von den offensichtlich von ideologie, aberglauben und tiefen menschenhass getriebenen äusserungen von sibylle lewitscharoff habe ich zuerst bei stefan niggemeier gelesen. danach haben viele kluge menschen etwas dazu geschrieben, georg diez, jo lendle, malte welding, sopran oder journelle, um nur ein paar zu nennen.
der chefdramaturg des schauspielhauses dresden, robert koall, dessen text stefan niggemeier veröffentlichte sagte in seinem offenen brief an sibylle lewitscharoff unter anderem, dass die rede lewitscharoffs gefährlich sei:
Man könnte aber auch sagen, dass man es leid ist, dass immer wieder so getan wird, als würden Worte nichts bedeuten. Es gibt einen Punkt, der die Dresdner Rede vom 2. März gefährlich macht. Das ist das Tendenziöse, die Stimmungsmache, das tropfenweise verabreichte Gift.
ich fand den offenen brief von robert koall wunderbar, differenziert und auf den punkt. trotzdem frage ich mich, ob es stimmt, dass solche reden „gefährlich“ sind. zumindest hat die reaktion auf die rede von sibylle lewitscharoff nicht wenige brilliante, persönliche oder überzeugende texte hervorgebracht, die sonst vielleicht nicht das licht der welt erblickt hätten.
mir, und wahrscheinlich vielen anderen, war nicht klar, dass es noch menschen mit einem IQ von über 40 gibt, die solchem menschenfeindlichen und ideologischem aberglauben religiöser fundamentalisten aus den vergangenen jahrhunderten auch heutzutage noch anhängen. mir war nicht klar, dass man auch heutzutage noch für die unantastbarkeit der menschenwürde und das recht auf selbstbestimmung argumentieren muss.
vielleicht sollten wir sibylle lewitscharoff deshalb auch ein bisschen dankbar sein, dass sie uns daran erinnert hat, dass freiheit, selbstbestimmung und menschenfreundlichkeit keine selbstverständlichkeiten sind, sondern jeden tag neu verteidigt werden müssen. nicht sibylle lewitscharoffs hassrede ist gefährlich, sondern unsere trägheit, unser unwillen für unsere (und anderer) freiheit und selbstbestimmung einzutreten und zu streiten.
reden wie die von sibylle lewitscharoff sind möglicherweise nicht die ursache für ein von manchen wetterfühligen menschen gefühltes reaktionäres klima, sondern nur ein symtom. die ursache ist unsere bequemlichkeit.
oder um ein bild zu benutzen, wir sollten uns nicht über die sarrazins, lewitscharoffs oder matusseks beklagen, die mit brennenden streichhölzern durch den wald laufen, sondern immer dafür sorgen, dass der wald nicht ausdörrt, sondern spriesst, grünt und vor leben dampft. die streichholzträger suchen sich natürlich immer die ausgedörrten stellen, weil das feuer dort schneller zu entfachen ist. aber das sollte um so mehr ein grund sein, uns besonders um die ausgedorrten stellen zu kümmern.
ich lasse mich von arschlöchern nicht beleidigen. das habe ich mir zumindest vorgenommen — und meistens klappt das auch. warum sollte ich bei leuten deren ansichten ich nicht teile, gerade die ansicht die sie mir gegenüber äussern akzeptieren? das sagt sich natürlich leicht, vor allem wenn leute von podien andere leute als einen selbst kränken oder demütigen. aber auch hier ist es wichtig, sich nicht auf die täter, also auf die arschlöcher, zu konzentrieren und sie mit aufmerksamkeit zu adeln, sondern auf die opfer. den opfern sollte man aufmerksamkeit widmen, ihnen solidarität und sympathie zukommen zu lassen und sie entschlossen verteidigen. (verbale) angriffe auf die täter helfen nicht den opfern, sondern den tätern, die sich dann selbst als opfer darstellen können.
wenn man gegen künstliche befruchtung oder gegen onanie ist, ist man dann eigentlich auch gegen pflaster oder blinddarm-operationen? ist es nach den gesetzen der kleriker nicht auch ein eingriff in dinge die nur gott entscheiden soll, wenn man sich dem schicksal entgegenstellt und eine fleischwunde desininfiziert, näht und verbindet — womöglich auch noch mit den eigenen händen? wo ist da der unterschied zur onanie?
wo fängt die „selbstermächtigung“ an, die lewitscharoff im faz interview als katastrophale entwicklung anprangert? beim zahnersatz? beim bypass? bei der krebstherapie? oder bei der insemination? beim hörgerät, der brille oder beim kondom? ist hormontherapie gegen osteoporose oder wechseljahrbeschwerden ok, gegen ungewollte schwangerschaften aber nicht?
ich versteh diese ideologien wahrscheinlich einfach nicht.
Sibylle Lewitscharoff hat also Recht, wenn sie eine „Selbstermächtigung der Frauen“ diagnostiziert. Aber diese Selbstermächtigung bezieht sich nicht darauf, einem technologischen Machbarkeitswahn zu frönen und dabei die Bedingtheit und Begrenztheit der Welt zu missachten (wie Lewitscharoff es ihnen vorwirft). Um es in Lewitscharoffs religiösem Bezugsrahmen auszudrücken, den sie ja ausdrücklich zu ihrer Rechtfertigung ins Feld führt: Frauen setzten sich mit ihrer Selbstermächtigung keineswegs selbst an die Stelle Gottes, sie lassen bloß nicht mehr zu, dass Männer sich (ihnen und ihren Kindern gegenüber) an die Stelle Gottes setzen.
gestern schrieb ich ein paar zeilen über die entstehung von reclaim social media und das aktuelle test-releaseauf github. auch wenn es eigentlich noch nicht allzu viele frequently asked question gibt, beantworte ich im folgenden mal ein paar fragen die möglicherweise demnächst öfter gestellt werden könnten.
was ist reclaim social media?
kurz gesagt kann man damit seine eigenen inhalte, die man auf social-media- oder anderen webseiten hinterlassen hat, in ein selbstgehostetes wordpress-blog ziehen. man kann sich damit also seine eigenen daten in eine datenbank ziehen, die man selbst kontrolliert. profaner formuliert nennt man das kopieren, auf denglisch reclaimen.
das ist alles?
im prinzip ja. reclaim ist eine einbahnstrasse: aus dem silo raus, auf die eigene website. fertig.
indieweb-ansätze wie POSSE mit dem man eigene inhalte auf der eigenen seite postet und in die silos reinaggregiert finde ich faszinierend, sind aber nicht das was reclaim kann oder können soll. ich denke, viele inhalte sind in den silos von facebook oder twitter oder instagram oder flickr gut aufgehoben und entwickeln dort mitunter auch ein interessantes eigenleben und eigene dynamik. das ist ja auch der grund, warum es sie gibt und das was sie gut können: das erstellen und verteilen von inhalten einfach und effektiv machen.
was mich immer gestört hat ist, dass es mitunter schwer ist die inhalte dort hinaus zu holen, und sei es nur als überschrift mit link aufs original im silo. so wie ich das seit vielen jahren auf meiner rückseite mache.
wo ich mir noch nicht ganz sicher bin: soll reclaim auch die kommentare unter eigenen inhalten kopieren? für twitter und facebook funktioniert das ansatzweise, wenn der social plugin von alex king installiert und konfiguriert ist. reclaim gauckelt social dann vor, dass (beispielsweise) die von reclaim kopierten facebook-artikel von social zu facebook gepusht seien und synchroniert so die kommentare unter dem artikel. so sieht das dann aus.
von wo kann ich denn jetzt inhalte „reclaimen“?
derzeit gibt es module für
bookmarks (pinboard, delicious, import per RSS)
facebook (alle status-mitteilungen und shares, import per API)
flickr (kopiert alle bilder per API auf den eigenen server, inklusive den meisten metadaten)
foursquare (kopiert checkins per API, inklusive geodaten und eventuell vorhandenem checkin-bild)
goodreads (importiert alle bücher auf der gelesen-liste, derzeit nur per RSS)
google plus (alle status-mitteilungen und shares, import per API)
instagram (kopiert alle bilder per API auf den eigenen server, inklusive den meisten metadaten, optional auch favoriten)
moves (zieht per API die aktivitäten des letzten tages und baut eine zusammenfassung mit visualisierung)
twitter (kopiert alle eigenen tweets per API, optional auch favs, derzeit keine retweets)
vine (kopiert alle eigenen vines, bzw. deren embed code, inklusive revines; wirklich kopiert wird nur das video-titelbild)
youtube (wie bei vine wird hier nicht die eigentliche filmdatei kopiert, sondern nur der embedcode und das video-titelbild.optional auch die favoriten)
geplant habe ich auch ein generisches RSS modul, mit dem man dann zum beispiel eigene blogartikel kopieren kann, wie gastartikel auf fremden blogs, die einen autoren-RSS-feed anbieten. das könnte man jetzt schon mit einem weiteren plugin machen, mit feedwordpress, aber der ist fast noch komplizierter als reclaim zu konfigurieren. ausserdem möchte ich bald ein tumblr-modul, ein vimeo-modul, ein twitlonger-modul, ein eigenes pinboard-modul das die API statt den RSS-feed abfragt und eventuell ein quora- und ein yelp-modul bauen.
