu­min­dest im wes­ten) an ein paar hän­den ab­zäh­len. glaub ich.

was uns bit­ter fehlt, sind bil­der, sym­bo­le die­ser art.

die­ses bild hat sog!

4 um­den­ken
wir müs­sen um­den­ken kön­nen ler­nen.

[Die neu­en Her­aus­for­de­run­gen] er­for­dern […] eine ver­än­der­te Sicht­wei­se und die ra­di­ka­le Ab­kehr von bis­her für selbst­ver­ständ­lich hin­ge­nom­me­nen Denk- und Han­dels­wei­sen. Denn ei­nes ist klar: Vie­les wird nicht mehr so sein, wie es ein­mal war.

das hat mar­tin wei­gert 2009 ge­schrie­ben um den wan­del im han­del, kul­tur- und me­di­en­be­reich zu um­schrei­ben.
das ge­sag­te gilt aber ei­gent­lich auch für un­se­re sicht auf pri­vat­sphä­re und frei­heit. die kon­zep­te für pri­vat­sphä­re und frei­heit ha­ben sich in den letz­ten 4000 jah­ren im­mer wie­der ge­wan­delt und den ge­ge­ben­hei­ten an­ge­passt.

die din­ge sind jetzt be­son­ders im wan­del, weil die tech­no­lo­gie das recht vor sich her­treibt. im po­sit­ven wie im ne­ga­ti­ven: tech­no­lo­gie ist dem recht­sys­tem im­mer weit vor­aus.
wie wir die tech­no­lo­gie im recht­sys­tem ver­an­kern wol­len, müs­sen wir dis­ku­tie­ren und neu-den­ken.
wir sind we­der die kro­ne der schöp­fung, noch sind un­se­re der­zei­ti­gen kon­zep­te von pri­vat­sphä­re und frei­heit die kro­nen der phi­lo­so­phie oder so­zio­lo­gie. da ist noch platz nach oben, links und rechts.

Aus Angst vor Ver­än­de­run­gen, die sie nicht kon­trol­lie­ren kön­nen oder die sie dazu zwin­gen wür­den, sich selbst zu ver­än­dern, wäh­len [Kon­ser­va­ti­ve] die Be­quems­te al­ler Lö­sun­gen, den Still­stand.

das hat ron­nie grob über kon­ser­va­ti­ve ge­schrie­ben. wenn man das so liest, müss­te uns klar wer­den, dass wir auch sehr, sehr kon­ser­va­tiv sind — zu­min­dest wenn es um un­se­re ei­ge­nen rech­te und pri­vi­le­gi­en geht.

5. stop worry­ing
ich habe das ge­fühl, wir sind die ein­zi­gen sind die wü­tend sind. un­se­re wut ist aber nicht an­ste­ckend. un­se­re wut und un­gläu­big­keit an­ge­sichts der mons­tro­si­tät der to­tal­über­wa­chung macht uns auch blind für das we­sent­li­che.

.

  • wir soll­ten un­se­re wut in kon­struk­ti­ve, prag­ma­ti­sche lö­sun­gen flies­sen las­sen
  • wie um­ge­he ich über­wa­chung? wie kann die si­cher­heit der kom­mu­ni­ka­ti­on ver­bes­sert wer­den? wie las­sen sich ge­fähr­de­te men­schen schüt­zen?
  • si­cher­heit muss leich­ter, in­te­grier­ter, in­hä­ren­ter wer­den.
  • die si­cher­heits­sys­te­me beim auto sind bei­spiel­haft, vor al­lem in der be­die­nung.

wir müs­sen den drei­punkt­gurt neu er­fin­den!

6. play the sys­tem
ich habe im­mer ger­ne ge­glaubt, dass ge­heim­diens­te vor al­lem des­halb im ge­hei­men wer­keln, um ihre in­kom­pe­tenz und un­fä­hig­keit zu ver­ber­gen.
das ist wie mit den schein­rie­sen. wenn sie weit weg sind er­schei­nen sie mons­trös, je nä­her man ih­nen kommt des­to klei­ner er­schei­nen sie.

ge­heim­diens­te sind vor al­lem des­halb ef­fek­tiv, weil sie es schaf­fen, angst und schre­cken zu ver­brei­ten.
wir ha­ben aber dank snow­den neu­er­dings ei­nen ent­schei­den­den stra­te­gi­schen vor­teil: wir wis­sen wie sie ar­bei­ten.
war­um ha­ben wir die­sen vor­teil bis­her so we­nig ge­nutzt?

um star­ke bil­der zu be­kom­men, brau­chen wir pro­vo­ka­ti­on. in die­sem sin­ne ganz fa­mos wäre zum bei­spiel, wenn nach ei­ner snow­den be­fra­gung der NSA-un­ter­su­chungs­aus­schuss ge­schlos­sen in die USA rei­sen wür­de und dort fest­ge­nom­men wür­de. fest­ge­nom­me­ne deut­sche par­la­men­ta­ri­er in gu­an­ta­na­mo bay — was für ein bild! welch ei­nen sog das er­zeu­gen wür­de!
die tä­ter be­nen­nen hat sich sa­scha aus­ge­dacht. fin­de ich su­per.
und wie das mit dem spott aus­se­hen kann, sieht man, wenn man in die­sem vi­deo in dem glenn green­wald mit dem ehe­ma­li­gen NSA chef mi­cha­el hay­den de­bat­tiert (link zum vi­deo, link zu se­kun­de 4364).

