10 jahre
heute sind exakt 10 jahre seit dem ersten richtigen eintrag auf wirres.net vergangen.
heute sind exakt 10 jahre seit dem ersten richtigen eintrag auf wirres.net vergangen.
ich muss mal wieder, ohne speziellen anlass, meine DVDthek loben. obwohl ich glaube, dass die lizenzfragen zu den game of thrones DVDs der ersten staffel unter juristen zumindest strittig sein könnten, gibt sich meine DVDthek zumindest mühe einem alternativen zur unlizensierten nutzung anzubieten. OK, man kann sich die erste staffel mittlerweile auch bei amazon holen (amazon.co.uk 36,00 €, amazon.de 59,00 €). aber ich wollte die video collection an der stargarder strasse ja eh nur mal eben loben.
drei euro achtzig dachte ich, da kann man ja fast nix falsch machen und kaufte mir die neue wired. diese ausgabe wurde von alexander von streit verantwortet, was sich auch angenehm im heft auswirkt, es fehlt der aufgeregte, knywersterische ton. im heft zumindest.
das cover ist ist condé-nast-mässig hyperhysterisch: „DAS WEB STEHT VOR DEM BLACK OUT“, „WETTRÜSTEN“, „Der seltsame Fall des KIM DOT COM“. im heftinneren ist das dann glücklicherweise alles viel weniger hysterisch und der artikel über den drohenden „WEB BLACK OUT“ ist sogar ziemlich gut. die fakten stimmen (glaub ix), er liest sich gut und ist sachlich und ausgeglichen. wer in dem chaotischen layout lange genug sucht, findet auch die autoren des stücks, gleich sechs leute: frederik fischer, torsten kleinz, michael moorstedt, alexander von streit, andreas winterer, ulf hannemann.
jonah lehrers text über die schwierigkeiten der wissenschaft komplexität zu erfassen, insbesondere die des menschlichen körpers ist ebenfalls ein leseschmaus. ein paar stunden bevor ich seinen text in der wired in der badewanne las, hatte ich gerade ein interview mit ihm aus meiner timeline gefischt und gebookmarkt. kleine welt. apropos kleine welt. auf englisch kann man den text von lehrer auch online lesen, genau wie den, ebenfalls lesenswerten text von tom cheshire über tumblr und den tumblr-gründer david karp.
das spricht jetzt nicht so irre für den qualitäts-journalismus-standort deutschland, dass von den drei interessantesten texten, nur einer von deutschen journalisten geschrieben wurde. was aber wirklich peinlich ist, ist dass die redaktion der deutschen wired es weder schafft den text unfallfrei übersetzen zu lassen (warum werden die übersetzer eigentlich nicht genannt?), noch den namen des autors korrekt zu schreiben.
so steht im original des tumblr-textes:
At the time, Karp was running his own consultancy, Davidville, which built business websites, along with a 24-year-old programmer called Marco Arment, who would later found Instapaper.
in deutschland kann man dieses ganzen insta-dingse offenbar nicht so gut unterscheiden und machte doch glatt das hier draus:
Zu jener Zeit besaß er eine eigene Beratungsfirma, die sich insbesondere um den Aufbau von Business-Websites kümmerte. Ihm zur Seite stand Marco Arment, ein damals 24-jähriger Programmierer, der später den Fotodienst Instagram gründen sollte.
wired.de setzt da aber noch einen drauf und nennt den autor tom cheshire kurioserweise TOM CHESIRE (versalien von wired.de übernommen).
die besten der besten, sir.
(sorry für den fefeslang. kommt nicht wieder vor.)
als ich eben aus der badewanne kroch (ja die wired kann man in einer badewannen-session durchlesen), hatte ich ein gutes gefühl. trotz der vielen redaktionellen werbung mit tonnen von gadget-gedöns (die man gut überblättern kann) fühlte ich mich gut infotained. ein paar anregende texte, ein paar hübsche und teilweise inspirierende bilder, keine journalistischen fehlleistungen über die man sich gross aufregen müsste. noch nicht mal die kolumne von thomas knüwer nervte diesmal mit neunmalklugheit. echt OK das heft.
na gut, über peter kruses kolumne bin ich beinahe eingeschlafen. das liegt aber daran, dass das was er schrob besser verständlich ist, wenn er es sagt und dass man, wenn man das was er gesagt hat schon kennt, von seiner verschachtelten art zu schreiben schläfrig werden kann. auch das überambitionierte layout nervt nach wie vor, man kann die werbung immer noch nicht vom den redaktionellen inhalten unterscheiden, aber für 3,80€ kann man vielleicht nicht mehr erwarten.
vielleicht ist der ansatz gar nicht mal schlecht. eine gute, lange titelgeschichte von ein paar fähigen leuten schreiben lassen, ansonsten gute texte aus den internationalen ausgaben übernehmen, ein paar frische kolumnisten mit kurzen texten ranlassen und den rest des heftes mit glasperlen und werbung füllen. gefällt mir auf jeden fall besser als die (stückweise) überambitionierte und aufgeblasense erstausgabe.
was (ein bisschen) fehlt: herzblut. offenheit im umgang mit fehlern (oder dient das wired-blog nur dem marketing?). abwegiges. layout.