yelp? die yelp-API bietet so eine möglichkeit doch gar nicht
ja, hab ich auch gelesen. aus genau diesem grund finde ich die idee von reclaim so spannend. da ist ein dienst, der davon lebt, dass benutzer ihn mit erfahrungen, bewertungen, kritiken, fotos füllen und was gibt der dienst seinen benutzern an die hand um ihre eigenen daten anderswo zu benutzen?
einen mikrigen RSS-feed mit den letzten 10 yelp-empfehlungen, ohne bilder und mit gekürztem text. yelp ist ein egoistisches datensilo par excellence. reclaim soll genau für solche weltabgewandten dienste werkzeuge anbieten. ein yelp-modul würde ich wie folgt bauen:
titel, link, geokoordinaten und erstellungsdatum speichern
IDs der empfehlungen extrahieren und per simple_html_dom den volltext (und wenn möglich auch die eigenen bilder) von der yelp-seite scrapen
artikel bauen
hört sich kompliziert an. apropos kompliziert. warum muss ich für für so viele module API-schlüssel beantragen und eintragen bevor ich reclaim die daten kopieren lassen kann?
technisch wäre es kein problem einen zentrale authentifizierungsserver, beispielsweise auf reclaim.fm aufzusetzen, der als app-proxy funktioniert. dann wäre die authentifizierung eine sache von einem oder zwei klicks. so wie man das von vielen webseiten kennt (anmelden mit twitter, anmelden mit facebook, klick, klick). nur wäre es einerseits für die dienstanbieter wie twitter und facebook ein einfaches so eine zentrale app, bzw. deren schlüssel zu sperren, wenn es ihnen nicht passt, was wir damit machen. andererseits bestünde die (theoretische) möglichkeit, an diesem proxy benutzerdaten, bzw. die zugangsschlüssel zu speichern oder abzugreifen.
ich finde den dezentralen ansatz konzeptionell besser. jeder betreiber eines reclaim blogs meldet eine eigene app bei den jeweiligen silos an und regelt die anmeldung ohne einen dritten mit dem dienstanbieter selbst. wenn beispielsweise twitter fünde, dass dieses reclaim gegen deren nutzungsbedingungen verstösse, müssen sie sich mit jedem einzelnen benutzer der seine eigenen daten kopieren möchte auseinandersetzen. eigene app- und entwickler-schlüssel zu beantragen ist zuerst ein bisschen mühsam, aber so behält man alles in der eigenen, dezentralen hand. und: an diese API-schlüssel zu kommen ist meistens nicht besonders schwer und (einigermassen) gut dokumentiert und googlebar.
kann ich den reclaim-plugin einfach in meinem bestehenden wordpress-blog installieren?
im jetztigen test-stadium würde ich das nicht empfehlen. aber auch wenn wir einen stabilen stand erreicht haben, finde ich eine mischung aus normalen inhalten und kopierten, reclaimten inhalten nicht optimal. man könnte zwar auf wordpressbasis gut filter implementieren und so die inhalte trennen, ich finde aber, dass es aus mehreren gründen sinn macht, die kopierten, aggregierten daten separat zu halten:
aus der eigenen reclaim-instanz lassen sich die daten leicht reaggregieren, auf RSS-basis, per json, in widget-form, etc. die möglichkeiten von wordpress sind hier ziemlich gross.
noch gibt es kein auf reclaim abgestimmtes wordpress theme, aber ich denke die darstellung der kopierten inhalte muss nicht unbedingt den blog-gewohnheiten folgen. ich denke eine angemessene darstellungsform ist die von saschas reclaim-prototypen. reclaim blogs können, müssen aber nicht wie normale wordpress-blogs aussehen.
wann ist reclaim denn fertig?
pfft. ich kann mir vorstellen auf erstes richtiges release mit dem derzeitigen feature-stand hinzuarbeiten. ein weiterer grosser meilenstein wäre das ganze multiuser- und multi-account fähig zu machen. also so, dass man beispielsweise mehr als ein twitter-konto einlesen kann oder eben mehrere benutzer ihre einstellungen separat verwalten können. ein noch grösserer schritt wäre die umsetzung einer vernetzungsfunktion. also dass man andere reclaim-blogs abonnieren kann und deren inhalte friendfeed- oder facebook-mässig in seinem eigenen reclaim-blog an sich vorbeirauschen lassen könnte. prototypisch ist das bereits hier umgesetzt.
weitere fragen beantworte ich gerne, auch wenn sie nicht oft, sondern nur einmal gestellt werden.
vor ein paar monaten (so um die 9) sind sascha lobo und ich am kuhdamm zu besuch bei der digitalen heimat gewesen. vor der republica letzten jahres habe ich mit sacha lobo ein paar php-scripte und proxy-scripte zusammengestöpselt, mit denen man seine inhalte von facebook, twitter, youtube und ein paar anderen diensten in ein wordpress-blog ziehen konnte. wir erzählten christian fenner und remigi illi von unser idee, weil sie interesse und etwas zeit und etwas mehr wordpress-know-how hatten als ich.
zwei monate später hatte remi eine frühe alpha eines wordpress-plugin fertig, der in etwa das gleiche tat wie meine proxy-scripte. der plugin war modular aufgebaut, mit modulen für facebook, google-plus, twitter und youtube. aus verschiedenen gründen, die auch mit mangender zeit und können zu tun hatten, dauerte es nochmal ein paar monate bis ich es endlich schaffte, die vorarbeit von remigi illi auf github zu stellen.
ein bisschen half dabei, dass mein arbeitgeber espresto, bzw. meine chefs und ein paar entwickler auch interesse an reclaim social media hatten und mir erlaubten, auch während meiner arbeitszeit an dem projekt zu arbeiten.
vor versionskontrollsystemen stand ich immer ein bisschen wie der ochs vorm berge. ich glaube einer der gründe war, dass mir das vorstellungsvermögen fehlte diese systeme zu verstehen, die ja fast immer über die kommandozeile bedient werden. github und vor allem der idiotensichere os x client haben es mir aber relativ leicht gemacht das nicht nur zu verstehen, sondern auch intensiv zu nutzen. eigentlich ist das nicht viel komplizierter als FTP, was ich über die kommandozeile allerdings auch nicht nutzen kann — mir fehlt dafür einfach das abstraktionsvermögen.
zusammen mit meinem kollegen sascha kranz habe ich mich dann an die arbeit gemacht. ein bisschen geplant, ein bisschen dokumentiert und ein bisschen den code aufgeräumt und erweitert und angepasst. es ist relativ faszinierend zu sehen, was passiert, wenn man halböffentlich zu mehreren an einer gemeinsamen codebasis arbeit. es spornt an und inspiriert. ich wurde fast ein bisschen manisch. das faszinierende am programmieren ist ja, dass man versucht probleme zu lösen, eins nach dem anderen — und dann oft auch tatsächlich löst. leider bin ich relativ schlecht darin, probleme liegen zu lassen — zumindest probleme die mich interessieren. probleme wie matussek oder sarrazin kann ich relativ gut ignorieren. probleme wie oAuth-authentifizierung oder multidimensionale arrays, kann ich aber sehr schwer ignorieren, unter anderem weil deren lösung (und verständnis) türen öffnet. türen zu beinahe unendlichen möglichkeiten — und weiteren problemen.
irgendwann im dezember fragte sogar die beifahrerin, wann ich denn wieder aufhören würde zu programmieren und zu einen normalen schlaf- und alltagsrhytmus zurückkehren würde. tatsächlich war genau das auch einer der gründe, warum ich die konkrete arbeit an dem projekt im letzten jahr ein bisschen vor mir hergeschoben habe; weil ich wusste, dass es mich schlaf und freizeit kosten würde und vor allem, mich vor faszinierende probleme stellen würde, von denen ich sogar träumen sollte.
mitte januar kamen plötzlich, aus heiterem himmel, pull requests, also neuer code von christian muehlhaeuser (chris.de) in das projekt. um das nochmal zu wiederholden: ich finde das wirklich beeindruckend, dass man an einem projekt halböffentlich arbeitet und plötzlich machen einem vorher unbekannte leute einfach mit. christian muehlhaeusers input hat sehr geholfen, das projekt voranzubringen. er hat die idee vorangetrieben, dass die einzelnen klassen nicht nur die letzten 20 oder 50 oder 100 einträge per API abholen, sondern die ganze timeline, beispielsweise von twitter. er hat den code aufgeräumt und zusammen mit sascha kranz die klassen instanziiert — etwas von dem ich mir noch immer nicht sicher bin wie man es schreibt, aber immerhin ansatzweise erkenne wie nützlich es sein kann.
ein problem haben wir allerdings noch gehabt, denn ein paar tausend tweets oder facebook einträge abzuholen, zu bearbeiten und in wordpress zu speichern dauert ein paar minuten. und nach ein paar minuten, meistens weniger, beenden nullachtfünfzehn server die man als normaler blogger so zum bloggen mietet, die importscripte. man müsste einen weg finden, den import irgendwie aufzuteilen um den server zu schonen.
aus dem blauen löste ein weiterer fremder dieses problem: carsten senf (csenf.de). seine lösung fand ich zuerst total unwahrscheinlich: ajax. der import wird einfach vom browser gesteuert, lässt sich unterbrechen und wiederholen. das funktioniert so gut, dass ich seit kurzem ein grosser ajax-fan bin.