die­se art von ge­sich­tern von NSA-ver­ant­wort­li­chen, möch­te ich in der nächs­ten jah­ren ger­ne öf­ter se­hen.

ich könn­te die lis­te noch wei­ter füh­ren. aber jetzt hab ich kei­nen bock mehr.
wich­tig ist: es gibt wege un­se­re schwä­che in stär­ke um­zu­wan­deln.


un­be­ant­wor­tet ist aber im­mer noch die fra­ge, war­um ich denn jetzt die über­wa­chung zu lie­ben ge­lernt habe.
ers­tens: das war ein scherz. eine pro­vo­ka­ti­on. ir­gend­was muss­te ich ja beim call for pa­pers schrei­ben.
zwei­tens: weil ich glau­be, dass man sei­nen arsch nur hoch­be­kommt, wenn man ge­tre­ten wird.
also ich zu­min­dest.
drit­tens: die über­wa­chung hilft uns das ei­gent­li­che pro­blem zu er­ken­nen
und vier­tens: dank to­tal­über­wa­chung er­in­nern wir uns wie­der dar­an, dass frei­heit nicht ge­ge­ben, son­dern ge­nom­men wird.

im prin­zip steht auf die­ser fo­lie üb­ri­gens das glei­che wie von sa­scha lobo kürz­lich in die FAZ ge­schrie­ben:
das in­ter­net ist ka­putt, aber wir kön­nen es re­pa­rie­ren

A very in­te­res­t­ing word that has no equi­va­lent in Eng­lish, but is ama­zing... pic.twit­ter.com/qle4SRaTVk

— Je­re­my Tr­e­vathan (@Jez­za­T­rev) May 6, 2014

die­se scha­le war mal ka­putt. ir­gend­wer hat sie re­pa­riert. die tech­nik heisst kint­su­gi. kint­su­gi ist eine kunst­form die ke­ra­mik mit gold- oder sil­ber-lack re­pa­riert und die an­sicht ver­tritt, dass et­was schö­ner wer­den kann, wenn es vor­her zer­bro­chen war.
die schön­heit des ka­put­ten — oder eben, wenn man so will — in­ter­net­op­ti­mis­mus.

aber es gibt auch ei­nen grund, war­um ich die­se to­tal-über­wa­chungs-scheis­se has­se. der wich­tigs­te grund, et­was ge­gen die to­tal­über­wa­chung der über­wa­chungs­e­so­te­ri­ker zu tun?

wir müs­sen al­les tun, da­mit sa­scha lobo wie­der wit­zig wird!

Dan­ke für die­ses Vor­trags-High­light! @di­plix #rp14 pic.twit­ter.com/otPh087bIk

— Sil­via Re­n­au­er (@Sil­vi­a­Re­n­au­er) May 8, 2014


ich möch­te vor al­lem dem in­ter­net dan­ken, ohne das ich die­sen vor­trag (über das in­ter­net) nicht hät­te vor­be­rei­ten kön­nen. sehr viel in­spi­ra­ti­on habe ich aus mal­colm glad­well’s buch „Da­vid and Go­li­ath: Un­der­dogs, Mis­fits and the Art of Batt­ling Gi­ants“ ge­zo­gen. vie­le din­ge sind mir wäh­rend der re­cher­che in mei­nem RSS-feed ent­ge­gen ge­flo­gen, ein gros­ser teil über stel­lar.io. ganz wich­tig war das frü­he ge­gen­le­sen von pa­trcia camma­ra­ta und der bei­fah­re­rin. dank der bei­den habe ich den vor­trag ei­ni­ger­mas­sen straf­fen und aufs we­sent­li­che re­du­zie­ren kön­nen. dank geht auch an die re­pu­bli­ca, auf der ich durch ge­sprä­che und vor­trä­ge noch ei­ni­ges an in­put für den vor­trag auf­neh­men konn­te. eine oft un­ter­be­rich­te­te ei­gen­schaft der re­pu­bli­ca ist näm­lich, dass sie sehr, sehr gut zum nach­den­ken an­regt. und vie­len dank an das su­per freund­li­che und po­si­ti­ve pu­bli­kum, das ein­zi­ge pu­bli­kum der welt, dass über key­note-ef­fek­te la­chen kann.


hier noch­mal die vi­deo-auf­zeich­nung ein­ge­bet­tet:

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rp14, mein plan für tag eins

felix schwenzel

beim ta­ges­spie­gel-in­ter­view hat­te ich mei­ne ses­si­on-pla­nung na­tür­lich noch nicht ge­macht und des­halb le­dig­lich die rede zur lage der na­ti­on emp­foh­len. heu­te sieht mein plan für die re­pu­bli­ca so aus:


ree­der vs. un­read

felix schwenzel

ich bin ein gros­ser fan der RSS-le­se­app ree­der. ich syn­chro­ni­sie­re sie seit ein paar jah­ren mit mei­ner fe­ver-in­stal­la­ti­on. mor­gens und abends im bett, so­wie auf dem weg zur und von der ar­beit ver­brin­ge ich täg­lich ein paar stun­den mit der ree­der-app. ich kann nicht sa­gen dass ich un­zu­frie­den bin, die app funk­tio­niert her­vor­ra­gend off­line, also in den ber­li­ner u-bahn schäch­ten, die eine no-go-area für das in­ter­net von o₂ zu sein schei­nen. ree­der spei­chert die meis­ten bei­trags­bil­der für off­line-zu­griff und vor al­lem funk­tio­niert auch das ab­spei­chern von pin­board- oder in­sta­pa­per­links in der u-bahn zu­ver­läs­sig (in­dem die links an die je­wei­li­gen ser­ver über­tra­gen wer­den, wenn wie­der netz ver­füg­bar ist).

an­sons­ten mag ich es sehr, dass ich mit dem ree­der ei­ner­seits an­ge­nehm le­sen kann und an­de­rer­seits wirk­lich schnell durch die feeds hu­schen kann.

es gibt aber auch ein paar sa­chen die mich am ree­der ner­ven.

  • er stürzt er zu oft ab. aus mei­ner sicht grund­los, meis­tens wenn ich ein book­mark spei­chern möch­te
  • wenn ich den ree­der aus dem hin­ter­grund zu­rück­ho­le zeigt er mir meis­tens den letz­ten of­fe­nen ar­ti­kel an (lei­der oft nicht an der letz­ten le­se­po­si­ti­on). manch­mal tauscht er die­sen of­fe­nen ar­ti­kel dann aber wäh­rend des syn­chro­ni­sie­rens im hin­ter­grund aus un­er­find­li­chen grün­den mit ei­ner weis­sen sei­te aus.
  • ein book­mark zu spei­chern be­nö­tigt min­des­tens 3 klicks (noch mehr, wenn der ree­der ab­stürzt): klick auf das sha­ring-sym­bol, klick auf das pin­board-sym­bol, klick auf das ok-spei­chern-sym­bol. zu­dem sind die bei­den ers­ten sym­bo­le im un­te­ren bild­schirm­be­reich, das OK-sym­bol aber ganz oben rechts. das über­for­dert lei­der meis­tens mei­nen dau­men und er­for­dert ein um­grei­fen.
  • der ent­wick­ler sil­vio riz­zi hat die app schon seit mo­na­ten nicht mehr ak­tua­li­siert was ich an­ge­sichts der of­fen­sicht­li­chen bugs ein biss­chen ent­täu­sched fin­de.

we­gen die­ser pro­blem­chen war ich of­fen den RSS-le­ser un­read aus­zu­pro­bie­ren, von dem ich ges­tern erst­mals hör­te. tat­säch­lich macht die­se app ei­ni­ges bes­ser. bei der ein­rich­tung der ac­counts (bei mir fe­ver und pin­board) bie­tet die app ei­nen link zur 1pass­word-app, zum nach­se­hen des pass­worts. sehr prak­ti­sches de­tail. das spei­chern ei­nes links bei pin­board er­for­dert nur noch zwei klicks ohne dau­men­ver­ren­kung — und ei­nen wisch. die ar­ti­kel las­sen sich auf dem ge­sam­ten ipho­ne-bild­schirm le­sen, über­flüs­si­ge be­dien­ele­men­te sind kom­plett aus­ge­blen­det.

durch den (zeit­wei­li­gen) wech­sel der app sind mir aber auch gleich wie­der die sa­chen auf­ge­fal­len die ich am ree­der sehr zu schät­zen ge­lernt habe:

  • im ree­der kann ich bil­der mit ei­ner (pinch-) hand­be­we­gung ver­grös­sern (sehe ge­ra­de, in un­read gehts per klick und pinch)
  • im ree­der gibt es eine re­a­da­bili­ty-funk­ti­on mit der ich (so­lan­ge ich on­line bin) ge­kürz­te RSS-feed-ar­ti­kel nach ei­nem klick im voll­text le­sen kann
  • un­read scheint pin­board links die ich ab­spei­che­re wäh­rend ich u-bahn off­line bin nach ei­nem ver­geb­li­chen ver­such und ei­nem hin­weis zu ver­wer­fen. das ist lei­der ein K.O-kri­te­ri­um. ex­pli­zit ge­spei­cher­te in­for­ma­tio­nen dür­fen beim heu­ti­gen stand der tech­nik nicht ein­fach ver­lo­ren ge­hen. da nützt auch eine hoch­glanz­ober­flä­che nichts, wenn da­hin­ter scher­ben lie­gen. beim ree­der ist mir bis­her, trotz vie­ler ab­stür­ze, noch nichts ver­lo­re­nen ge­gan­gen.
  • un­in­ter­es­san­te ar­ti­kel kann ich im ree­der mit ei­nem but­ton über­sprin­gen. in un­read muss ich sie weg­wi­schen, bei lan­gen ar­ti­kel un­ter um­stän­den sehr weit.
  • ree­der ak­tua­li­siert sich nicht von al­lei­ne im hin­ter­grund. un­read schon. das heisst wenn ich mor­gens oder abends in die u-bahn gehe und ver­ges­sen habe den ree­der vor­her 3 mi­nu­ten lau­fen zu las­sen, sitz ich mit stun­den- oder tage-al­ten ar­ti­keln in der u-bahn.