[nachtrag 16.04.2012]
christoph kappes hat bereits vor ein paar tagen über die zweite ausgabe der wired geschrieben.
Dies hier geht gerade durch meine Ecke des Internets, obwohl die Veranstaltung bereits einige Monate her ist: Wolfgang Blau, Chefredakteur von Zeit online, spricht vor Parlamentariern der Enquete-Komission Internet und Digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages über Status und Zukunft des Internet.
[…]
Der Vortrag ist auch als Vortrag selbst empfehlenswert: Blau argumentiert sehr sachlich; er hat ein Anliegen, und man merkt seine Leidenschaft dahinter. Doch er verlässst sich ganz auf Argumente, polemisiert nicht, verkneift sich Überspitzungen. Das Referat enthält keinen einzigen Lacher, und dennoch habe ich ihm gefesselt zugehört.
und sie hat recht. den vortrag kann man sich aber auch ungefesselt sehr gut anhören.
wie einige wissen, läuft hier kein wordpress, sondern eine fast zehn jahre alte software die zwar ein kommentarsystem mitbrachte, das aber so unbedienbar war, dass ich seit ca. 2004 zuerst haloscan als externes kommentarsystem an wirres.net anflanschte. vor ein paar jahren hat dann die firma echo oder js-kit (so genau weiss ich das nicht, die benennen sich ständig um) haloscan gekauft. mit echo war das mit der bedienbarkeit auch nicht so weit her, aber echo hatte zumindest die alten haloscan-kommentare übernommen, so dass die kommentarstruktur seit 2004 erhalten blieb.
alternativen zu echo habe ich immer wieder ausprobiert. zuletzt vor 3 jahren mal disqus. der import der daten funktionierte damals aber nicht besonders gut und das backend von disqus trieb mich damals mehr oder weniger in den wahnsinn. also liess ich alles beim alten, auch wenn sich immer mehr leute darüber beschwerten, wie scheisse dieses echo-kommentarsystem doch sei. vor allem mobil war es so gut wie unbedienbar.
vor zwei wochen kündigte echo (oder js-kit) nun an, dass sie sich diesmal nicht umbenennen würden, sondern ihren geschäftszweck anders ausrichten würden und deshalb das kommentarsystem im oktober dieses jahres einstellen würden. also habe ich mir disqus nochmal angesehen und die import funktion nochmal getestet. nach 2 tagen war der import abgeschlossen, leider fehlen jetzt von den angeblich 23.000 kommentaren ca. 19.000. auch die antwortstränge wurden von disqus nicht übernommen, profilbilder und email-adressen leider auch nicht. aber auf den ersten blick gehen die kommentare recht weit zurück. die fehlenden kommentare scheinen die alten von haloscan zu sein, denen in der exportdatei von echo keine korrekten zuweisungen zu einzelnen artikeln angeheftet wurden.
so ist das dann eben, fehlen halt ein paar kommentare. dafür funktioniert das kommentieren jetzt offenbar auch mobil ganz gut, disqus hat ein eigenes mobiles theme. ich bin mal gespannt wie disqus auf die leser reagiert, die hier mit deaktivierten cookies von drittseiten aufschlagen und kommentieren, in der vergangenheit hat das immer wieder zu unschönen dreifachpostings geführt. über reges testen würde ich mich freuen.
standard-mässig laden die disqus-kommentare und das entsprechende javascript übrigens nicht. erst wenn man den kommentar-slider öffnet oder auf einen kommentar-permalink klickt, wird der javascript-schnipsel von disqus mitsamt seinen angehängten webbugs und zählpixeln nachgeladen. das heisst aber natürlich auch, dass mit deaktiviertem javascript oder javascriptblockern, die javascript von drittseiten blockieren, weiterhin kein unfallfreies kommentieren möglich ist. aber trackbacks oder tweets mit links zu einzelnen artikeln werden weiterhin angezeigt. feedback kommt also an, wenn man sich die mühe macht.