aus dem blauen kam auch daniel nix (nxd4n.nixekinder.be). er hat viele blöde fehler gefunden, gute fragen gestellt und den plugin auf französisch übersetzt.
ich schreibe das alles auf, weil ich heute einen zwischenstand vom projekt veröffentlich habe, von dem ich glaube, dass es fruststrationstolerante und wordpressaffine interessierte testen könnten. das kann man zwar jederzeit, der code ist ja offen (und GPL lizensiert), aber wenn man noch nie etwas vom composer gehört hat (wie ich noch vor ein monaten), ist die installation nicht ganz trivial. mit dem release ist das einfacher: runterladen, auspacken, den ordner in wp-content/plugins werfen, aktivieren, konfigurieren, fertig.
es gibt noch viele offene punkte, aber diese reclaim-version sollte bereits ganz gut funktionieren. viele der offenen punkte sind in form von issues im github-projekt angelegt. wer sich am projekt beteiligen will, sollte sich auf der github-projektseite zurechtfinden. wer den plugin testen möchte, sollte das auf einer frischen wordpress-installation tun — zumindest nicht auf einer installation, auf der wichtige daten liegen.
ich und die anderen am projekt beteiligten freuen uns sehr über feedback oder hilfe. in den nächsten tagen schreibe ich etwas mehr über den plugin selbst, was er kann, was er (noch) nicht kann und wie er funktioniert und funktionieren soll. meine testinstallation läuft auf wirres.net/reclaim.
kalter akquiseanruf von 1und1 um 08:45 uhr. eine 0800er nummer wird angezeigt, die dame stellt sich mit namen vor und mich fragt ob ich meine homepage in eigenen händen hielte oder bei einem dienstleister sei. es ginge um die homepage felix.schwenzel.de. ich bin irritiert weil ich meines wissen nach keinen vertrag bei der marketing- und akquise-firma 1und1 habe.
ich antworte dass ich die homepage felix.schwenzel.de in eigenen hände hielte, was aber natürlich nicht bedeuten würde, dass ich anfragen von browsern selbst beantworten würde, das würde ein apache für mich erledigen.
ob die homepage privat oder gewerblich sei. bin wieder irritiert, weil ich finde, dass man das ganz gut erkennen kann, wenn man die homepage besucht. ich sage die sei privat, ich würde aber auch ne quasi gewerbliche seite betreiben, um was es denn ginge, ob sie mir tolle dienstleistungen anbieten wolle?
das scheint das stichwort zu sein, bei dem sie anfängt ihr script runter zu rattern. 1und1 hätte ein neues angebot, homepeidsch bei expörts, bei dem ich von einem experten beraten würde, um mein system in ein professionelles CMS zu übertragen, ich könne bilder auswählen, würde eingewiesen, alles sei irre professionell und der gesamte service würde nur 79,99 pro monat kosten. ich könne auch jederzeit kündigen, die vertragslaufzeit sei nur ein monat.
ich glaube nach 3 oder 4 minuten habe ich sie dann unterbrochen und gesagt, dass sie mir eine dienstleistung anbietet, die ich selbst auch anbiete und dass sie bei mir leider sehr, sehr falsch sei. ich würde in verschiedenen bereichen durchaus expertise benötigen, aber gerade in diesem nun gar nicht. in welchen bereichen ich denn beratung benötigte? ich antwortete, weil mir gerade nichts besseres einfiel: im juristischen bereich. ich wollte dann aber doch nicht sagen, dass mich interessieren würde wie man mit kaltakquiseanrufen umegehen könnte, sondern sagte wahrheitstreu, dass es mir unmöglich ist vertragstexte oder andere juristische schreiben zu lesen, ohne einzuschlafen. da bräuchte ich immer jemanden, der mir beim übersetzen in für menschen verständliche sprache hülfe.
was mich dann aber doch noch interessierte war, woher sie meine daten hätte. das, sagte sie, wüsste sie wirklich nicht, die daten hätte sie von der marketing-abteilung vorgelegt bekommen. ich habe ihr das dann geglaubt und jetzt freue ich mich auf den anruf, in dem mir eine kollegin von frau s. versucht ein de-mail-konto anzudrehen.
dieser beitrag von stefan niggemeier hat hier asyl bekommen, weil der server von stefan niggemeier gerade offline ist.
nachtrag 13.02.2014: der artikel ist jetzt auch wieder bei stefan niggemeier online.
Gegen Ende ihrer Talkshow wollte Sandra Maischberger demonstrieren, wie hoch die Emotionen auf beiden Seiten der Debatte gehen.
Sie zitierte aus Kritik, die das Publikum gegenüber dem Deutschlandfunk einerseits und ihrer Redaktion andererseits äußerte. »Dem Deutschlandfunk wurde im Prinzip vorgeworfen, zu schwulenfreundlich zu sein«, sagte sie. »Uns wurde im Vorfeld der Sendung vorgeworfen, zu schwulenfeindlich zu sein. Und das Interessante ist dabei« — sie zögerte und schaute betroffen in die Kamera — »die Wahl der Worte.«
Dann zeigte sie Beispiele. Einerseits:
»Homosexualität ist und bleibt pervers. In vielen Ländern ist sie bei Strafe verboten. Sie war es bei uns auch, als es noch keine falsch verstandene Liberalität gab.«
»Homosex ist nicht die Norm der Schöpfung.«
»Mich würde interessieren, wie eine Gesellschaft, die einheitlich auf die gleichgeschlechtliche Ehe setzt, die späteren Renten finanzieren will.«
Andererseits:
»Keine Plattform für Homo– und Transhasser.«
»Von Lesben und Schwulen geht keine Gefahr aus! Hier wird keiner umerzogen! Es droht auch nicht der Niedergang des Abendlandes, nur weil man über sexuelle Vielfalt informiert.«
»Beim Thema Homosexualität darf jeder zu Wort kommen, egal welchen Hass er predigt.«
Sie las hinterher noch weitere Beispiele vor, von der »einen Seite« und von der »anderen Seite«, und suggerierte, dass die Extreme auf beiden Seiten natürlich gleichermaßen zu verurteilen seien.
Die Deutschlandfunk-Kritiker verurteilen Menschen für das, was sie sind: homosexuell.
Die »Maischberger«-Kritiker verurteilen Menschen für das, was sie tun: Homosexuelle diskriminieren.
Das ist nicht dasselbe. Das hat nicht dieselbe Qualität. Objektiv nicht.
Wir können darüber streiten, was der richtige Umgang mit Menschen wie Birgit Kelle und Hartmut Steeb ist. Ob ihre Positionen richtig sind oder wenigstens satisfaktionsfähig oder nicht. Wir können darüber streiten, ob die Schmähungen, denen sie ausgesetzt waren, angemessen oder übertrieben waren. Aber Gegenstand der Diskussion ist, welche Positionen sie vertreten.
Wir können auch über darüber streiten, ob die Kritik an Maischberger berechtigt war. Sie entzündete sich vor allem an der Art, wie sich ihre Redaktion im Vorfeld die Thesen der Verfechter einer vermeintlich traditionellen Moral zu eigen machte.
Es sind Angriffe darauf, wie Menschen handeln und welche Positionen sie vertreten. Das ist die eine Seite.
Und die andere Seite sagt: Ihr seid weniger wert, weil ihr lesbisch oder schwul seid. Ihr seid krank. Eure Liebe müsste man verbieten (wie es in vielen Ländern geschieht). Es sind Angriffe auf die Identität von Menschen.
Das ist nicht dasselbe. Das sind nicht zwei gleichartige Extreme, hier die übertriebenen Schwulenhasser, da die übertriebenen Schwulenfreunde. Es sind zwei völlig unterschiedliche Arten von Angriffen.
Nicht für Sandra Maischberger. Sie präsentierte vermeintlich schlimme Zitate von beiden Seiten und war schockiert über die Wahl der Worte, auf beiden Seiten.
(Ich wüsste gern, was an dem zweiten Zitat der Maischberger-Kritiker überhaupt problematisch ist, aber um das zu verstehen, muss man vielleicht in einer Redaktion arbeiten, die es tatsächlich zunächst unproblematisch fand, der Sendung den Titel zu geben: »Homosexualität auf dem Lehrplan: Droht die moralische Umerziehung?« Es gab da in der Sendung selbst nicht den Hauch einer Andeutung von Einsicht, warum das heikel sein könnte, oder gar Selbstkritik.)
Ich halte den »Waldschlösschen-Appell gegen die Verharmlosung homosexualitätsfeindlicher Diffamierungen«, wie gesagt, für problematisch. Weil man ihn so verstehen kann, als sollten bestimmte, missliebige Positionen aus der öffentlichen Debatte ausgeschlossen werden. Aber er hat das Ziel, genau das zu verhindern, was bei Maischberger nicht nur passierte, sondern von der Moderatorin auch noch aktiv gefördert wurde: Dass der Eindruck entsteht, Diskriminierung von Minderheiten und Nicht-Diskriminierung von Minderheiten seien zwei gleichwertige Positionen oder »Meinungen«, die man in einem Duell gegeneinander antreten lassen kann. Als sei »zu schwulenfreundlich« ein natürlicher und sinnvoller Gegensatz zu »zu schwulenfeindlich« und das gesunde Maß irgendwas in der Mitte. Und als sei nicht »schwulenfeindlich« an sich schon eine Haltung, die im öffentlichen Diskurs so inakzeptabel sein sollte wie »ausländerfeindlich«, »frauenfeindlich« oder »schwarzenfeindlich«, ohne dass man sie überhaupt steigern müsste.