un­read ist su­per de­tail­ver­liebt und am­bi­tio­niert. eine wun­der­ba­re app. ich glau­be, ich könn­te mich an die mi­ni­ma­lis­ti­sche art zu le­sen ge­wöh­nen. ree­der scheint ge­ra­de nicht be­son­ders viel auf­merk­sam­keit vom ent­wick­ler zu be­kom­men — ob­wohl ich fin­de dass er die­se auf­merk­sam­keit gut ge­brau­chen könn­te, wenn er die bes­te RSS-le­se­app blei­ben will. denn un­read ist ihm dicht auf den fer­sen, spä­tes­tens wenn un­read kei­ne da­ten mehr ver­liert, dro­he ich um­zu­stei­gen.


heins­berg

felix schwenzel

zu os­tern sind wir wie­der zu den schwie­ger­el­tern der bei­fah­re­rin ge­fah­ren. über car­del­mar habe ich bei eu­rop­car ein auto für 153 euro vom kar­frei­tag bis zum diens­tag nach os­tern ge­mie­tet. die miet­wa­gen­qua­li­fi­zie­rung war CDMR, was laut miet­wa­gen-talk.de be­deu­tet, dass das auto c-om­pact sei, 4 d-üren hat, m-anu­ell ge­schal­tet wird und kli­ma­ti­siert sei. bei eu­rop­car be­kä­me man da­für ein auto wie den sko­da yeti, ei­nen opel me­ri­va oder ei­nen golf 1.6 TDI. aus­ge­hän­digt wurd mir dann aber ein golf GTI. die bei­fah­re­rin sag­te, als sie das auto sah, nur ein wort: „spoi­ler!“.

mich hats ge­freut, weil an dem auto fast al­les au­to­ma­tisch ist. die tem­pe­ra­tur im in­nen­raum, die schei­ben­wi­scher, die aus­sen­be­leuch­tung, stau­an­zei­ge und um­fah­rung — aus­ser gas ge­ben, ei­nen der 7 gän­ge ein­schal­ten und brem­sen muss man fast nichts tun. man kommt auch sehr schnell vor­an, bis die bei­fah­re­rin ei­nen an­schreit, man sol­le jetzt bit­te sprit spa­ren.

je­den­falls stand ich mit dem golf GTI und der bei­fah­re­rin auf der rück­bank ges­tern vor ei­ner fi­lia­le der kreis­spar­kas­se heins­berg. wir war­te­ten auf mei­nen va­ter, der sich ge­ra­de am geld­au­to­ma­ten bar­geld kauf­te. in der spar­kas­se sprach ihn eine frau an, die sich sor­gen über den golf GTI vor der tür mach­te. sie mein­te zu mei­nem va­ter, dass der wa­gen aus ham­burg sei und der fah­rer „ei­gen­ar­tig“ aus­sä­he.

die dame mach­te sich sor­gen, über­fal­len zu wer­den. da die leu­te in heins­berg mei­nem va­ter zu ver­trau­en schei­nen, konn­te er sie mit dem hin­weis be­ru­hi­gen, dass der ei­gen­ar­ti­ge typ draus­sen im golf sein sohn sei.

in­ter­es­sant fin­de ich je­den­falls, dass es tat­säch­lich leu­te gibt, die golf GTI ernst neh­men.


the barn

felix schwenzel

din­ge die in the barn ver­bo­ten oder un­gern ge­se­hen sind:

  • kin­der­wa­gen
  • lap­tops
  • hun­de
  • aufs klo ge­hen (es gibt kein klo)
  • milch und zu­cker im fil­ter­kaf­fee
  • kaf­fee vor 8:30 uhr
  • re­ser­vie­run­gen

wenn auch nicht ex­pli­zit aus­ge­schlos­sen wie die oben ge­nann­ten punk­te, ver­mu­te ich, dass in the barn auch weis­se so­cken, san­da­len, shorts, bas­ball­schlä­ger, clowns­kos­tü­me und mo­tor­sä­gen un­gern ge­se­hen sind. gern ge­se­hen schei­nen je­doch voll­bär­te und di­cke bril­len­glä­ser, base­ball­kap­pen und woll­müt­zen zu sein.

wit­zi­ger­wei­se, auch wenn der ers­te teil die­ses tex­tes so in­ter­pre­tiert wer­den könn­te, stö­ren mich die vor­schrif­ten der barn-be­trei­ber nicht im ge­rings­ten. im ge­gen­teil. mich er­in­nert der be­such in the barn ein biss­chen an ei­nen be­such in ei­nem re­stau­rant im new yor­ker chi­na town vor ein paar jahr­zehn­ten. dort sprach nie­mand eng­lisch (oder alle ta­ten so), die spei­se­kar­te war aus­schliess­lich chi­ne­sisch und nie­mand mach­te sich die mühe auf mei­ne ge­wohn­hei­ten ein­zu­ge­hen. wenn ich mich recht er­in­ne­re such­te ich mir zwei sa­chen von der kar­te nach preis aus und liess mich über­ra­schen.