über ostern war ix offline. bei meinen eltern. die haben zwar internet zuhause, aber länger als 10 minuten am stück war ich nicht wirklich online. das lag gar nicht mal daran daran, dass nicht nur meine familie dort war, sondern auch die meiner schwester, dass meine eltern mir eine ellenlange todo-liste präsentierten (tischbein anleimen, wohnzimmer umräumen, plastik von joachim bandau aufhängen, neuen ofen bewundern und ausprobieren ob man dadrin wirklich pizza backen kann (geht), instagram erklären und installieren, fritzbox und iphones aktualisieren, ständig fleisch essen), sondern vor allem daran, dass wir zwei tagesausflüge nach holland in die niederlande und nach belgien unternommen haben. genauer, nach maastricht und nach antwerpen. und in den niederlanden und belgien, stellt man das internetgedöns auf dem telefon besser ab, hab ich mir sagen lassen.
verpasst hab ich in der zeit im internet, glaub ich, nicht viel. gesehen hab ix dafür aber einiges. zum beispiel in maastricht das wunderbare bonnefanten musuem, in dem aktuell die ziemlich vielseitige, etwas sol-lewitt-lastige ausstellung der sammlung von martin visser zu sehen ist. viele tolle arbeiten, besonders witzig fand ich aber die sol-lewitt-arbeit an einer der wände, die von 3 mitarbeitern des „estate sol lewitt“ in 7 tagen in buntstift-strichen mit 1,5 millimeter abstand erstelt wurde. aus der entfernung sah das aus wie mehrere pastellfarbene farb-flächen, aus der nähe wie diagonale buntstiftlinien mit 1,5 mm abstand.
faszinierend einertseits, weil die arbeit beeindruckend ist, andererseits weil sie als „original“ sol-lewitt-arbeit gilt, obwohl sie im jahr 2012 entstanden ist, sol lewitt aber 2007 verstarb. so ist das mit den originalen in der kunstszene. auch hier bestimmt nicht originalität die originalität der arbeit, sondern die lizenz.
ebenso inspirierend das museum van hedendaagse kunst antwerpen, insbesondere die sonderausstellung der beeindruckenden video-arbeiten von chantal akermann. entweder die arbeiten waren echt gut oder die präsentation über eine ganze etage war exzellent.
paul van dyk so auf die frage, ob uns die piraten auf dauer erhalten bleiben:
Die Grünen haben zwar auch als wilder Haufen angefangen, aber die wollten wirklich was, nämlich Umweltschutz. Aber zum Internet gibt es in den etablierten Parteien längst große Arbeitsgruppen. Deshalb glaube ich, wir brauchen die Piraten nicht.
das ist mal ein schönes piraten-wattebäuschchen-bashing von einem SPD-fan. wobei mich so eine die-arbeitsgruppen-da-oben-untertanen-haltung auch ein bisschen traurig macht.
andererseits ist das auch prima stoff zum weiterspinnen:
klar ist das zitat oben aus dem zusammenhang gerissen. das ganze, auf zwei seiten zerrissene interview gibts auf tagesspiegel.de. das interview wird aber nicht besser wenn man den rest von van dyks antworten liest. im gegenteil. er sagt auch diese vor weisheit und differenzierungsvermögen strotzenden sätze:
Tagesspiegel: Treibt es Sie als Musikproduzenten um, dass mit den Piraten jetzt die Freunde des freien Downloads im Abgeordnetenhaus sitzen?
Paul van Dyk: Persönlich trifft mich das nicht, aber ich habe ein anderes Demokratieverständnis. Wenn ich in ein Taxi steige, möchte ich, dass der Fahrer das Ziel kennt. Der soll nicht erst losfahren und unterwegs dauernd sagen, dass er sich nicht auskennt. Ich sehe hinter dem Erfolg der Piraten eher einen Pseudo-Protest. Nehmen wir das Acta-Abkommen, mit dem einfach deutsche Gesetze in EU-Recht umgesetzt werden sollen. Es geht dabei nur ganz am Rande darum, ob einer einen Hollywood-Film oder ein Musikstück runterlädt. Worum es geht, ist Kriminalität, um Datenklau. Wenn einer alle Verschlüsselungen knackt, würde unsere Zivilisation zusammenbrechen. Ich weiß nicht, ob das im Interesse von Herrn Lauer ist. Der sieht mir jedenfalls aus wie ein Besitzstandswahrer.
ich verstehe das argument einfach nicht. wenn ACTA gar nichts am status quo verändert, warum soll man es dann umsetzen? ist das EU-recht irgendwie besser? leckerer? knackiger? wirksamer? ach es geht um datenklau, um kriminalität? wie der name ACTA schon sagt: Anti-Counterfeiting Trade Agreement, was auf deutsch übersetzt Anti-Datenklau und -Kriminalitäts-Abkommen bedeutet. klar van dyk.
wobei der satz „wenn einer alle Verschlüsselungen knackt, würde unsere Zivilisation zusammenbrechen“ tatsächlich ein super argument gegen pseudo-proteste und die piraten und überhaupt dieses ganze netz-dings ist.
ich finde paul van dyk hat sich mit diesem interview eine ehrendoktorwürde der universität des takka-tukka-lands verdient. einen ehrenplatz im SPD-online-beirat sowieso.