Und so bleibt von dieser ARD-Talkshow dank Sandra Maischberger die Botschaft, dass wir es nicht übertreiben sollten: Nicht mit der Akzeptanz von Schwulen und Lesben und nicht mit ihrer Ablehnung.
Und wenn Sie diesen letzten Satz für sinnlos halten, dann haben Sie es schwer in der Redaktion von Sandra Maischberger, die jeden Dienstag im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland eine Talkshow moderiert.
weil ich im radio erwähnt wurde und mehrfach darauf hingewiesen wurde (siehe @stoewhase oder @textundblog), habe ich mir eben die mühe gemacht, die url des aktuellen fluxfm.de spreeblick podcasts mit christian jakubetz zu erraten. denn die sendung wird erst nachdem sie heute abend zum zweiten mal ausgestrahlt wird (22 bis 24 uhr) als podcast-datei auf fluxfm.de veröffentlicht.
tut sie auch. keine ahnung warum man bei flux fm den podcast 2 tage nicht verlinken mag. egal, die wege des managements sind unergründlich.
ab ca. minute 20:45 reden johnny haeusler und christian jakubetz über mich. christian jakubetz outet sich als fan von mir und johnny haeusler sagt, er unterschätze mich nicht. ausserdem nennt er die offenlegung, dass er die republica mitorganisiert, ausversehen haftungsausschluss („disclaimer“). trotzdem, prima sendung, die man sich mit musik heute abend anhören kann und ohne musik jetzt.
eigentlich wollte ich dieses jahr auf der republica nicht über überwachung, snowden oder sascha lobo reden. ich fand das thema wahrheit und wahrnehmung in zeiten der vernetzung eigentlich viel spannender. dafür hätte ich aber ein drittes w-wort finden müssen, um eine einigermassen konsequente titel-alliteration hinzubekommen. andererseits passt das thema auch in den rahmen, den ich mit meinem vorschlag für einen rücktrittsvortrag für die republica 2014 abgesteckt habe. irgendwie.
Wie ich lernte, die Überwachung zu lieben
Die fiktionale Figur Andrew (Ender) Wiggins sagt in Orson Scott Cards Buch (und Film) Das große Spiel:
In dem Moment in dem ich meinen Feind verstehe, ihn gut genug verstehe um ihn zu schlagen, in genau diesem Moment liebe ich ihn auch.
Hilft uns diese pop-philosophische Erkenntnis möglicherweise den Überwachungsstaat zu schlagen und zu überwinden und wieder mehr Grundrechte garantiert zu bekommen?
Oder ist die überbordende staatliche Überwachung, die mit Hilfe von Edward Snowden aufgedeckt wurde, nicht einfach nur eine weitere Disruption, die uns die Vernetzung, das Internet gebracht haben? Ist das was Amazon mit dem Buchmarkt, das Internet mit dem stationären Einzelhandel macht, vergleichbar mit dem was die Geheimdienste der Welt mit unserer Privatsphäre anstellen?
Warum heissen wir die Disruption etlicher Wirtschaftszweige durch das Internet willkommen und fordern Veränderung und Anpassung an die neuen Gegebenheiten, weigern uns aber, unser Bild von Privatsphäre an die neuen Gegebenheiten anzupassen?
Anders gefragt, sind wir von glühenden Internet-Fans zu Fortschrittsskeptikern geworden, weil wir uns plötzlich persönlich vom Fortschritt bedroht fühlen — oder ist die Lage wirklich ernst?
dank an kathrin passig, die mir das wort disruption ins ohr gesetzt hat und patrcia cammarata, die mir ihre ideen so geschickt in den kopf gebracht hat, dass ich sie für meine eigenen hielt.
ich glaube das ist, ohne übertreibung, einer der spannensten kurzfilme die ich je (in HD) gedreht habe. inklusive einem kurzen schreckmoment und einem happy end.
anmerkung/nachtrag 04.02.2014: zum aktuellen repository vom reclaim social media plugin gehts hierlang. meine reclaim-testsite ist hier: wirres.net/reclaim/.
vor ein paar tagen hat daniel nix mich auf POSSE hingewisen („POSSE is an acronym/abbreviation for Publish (on your) Own Site, Syndicate Elsewhere“). POSSE bedeutet, man solle auf seiner eigenen website publizieren und diese inhalte dann in die passenden kanäle (twitter, facebook, gemneinschaftsblogs, flickr, …) verteilen.
die indiewebcamp-seite zum thema ist schwerer lesestoff. ich habe daran lange gelesen gekaut und gedacht: WTF? bis ichs einigermassen verstanden hatte.
im prinzip ist POSSE das gegenteil von dem was wir uns für reclaim social media ausgedacht haben. das was reclaim macht, nennen die leute vom indieweb nämlich PESOS („Publish Elsewhere, Syndicate (to your) Own Site“).
der prototyp des neuen reclaim social media-plugins (entwicklung auf github) zieht mittlerweile ganz zuverlässig und einigermassen leicht zu konfigurieren alle eigenen instagram-bilder aus dem silo, ebenso alle eigenen facebook-statusmeldungen, vines, tweets oder google-plus-einträge. das kann man unter anderem hier sehen oder hier. (das ist alles nicht so furchtbar neu, ansätze und plugins gibts dafür bereits einige. ein beispiel weiter unten.)
mir gefällt nach wie vor die reclaim-idee, inhalte mit optimierten apps, webanwendungen, webinterfaces zu erstellen, zu teilen oder ins netz zu laden und diese dann in kopie auf einem eigenen server permanent zu speichern. jeweils mit möglichst vielen metadaten, wie den bildern, geokoordinaten, original-adresse, eventuell nativem embedcode. was dabei unter umständen auf der strecke bleibt ist der kontext. die kommentare, die likes, favs, shares oder re-publizierungen. instagrate pro macht das ähnlich (also auf PESOS-art) und synchronisiert seit der neuesten version auch kommentare und likes auf den eigenen server. da aber alle social-media-silos eine spezielle schneeflocke sind, müsste man diesen mechanismus, der abgesehen davon auch nicht annährend in echtzeit funktioniert, für jedes silo neu programmieren. kann man machen, aber …
POSSE ist wahrscheinlich auch nicht die lösung, aber der ansatz ist eben genau umgekehrt. zum beispiel twitter: statt einen tweet zu schreiben, schreibt ein guter POSSEr eine notiz auf dem eigenen server. so macht das beispielsweise aaron parecki, hier. diese notiz wird dann von p3, pareckis CMS, auf twitter kopiert, hier. so hat man im prinzip eine art twitlonger, lange tweets, die auf dem eigenen server leben (hier zum beispiel twitter und aaronparecki.com).
besonders schön ist aber, dass dieser ansatz es erlaubt, replies oder favoriten oder retweets einzufangen.
das geht mit einem webmention-proxy wie brid.gy, auf den matthias pfefferle hier hinweist. im prinzip basiert das auf einem vereinfachten pingback-, bzw. trackback-protokoll, webmention genannt.
nächstes beispiel: anstatt auf sebastian gregers twitter-frage auf twitter zu antworten, tut aaron parecki es auf seiner eigenen seite. trotzdem taucht die antwort auch (verkürzt) auf twitter auf:
1989 war in sachen nachrichtenströmen keine allzu wilde zeit. es gab einige tageszeitungen, wochenblätter und im fernsehen die tagesschau und ein paar andere nachrichtenmagazine. trotzdem fiel mir 1989/90 während meines zivildienstes auf, wie angenehm es sich leben lässt, wenn man von aktuellen nachrichtenströmen abgeschnitten ist. radio mochte ich schon damals nicht und fernseher gab es bei den antroposophen, bei denen ich zivildienst machte, auch (angeblich) nicht. was ich aus der welt erfuhr, erfuhr ich wöchentlich über mein zeit-abo und gelegentlich aus der regionalen lokalblatt. mir fiel damals auf, wie viel weniger aufregend die welt sich darstellte, wenn nachrichten ein paar tage abhängen konnten.
seit 1989 haben sich die nachrichtenströme um ein vielfaches verdichtet und beschleunigt. gleichzeitig sind auch die recherchemöglichkeiten für journalisten sehr viel besser geworden, aber der echtzeitwahn produziert doch soviele halbwahrheiten, ungenauigkeiten und spekulatives, dass der feuerwehrschlauch aus dem die nachrichten sprudeln auch einen steten empörungswellenberg vor sich her treibt.
empörung bildet sich meistens im affekt. das macht für die echtzeit nachrichtenströme auch so anstrengend. kaum hat man sich echauffiert, kommen wieder 20 andere gründe nachgesprudelt, die empörenswert sind. nachrichtenströme fordern uns ständig zur reaktion auf. das war auch schon ohne technische möglichkeiten wie twitter oder facebook so, man kann sich nämlich auch sehr gut nicht-öffentlich aufregen. ich beobachte das immer an familienangehörigen, die bei der tagesschau oft vor empörung gar nicht sitzen- oder stillbleiben können.
für ein zuckerkristall ist eine tasse kaffee eine ziemlich aufregende sache. erst wird es aufgelöst und dann ständig von strömungen und der brownschen molekularbewegung herumgewirbelt. derjenige der die tasse kaffee trinkt bekommt nichts von der aufregung die der zucker elebt mit. er geniesst seinen kaffee einfach.
dass es ganz sinnvoll sein kann, sich als zuckerkristall eine welt ausserhalb der kaffeetasse vorzustellen, zeigen die moorschen newsbewegungen der letzten tage, die die rhein-zeitung oder die ruhrnachrichten dankenswerter weise nachgezeichnet haben. ich habe von der ganzen sache erst bei 6vor9 erfahren. aber ich lebe ja auch hinter dem mond. die links unten sind aus dem jonet medienlog vom 3. februar und ich habe nur die beiden ersten selbst gelesen.