der deal lau­te­te: euer la­den, eure re­geln, ich las­se mich da heu­te ger­ne drauf ein und wenn ich glück habe, er­le­be oder schme­cke ich et­was, was ich vor­her noch nie ge­schmeckt habe. ei­gent­lich ist das bei fast je­dem re­stau­rant­be­such (nicht nur im aus­land) so und an­de­rer­seits na­tür­lich auch der grund, war­um mc­do­nalds und sub­way (oder star­bucks) in­ter­na­tio­nal so er­folg­reich sind: das ri­si­ko des un­be­kann­ten und neu­en will nicht je­der stän­dig ein­ge­hen. weil ex­pe­ri­men­te oder sich auf frem­de oder neue ge­schmä­cker und ge­wohn­hei­ten ein­zu­las­sen auch schief­ge­hen und im ekel en­den kann.

soll mir also recht sein, wenn man in the barn sagt:

Our hand­bre­wed cof­fees have a spec­ta­cu­lar ran­ge of no­tes and fla­vours. They are roas­ted light­ly and with gre­at care to bring out the in­di­vi­du­al cha­rac­te­ristics of a bean. We only ser­ve the­se cof­fees wi­t­hout milk or su­gar to show­ca­se tho­se fan­ta­stic fla­vours.

am sams­tag hab ich mir dort dann also (auf emp­feh­lung von bosch) ei­nen kaf­fee aus der aero­press be­stellt. der wur­de mit er­staun­lich we­nig kaf­fee­pul­ver und er­staun­lich viel was­ser zu­be­rei­tet, so dass ich am ende ein känn­chen duf­te­nen fil­ter­kaf­fee hat­te. die ba­ris­ta mein­te, als sie ihre nase über das fer­ti­ge pro­dukt hielt, dass der kaf­fee nach sher­ry rö­che. auf mei­ne fra­ge, ob das was gu­tes sei, nick­te sie.

wie ich das be­reits von mei­nen ei­ge­nen aero­press-ex­pe­ri­men­ten ken­ne fehl­te dem kaf­fee jede bit­ter­keit. er hat­te in der tat ei­ni­ges an aro­men zu bie­ten, aber lei­der auch ein paar sau­re no­ten. nicht un­an­ge­nehm, im ge­gen­teil, aber merk­lich. in der asia­ti­schen kü­che kon­tert man die sau­ren no­ten mit süs­se, aber das ist bei den fil­ter­kaf­fees in the barn, wie ge­sagt, ver­bo­ten:

We do ad­vi­se not to use su­gar for va­rious re­asons but main­ly be­cau­se it dis­tracts from won­derful cof­fee fla­vours. Ho­we­ver, if you must we of­fer Who­le Cane Su­gar from dried un­re­fi­ned na­tu­ral sug­ar­ca­ne juice.

weil zu­cker vom ge­schmack ab­lenkt, bie­tet man also zur not eine zu­cker­art an, die ei­nen sehr star­ken (ka­ra­mel­li­gen) ei­gen­ge­schmack hat. ich be­nut­ze auch seit jah­ren fast aus­schliess­lich voll­rohr­zu­cker im kaf­fee, aber das mit der lo­gik ist bei the barn wohl eher zweit­ran­gig.

wie ge­sagt, ich mag das kon­zept der barn: ei­nen la­den um ein gu­tes pro­dukt her­um auf­bau­en und das so pur wie mög­lich zu ver­kau­fen, auch auf die ge­fahr hin da­mit be­vor­mun­dend oder eli­tär zu wir­ken. trotz­dem wer­de ich wohl nicht zum stamm­kun­den dort wer­den. ei­ner­seits weil ich mir mitt­ler­wei­le zu­hau­se nicht nur gu­ten kaf­fee ma­chen kann, son­dern auch, weil ich den dann auch so trin­ken kann wie ich es mag: vor ei­nem lap­top, vorm fern­se­her, mit zu­cker, ohne zu­cker, mit milch, ohne milch, mit bier oder ohne bier. und nach dem kaf­fee aufs klo ge­hen ist auch was tol­les.

ob­wohl ei­nen flat white, ich glau­be das ist ein kaf­fee mit de­me­ter-milch­schaum, wer­de ich dort ir­gend­wann noch­mal pro­bie­ren.


über­set­zungs­lü­cken

felix schwenzel

  • ori­gi­nal: „Now, if you’ll ex­cu­se me, I have to go grind a gap in my front tee­th.“
  • über­set­zung von faz-re­dak­teur mi­cha­el han­feld: „Wenn Sie mich nun ent­schul­di­gen, ich muss die Lü­cke zwi­schen mei­nen Vor­der­zäh­nen schlie­ßen.“
  • über­set­zung goog­le trans­la­te: „Nun, wenn Sie mich ent­schul­di­gen, 1 müs­sen an Dann ge­hen die von der Lü­cke in der My vor­de­ren Zäh­ne.“
  • über­set­zung vom bing-über­set­zer: „Jetzt, wenn Sie mich ent­schul­di­gen, ich muss ge­hen, eine Lü­cke in mei­ne Vor­der­zäh­ne zu mah­len.“
  • mei­ne über­set­zung: „wenn Sie mich nun ent­schul­di­gen wür­den, ich muss mir eine lü­cke zwi­schen die vor­der­zäh­ne schlei­fen“
  • über­set­zung der se­ri­en­jun­kies: „Nun ent­schul­digt mich bit­te, ich muss mir eine Zahn­lü­cke in mei­ne Schnei­de­zäh­ne schar­ben.“