die sendung vom sonntag von roche und böhmermann, die konsequent als „günther jauch, mit charlotte roche und jan böhmermann“ angekündigt wird, war mal wieder hart an der grenze zum fremdschämen oder genauer an der grenze vor dem in die hose machen, vor sorge, die sendung könnte den moderatoren entgleiten. was, die sendung aber immer wieder für mich rettet, ist das happy end. der kurze moment nach der sendung in dem roche und böhmermann die sendung selbst kritisieren und bewerten.
diese andertalb minuten sind, neben den grossartigen einspielern, der superen vorspannmusik und dem aus der zeit gefallenen ansager, immer mein lieblingsstück. und zwar aus dem einfachen grund, dass beide genau das was ich über sendung dachte aussprechen. in der sendung vom sonntag dachte ich, so helle ist der sohn vom ochsenknecht ja nicht gerade, aber wenigstens irgendwie konsequent doof und davon untangiert. und böhmermann sagt: „wilson gonzales ist echt cool. er ist ein kleines bisschen … er denkt nicht so viel weiter als … also … er denkt nicht sehr viel weiter als man … also … er denkt nicht viel weiter … sehr weit … “.
aber der hammer gag am ende: „das war günther jauch, mit charlotte roche und jan böhmermann. nächsten sonntag zu gast, robert mugabe, joseph kony, mahmoud ahmadinejad und … andrea nahles. ich wünsche ihnen einen angenehmen start in die woche.“
51 tatort-autoren haben offenbar die schnauze voll davon, im schatten von schauspielern und intendaten rum zu stehen und melden sich mit einer offenbar hastig formulierten wortmeldung für ihre 15 minuten ruhm aufmerksamkeit an.
nicht nur ole reißmann fragt sich, wovor die autoren eigentlich so viel angst haben. ole reißmann:
Warum muss man das Urheberrecht so vehement gegen “Lebenslügen” verteidigen, wo es doch ohnehin “ultimativ verbrieft” ist?
nach dem lesen des offenen briefs der 51 tatort-autoren fiel mir auf, dass sie nicht nur den grünen, den piraten, den linken und der netzgemeinde „lebenslügen“ vorhalten, sondern auch selbst unter ein paar lebenslügen oder wunschvorstellungen zu leiden scheinen:
lebenslügen von tatort-autoren:
besonders gefällt mir wieder mal der pauschalvorwurf an die „user“, also alle benutzer des internets (also wohl auch mein vater und meine mutter), dass diese in einer „Umsonstkultur“ lebten:
Diese politische Verkürzung von Grünen, Piraten, Linken und Netzgemeinde dient lediglich der Aufwertung der User-Interessen, deren Umsonstkultur so in den Rang eines Grundrechtes gehievt werden soll.
erstmal bin ich natürlich froh, dass ich für den etwas lieblos gesetzen text der drehbuchautoren nichts zahlen musste, frage mich aber, ob die drehbuchautoren was dagegen haben, dass ich mir einfach so die daily show mit jon stewart ansehen kann oder dass ix auf spiegel-, zeit- oder dings-online teilweise harsche kritiken ihrer drehbücher kostenlos durchlesen kann.
möglicherweise meinen sie mit „umsonstkultur“ aber auch, dass es leute gibt, die sich tatorte aus der ARD-mediathek kinofilme oder musikstücke kostenlos aus dem internet saugen. das trifft sicherlich zu, genauso wie es zutrifft, dass es leute gibt die in den puff gehen, leute die durchfall haben oder leute die ladendiebstahl begehen. aber deshalb herrscht doch hier „in der Bundesrepublik“ keine bezahlsex-, dünnschiss- oder kleptomanie-kultur.
immerhin, das freut mich wirklich sehr, haben die tatort-autoren zum ersten mal seit langer zeit etwas geschrieben, das mich nicht unfassbar langweilt, sondern vor allem (und das finde ich immer gut) irritiert und inspiriert.
Das Interessante an den #Tatort-Autoren ist, dass sie sich bereits per Kultur-Flatrate (via GEZ) finanzieren. Eigentlich zukunftsweisend.
about 5 hours ago via TweetDeck Reply Retweet Favorite
@urbach Matthias Urbach
ich habe gehört, es gibt „in der Bundesrepublik“ sonntags so eine art tatort-ritual. bei uns läuft das übrigens so ab: ich setze mich mit meinem laptop in die küche um zu lesen, meine ruhe zu haben oder zu schreiben, die frau und manchmal das kind liegen vor dem fernseher und schauen tatort. in letzter zeit haben beide öfter ihre laptops auf den knien. wenn ich frage was sie mit den laptops machen, antworten beide: „tatort ist langweilig.“ das haben sie früher immer erst nach dem tatort gesagt.