Berlin - Pofalla zur Bahn? Oder doch nicht? Plötzlich blickte kaum noch jemand durch: Dem Satire-Magazin "Der Postillon" ist in der nachrichtenarmen Zeit der Coup gelungen - mit einer Meldung, die nur abgeschrieben war. Wie das klappen konnte und wie auch Prominente reingefallen sind.
Das Satire-Magazin Postillon ist eine der erfolgreichsten Internetseiten in Deutschland: Mit Meldungen, die beinahe wahr sein könnten, sorgt Autor Stefan Sichermann regelmäßig für Lacher. Am Donnerstag ist ihm mit einem Verwirrspiel um den Bahn-Job von Ronald Pofalla ein Meisterstück gelungen.
Wie das Online-Satiremagazin „Postillon“ mit seiner Pofalla-Meldung einmal das halbe Internet veralberte, ganz Twitter in Wallung brachte und die Medien am Ende doch ganz gut dastehen ließ.
Auf Twitter spotten sie über Spotter, die über Satiremeldungen spotten, die über Nachrichtenmeldungen spotteten. Die Posse um Pofalla ist eigentlich normaler Netzalltag - und zeigt doch, wie weit sich Presse und Empfänger in der digitalen Beschleunigung verloren haben.
Die Nachricht, dass Roland Pofalla offenbar zur Bahn wechselt, sorgte nicht nur für Kritik an dem CDU-Mann. Auch viele Nachrichtenseiten mussten hämische Kommentare einstecken. Grund war eine falsche Exklusiv-Meldung der Satire-Seite "Postillon".
Im Grenzbereich: Satire und Realität lässt sich manchmal nicht mehr so genau auseinanderhalten. Die Verwirrung über einen Postillon-Beitrag zum Pofalla-Wechsel bestätigt das.
Verwirrung im Netz: Das Satireportal „Der Postillon“ hat seine Meldung zum Pofalla-Wechsel zur Deutschen Bahn wie Ironie aussehen lassen - und zurückdatiert. Medienberichte über den neuen Job des Ex-Kanzleramtsministers wirkten nun wie abgeschrieben.
zu weihnachten habe ich erfahren, dass meine mutter immer einen schrittzähler am körper trägt. sie möchte wissen, wieviel sie sich bewegt, wieviele schritte sie am tag läuft. meine eltern sind in der adaption neuer technologien oder geräte meisten ähnlich langsam und skeptisch wie ich. meistens war mein vater sogar etwas schneller als ich, weil er mehr geld zur verfügung hatte als ich. er hat seit dem anfang der neunziger jahre ein handy. als ich mich noch mit einem performa herumschlug, hatte er bereits einen bunten bonbon-imac. er ist ein paar jahre früher auf macbooks, genauer ibooks, umgestiegen als ich. meine mutter besitzt mittlerweile ihren vierten apple laptop und nutzt diesen eifrig.
zum ipad sagte mein vater, als es herauskam, wozu soll man das denn brauchen? wie ich. mittlerweile weiss ich wozu man ein ipad gebrauchen kann und welche grandiosen anwendungen sich durch den formfaktor und die benutzeroberfläche ergeben. als das macbook air rauskam, konnte ich mich vor lachen kaum noch halten: warum mehr zahlen für weniger?
mittlerweile weiss ich das macbook air zu schätzen, auch wenn ich selbst keins habe, sondern ein 2012er retina macbook. aber: ich weiss mittlerweile auch, dass ich niemand bin der den nutzen technologischer trends früh erkennt. oder vielleicht sollte ich es anders formulieren: ich tendiere wohl bei der technologie-adaption abzuwarten, bis die produkte einigermassen ausgereift sind und die preise auf ein erträgliches niveau gesunken sind. mein erstes iphone war ein iphone 4S. ich habe das iphone also 4 jahre reifen lassen, bevor ich zuschlug (und es jetzt nicht mehr aus der hand geben würde).
was ich aber sehr deutlich spüre ist folgendes: ultra-kleine, smartfone-artige, mit sensoren vollgepackte geräte, die am körper getragen werden können, sind unausweichlich. vor 10 monaten habe ich mal drüber nachgedacht, marcel weiss vor 2. und jetzt hat mir meine mutter gezeigt, dass der markt dafür da ist. sich selbst zu quantifizieren, die eigene schrittzahl und die aufenthaltsorte aufzuzeichnen ist nicht nur ein spielzeug für abgehobene hippster oder nerds. und natürlich kann man das auch alles mit einem smartfone machen, so wie man auch alles was man mit einem ipad machen kann, mit einem laptop machen könnte. aber der formfaktor und die möglichkeit sich so ein gerät ans handgelenk zu machen, damit zu duschen, zu schlafen, zu rennen, zu fahren ist dann doch ein entscheidender faktor.
natürlich gibt es das alles schon, smartwatches, fuelbands, schrittzähler. aber ich vermute apple wird das ähnlich machen, wie die letzten male: idiotensichere bedienbarkeit und anfangs sehr eingeschränkte funktionalität, die dann von generation zu generation verbessert wird. anfangs werden alle, mich eingeschlossen, sagen: „braucht kein mensch, gibts doch schon!“ und nach ein paar jahren folgt die ganze industrie dem konzept von apple.
ich stelle mir die funktion von so einem apple-armbandsensor wie folgt vor: auspacken, mit dem telefon und/oder einem rechner koppeln, aktivieren, fertig. die uhr sammelt dann daten ohne ende, schrittzahl, arm und körperbewegungen, geodaten, vielleicht die temperatur und den hautwiderstand und überlässt es ios- oder osx-apps, diese daten auszuwerten. das display des dings zeigt lediglich die uhrzeit an und vielleicht eine zusammenfassung der schritte die man den tag über gelaufen ist. gadgets wie kamera, projektor, mikrofon oder lautsprecher kann ich mir derzeit nicht vorstellen. wohl aber die möglichkeit über die bewegungssensoren und damit über gesten bestimmte aktionen auszulösen, sei es auf dem armbanddings oder einem gekoppelten gerät. der traum wäre eine gestenerkennung für die apple-tv-bedienung.
wenn apple einen computer zum an den arm schnallen verkaufen würde, dann wäre „uhr“ oder „smartwatch“ sicher nicht die richtige bezeichnung. das ding wäre eher ein persönlicher sensor, der natürlich auch die position, uhrzeit oder das wetter anzeigen könnte. aber die hauptaufgabe dieses geräts wäre es, persönliche daten zu sammeln und eine mensch-computer kommunikation zu ermöglichen, bei der sich der computer wie ein körperorgan anfühlt.
und meine mutter hat mich in dieser ansicht unabsichtlich bestätigt. der markt für soetwas ist reif.
schönes bild von den händen von barack obama und joe biden auf flickr:
(nachtrag 16:10 uhr: hat sich erledigt. ursprünglicher titel dieses artikels: „doch kein händchenhalten von obama und biden“)
ich folge auf flickr dem weissen hausper RSS . heute waren in meinem RSS-reader wieder eine ladung bilder von barack obamas hausfotografen pete souza. unter anderem dieses:
das bild zeigt wie barack obama und sein vizepräsidenten joe biden hände halten. die originalbildunterschrift lautet:
The President was meeting with faith leaders to discuss immigration reform. At the end of the meeting, everyone held hands during a group prayer. I got close to frame the hands of the President and Vice President.
der RSS-link führt mittlerweile zu einer 404 seite. im stream des weissen hauses ist das bild nicht mehr zu sehen.
allerdings ist das bild noch in verschiedenen auflösungen auf den flickr-servern: 1024x683, 500x333, 240x160.
warum hat man dieses bild nach weniger als zwei stunden wieder entfernt?
mittelgute amerikanische fernsehserien sind relativ einfach gestrickt. durch die serie geht ein roter faden, dessen ende ganz offensichtlich aus einem mittelgrossesn geheimnis besteht. am serienende wird dieses geheimnis oft gelüftet und führt gelegentlich zu mittelgrosser enttäuschung. bevor der rote faden in einer der letzten folgen gelöst wird, hält er die einzelnen episoden zusammen und vor allem die anspannung im zuschauer aufrecht.