(al­ter­na­tiv gin­ge na­tür­lich auch ein deng­li­scher gag: „ich muss mir ei­nen brief­schlitz in die vor­der­zäh­ne schlei­fen“)

ich hab mir kürz­lich üb­ri­gens auch eine zahn­lü­cke ge­schlif­fen, aus grün­den.


wett­be­wer­ber­ver­zer­rung in der faz

felix schwenzel

ro­bert m. mai­er, der grün­der ei­nes shop­ping-por­tals, dass mitt­ler­wei­le zu axel-sprin­ger ge­hört, durf­te im feuil­le­ton der faz ei­nen text ver­öf­fent­li­chen, der of­fen­bar von nie­man­dem ge­gen­ge­le­sen wur­de (wie bei mir üb­ri­gens auch).

man kann goog­le von sehr vie­len sei­ten aus kri­ti­sie­ren, aber aus der ecke ei­nes sich be­nach­tei­lig­ten füh­len­den, di­rek­ten wett­be­wer­bers ver­liert kri­tik sehr schnell an über­zeu­gungs­kraft. erst recht wenn die kri­tik so un­präz­sise, un­struk­tu­riert und arm an ar­gu­men­ten ver­fasst wird, wie in die­sem fall. an­bei ein paar stel­len, die mir beim le­sen be­son­ders ins auge fie­len.

Goog­le baut auf den Such­ergeb­nis­sei­ten im­mer mehr und im­mer pro­mi­nen­ter Wer­bung für eine Pro­duk­te ein (Goog­le Ad­Words, Goog­le Shop­ping).

das mag schon stim­men, aber was sind „eine Pro­duk­te“?

So zahlt Goog­le an die Her­stel­ler­fir­ma des wich­ti­gen Ad-Blo­ckers Eyoe, da­mit die­se be­stimm­te Wer­bun­gen nicht mehr blockt. Das ist si­cher­lich nicht zum Woh­le al­ler Nut­zer.

die fir­ma heisst eyeo, der ad­blo­cker ad­block plus und wenn man sich die mühe macht an ad­block plus rum­zu­kon­fi­gu­rie­ren, kann man „die­se be­stimm­ten Wer­bun­gen“ durch­aus blo­cken. be­ein­dru­ckend fin­de ich je­den­falls, dass ro­bert m. mai­er ad­blo­cker in der faz als weg zum be­nut­zer­wohl be­zeich­net und ihm fir­men, die ge­gen ad­blo­cker vor­ge­hen, angst ma­chen.

am ran­de be­merkt, faz.net macht so­wohl wer­bung für ad­blo­cker („Fa­zit: Ad­block IE ist eine ge­lun­ge­ne Ant­wort auf Dau­er­wer­bung im Netz“), als auch da­ge­gen.

Über die Ein­hal­tung der Goog­le Gui­de­lines scheint hin­ge­gen Goog­le ganz al­lein zu ent­schei­den, wie es aus­sieht, hin­ter ver­schlos­se­nen Tü­ren, ohne an­de­ren Web­site-Be­trei­bern die Chan­ce zu ge­ben, sich zu ver­tei­di­gen. Was für ein Satz: sich vor Goog­le ver­tei­di­gen!

fin­de ich gut, wenn man sich über sei­ne ei­ge­nen for­mu­lie­run­gen freu­en kann. ich fra­ge mich nur, wie sich das mit den jour­na­lis­ti­schen qua­li­täts­stan­dards der faz ver­ein­ba­ren lässt, über die so­weit ich weiss auch hin­ter ver­schlos­se­nen tü­ren ent­schie­den wird. aber viel­leicht gel­ten die stan­dards bei wer­be­bei­trä­gen von un­ter­neh­mern in ei­ge­ner sa­che nicht. auch be­zahl­te wer­bung re­di­giert die faz ja nicht, war­um soll­te sie dann un­be­zahl­te wer­bung re­di­gie­ren?

Und wenn sich je­mand im Goog­le-Ka­len­der ei­nen Ter­min mit mir ein­trägt, kann es wis­sen, wen ich wann wo tref­fe, ohne dass ich den Goog­le-Ka­len­der nut­zen muss. Da­mit wird das Grund­recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung aus­ge­he­belt.

das ist har­ter to­bak, scharf an den gren­zen mensch­li­cher und ju­ris­ti­scher lo­gik. denn die „in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung“ wür­de nach die­ser lo­gik mög­li­cher­wei­se auch ver­letzt, wenn „je­mand“ ei­nen ter­min mit ro­bert m. mai­er in sein icloud-syn­chro­ni­sier­tes ipho­ne oder out­look oder eine klo­wand ein­trägt. so ge­se­hen sind adress­bü­cher und ka­len­der wohl un­ver­ein­bar mit der in­for­ma­tio­nel­len selbst­be­stim­mung.

er­staun­lich je­den­falls, eine so fun­da­men­ta­lis­ti­sche da­ten­schutz­an­sicht in ei­nem blatt zu le­sen, dass ganz gut vom adress­han­del lebt und da­für kräf­tig mit­lob­by­iert hat.