markus beckedahl weist auf eine „liebenswerte“ antwort des CCC an die drehbuchautoren hin:
Liebe Tatort-Drehbuchschreiber,
mit Freude nehmen wir – ganz kess als Vertreter der von Euch angeprangerten “Netzgemeinde” – Euer Interesse an unseren Gedanken zu einer Versachlichung der Diskussion über Urheber- und Urheberverwertungsrechte im digitalen Zeitalter wahr. Bevor wir aber unnötig gleich zu Beginn Schubladen öffnen: Auch wir sind Urheber, sogar Berufsurheber, um genau zu sein. Wir sind Programmierer, Hacker, Musiker, Autoren von Büchern und Artikeln, bringen gar eigene Zeitungen, Blogs und Podcasts heraus. Wir sprechen also nicht nur mit Urhebern, wir sind selber welche. Es wird daher keinen “historischen Kompromiß” geben, denn es stehen sich nicht zwei Seiten gegenüber, jedenfalls nicht Urheber und Rezipienten, sondern allenfalls prädigitale Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch auf der einen Seite und Ihr und wir auf der anderen, die wir deren Verträge aufgezwungen bekommen.
und, nochmal markus beckedahl:
Wer sich übrigens fragt, woher plötzlich dieser PR-Spin des Verbandes der Drehbuchautoren kommt: Das war angekündigt. Die Politik hat sich das gewünscht und bekommt jetzt geliefert.
Gleichzeitig unterstrich er (Anmerkung: Staatssekretär Hans-Joachim Otto), wie auch seine Kollegen aus Reihen von CDU, SPD und FDP, dass vor allem die Kreativbranche selbst gefordert sei, der öffentlichen Diskussion eine neue Richtung zu geben, die Anliegen der Urheber begreifbar zu machen. Gerade Künstler seien “sprachgewaltige” Botschafter.”
ah, mal wieder ein typografischer witz (hier geliehen):
ältere typografische witze auf wirres.net:
meine these ist ja, dass postillion-überschriften hervorragnd als tweets geeignet sind. der rest der artikel ist meist überflüssig.
q.e.d:
„Satireforscher messen Rekordniveau an Ironie, als Papst in Kuba Fortschritte fordert“
in der sendung mit der maus war am sonntag zu sehen, warum es sinnvoll ist, alte handys in das recycling zu geben: damit die recycling-unternehmer gold, silber, seltene erden und alles mögliche aus ihnen extrahieren können und sich eine goldene nase verdienen können. oder so.
in der ARD-mediathek findet sich die komplette sendung vom sonntag. die aktuelle sendung lohnt sich auch deshalb, weil in der sendung einem maulwurf (spoiler: von einem hund) auf den kopf gegkackt wird und er sich angemessen dafür revanchiert. in kindersendungen kann man soviel lernen!
dieser artikel von christoph keese ist auf vielen ebenen entlarvend. keese reiht fakten und zahlen aneinander denen man kaum widersprechen kann, da sie faktisch sind scheinen. die schlüsse die er daraus zieht, sind allerdings grösstenteils hanebüchen. netterweise finden sich die meisten gegenargumete zu keeses pseudoargumenten in den kommentaren unter keeses artikel (unbedingt alle kommentare lesen). bis auf eine von keeses behauptungen, die unwidersprochen bleibt:
3. Allein im Jahr 2011 hat Google in den USA 32 unterschiedliche Lobby-Beraterungsunternehmen angeheuert, um gegen 62 geplante Gesetze in Repräsentatenhaus und Senat vorzugehen. Nicht alle davon hatten mit immateriellen Gütern, also geistigem Eigentum, zu tun, doch unter dem Strich lag der Schwerpunkt klar auf Gesetzen zu Urheber- und Patentrecht sowie zu Werberegulierungen. Der Aufstand gegen SOPA, PIPA und ACTA ist in wichtigen Teilen ein Ergebnis des Google-Lobbyismus.
echt? hält keese die tausenden von menschen die in ganz europa gegen acta auf die strasse gegangen sind, die hunderten von menschen die gegen sopa, pipa, acta anschroben für google-gesteuert? und überhaupt: was wäre das für ein grandioser lobbyismus, der die leute zu protesten auf die strasse treibt?
oder andersrum: wo waren die leute auf den strassen die durch den ebenfalls millionenschwer gestützten pro-ACTA/SOPA/PIPA-lobbyismus auf die strasse getrieben wurden um dafür zu protestieren? wo waren die menschenmassen auf den strassen, die für die senkung der mehrwertsteuersätze für hoteliers demonstriert haben?
mal im ernst, keeses verachtung für menschen die sich um die freiheit sorgen — berechtigt oder nicht — finde ich beachtenswert. aber so ticken lobbyisten wie christoph keese offensichtlich: demokratie ist in ordnung, solange das volk die schnauze hält. und hält es nicht die schnauze, steckt ganz sicher die andere seite dahinter. keese hält die menschen für durch und durch steuerbar.