viele mittelgute amerikanische fernsehserien haben auch mehrere rote fäden und dazugehörige geheimnisse. manche dieser geheimnisse werden bereits nach ein paar folgen oder staffeln aufgelöst und von neuen fäden abgelöst.
neben dem roten faden ist die zweite zutat für mittelgute serien die episodenhandlung. sie muss nicht unbedingt im zusammenhang mit dem oder den roten fäden stehen, tut es aber oft. für die episoden-handlung wird am anfang der episode ein problem skizziert oder ein verbrechen gezeigt, das dann im laufe der episode, machmal auch im laufe von zwei episoden, von den protagonisten der serie gelöst wird. ist das problem am episodenende gelöst, ist das geheimnis, der rote faden, oft etwas weniger geheimnisvoll. manchmal wirds auch geheimnisvoller. aber, und das unterscheidet die mittelguten von den sehr guten serien, in den mittelguten bis guten serien gibt es am episodenende immer eine art happy end, einen mehr oder weniger befriedigenden abschluss. gibt es einen cliffhanger, ist der meistens lediglich aus dem material des roten faden gewoben (und nicht aus dem material der episodenhandlung).
sehr gute amerikanische fernsehserien verzichten zunehmend auf diese befriedigung. oft hat noch nichtmal das staffelende eine art happy end, sondern, unter umständen, sogar einen cliffhanger.
mittelgute amerikanische fernsehserien haben den vorteil, dass man auch mal ein oder zwei folgen verpassen kann. und, wie gesagt, sie geben dem zuschauer, nach 30 oder 45 minuten, eine gewisse art von befriedigung.
eine dieser mittelguten fernsehserien ist bones. ich habe sie vor drei oder vier jahren oft geschaut, um vom härteren stoff der sehr guten serien wieder runterzukommen. eine dieser sehr guten serien ist beispielsweise breaking bad. breaking bad, the wire oder lost wirkten auf mich ähnlich wie heroin. mit bones kam ich wieder runter. mittelgute amerikanische fernsehserien wirken wie bier zum einschlafen. beim sehen muntern sie einen auf, danach kann man hervorragend schlafen.
mittelgute amerikanische fernsehserien können durch die protagonisten, die geschichten oder die qualität des roten fadens durchaus sehr gut sein. für eine weile fand ich bones (zum erstaunen der beifahrerin) sehr gut. irgendwann hat es mich dann aber gelangweilt, weil das strickmuster und die roten fäden mir zu langweilig wurden.
im moment gibt es zwei mittelgute amerikanische fernsehserien die ich sehr gerne sehe: agents of s.h.i.e.l.d und the blacklist. beide serien haben stringente und solide komponierte rote fäden und übergeordnete geschichten und haben gleichzeitig gute (z.b. nicht zu billig) erzählte und gefilmte episodenhandlungen. bei agents of s.h.i.e.l.d sind diese teilweise sogar recht geschickt mit das marvel-universum verwoben und schwappen handlungsmässig beispielsweise in die thor-spielfilmreihe hinein.
bei the blacklist trägt james spader den roten faden sehr gekonnt, so wie er das auch schon bei boston legal getan hat. (boston legal ist übrigens auch ein hervorragendes beispiel für eine sehr gute mittelgute amerikanische fernsehserie.)
wenn man ein amerikanisches itunes-konto hat, kann man sich den piloten von the blacklist auch kostenlos ansehen. das wirkt tatsächlich wie anfixen. zumindest hat es das bei mir.
und das ist eigentlich auch alles was ich ursprünglich sagen wollte: the blacklist ist eine sehr gute mittelmässige amerikanische fernsehserie.
bei ezra caldwell konnte ich die rezepte nirgendwo finden, aber für die sardinen-pasta wurde ix bei kitchen collaboration fündig. ich habe das heute mittag nachgekocht und natürlich ein bisschen abgewandelt. für 2 personen habe ich folgende zutaten benutzt:
2 dosen ölsardinen, also den inhalt, abgetropft und zerkleinert
2-3 esslöffel sultaninen (10 minuten in warmen wasser eingeweicht)
viel olivenöl
2-3 esslöffel zedernüsse, eigentlich pinienkerne, aber die zedernüsse hatte ich noch (danke sascha!). zerkleinerte walnüsse funktionieren erfahrenungsgemäss übrigens auch
die zubereitung der sardinen ist durch die dosenvariante ziemlich einfach: dose öffnen, öl abtropfen lassen, sardinen aus der dose befreien. letzteres ist beinahe der komplizierteste teil.
danach habe ich eine scheibe vollkornbrot, in meinem fall einen dünn geschnittenen kanten demeter-haselnuss-sesam-vollkornbrot, in sehr kleine würfel geschnitten (insgesamt ca. 332 stück) und die in einer pfanne mit butter leicht angeröstet. kurz vor ende habe ich noch eine klein gewürfelte, frische knoblauchzehe und eine prise salz mitgeröstet. (das müsste auch mit toastbrot oder geriebenem knäckebrot gehen.)
die zedern-, pinien- oder walnusskerne können theoretisch in der gleichen pfanne angeröstet werden.
ebenso die kirschtomaten. die müssen eine weile unzerschnitten in der pfanne rumrutschen. das erzeugt manchmal ganz lustige geräusche. wenn die tomaten etwas farbe haben und schrumpelig sind, können sie beiseite gestellt werden.
jetzt ungefähr könnte man angefangen die spagetti zu kochen. (meine waren schon fertig.)
in eine pfanne mit heissem olivenöl kommen jetzt: die fein gewürfelten zwiebeln, der fein gewürfelte knoblauch, die chiliflocken, die gerösteten nusskerne und die sultaninen. solange anbraten, bis alles ein bisschen fettig glasig ist. dann kann das sardinenfleisch mitgebraten werden, bis es in der küche ausreichend nach fisch riecht.
jetzt die fein geschnittene petersilie noch kurz mitanbraten, dann werden auch die eventuell mitgeschnittenen dickeren stängel geniessbar. am ende kommen die spagetti dazu, allerdings nicht die ganze packung, nur zwei kleine portionen. ich habe an dieser stelle noch zwei tassen von dem gut gesalzenem spagettiwasser in die pfanne gekippt und alles kräftig gemischt. die tomaten können jetzt auch dazu.
fast fertig: zum servieren die nudeln auf einen teller, die brotwürfelchen drüberstreuen und den teller parmesanieren.
ich fand das äusserst lecker, die beifahrein auch. das beste ist: die pasta schmeckt kaum nach fisch. die mundhaptik ist hochinteressant, weil sich alle konsistenzen von cremig, nussig und knäckig gemeinsam im mund befinden. und geschmacklich sowieso.
… durch die dortige Vorratsdatenspeicherung, wusste man sehr schnell, wer in Oslo der Mörder war (…). Das hat sehr geholfen.
jetzt sagt er, damals wie heute gelte in norwegen eine maximale dreiwöchige sperrfrist für „Telekommunikationsverbindungsdaten“. was im übrigen etwas ganz anderes ist, als eine anweisung verbindungsdaten zwangsweise mindestens für einen bestimmten zeitraum zu speichern. diese anweisung, daten maximal drei wochen zu speichern, meint gabriel, hätte geholfen „wertvolle Hinweise etwa auf [Breiviks] Kommunikation“ zu erlangen. zitat:
Durch die bereits und auch weiterhin bestehende Möglichkeit der kurzen Vorratsdatenspeicherung bei den norwegischen Providern ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die zum Tatzeitpunkt (22. Juli 2011) gespeicherten Daten von und über Anders Breivik den ErmittlerInnen wertvolle Hinweise etwa auf dessen Kommunikation in den Wochen vor seinen Anschlägen geliefert haben.
tatsächlich ist das was sigmar gabriel in seiner antwort als „kurze Vorratsdatenspeicherung“ bezeichnet etwas ganz anderes. es ist eben eine anweisung der datenschutzbehörde, die daten spätestens nach drei wochen zu löschen und keine anweisung die daten auf vorrat zu sichern. 2009 galt diese anweisung in norwegen als sieg der datenschützer und der privatsphäre. die polizeibehörden empfanden diese regelung als gefährlich und warnten davor, dass norwegen damit zu einem rückzugsort für computerkriminelle werde. (den aftenposten-artikel habe ich über netzpolitik gefunden.)
mit seiner antwort auf abgeordnetenwatch räumt sigmar gabriel also offenbar ein, dass die vorratsdatenspeicherung nicht entscheidend war, um zu ermitteln wer in oslo der mörder war, sondern, dass es in norwegen möglicherweise die möglichkeit gab „wertvolle Hinweise“ auf irgendwas zu erlangen.
mich erinnert das an einen weltuntergangspropheten der vorhersagt, dass morgen die sonne nicht aufgehen würde. wenn dann am nächsten tag die sonne hell am himmel steht und ihn alle der lüge bezichtigen, sagt er einfach: „aber es ist doch die erdrotation die lediglich den eindruck macht, die sonne wäre aufgegangen! die sonne ist auch heute nicht aufgegangen, ihr ungebildeten fickgesichter!“
kürzlich habe ich darüber geschrieben, dass ikea zwar hart daran arbeitet, den eindruck eines resourcenschonenden und nachhaltig wirtschaftenden konzerns zu erwecken. dass verbrauchseinsparungen allerdings nicht immer ökologisch und volkswirtschaftlich sinnvoll sein müssen, habe ich versucht an ikeas umgang mit wassersparenden produkten beim marketing in deutschland aufzuzeigen. obwohl es in deutschland wenig sinnvoll ist, pauschal zum wassersparen aufzurufen und ikea diese problematik bekannt ist, vermarktet ikea seine wassersparenden produkte in deutschland exakt genauso wie beispielsweise in wasserarmen ländern wie saudi-arabien, portugal oder spanien.
ikea zeigt sich unwillig länderspezifisch zu differenzieren, was auch auf ein resourcenproblem bei ikea deutet: das marketing wird offenbar zentral gesteuert und die anpassung an lokale märkte scheint nicht aus mehr als übersetzungen zu bestehen.