Die Steu­ern, die Goog­le ge­gen­über sei­nen deut­schen und eu­ro­päi­schen Wett­be­wer­ben spart, nutzt es, um in mehr Mit­ar­bei­ter, mehr For­schung und Ent­wick­lung so­wie mehr Un­ter­neh­mens­zu­käu­fe zu in­ves­tie­ren. Dies schwächt die eu­ro­päi­schen Fir­men, Staa­ten und letz­ten En­des Bür­ger.

mehr mit­ar­bei­ter, mehr for­schung, ent­wick­lung und un­ter­neh­mens­zu­käu­fe schwä­chen eu­ro­pa? ich ver­mu­te der im­pli­zi­te vor­wurf von ro­bert m. mai­er ist hier, dass goog­le le­ga­le steu­er­spar­tricks aus den such­ergeb­nis­sen fil­tert um die wett­be­wer­ber, eu­ro­pa und die bür­ger zu schwä­chen.


nur mal so aus in­ter­es­se und apro­pos ver­schlos­se­ne tü­ren. kennt je­mand die qua­li­täts­stan­dards der frank­fur­ter all­ge­mei­nen zei­tung? sei es beim raus­re­di­gie­ren von feh­lern oder dem strei­chen von sät­zen, die so tun als ent­hiel­ten sie ar­gu­men­te. und kann neu­er­dings tat­säch­lich je­der un­ter­neh­mer ei­nen un­re­di­gier­ten text in der faz un­ter­brin­gen, wenn er grob in die po­li­ti­sche agen­da der her­aus­ge­ber­schaft passt?


nach­trag:

@wir­res­net Mich hat ge­är­gert, dass vor dem (On­line-)Le­ser ver­steckt wur­de, wer denn Herr Mai­er ei­gent­lich ist. https://t.co/ssE0NX­pqIR

— Pu­blic (@pu­blic­tors­ten) April 11, 2014

an­geb­lich ist das eine ant­wort auf ro­bert m. mai­ers ar­ti­kel von eric schmidt („Der Goog­le-Ver­wal­tungs­rats­chef ant­wor­tet auf alle Kri­ti­ker.“): „Die Chan­cen des Wachs­tums


kurz­kri­tik the ma­chi­ne (und sm­augs ein­öde)

felix schwenzel

the ma­chi­ne: lei­der ziem­lich gu­ter film. itu­nes fasst ihn so zu­sam­men:

With an im­po­ve­ris­hed world plun­ged into a Cold War with a new en­e­my, Bri­tain’s Mi­nis­try of De­fen­se is on the brink of de­ve­lo­ping a game-chan­ging wea­pon. Lead sci­en­tist Vin­cent Mc­Car­thy (Toby Ste­phens) pro­vi­des the ans­wer with his crea­ti­on, ‘The Ma­chi­ne’- an an­droid with un­ri­val­led phy­si­cal and pro­ces­sing skills. When a pro­gramming glitch cau­ses an ear­ly pro­to­ty­pe to de­s­troy his lab, Mc­Car­thy en­lists ar­ti­fi­ci­al in­tel­li­gence ex­pert Ava (Cai­ty Lotz) to help him harness the full po­ten­ti­al of a tru­ly con­scious fight­ing ma­chi­ne.

die ge­schich­te (im film, nicht in der kurz­be­schrei­bung) ist über­aschend ge­wen­det, zu­min­dest ge­gen­über den nor­ma­len gen­re-fil­men. auch er­hol­sam: aus­nahm­wei­se er­zählt der trai­ler mal nicht die hal­be ge­schich­te, son­dern führt auf fal­sche fähr­ten. was mir be­son­ders gut ge­fiel war, dass die mu­sik ein­deu­tig be­zug auf frü­he 70er und 80er-jah­re fil­me nahm. die­se art syn­the­si­zer-sounds habe ich schon lan­ge nicht mehr in ei­nem film ge­hört. auch die an­spie­lun­gen an west-world, den ich mir vor kur­zem ex­tra noch­mal an­ge­se­hen habe, er­freu­ten mich. ich war von west­world zwar mit­tel­schwer ent­täuscht, was aber an ver­än­der­ten seh­ge­wohn­hei­ten lag, zu­min­dest mei­nen. die ha­ben sich in den letz­ten 41 jah­ren doch sehr ver­än­dert. das 2DF hat also, auf ne art, voll recht.

the ma­chi­ne wur­de mei­nen seh­ge­wohn­hei­ten von 2014 sehr ge­recht. das ende vom ende ist zwar ein biss­chen über­pa­the­ti­siert, aber der film ist al­les an­de­re als doof ge­schrie­ben und ein gros­ses, re­la­tiv kur­zes ver­gnü­gen.