wie gesagt. ich finde das beachtenswert. und auch verachtenswert.
ziemlich witzig und für den webvideo-preis nominiert . / dasnuf
veit medick und annett meiritz zitieren im spiegel-online forsa-chef manfred güllner zu den wählern der piraten im saarland:
Das ist ein Phänomen. […] Während die Grünen in ihrer Anfangszeit nur ein sehr schmales Segment des deutschen Bildungsbürgertums aktivieren konnten, sind die Piraten in allen Schichten zu finden. Es ist falsch, ihre Wählerschaft nur auf die Internet-Nerds zu reduzieren. Sie ist sehr heterogen.
meine worte, allerdings in bezug auf sogennante „blogger“: die sind auch sehr heterogen. wie das netz. heterogen ist gut.
heterogen treibt die etablierten (wasauchimmer) in den wahnsinn. heterogen bietet keine angriffsfläche. (oder anders gesagt: warum die piraten zur dritten volkspartei zu werden drohen.)
heute bin ich mal wieder durch die hafencity gelaufen. architektonisch ist das was man dort sieht ja eher pop und kein rock’n’roll (wie sven auf#regener sagen würde). ich würde vielleicht noch hinzufügen, dass alles wirkt wie swarovski-pop. viel glitzer und das starke bemühen den neuen stadtteil leuten die auf swarovski und anderen wertvoll aussehenden glitzerkram stehen, attraktiv zu erscheinen.
bei sonne und am wochenende funktioniert es aber. die leute bevölkern das retorten-viertel wie die fliegen die scheisse. auch sonst scheint es zu funktionieren. vor den schaufenstern der immobilien-händler herrscht andrang. der leerstand ist nicht auf den ersten blick zu erkennen.
ein paar der häuser halte ich durchaus für gelungen, aber ob die mischung des neuen viertels ausgewogen genug ist um das viertel über das promenieren und das besuchen der philharmonie hinaus attraktiv zu machen wird sich zeigen. ich hab leise zweifel. aber zum promenieren und fotografieren eignet es sich hervorragend.
ich habe in meinem artikel in der taz.de mal wieder behauptet, dass es gar keine „kostenloskultur“ im internet gebe, sondern im gegenteil, eine ziemlich ausgeprägte bereitschaft im netz für kreative werke zu zahlen. ich habe für meine these in der taz.de nicht so irre viele argumente aufgeschrieben, ebenso wie für meine zweite these, dass gegenseitiger respekt eigentlich nur durch gegenseitigen respekt möglich wird.
mich würde es wirklich mal interessieren, welche argumente oder konkreten hinweise es dafür gibt, dass internetnutzer pauschal nicht zu zahlen bereit sind, also eine kostenloskultur im netz grassiert. kann mir jemand echte argumente oder zahlen dafür nennen oder darauf hinweisen? meiner erinnerung nach existiert die kostenloskultur lediglich als behauptung — ich kann mich gerade zumindest an kein einziges stichhaltiges argument erinnern, das diese these stütze. auch im kommentarbereich zu meinem artikel auf taz.de finde ich lediglich die wiederholte behauptung, dass es eine kostenloskultur gibt oder geben muss, immer ohne auch nur einziges stichhaltiges argument. möglicherweise bin ich aber auch zu blöd um die argumente zu erkennen.
ich sammel mal eben kurz und lieblos linkreich ein paar argumente, warum ich glaube, dass es eine grosse zahlungsbereitschaft im internet gibt:
in letzter zeit gibt es dafür einige beispiele. zefrank hat für seine show, die er neu auflegen will auf kickstarter die dreifache summe an startkapital zusammengetragen als er ursprünglich wollte.
daniel lieske hat vor einem jahr einen comic (kostenlos) ins netz gestellt und sich damit mittlerweile selbststädnig gemacht. rené walther schrob dazu: „Der Mann [hat] sich damit selbständig gemacht, einen Verlag dafür gefunden, eine App per Kickstarter finanziert, das Teil in drölf Sprachen übersetzen lassen und 2012 soll das Comic in Buchform erscheinen.“
tim schafer, adventurespiel-designer von spielen wie monkey island oder day of the tentacle fragte auf kickstarter nach 400tausend dollar um ein neues adventurespiel zu machen (etwas hintergrund bei nerdcore). er konnte keine spielefirma für das projekt begeistern. finanziert haben ihm die anhänger der ksotenloskultur fast 3,5 millionen dollar.
itunes music store, app store, amazon music, netflix, hulu-plus und viele andere dienste die einfache bezahlung, faire preise und guten kundenservice bieten machen ständig steigende schrillionenumsätze. wie kann soetwas bei einer ausgeprägten kostenloskultur passieren?