2012 hat ikea seine globale nachhaltigkeitsstrategie mit einem aufwändig produzierten werbespot vorgestellt. das factory-magazin rezitiert die strategie ausführlich, weist am ende des artikels aber noch auf ein weiteres problem hin, dass ich erahnt hatte, aber bisher nicht erfolgreich googlen konnte, weil mir der fachbegriff dafür fehlte: der rebound-effekt.
Der Rebound-Effekt bezeichnet den mengenmäßigen Unterschied zwischen den möglichen Ressourceneinsparungen, die durch bestimmte Effizienzsteigerungen entstehen, und den tatsächlichen Einsparungen. Somit führt der Rebound-Effekt dazu, dass das Einsparungspotenzial von Effizienzsteigerungen nicht oder nur teilweise realisiert wird.
das heisst, die neuanschaffung von effizienteren geräten, kann die erwarteten einspareffekte marginalisieren oder anfangs sogar gegenteilig wirken.
interessant fand ich, dass das wort rebound nirgendwo im ikea-website-kosmos auftaucht (stand 8.12.2013). noch nicht einmal die langfristig angelegte globale nachhaltigkeitsstrategie (pdf) erwähnt das wort. eigentlich kein wunder, weil das hauptziel von ikea, möglichst viele konsumgüter weltweit zu verkaufen, natürlich nur partiell zum nebenziel passt, sich als nachhaltig wirtschaftendes unternehmen darzustellen.
besonders eklatant fand ich beispielsweise ikeas scheissegal-haltung, als wir letztes jahr eine küchenabzugshaube kauften und ikea bereits nach 7 monaten nicht mehr in der lage war, dafür verbrauchsteile zu liefern. nachhaltigkeit ist leicht zu papier zu bringen, aber eben nicht so leicht umzusetzen. das gilt natürlich vor allem für unternehmen wie ikea, die einen nicht unerheblichen umsatz mit wegwerfprodukten machen.
ich finde die nachhaltigkeitsstrategie von ikea durchaus sinnvoll, finde aber beeindruckend wie löchrig die umsetzung bereits bei ein oder zwei oberflächlichen blicken erscheint. ich glaube dass man hier noch interessante lücken zwischen anspruch und wirklichkeit finden könnte, wenn man hier weiter nachbohrt.
gestern abend habe ich mir für 3 dollar oldboy im amerikanischen itunes store geliehen und angesehen. hätte ich danach einen tweet verfasst, lautete er wie folgt:
was für ein grässlicher, aber unbedingt sehenswerter film.
aber gestern stand ich noch unter schock. der letzte film der mir so eindringlich (und grässlich) ins bewusstsein eingedrungen ist, war vor fast 20 jahren se7en. den film als dunkel zu beschreiben ist eine verniedlichung. der film packt einen auf einem existenzialistischen niveau, bei dem satre und camus einpacken können.
dazu kommt, dass der film unfassbar intensive und kompromisslose bilder produziert, ohne auch nur ein einziges mal überinszeniert oder aufgesetzt zu wirken. in den momenten, in denen er überinszeniert zu wirken droht, steuert der regisseur chan-wook park sehr gekonnt mir humor gegen. ich habe tatsächlich mehrfach während des films laut aufgelacht. bei der szene, in der choi min-sik einen lebenden tintenfisch verspeist, habe ich zwar nicht gelacht, musste sie mir aber mehrfach hintereinander ansehen. bei anderen szenen musste ich zur sicherheit meine augen bedecken.
wenn man die handlung des films jemandem anders erzählt, hört sie sich unfassbar blöd und absolut unverfilmbar an (ich habs ausprobiert), aber wenn man den film sieht, zweifelt man nicht einen augenblick an dem was man sieht und kann der wucht der geschichte unmöglich ausweichen.
ich frage mich allerdings, warum ich fast 10 jahre gebraucht habe, um über den film zu stolpern. gestern bin ich, glaube ich, über den film gestolpert, weil gerade ein (schlimmes) remake des films von spike lee in die kinos gekommen ist und ich dazu wohl etwas aufgeschnappt haben muss oder die redakteure des itunes store den film aus ebendiesem grund nach vorne geholt haben.
natürlich ist der film nicht im deutschen itunes-store zu finden und wäre er das, wahrscheinlich nur in grässlicher deutscher synchronisierung. im us-store ist der film selbstverständlich im koreanischen original mit englischen untertiteln zu haben, was ehrlichgesagt ein grosses vergnügen war. für diesen film alleine lohnt es sich übrigens ein us-account im itunes-store einzurichten. wie das geht lässt sich gut googlen, wenn genügend leute nachfragen, schreibe ich aber auch gerne nochmal drüber.
eigentlich ist mir werbung egal. es gibt aber in letzter zeit öfter fälle, in denen ich das gefühl habe, dass werbung mich anspricht — allerdings nicht in dem sinne, dass sie mir besonders gefällt, sondern in dem sinne, dass sie bei mir zuhause klingelt und „hallo“ sagt. werber haben dafür sicherlich ein fachwort, mir fällt dazu keine angemessene bezeichnung ein.
die funktionsweise solcher werbung ist unterschiedlich, aber oft funktioniert sie, indem sie einen boten nutzt, der meinen inneren werbeblocker umgehen kann. das gibt es im prinzip schon länger und für diesen mechanismus kenne ich sogar das fachwort: testimonial. die werber nutzen einen menschen, den die zielgruppe sympathisch findet oder gar bewundert oder besonders toll oder vertrauensvoll findet. ein beispiel dafür war manfred krug, der 1996 werbung für den börsengang der telekom machte. die telekom nutze das vertrauen und die vertrautheit die viele menschen in deutschland manfred krug entgegenbrachten und folgten seiner empfehlung t-aktien zu kaufen. viele t-aktien-käufer bereuten nach einer weile den kauf der aktien, weil sie damit teilweise enorme verluste machten. manfred krug bereute die werbung später, wohl auch, weil die kritik an der telekom sich auch persönlich gegen ihn richtete.
ein anderes beispiel von werbung, die sich in mein privatleben einschlich und mir am ärmel zog, war die vodafone-kampagne 2009. an ihrer entstehung waren einige leute aus meinem bekannten- und freundeskreis beteiligt, ich bekam auf verschiedenen privaten kanälen informationen zu ihrer entstehung eingespeist — alles vorbei an meinem inneren werbeblocker. in der regel reagiere ich auf werbung, insbesondere auf schlechte werbung mit einem schulterzucken. diese werbung war aber personalisiert. offiziell richtete sich die kampagne an die „Generation Upload“. im eigens eingerichteten blog, wanzte sich vodafone wie folgt an mich heran:
Doch wer ist das eigentlich, die „Generation Upload“? Die Antwort ist denkbar einfach: Du bist die „Generation Upload“. Warum? Weil alles, was Du startest, heute die Welt bewegen kann!
mein freund sascha lobo als testimonial, einige blogger, die ich mehr oder weniger gut kannte, vor und hinter der kamera; die werbung war ein volltreffer und sprach mich voll an. sie stand vor meiner tür. es gab nur ein problem. sie kam in form von freunden und bekannten, war aber genauso verlogen, undifferenziert und auf verblödung angelegt, wie werbung nunmal fast immer ist.
die werber hatten eines ihrer ziele erreicht: sie hatten die volle aufmerksamkeit von bloggern, menschen die sich im internet zuhause fühlen oder die schonmal eine datei irgendwo hochgeladen haben. und sie nutzten diese chance, um diesen menschen den üblichen scheiss zu erzählen und zu versuchen, ihnen überteuerte produkte anzudrehen. das hatte dann bemerkenswert negative effekte.
werbung die sich an den inneren abwehrmechanismen vorbei drängt ist der neue heisse scheiss. in den sozialen netzwerken werden einem die sachen die freunde oder bekannte gut finden empfohlen, blogger verlosen waren die sie von firmen zur verfügung gestellt bekommen haben, bekannte twittern oder teilen werbelinks. oft funktioniert das sehr gut, vor allem wenn die produkte für sich selbst sprechen können und nicht in schönformulierten lügen, irreführung oder libidokitzel eingepackt werden müssen. auch subtilere botschaften erreichen so die zielgruppe: der laden kann ja nicht schlecht sein, schliesslich würde der dings ja sonst nicht mit denen kooperieren oder mir die empfehlen.