wo ich ge­ra­de da­bei bin, apro­pos doof ge­schrie­ben. der hob­bit teil 2 (sm­augs ein­öde) war ja ganz un­ter­halt­sam und tech­nisch ma­kel­los. aber ei­nen sol­chen be­scheu­er­ten quatsch hab ich mir schon lan­ge nicht mehr von ei­nem film er­zäh­len las­sen. dut­zen­de ge­ne­tisch mo­di­fi­zier­te kampf­ma­schi­nen, ein dra­chen und dut­zen­de an­de­re geg­ner wer­fen sich teil­wei­se schwer be­waff­net auf ei­nen hau­fen zwer­ge und ei­nen hob­bit und de­nen ist am ende des fil­mes nicht ein haar ge­krümmt? un­ver­wund­ba­rer ist in der film­ge­schich­te ei­gent­lich nur ein film­held: ja­mes bond. der ist auch seit fast 50 jah­ren jung und sport­lich wie eh und je.

aber im ernst; der hob­bit wäre viel­leicht et­was über­zeu­gen­der ge­we­sen, wenn die zwer­ge und der hob­bit ihre stär­ke aus es­prit und geis­ti­ger be­weg­lich­keit ge­zo­gen hät­ten und der film sich nicht auf gi­gan­to­ma­ni­sche bond-spie­le­rei­en und un­glaub­wür­di­ge tech­nik­spie­le­rei­en ver­las­sen hät­te, um die haa­re sei­ner hel­den zu scho­nen. die tech­nik­gläu­big­keit im hob­bit nahm so ab­sur­de for­men an, dass ich mehr­fach bei­na­he ge­nervt weg­ge­schal­tet und ge­kotzt hät­te.

kurz: the ma­chi­ne ist kurz­wei­li­ger, in­tel­li­gen­ter quark, sm­augs ein­öde eine zu­mu­tung für den ge­sun­den men­schen­ver­stand.


brand eins ei­fert schle­cky sil­ber­stein nach

felix schwenzel

heu­te auf face­book die­sen ein­trag im brand-eins-face­book-strom ge­se­hen. ein ziem­lich wit­zi­ges vi­deo von ei­nem men­schen der sagt, dass ihn vie­le leu­te fra­gen wür­den, wie es sei ein sex­sym­bol zu sein und dann voll auf die fres­se fällt.

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ich fin­de das von der brand eins ein­ge­bet­te­te vi­deo sehr, sehr wit­zig und mei­ne ers­te re­ak­ti­on war: „das muss ich auch üben!“ in al­ler be­schei­den­heit habe ich kürz­lich auch so et­was in der art ver­sucht. lei­der sehr viel unüber­zeu­gen­der:

die brand eins schreibt auf face­book:

Wir wa­ren uns un­ei­nig, ob das un­ter un­se­rem Ni­veau ist. Wahr­schein­lich schon, aber lus­tig ist es trotz­dem.

selbst auf schle­cky­sil­ber­stein.de be­kommt man als le­ser ei­nen ta­cken mehr in­for­ma­ti­on ge­lie­fert, näm­lich, dass es sich im vi­deo „um Schau­spie­ler und Mo­del Taye Diggs“ han­delt.

was mich aber är­gert wun­dert: nie­mand macht sich die mühe nach dem ori­gi­nal und dem kon­text die­ses vi­de­os zu su­chen, das, wie man auf den ers­ten blick er­kennt, bril­li­ant in­sze­niert ist.

nach 2 mi­nu­ten goog­le-bil­der­su­che und ein biss­chen kli­cki-kli­cki fin­det man das ori­gi­nal vine-vi­deo:

spä­tes­tens wenn man sich ein vi­deo in der vine-zeit­leis­te von taye diggs wei­ter zu­rück be­wegt, wird auch dem letz­ten horst klar, dass der um­fall im vi­deo in­sze­niert war:


die ent­schei­den­de fra­ge ist aber: war­um macht sich nie­mand die mühe die quel­le zu fin­den und zu nen­nen und pos­tet/shared statt­des­sen wie ein kopf­lo­ser teen­ager al­les stumpf ins face­book oder sei­ne word­press-in­stal­la­ti­on rein? dass die hohl­bir­nen von schle­cky sil­ber­stein chris­ti­an bran­des statt 3 mi­nu­ten lang das ori­gi­nal zu su­chen, lie­ber den von ei­nem tritt­brett­fah­rer auf you­tube hoch­ge­la­de­nen ab­zug pos­tet ist klar. aber die brand eins?

nicht der witz, der hu­mor oder die po­ten­zi­ell er­zeug­te (fal­sche) scha­den­freu­de des vi­de­os ist un­ter dem ni­veau der brand eins, son­dern die man­geln­de jour­na­lis­ti­sche neu­gier und der man­geln­de jour­na­lis­ti­sche ehr­geiz. wer ist das auf dem vi­deo? was macht der da? war­um macht er das? fake oder echt? hat der typ noch an­de­re wit­zi­ge sa­chen im peto? statt­des­sen: „ha­r­ha­r­har! guckt mal! ha­r­ha­r­har.“ — das ist ge­nau das was ich von der brand eins nicht le­sen und hö­ren will, ge­nau das ge­gen­teil des­sen, was ich an der brand eins schät­ze.

prat über­setzt leo.org üb­ri­gens mit „trot­tel“.