louis ck hat eine bühnenshow> aufwändig produziert und abfilmen lassen. auf eigene kosten. er hat die topaktuelle show im dezember zum download angeboten für 5 dollar. ungewöhlich daran war, dass er weder einschränkte von wo die show zu kaufen ist (region code), dass die aufzeichnung keinen kopierschutz oder andere gängelungsmethoden (DRM) beinhaltete, so dass man sie sich ansehen konnte wo und wie man wollte und dass er zwar darum bat die show nicht ohne seine zustimmung per torrent oder download anzubieten, ihm das aber andererseits auch egal war (mehr dazu hier und hier).
louis ck beschimpft sein publikum in seiner show teilweise aufs übelste. als kunden beschimpft er seine fans nicht, im gegenteil, er bietet ihnen einen fairen deal an. der erfolg? louis ck nahm mit der show soviel ein, dass er mehr als die hälfte der einnahmen spendete und an seine mitarbeiter ausschüttete.
was ich eigentlich auch nur fragen wollte: welche argumente gibt es für das existieren einer kostenloskultur? ich freue mich im kommentarbereich oder per email über argumente die über das blosse behaupten hinausgehen (auch gerne links dahin) und ich werde mich bemühen sie gegen meine these abzuwägen.
[nachtrag 24.03.2012]
nina paley (via) hat mit 15-17 jährigen jugendlichen gesprochen und sie gefragt wie sie künstler unterstützen würden. sehr lesenswert. nina paleys lieblingszitat von einer fünfzehnjährigen:
We don’t want everything for free. We just want everything.
[nachtrag 24.03.2012]
jemand schrob mir per mail folgendes:
vorab: ich halte den Begriff "Kostenloskultur" für falsch.
Ich glaube aber, dass er sich schlicht und einfach dem Umstand verdankt, dass die Nutzung gewisser Dienste (Suchmaschinen, Archive ...) nicht auf dieselbe Art und Weise bezahlt werden muss, wie man es vor der Existenz dieser Dienste gewohnt war, für eine Dienstleistung bezahlen zu müssen. Tatsächlich kann ich Informationen erhalten, ohne dafür Geld auszugeben, für die ich früher Geld ausgeben musste.
Mich überzeugen weder Ihre Crowdfundingbeispiele, noch Ihre unermüdlichen Hinweise auf die Bereitschaft im Netz für kreative Werke zu zahlen. Erstens ist ein Beispiel kein Beweis. Zweitens hängt die Bereitschaft, für kreative Werke zu bezahlen, wesentlich vom Einkommen ab.
Mir persönlich wäre es viel lieber, es gäbe tatsächlich eine Kostenloskultur im Sinne von "teilen statt tauschen". Mit "teilen" meine ich nicht nur, dass ich meine Urlaubsfotos auf einer sogenannt "sozialen" Plattform mit anderen Usern teile, sondern dass ich mein kreatives Werk zum kostenlosen Download anbiete. Stellen Sie sich bloß mal vor, wir würden uns alle daran gewöhnen, und es würde vom Netz in die materielle Welt übergreifen, weil wir nicht mehr einsehen wollen, für etwas bezahlen zu sollen. Das wäre doch herrlich. Waren und Dienstleistungen hätten dann keinen Tauschwert mehr, und infolgedessen wären wir alle unermesslich reich, weil uns alles zur Verfügung steht, und niemand könnte sich mehr an der Arbeit anderer, und vor allem auf Kosten jener Arbeitenden bereichern. Aber selbst wenn es nicht auf die materielle Welt übergriffe: Ist doch toll, wenn Menschen Zugang zu kreativen Werken haben, den sie nicht hätten, wenn sie dafür bezahlen müssten.
Und schließlich kann nicht oft genug die Frage "Cui bono?" gestellt werden, in diesem Fall an diejenigen, die so eifrig gegen die Kostenloskultur wettern.
Ich finde, man sollte die Vorzüge der Kostenloskultur, auch wenn sie noch gar nicht richtig existiert, loben, anstatt gegen sie zu argumentieren.
ich habe darauf geantwortet:
ja, das ist auch ein aspekt: was ist schlecht an den vielen dingen die es im internet, mit voller absicht und durchaus trifftigen gründen, gibt. wenn sich also entwickler beispielsweise entscheiden ihre software als lizenzgebührenfreie open source software zu veröffentlichen um so anderen die gelegenheit zu geben, darauf aufzubauen oder sie zu verbessern? wenn leute die etwas zu sagen haben, das ohne bezahlschranke, sondern zum gedankenaustausch und dazulernen machen. wenn musiker ihre musik in CC-lizenz veröffentlichen oder video, wie früher im radio, im dritten auf formel1 oder auf MTV veröffentlichen um aufmerksamkeit und auch geld zu verdienen.