ikea hat derzeit auch meine volle aufmerksamkeit. ein paar blogger die ich mag und schätze bloggen derzeit für ikea. das blog habe ich deshalb abonniert und so fliessen jetzt neben ikea-familiy-newslettern, ikea infomails, aufforderungen der ikano-bank bei ihnen einen kredit aufzunehmen, auch ikea werbebotschaften durch meinen feedreader in mein hirn. in den strom der blogger-geschichten, flechtet ikea hin und wieder seine werbebotschaften ein. ikea findet das sicherlich super, dass sie so meine volle aufmerksamkeit bekommen. so habe ich gelernt, dass ich bei ikea „Geschirr, Küchenutensilien und Textilien in vielen verschiedenen Farben und Mustern“ finde — und dass die nicht nur hübsch aussehen, sondern auch „gute laune machen“. das ist sicherlich der grund, warum in psychiatrischen kliniken vor allem ikea-küchenutensilien und -textilien benutzt werden. ebenso habe ich gelernt, dass kochen, backen, spülen und kühlen nicht so ohne weiters funktionieren:
Kochen, Backen, Spülen, Kühlen – ohne Strom und Wasser geht das nicht.
so nutzt man die aufmerksamkeit der werberelevanten gruppe optimal: praktische tipps und tricks in interessanter, nicht allzu blöder sprache in lesenswerte, kleine geschichten verpackt:
Wir glauben: In jedem Geldbeutel ist Platz für die Traumküche.
ich bin meistens schon froh, wenn ich alle kredit- und ec-karten und die von ikea und ein bisschen schein- und kleingeld in meinem geldbeutel unterbringe. in schweden schleppen die leute also ihre traumküche mit ins theater oder kino. man kann beim konsum von werbebotschaften also durchaus etwas über fremde länder lernen.
über wassersparen kann man auch allerhand in der ikea-werbung lesen:
Wusstest du, dass ein Geschirrspüler mit Abstand die sparsamste Methode ist, dein Geschirr zu spülen? Vorausgesetzt, du packst ihn voll. So kannst du im Vergleich zum Handspülen hunderte Liter Wasser im Jahr sparen – und natürlich jede Menge Arbeit. Außerdem kannst du mit einer Mischbatterie von IKEA deinen Wasserverbrauch zusätzlich um bis zu 30% senken – dank integriertem Strahlregler und ohne Wasserdruckverlust.
Der Wechsel zu einer Mischbatterie für Küche oder Badezimmer von IKEA kann deinen Wasserverbrauch um bis zu 50% senken. Das Geheimnis? Ein Strahlregler im Innern der Mischbatterie sorgt für einen geringeren Wasserdurchfluss bei gleichem Druck. So sparst du Wasser und hoffentlich auch etwas Geld.
als ich das las, kamen mir texte in den sinn, die nicht allein den verkauf von konsumgütern dienten. zum beispiel dieser von christoph drösser, der wassersparen auf diesen kurzen nenner bringt:
Jeden Tag nutzt der Durchschnittsdeutsche 130 Liter Wasser, die Zahl ist rückläufig und liegt unter dem Weltdurchschnitt. Sie weiter zu senken ist ökologisch nicht besonders sinnvoll.
Hans-Jürgen Leist vom Hannoveraner Umwelt-Institut Ecolog sagt: »Die Deutschen nehmen das Wasser viel zu wichtig. Sie verleihen ihm fast eine heilige Aura.« Und sie sparen an jedem Tropfen. Das Ergebnis: Kaum ein anderes Industrieland verbraucht pro Kopf so wenig Wasser wie Deutschland.
Leist findet das »absurd«. Denn Wasser ist hierzulande im Überfluss vorhanden. Die Deutschen könnten mit gutem Gewissen mehr Wasser verbrauchen, findet er, und ihre Sparwut könne der Umwelt sogar schaden statt nützen. Ähnlich sieht das Ingrid Chorus, Wasserexpertin im Umweltbundesamt : »Wassersparen gibt den Verbrauchern das Gefühl, dass sie der Umwelt etwas Gutes tun. Aber wenn man das mal rational betrachtet, kommt das dabei in Deutschland nicht heraus.«
mir ist natürlich klar, dass unternehmen die konsumgüter in deutschland verkaufen, ein gespaltenes verhältnis zum differenzieren haben. diese unternehmen hassen es in ihrer werbung zu differenzieren, schliesslich geht es ja um den verkauf von produkten und nicht um verbraucherinformation. da ist jede information oder differenzierung potenziell geschäftsschädigend. deshalb hat die lebensmittelindustrie die einführung einer lebensmittelampel verhindert, deshalb bietet ikea verbrauchern, wie vor ein paar hundert jahren beim ablasshandel, ein reines gewissen, wenn sie wassersparende geräte oder mischbatterie kaufen. differenzierung wünschen sich unternehmen meisten nur dann, wenn über sie berichtet wird. da ist es dann plötzlich wichtig ganz genau zu unterscheiden und alle möglichen aspekte zu betrachten, statt grob zu vereinfachen.
trotzdem hat es mich interessiert, warum ikea, das ja grossen wert darauf legt als unternehmen das nachhaltig und umweltschonend wirtschaftet wahrgenommen zu werden, in deutschland das wassersparen propagiert, obwohl es ja bekannt und relativ unstrittig ist, dass wassersparen in deutschland „unsinn“ ist (zitat hans-jürgen leist). ein pressesprecher von ikea sagte mir auf meine frage wie sich die undifferenzierte propagierung dieses ökologischen unsinns mit ikeas versuchen sich als ein nachhaltiges unternehmen darzustellen vertrage, dass ikea „die Herausforderungen, die auf die Wasserversorger zukommen und die durch verschiedene Ursachen entstanden sind“ durchaus bewusst seien:
Jedoch betrachten wir die Technik und Weiterentwicklung von Produkten hin zu mehr Effizienz als positiv, ein ineffizienter Umgang mit Wasser scheint keine langfristige Lösung. Weiterhin geht die Wassernutzung und das Wasser sparen im Haushalt häufig einher mit Energieverbrauch bzw. -einsparung und ist betrachtet unter diesem Aspekt ebenfalls sinnvoll. Denn weniger Nutzung von (Warm-)Wasser bedeutet auch weniger Energieverbrauch. Die Vorteile von effizienteren Produkten und Geräten, u.a. zum Wasser sparen, kommunizieren wir.
übersetzt heisst das, dass ikea aus prinzip (effizienz!) zum wassersparen aufruft und die lösung der probleme (herausforderungen!) den wasserversorgern und kommunen in deutschland überlassen möchte. langfristig sollten also die wasserversorgungs- und abwassersysteme umgebaut werden, die für die derzeit aufs wassersparen versessenen deutschen zu gross ausgelegt wurden, weil nur effizienter umgang mit wasser eine „langfristige Lösung“ verspricht.
ich weiss nicht wer zynischer ist
der pressesprecher von ikea, der die probleme die auf die wasserversorger zukommen einfach auf andere abwälzt, um kantenfreie werbung und effizientes image-weisswaschen zu rechtfertigen
oder ich, der so tut als sei ikea die einzige organisation die unsinn verbreitet um sich gleichzeitig ein grünes image und saftige umsätze zu sichern.
schliesslich lebt eine ganze industrie davon, den deutschen einzureden, wassersparen sei nach dem gelben sack und bio-huhn das drittbeste was man für die rettung der welt tun könne, ohne seinen lebenswandel grossartig zu ändern oder auf den urlaubsflug auf die malediven oder nach katar zu verzichten.
aber: wer an meiner tür klingelt oder sich mit hilfe meiner bekannten an meinen internen werbeblockern vorbeimogelt und mich so direkt und persönlich anspricht, muss schon gute argumente haben, wenn er mich von irgendwas überzeugen will. und eben damit rechnen, dass ich stinkig werde, wenn ich das gefühl habe, dass da jemand versucht mich zu verschaukeln.
ich vermute das ist ein sträflich vernachlässigtes problem beim empfehlungsmarketing und ranwanzen über soziale netzwerke: wenn das produkt oder die argumente nicht einwandfrei sind, kann das marketing ruck-zuck nach hinten los gehen.
was ich wirklich schade finde: zwei fragen hat mir der pressesprecher nicht beantwortet:
die eine war, dass mir auffiel, dass ikea kunden auf der ganzen webseite (und dem katalog) duzt, journalisten aber nicht. wahrscheinlich ist der gleiche grund, warum einen niemand in den ikea-läden in deutschland duzt: man traut sich das einfach nicht.
die andere frage hätte ich wahrscheinlich auch ignoriert: die nachhaltigkeitsseite von ikea ist auffälligerweise mit eine englischen, sprechenden URL ausgestattet. tatsächlich scheint sie global identisch zu sein. sowohl die amerikanische, die italienische, portugisische und sogar die japanische und saudiarabische variante scheinen textlich, bis hin zu den bildern, inhaltsgleich zu sein. da beantwortet sich diese frage wahrscheinlich von selbst:
Dürfen Sie möglicherweise die Texte die Ihnen vom globalen Marketing vorgelegt werden, gar nicht für das jeweilige Land anpassen, sondern nur übersetzen?
das prinzip effizienz scheint ikea unter keinen umständen zu opfern bereit zu sein. selbst wenn das bedeutet, dass man hier und da unsinn kommuniziert.