so gesehen, wie ein kommentator unten in den kommentaren schrob, gibt es eben beides. eine ausgeprägte kostenloskultur, ebenso wie eine ausgeprägte bezahl-, crowdfunding- oder sonstwie-bezahlkultur. und, auch wenn sie das bezweifeln, ich glaube es gibt ein bedürfnis dafür, leuten die einem eine freude bereiten, ebenso eine freude zu bereiten. derzeit noch vornehmlich mit geld, eintrittsgeld, kaufpreise, spenden, merchandise. es mag freilich auch sein, dass sich die gesellschaftliche konvention für was man anständigerweise bezahlt stetig ändert. schliesslich bezahlen verleger und fernsehproduzenten interviewpartnern, egal wieviel geistiges eigentum diese absondern, niemals honorare. niemand zahlt (bildende) künstler nach der qualität ihrer arbeit, die preise am kunstmarkt sind spekulationspreise. je teurer die vorherigen arbeiten eines künstlers verauft wurden, desto mehr sind seine aktuellen wert.
ja. möglicherweise sind beispiele keine beweise, aber eben doch starke hinweise auf eine tendenz. die milliardenumsätze von apple und amazon und vielen mehr sind meiner meinung nach aber mehr als beispiele. sie zeigen deutlich: es wird bezahlt wenn der preis stimmt, der komfort und die qualität kostenlos überlegen ist oder wenn man das gefühl hat, dass geld kommt beim künstler und nicht bei irgendwelchen BWL-fuzzis an. tatsächlich sind die einzigen „beweise“ für eine angebliche kostenloskultur die ich bisher gehört habe eben auch beispiele. ja, es gibt viele die nicht für A zahlen wollen, aber vielleicht für B. genauso wie es viele gibt die kokain oder speed oder crystal meth konsumieren — und man trotzdem daraus nicht auf eine ausgeprägte drogenkultur in deutschland schliessen kann.
die vorzüge einer kostenlos-kultur preise ich übrigens ziemlich unermüdlich an (finde ich zumindest). aber vielleicht sollte man das viel aggressiver machen.
zu sven regeners wutanfall kürzlich im radio kann man alles mögliche sagen und das meiste wurde auch schon gesagt. das was dazu gesagt wurde und ich bemerkens- und lesenswert fand, habe ich eben hier verlinkt.
gestern abend hab ich für die taz in ungefähr 5000 zeichen etwas zum thema geschrieben, die eben veröffentlicht wurden: „Das Gefühl, verarscht zu werden“
diesen absatz hab ich mir selbst aus dem taz-artikel rausgestrichen, bzw. nicht mehr im taz-artikel unterbringen können:
Regener sagt, dass Rock’n’Roller wie er jede einzelne Mark (sic!) von Leuten bekommen, die sagen: ja das ist mir das wert, ich gebe 99 Cent für dieses Lied aus. Alles andere sei „Subventionstheater“ oder „Strassenmusik“. Wenn mich mein juristisches Halbwissen nicht ganz trügt stimmt das so nicht. Jeder Mensch in Deutschland der einen Computer oder ein Smartfone kauft, zahlt Abgaben an die Verwertungsgesellschaften. Es gibt Abgaben für CD-Laufwerke, für CD- und DVD-Rohlinge, Speichersticks, für Fernseher und Radios und mittlerweile auch Computer und Smartfones wird sogar eine monatliche Gebühr fällig die anteilig auch Rock’n’Rollern wie Regener zugute kommen. Selbst wenn ich Element of Crime hasste und nie hören wollte, hätte ich bereits mehrfach die eine oder andere Mark an Sven Regener abgegeben.
zum thema urheberrecht hat sven regener schon öfter was gesagt, unter anderem hier.
manchmal gibts tage, da läuft ein video von abends bis morgens (oder umgekehrt) durch meine timeline. und ich ignoriere es. bis eben, da las ich auf onlinejournalismus.de:
Ein beeindruckendes Video aus dem ansonsten internetmäßig nicht so spannendem US-Wahlkampf:
und sah es mir dann doch an. und fand es nicht schlecht.
eben las ich auf meedia, dass holger liebs, der chefredakteur von monopol, sich entschieden habe einen artikel über damien hirst mit leeren bildern zu illustrieren, weil das studio von hirst die bilder erst freigeben wollte, nachdem ihnen der komplette, fertige artikel vorgelegt würde. dazu sagte er:
Dass das Unternehmen eines Künstlers unsere redaktionelle Berichterstattung kontrollieren will, bevor es die Bilder zum Abdruck freigibt, überschreitet eine Grenze.
statt bildern, weisse flächen. ich musste mir dann vorstelen wie google auf eine presse-leistungsschutzrecht reagieren könnte: